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Lady Trents Memoiren 5: Im Schutz der Drachenschwingen
Lady Trents Memoiren 5: Im Schutz der Drachenschwingen
Lady Trents Memoiren 5: Im Schutz der Drachenschwingen
eBook426 Seiten5 Stunden

Lady Trents Memoiren 5: Im Schutz der Drachenschwingen

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Über dieses E-Book

Lady Trents Entdeckungen in Akhien sind der Stoff romantischer Legenden und haben sie von akademischer Bedeutungslosigkeit zu weltweitem Ruhm katapultiert. Die Details ihres Privatlebens während jener Zeit sind ebenso bekannt und haben bis über die Landesgrenzen hinaus für Aufregung gesorgt. Doch, wie es in der Karriere dieser schillernden Frau so oft der Fall ist, ist die Geschichte, welche die Öffentlichkeit kennt, bei Weitem nicht vollständig.

Der abschließende, fünfte Band enthüllt endlich die Wahrheit hinter Lady Trents berühmt-berüchtigstem Abenteuer: Sie trotzte dem höchsten Gebirge der Welt, das weit hinter dem Territorium von Scirlands Feinden liegt und machte dort im Heiligtum der Schwingen eine überraschende Entdeckung.
SpracheDeutsch
HerausgeberCross Cult
Erscheinungsdatum4. März 2019
ISBN9783959816953
Lady Trents Memoiren 5: Im Schutz der Drachenschwingen

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    Buchvorschau

    Lady Trents Memoiren 5 - Marie Brennan

    5662

    TEIL EINS

    In welchem die Memoirenschreiberin einen

    höchst unerwarteten Verbündeten gewinnt

    EINS

    Leben als Dame – Eine Vorlesung in der Caffrey Hall –

    Die Studentin meines Ehemanns – Der Stand unseres Wissens –

    Suhails Theorie – Ein ausländischer Besucher

    Mitglieder des Hochadels benehmen sich, wie ich Ihnen wohl kaum erklären muss, nicht immer gut. Nach meinem Aufstieg in deren Reihen hätte ich wohl zügellos werden und meinen Wohlstand auf Arten verspielen können, die von respektabel bis zu etwas ganz anderem rangierten. Ich hätte mich in die gesellschaftliche Welt der Aristokratie stürzen und meine Tage mit Besuchen in den Salons anderer Damen und dem Klatsch über Mode und Skandale füllen können. Ich hätte mich, wäre ich ein Mann, in die Politik einmischen und versuchen können, mir einen Platz im Gefolge eines einflussreicheren Kameraden zu sichern.

    Ich kann mir vorstellen, dass mittlerweile sehr wenige meiner Leser überrascht sein werden, wenn sie hören, dass ich all diese Dinge unterlassen habe. Ich habe nie sehr zum Spielen geneigt (zumindest nicht mit meinem Geld), ich finde sowohl Mode als auch Skandale extrem langweilig, und meine Beschäftigung mit der Politik habe ich immer so weit wie möglich eingeschränkt.

    Natürlich bedeutet das nicht, dass ich mich gänzlich aus solchen Angelegenheiten heraushielt. Es wäre akkurater zu sagen, dass ich mir selbst etwas vormachte: Sicherlich war es, wie ich argumentierte, überhaupt nicht politisch, bestimmte Ziele zu verfolgen. Zugegeben, ich half Lucy Devere, die seit Jahren unermüdlich für das Frauenwahlrecht gekämpft hatte, mit meinem Namen und meiner Befürwortung, und ich konnte dabei nichts anderes als eine politische Motivation vorgeben. Mein Name hatte damals bereits eine gewisse Aura, und meine Fürsprache war zu einem bedeutenden Vorteil geworden. Immerhin, war ich nicht die berühmte Lady Trent, die Frau, die die Schlacht von Keonga gewonnen hatte? War ich nicht mit einer eigenen Armee nach Point Miriam marschiert, als die Ikwunde in Bayembe eingefallen waren? Hatte ich nicht die Geheimnisse der drakoneischen Sprache entschlüsselt, die seit dem Fall jenes Reiches nicht mehr entziffert worden war?

    Die Antwort auf all diese Fragen war natürlich Nein. Die populäre Geschichte meines Lebens hat die Realität immer recht deutlich überstrahlt. Ich war mir dieses Strahlens bewusst und fühlte mich verpflichtet, es zu nutzen, wann und wo ich konnte.

    Doch sicherlich waren die anderen Zwecke, für die ich es verwendete, nur akademisch. Zum Beispiel half ich dabei, die Trent-Akademie für Mädchen in Falchester zu gründen, die ihre Schülerinnen nicht nur in den üblichen weiblichen Fähigkeiten wie Musik und Literatur, sondern auch in Mathematik und verschiedenen naturwissenschaftlichen Fächern ausbildete. Als die Merritford-Universität anfing, die ersten Abschlüsse in Drakonologie zu verleihen, stiftete ich gerne den Trent-Lehrstuhl für jenes Fach. Ich schenkte der Internationalen Bruderschaft für drakonische Forschung, einem Sprössling aus der Arbeit, die Sir Thomas Wilker und ich im Dar al-Tannaneen in Qurrat begonnen hatten, sowohl finanzielle als auch gesellschaftliche Unterstützung. Weniger formell ermutigte ich das Wachstum der Fliegenden Universität, bis sie ein Netzwerk aus Freundschaften und Leihbüchereien in ganz Scirland bildete und in diesem Netz sehr viele Leute auffing, die ansonsten keinen Zugang zu solchen Bildungsmöglichkeiten gehabt hätten.

    Solche Dinge häufen sich, Stück für Stück, und man bemerkt erst, wenn es zu spät ist, dass sie ein ganzes Leben verschlungen haben.

    An jenem Tag, an dem ich eine gewisse Vorlesung in der Caffrey Hall besuchen ging, hing ich im Zeitplan hinterher, was in meinem Leben der übliche Zustand geworden war. Tatsächlich war der einzige Grund, warum ich sie nicht gänzlich verpasste, der, dass ich mir eine phänomenal hässliche Uhr gekauft hatte, deren einziger Vorzug – die meisten würden es einen Makel nennen – ihr unerträglich lautes Bimmeln war. Dies war die einzige Kraft, die dazu fähig war, mich aus dem Nebel meines Briefschreibens zu reißen, denn unser Butler war kürzlich in die Armee eingetreten, unsere Haushälterin war fortgegangen, um für ihre gealterte Mutter zu sorgen, und ich war mit den Ersatzleuten noch nicht vertraut genug, um mich darauf zu verlassen, dass sie mich mit Gewalt aus meinem Studierzimmer zerren würden.

    Allerdings hatten sie die Kutsche bereit gemacht, als ich die Treppe hinuntergerannt kam, und binnen kürzester Zeit war ich auf dem Weg zur Caffrey Hall. Damals war ich dankbar, weil ich tief enttäuscht gewesen wäre, wenn ich die Vorlesung verpasst hätte. Im Rückblick hätte ich noch wesentlich mehr verpasst.

    Das Gedränge auf der Straße draußen war so groß, dass ich meinen Kutscher um die Ecke dirigierte, wo ich ausstieg und den Saal durch einen Seiteneingang betrat. Dies brachte mich meinem ersten Ziel viel näher, das ein Raum neben dem eigentlichen Vorlesungssaal war. Ich drückte mein Ohr an die Tür und hörte drinnen eine Stimme murmeln, was mich davor warnte, ihn durch Klopfen zu stören. Stattdessen schob ich vorsichtig die Tür auf und schlüpfte leise hinein.

    Suhail lief in einem engen Kreis durch das Zimmer, lose Blätter in einer Hand, während die andere mit dem Rand seiner ungebundenen Krawatte spielte, und murmelte mit leiser, hektischer Stimme vor sich hin. Es war seine Angewohnheit, vor jedem Vortrag seine Punkte ein letztes Mal durchzugehen. Als er jedoch mich sah, blieb er stehen und holte seine Taschenuhr heraus. »Ist es so weit?«

    »Noch nicht«, sagte ich. Man konnte es an dem Lärm, der sogar durch die Tür hörbar war, nicht erkennen. »Ich bin aber furchtbar verspätet. Es gab einen neuen Bericht aus dem Dar al-Tannaneen.«

    Dies war das Heim der Internationalen Bruderschaft für drakonische Forschung, und der Bericht handelte von den Arbeiten zur Honigsucherzucht, die die Grenzen der Labilität in der Entwicklung feststellten. Tom Wilker und ich hatten dieses Prinzip während unserer Zeit dort durch reinen Zufall entdeckt, als wir festzustellen versuchten, wie viele Abweichungen von den gewohnten Umwelteinflüssen ein Drachenei aushalten konnte, ohne abzusterben oder einen fehlgebildeten Organismus hervorzubringen. Weitere Forschung hatte bestätigt, dass das Problem nicht so sehr eine Fehlbildung, sondern eine Mutation war, welche (im Erfolgsfall) die resultierende Kreatur ihrer erwarteten Umwelt anpasste.

    Natürlich war die Theorie noch nicht allgemein anerkannt. Keine solche Theorie ist das je: Es hat erstaunlich lange gedauert, bis sich das Konzept von Krankheitskeimen durchgesetzt hatte, obwohl es den Vorteil hat, Leben zu retten. Ich kann für meine eigene Theorie kein derart grandioses Resultat behaupten. Ganz langsam jedoch, eine Generation Honigsucher nach der anderen, legte die Arbeit der Bruderschaft eine Grundlage, die selbst die skeptischsten Kritiker nicht widerlegen konnten.

    Suhails Miene erhellte sich zu einem Lächeln. »Ich würde sagen, ich bin überrascht …«

    »… aber das wäre eine Lüge. Sie haben eine neue Idee, wie man das Wachstum größerer Honigsucher ermutigen könnte. Ich musste sie lesen und sehen, ob ich irgendwelche Ratschläge anbieten kann. Wo ich gerade davon spreche: Brauchst du irgendetwas, bevor du dich den Wölfen vorwirfst?«

    Er drehte sich um und legte die Papiere, die er hielt, in eine Ledermappe, damit seine Hand sie nicht mit Schweiß beflecken oder zerknittern würde. »Ich glaube, es geht selbst über deine wahnsinnigen Talente hinaus, einen zweiten Kataraktstein für mich aufzutreiben, der genau das ist, was ich wirklich am dringendsten brauche.«

    Ein zweites derartiges Artefakt mochte vielleicht existieren, aber wir hatten schon Glück gehabt, dass wir das erste gefunden hatten, und konnten auf eine Wiederholung dieses glücklichen Zufalls nicht zählen. Der Kataraktstein, über den ich im Dschungel von Mouleen gestolpert war, war das wertvollste Geschenk für Linguisten, ein zweisprachiger Text: Seine obere Hälfte war in der unentzifferbaren drakoneischen Schrift verfasst und seine untere Hälfte im viel entzifferbareren Ngaru. Indem wir von der Annahme ausgegangen waren, dass die beiden Hälften denselben Text enthielten, hatten wir zum ersten Mal entschlüsseln können, was in einer drakoneischen Inschrift stand.

    Weil ich selbst keine Linguistin war, hatte ich in meiner Einfalt angenommen, dass das reichen würde – dass die drakoneische Sprache nun, wo die Tür so geöffnet war, sogleich ihre Geheimnisse wie eine Blüte entfalten würde. Doch natürlich war es nicht so simpel. Wir konnten den Kataraktstein nicht wirklich lesen. Wir wussten nur, was da stand, was uns nicht dabei half, irgendeinen anderen Text zu entschlüsseln. Er gab uns einen Anhaltspunkt, nichts weiter.

    Und auch wenn ein Anhaltspunkt wesentlich mehr war, als wir in der Vergangenheit gehabt hatten, bot er uns nur eine kleine Grundlage, während wir nach dem nächsten Schritt suchten. Suhail hob eine Hand, um sich durchs Haar zu streichen, dann bemerkte er, dass dies seine Frisur durcheinanderbringen würde, und ließ seine Hand wieder sinken. »Ohne einen sichereren Rahmen für die gesamte Silbenschrift«, sagte er, »ist vieles von dem, was ich heute zu sagen habe, eine Vermutung.«

    »Eine höchst wissenschaftliche Vermutung«, erinnerte ich ihn und streckte meine Arme aus, um seine Krawatte zu binden. Ich musste das nicht für ihn tun. Als er angefangen hatte, sich auf scirländische Art zu kleiden, hatte er geschworen, dass er nicht die Art Adliger sein würde, der nicht einmal seine eigene Krawatte binden konnte. Außerdem gefielen ihm natürlich die komplizierten Knoten und Falten nicht, die die Dandys meiner Nation in jenen Tagen so liebten. Trotzdem lag ein einfaches Vergnügen in der Erledigung dieser Aufgabe, bei der ich fühlte, wie sich seine Atemzüge hoben und senkten, während ich den Stoff faltete und an seinen Platz steckte.

    »Dennoch nur eine Vermutung«, sagte er, während ich arbeitete.

    »Wenn du falschliegst, dann werden wir es mit der Zeit feststellen. Die Hypothese wird sich nicht als stichhaltig erweisen. Aber du liegst nicht falsch.«

    »So Gott will.« Er küsste mich auf die Stirn und trat zurück. Ob in einem scirländischen Gehrock oder einem akhischen Kaftan, mein Mann bot einen feinen Anblick – besonders in solchen Augenblicken, wenn sich seine Gedanken akademischen Themen widmeten. Die Herzen mancher Damen werden vom Geschick beim Tanzen gefangen, andere durch Poesie oder extravagante Geschenke. Es wird niemanden überraschen, dass ich von seinem scharfen Verstand gefesselt wurde.

    »Dich erwartet eine ordentliche Menge«, sagte ich, als der Lärm von draußen immer lauter wurde. »Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich mich nach hinten setzen, damit andere einen besseren Blick haben.« Ich hatte bereits einen Logenplatz bei der Entwicklung seiner Ideen genossen, für die das hier nur die öffentliche Verkündung war. In Anbetracht der Größe des wartenden Publikums vermutete ich, dass mehr als nur ein paar Leute während der gesamten Vorlesung stehen würden, und ich hätte meinen Stuhl gerne an jemand anderen abgetreten, aber weil ich eine Adlige und nebenbei noch eine Dame war, wusste ich, dass ich damit niemals Erfolg haben würde. Das Beste, worauf ich hoffen konnte, war es, irgendeinen gesunden jungen Kerl statt eines älteren Gentlemans zu verdrängen, der den Sitzplatz viel dringender brauchen würde als ich.

    Suhail nickte geistesabwesend. Er war vor einer Vorlesung immer so, und ich nahm es nicht persönlich.

    »Dann werde ich sehen, ob Miss Pantel irgendetwas braucht.« Ich schlüpfte wieder aus dem Zimmer.

    Draußen konnte ich Gesänge mit einem entschieden unfreundlichen Unterton hören. Das steigende Interesse an drakoneischen Angelegenheiten hatte einen gleichzeitigen Anstieg an segulistischem Zelotismus ausgelöst, der unsere neu gefundene Besessenheit von der heidnischen Vergangenheit anprangerte. Suhails Vortrag würde sie wahrscheinlich noch weiter erzürnen. Zum Glück hatte der Verwalter der Caffrey Hall die Vorsichtsmaßnahme getroffen, Männer anzuheuern, die an den Türen Wache standen, und die schlimmsten Störenfriede wurden draußen gehalten.

    Danach waren allerdings immer noch eine Menge Leute im Gebäude. Die Entzifferung des Kataraktsteins und die Entdeckung des Herzens der Wächter in den Tiefen der akhischen Wüste hatten eine Welle an Begeisterung für diese antike Zivilisation ausgelöst, sodass eine große Menge billiger Bücher von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt oder wissenschaftlichem Wert zu dem Thema veröffentlicht und drakoneische Motive in jedem Bereich von der Mode bis zur Innenarchitektur beliebt wurden. Zu Beginn dieser Woche hatte der Dichter Peter Flinders mir eine Ausgabe seines epischen Gedichts Draconis geschickt, weil er hoffte, dass ich es gutheißen würde.

    Selbst inmitten eines solchen Trends ist historische Linguistik ein ausreichend abstruses Thema, sodass es ein begrenzteres Publikum von einer (wenn ich es so sagen darf) höheren Klasse anzieht. Ich meine nicht unbedingt von Geburt oder Wohlstand: Ich sah dort Menschen, die man niemals in die erhabenen Hallen der Gesellschaft der Linguisten gelassen hätte. Sie machten eine ernste Miene, als wissen sie zumindest ein wenig über das Thema und seien begierig, mehr zu erfahren.

    Es war ein Anzeichen dafür, wie sehr sich die scirländische Gesellschaft seit meiner Kindheit gewandelt hatte, dass ich nicht die einzige Frau dort war. Selbst in nüchternen Nachmittagskleidern stachen die Angehörigen meines Geschlechts als helle Flecken unter den dunklen Anzugfarben der Männer hervor, und es waren mehr solche Flecken da, als ich erwartet hatte. Es gibt natürlich seit Jahrhunderten weibliche Gelehrte. Der Unterschied war, dass sie endlich draußen in der Öffentlichkeit waren, statt die Artikel und Bücher alleine in ihrem Salon oder in Gesellschaft weniger gleich gesinnter Freundinnen zu lesen.

    Eine solche Dame war auf der Bühne und veränderte die Platzierung des großen Ständers, der die Plakate halten würde, die Suhails Argument illustrierten. Ein guter Anteil der Skandale, die man einst Tom Wilker und mir nachgesagt hatte, hatte sich auf Erica Pantel und meinen Gatten verlagert. Es gab viel zu viele Leute, die es nicht glauben konnten, dass ein Mann tatsächlich eine junge Frau als seine Studentin annehmen konnte und das Wort etwas anderes als einen reinen Euphemismus meinte. Ich hatte den Überblick über die Anzahl an Gelegenheiten verloren, zu denen jemand in meiner Hörweite angedeutet hatte, dass ich schrecklich eifersüchtig auf sie sein müsse – besonders weil ich mit beinahe vierzig doch wirklich in die Jahre gekommen sei.

    Dies störte mich sehr wenig, was mich selbst betraf, denn ich wusste, wie falsch diese Gerüchte waren. Nicht nur hatte Suhail wenig Interesse daran, sich anderweitig umzusehen, sondern Miss Pantels Herz war auch bereits vergeben, an einen jungen Seemann aus der Handelsmarine. Sie waren wahnsinnig verliebt und hatten fest vor zu heiraten, sobald er von seiner derzeitigen Seereise zurückkehrte. Inzwischen beschäftigte sie sich mit ihrer anderen Leidenschaft, die aus toten Sprachen bestand. Ihre Zuneigung zu Suhail entsprang seiner Vertrautheit mit der drakoneischen Sprache und nichts sonst. Unsere Studienbereiche mochten sich unterscheiden, dennoch betrachtete ich sie als Mitreisende auf den Straßen der Wissenschaft. Sie erinnerte mich ein wenig an mich selbst in meiner Jugend.

    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich sie.

    »Momentan schon«, sagte sie mit einem bedeutungsschwangeren Seitenblick auf das Publikum.

    Der Verwalter der Caffrey Hall mochte zwar die offensichtlichen Störenfriede draußen halten, aber ich hegte keine Zweifel, dass einige ins Gebäude schlüpfen würden. Und selbst jene, die aus wissenschaftlichen Gründen kamen, mochten sich wohl erzürnt finden, sobald sie hörten, was Suhail zu sagen hatte.

    Ich wurde deutlicher: »Ich meinte, mit den Plakaten und dergleichen.«

    »Ich weiß.« Sie warf mir ein kurzes Lächeln zu. »Ist Lord Trent bereit?«

    »Beinahe. Hier, lassen Sie mich Ihnen damit helfen.« Die Plakate mussten groß sein, damit sie von ganz hinten im Saal zu sehen waren. Die Tragetasche, die Miss Pantel genäht hatte, um sie zu transportieren, war beinahe so groß wie sie selber, denn die Studentin meines Mannes war eine klein gewachsene Frau. Zusammen wuchteten wir die Tasche an ihren Platz und öffneten die Schnallen. Sie hatte die Plakate klug so gestapelt, dass sie zur Wand zeigten und die erste Karte ganz außen war, was bedeutete, dass wir nicht befürchten mussten, dass irgendjemand vorzeitig einen Blick auf Suhails Ideen erhaschen würde.

    Außer natürlich, wenn jemand heraufkommen und sie durchblättern würde. Miss Pantel nickte, ehe ich irgendetwas sagen konnte. »Ich werde sie mit meinem Leben verteidigen.«

    »Ich bezweifle, dass das nötig sein wird, und danke Ihnen trotzdem.« Ich lachte. Kein Drache hätte ein wilderer Wächter sein können. »Wenn Sie sonst nichts mehr von mir brauchen, werde ich Gastgeberin spielen gehen.«

    Ich meinte den Ausdruck als Euphemismus. Die Notwendigkeit hatte mich gelehrt, eine Gastgeberin im üblichen Sinne zu sein, obwohl ich immer noch ein Treffen der Fliegenden Universität einem förmlichen Abendessen bei Weitem vorzog. Eine Baronin hat allerdings gewisse Verpflichtungen, und obwohl ich diese in meiner Jugend als nutzlose Zwänge abgeschüttelt hätte, hatte ich im reiferen Alter den Wert erkannt, den sie hatten. Dennoch war mein wahres Ziel, als ich im Saal und in der Lobby umherschweifte, mir einen Überblick über die Männer zu verschaffen, von denen ich erwartete, dass sie Ärger machen würden. Ich merkte mir besonders einen gewissen Magister, dessen Namen ich hier nicht enthüllen werde. Wenn sein Benehmen in der Vergangenheit irgendeinen Anhaltspunkt darstellte, dann würde er etwas finden, über das er streiten konnte, selbst wenn Suhails Vorlesung nichts Substanzielleres als das Wetter betroffen hätte – und mein Ehemann würde ihm wesentlich mehr Munition geben als das.

    Bis zum Beginn des Vortrags hielt ich mich, solange ich konnte, in der Lobby auf. Zu dem Zeitpunkt, als ich den Hauptsaal betrat, war jeder Stuhl besetzt, und dazu reihten sich Menschen an den Wänden auf. Trotz meiner großen Mühen scheiterte mein Versuch, mich diskret zu den Gentlemen ganz hinten zu gesellen, wie erwartet. Das Beste, was ich tun konnte, war es, einen Stuhl anzunehmen, der mir von einem Mann angeboten wurde, der nur ein wenig älter als ich selbst war, anstatt von dem ehrwürdigen Gentleman, der locker achtzig Jahre zählte.

    Nach einer kurzen Einführung durch den Präsidenten der hochtrabend benannten Gesellschaft für die Verbesserung des Verständnisses der drakoneischen Sprache trat Suhail unter einem großzügigen Applaus auf die Bühne. Unsere Entdeckung des Herzens der Wächter (um nicht unsere romantisierte Hochzeit zu erwähnen) hatte ihn berühmt gemacht. Seine wissenschaftliche Arbeit seither hatte ihm Respekt eingebracht. Es war nicht Interesse an den Drakoneern alleine, das an jenem Nachmittag ein solch großes Publikum zur Caffrey Hall gebracht hatte.

    Suhail eröffnete seinen Vortrag mit einer kurzen Zusammenfassung dessen, was wir sicher wussten und was wir uns mit mäßiger Sicherheit über die drakoneische Sprache denken konnten. Hätte er vor der Gesellschaft der Linguisten gesprochen, wäre eine solche Erklärung unnötig gewesen. Sie waren alle mit dem Thema vertraut, weil selbst jene, die zuvor kein Interesse daran gezeigt hatten, es sich nach der Veröffentlichung der Texte vom Kataraktstein als Hobby zugelegt hatten. Die Gesellschaft, die eine der älteren gelehrten Institutionen in Scirland ist, zeigte jedoch eine entmutigende Tendenz, auf Informationen sitzen zu bleiben und sie nur in Rundbriefen an ihre Mitglieder zu verbreiten. Suhail wünschte sich, dass die Allgemeinheit mehr wissen sollte. Immerhin war es immer noch sehr das Zeitalter der Amateurgelehrten, wo ein Neuling auf einem Feld ohne den Vorzug einer formellen Ausbildung zufällig eine gewaltige Schlussfolgerung ziehen mochte. Suhail hielt seinen Vortrag deshalb vor der ganzen Welt, von denen einige den Unterschied zwischen Deklination und Dekolleté nicht kannten.

    Er fing mit dem Teil des Ngaru-Texts auf dem Stein an, der eine Stammlinie antiker eriganischer Könige wiedergab. Diese war von einigem Interesse für Menschen, die die eriganische Geschichte erforschten, und von wesentlich mehr Interesse für Linguisten, denn Eigennamen werden viel wahrscheinlicher als gewöhnliche Worte in mehr oder weniger derselben Form von einer Sprache zur anderen erhalten. Die Namen der Könige schenkten uns eine Grundlage, eine Reihe an Lauten, von denen wir wussten, dass sie wahrscheinlich im drakoneischen Text vorkamen und bei denen wir vermuten konnten, wo im Text diese Laute fielen. Obwohl sie unvollständig war, verlieh uns diese Silbentabelle einen gewaltigen Vorteil gegenüber unserem früheren Wissensstand.

    Einen Eindruck von der drakoneischen Aussprache zu haben, bringt uns jedoch nicht viel weiter. Was nützt es, Gewissheit zu haben, dass ein bestimmtes Symbol »ka« ausgesprochen wird, wenn ich nicht weiß, was jegliche Worte, die »ka« enthalten, bedeuten? Um weitere Fortschritte zu machen, müssen Sprachwissenschaftler eine andere Taktik versuchen.

    Das Wort »König« taucht in jener Rezitation der Stammlinie achtmal auf. Suhail und seine Kollegen hatten die Häufigkeit analysiert, mit der verschiedene Symbolreihen im drakoneischen Text vorkamen, und alle Gruppen herausgesucht, die achtmal (und nur achtmal) vorkamen. Sie fanden natürlich sehr viele, von denen der Großteil zufällig war: Die Tatsache, dass vor dem Wort »zufällig« in diesem Absatz die Kombination »ch« achtmal vorkommt, ist nicht signifikant. Die Sprachwissenschaftler allerdings waren zuversichtlich, dass sie durch ihre statistischen Mühen das drakoneische Wort für »König« identifiziert hatten.

    Das ist nur die Spitze der Drachennase, was die Methoden linguistischer Entschlüsselung betrifft, und ich werde nicht versuchen, sie genauer zu erklären. Ich würde meine begrenzte Erfahrung bald überschreiten, und die Mittel, durch die sie die Flexion von Pluralnomina oder andere solche Feinheiten entdeckten, sind nicht nötig, um das, was folgt, zu verstehen. Es reicht, wenn ich sage, dass wir an jenem Nachmittag zwei Dinge mit mäßiger Sicherheit kannten: die richtige Aussprache für ungefähr zwei Fünftel der drakoneischen Silbenschrift und eine verstreute Handvoll an Wörtern, die wir provisorisch rekonstruiert hatten, von denen wir aber nicht alle aussprechen konnten. Es war wesentlich mehr als das, was wir früher gehabt hatten, doch wesentlich weniger als das gesamte Verständnis, das wir uns erhofften.

    Mein Ehemann war ein ausgezeichneter Redner. Er legte all diese Dinge zügig und gleichzeitig klar dar (Letzteres ist eine Qualität, die Gelehrten so oft fehlt), ehe er sich dem Hauptteil seiner Rede widmete. »Im Idealfall«, sagte Suhail, »sollten wir nur direkte Beweise verwenden, wenn wir unsere Arbeit fortführen. Hypothesen sind von begrenztem Nutzen. Weil wir so wenige Daten zur Verfügung haben, ist es einfach, ein ganzes Luftschloss zu bauen und eine Spekulation nach der anderen zu postulieren, deren Gültigkeit – oder Ungültigkeit – weder bewiesen noch widerlegt werden kann. In Ermangelung eines weiteren Kataraktsteins oder anderen Durchbruchs haben wir jedoch keine andere Wahl, als zu spekulieren und zu sehen, was herauskommt.«

    Miss Pantel, die ihr Stichwort erkannte, deckte das nächste Plakat in der Reihe auf. Dieses zeigte die gesamte drakoneische Silbentabelle, die in einer Art Grafik aufgezeichnet war, und die Schriftzeichen, deren Aussprache wir kannten, rot eingefärbt. Gelehrte hatten schon viele Male zuvor eine Tabelle mit den Symbolen erstellt, in vielen unterschiedlichen Konfigurationen. Wie Suhail gerade angemerkt hatte, konnte man die wenigen Fakten, die wir hatten, leicht in eine Anzahl spekulativer Formen gießen. Diese hier aber wurde von mehr als Vermutungen gedeckt.

    Die sonore Stimme meines Mannes hallte locker durch den Saal. »Das hier ist eine modifizierte Version der Tabelle, die Shakur ibn Jibran zusammengestellt hat, und sie basiert auf dem, was wir derzeit über die Aussprache etablierter drakoneischer Glyphen wissen. Er bemerkte eine grundlegende Ähnlichkeit zwischen den Symbolen für ›ka‹ und ›ki‹ und eine weitere zwischen ›mi‹ und ›mu‹ und so weiter. Seine Hypothese ist, dass jeder Anfangskonsonant seine eigene Grundform besitzt, die auf relativ vorhersehbare Weise mit einer Vokalkennzeichnung modifiziert wird. Indem wir die Symbole entsprechend dieser Grundformen und Kennzeichnungen eingruppieren, können wir theoretisch die Aussprache der Glyphen, die nicht in den Eigennamen auf dem Kataraktstein enthalten sind, rekonstruieren.«

    Der Prozess war natürlich nicht so geradlinig, wie ihn seine Beschreibung klingen ließ. Sprachen sind selten ordentlich. Mit Ausnahme der Kaegangschrift, die vor einem Jahrhundert gestaltet worden war, um Jeosan zu schreiben, zeigen sie eine verstörende Tendenz, ihre eigenen Regeln zu brechen. Obwohl viele Linguisten Shakur ibn Jibrans generelles Prinzip zur Ordnung der Glyphen akzeptiert hatten, diskutierten sie über die Details, und locker ein halbes Dutzend Tabellenvariationen hatte jeweils seine eigenen überzeugten Unterstützer. Es gab im Saal bereits Gemurmel, als Gentlemen aufbegehrten, weil sie nicht ihre eigene bevorzugte Tabelle ausgestellt sahen.

    Dieses Gemurmel würde bald genug lauter werden. Vorerst gab uns die Tabelle einen Ausgangspunkt – und Suhails eigene Spekulation hing von der seines Landsmannes als Grundlage ab. Miss Pantel enthüllte ein weiteres Plakat, auf welches die Zeilen mit dem drakoneischen Text gedruckt und mit einer alphabetischen Transkription hinterlegt waren.

    Mein Ehemann sagte: »Wenn wir diese Spekulation versuchsweise als wahr erachten, dann würde diese Auswahl – dem weiteren Text auf dem Kataraktstein entnommen – wie hier eingetragen ausgesprochen. Leider haben wir keine Möglichkeit, diese Theorie zu prüfen: Hier gibt es keine Eigennamen, die uns leiten können. Wir werden nie erfahren, ob das hier akkurat ist … außer wir spekulieren erneut.«

    Suhail nahm einen langen Zeigestab und deutete auf ein Wort in der ersten Zeile. »Wenn wir für einen Moment voraussetzen, dass unsere Tabelle korrekt ist, werden diese Schriftzeichen aris ausgesprochen. Eines der grundlegenden Prinzipien der historischen Linguistik ist, dass sich Sprache über die Zeit verändert. Sprachen, die heute gesprochen werden, haben ihre Wurzeln wohl in älteren, jetzt ausgestorbenen Formen. Das thiessische Wort terre und das Murñe-Wort tierra stammen beide vom Spurenischen terra ab, was ›Erde‹ bedeutet. Ebenso können wir die Hypothese aufstellen, dass aris sich zum Lashon ’eretz und zum Akhischen ’ard entwickelt hat – was ebenfalls ›Erde‹ bedeutet.«

    Hätte ich dazu geneigt, mit mir selbst zu wetten, hätte ich in genau diesem Moment gewonnen, weil sich im Hörsaal ein Aufschrei erhob.

    Linguisten hatten schon früher derartige Theorien gesponnen und sich vorgestellt, dass die drakoneische Sprache der Vorfahr einer wilden Vielzahl moderner Sprachen war, Lashon und Akhisch nicht ausgenommen. Immerhin waren die Wüsten des südlichen Anthiopiens die wahrscheinlichste Heimat jener Hochkultur. Die allgemeine Ansicht war allerdings, dass die drakoneische Abstammung linguistisch ausgestorben war: Die Drakoneer waren eine separate Ethnie gewesen, die über ihre Untertanen geherrscht hatte, ganz ähnlich, wie Scirland derzeit Teile von Vidwatha beherrschte, und mit dem Untergang ihres Reiches war ihre Sprache für immer verschwunden. Es war beinahe buchstäblich ein Glaubensbekenntnis, weil sich alle, von scirländischen Magistern über bayitistischen Priestern und amaneenischen Gebetsführern, einig waren, dass unsere modernen Völker diesen antiken Tyrannen nichts verdankten.

    Ich hatte Suhail geraten, nach dieser Aussage innezuhalten, damit der Lärm seine nächsten Worte nicht übertönen würde. Er hielt sich an meinen Ratschlag, aber die Pause dauerte länger, als wir beide erwartet hätten. Schließlich gab er es auf, auf Ruhe zu warten, und fuhr fort, wobei er mit lauterer Stimme sprach, um über dem Lärm aus Kommentaren aus dem Publikum gehört zu werden. Sein Argument beruhte nicht auf diesem einzigen Beispiel: Er glaubte, dass er für eine gewisse Anzahl von Worten Kognate gefunden hatte, und verband sie methodisch mit Beispielen im Akhischen, Lashon und Seghar und historisch belegten Sprachen, die man heutzutage nicht länger spricht. Es waren, wie er zu mir gesagt hatte, Vermutungen: Alles, was er tun konnte, war es, provisorisch verschiedene Glossen aus dem Ngaru-Text zu identifizieren und sie dann zu Spekulationen über andere drakoneische Inschriften zu extrapolieren. Eine Tafel von einer Stätte in Isnats schien zum Beispiel eine Art Steuerliste zu sein, weil er wahrscheinliche Worte für »Schaf«, »Kuh«, »Getreide« und noch mehr gefunden hatte.

    Jedes einzelne Beispiel war leicht abzuschmettern. Gemeinsam betrachtet allerdings, ergaben sie eine sehr vernünftige Theorie – so fand ich zumindest. Ich war jedoch keine Sprachwissenschaftlerin, und es waren an jenem Tag Gentlemen im Publikum, die diesen Titel für sich beanspruchten. Sie waren mehr als bereit dazu, mit Suhail zu streiten.

    Als ich von hinten im Saal erhobene Stimmen hörte, nahm ich an, dass dies ein Streit über den Inhalt der Vorlesung sei. Der Magister, den ich zuvor erwähnt hatte, war zehn Reihen vor mir auf die Füße gesprungen, um meinem Ehemann seinen Widerspruch besser zubrüllen zu können. Vermutlich war der Lärm hinter mir etwas Ähnliches. Als ich mich jedoch umdrehte, um nachzusehen, erblickte ich an der Tür eine kleine Gruppe Männer, die einander statt der Bühne zugewandt waren.

    Sicherlich würden sie über ein Problem in der historischen Linguistik keine Rauferei anfangen? Allerdings habe ich genug von meinem Leben unter Gelehrten verbracht, um zu wissen, dass akademische Konflikte und Faustschläge nicht immer so weit voneinander entfernt sind, wie man erwarten würde. Ich stand von meinem Stuhl auf und ging nachsehen, ob ich die Situation entschärfen konnte, ehe sie diesen Punkt erreichte.

    Der Streit an der Tür jedoch hatte mit Suhails Vorlesung nichts zu tun. Von meinem Stuhl hatte ich den Mann im Zentrum des Getümmels nicht sehen können. Jetzt, wo ich näher kam, erhaschte ich einen Blick zwischen die Schultern der anderen Männer. Er war nach der Art eines Nordanthiopiers gekleidet und hatte kurz geschorenes Haar, allerdings konnte der Anzug, den er trug, nicht über seine Gesichtszüge hinwegtäuschen. Der Mann war Yelangese.

    Nun, oberflächlich betrachtet, war nichts schrecklich seltsam daran, wenn ein yelangesischer Mann einen öffentlichen Vortrag in Falchester besuchte. Schon seit der Seehandel über lange Strecken ein Teil des allgemeinen Lebens geworden ist, gibt es Seeleute und andere Einwanderer in scirländischen Hafenstädten, Yelangesen nicht ausgenommen. Zum Zeitpunkt von Suhails Vortrag allerdings waren wir gegen Yelang fest in das verstrickt, was die Zeitungen unseren »Luftkrieg« genannt hatten, wobei unsere und deren Caeliger überall auf der Welt um Positionen kämpften und unsere jeweiligen Streitkräfte in einer Reihe kleinerer Scharmützel zusammenstießen, die ständig drohten, sich zu einem offenen Krieg zu verschlimmern. Männer aus jener Nation waren in Falchester nicht direkt willkommen, egal wie lange es her war, dass sie das Reich ihr Heim genannt hatten.

    Darüber hinaus wissen Leser meiner Memoiren, dass ich zu zahlreichen Gelegenheiten Auseinandersetzungen mit den Yelangesen gehabt hatte: als ich aus Va Hing deportiert worden war, als ich auf den keonganischen Inseln einen ihrer Caeliger gestohlen hatte und als sie organisierte Versuche unternommen hatten, unsere Arbeit im Dar al-Tannaneen zu sabotieren. Das war zu jenem Zeitpunkt auch allgemein bekannt – was bedeutete, dass die Gentlemen in der Nähe der Tür, als sie gesehen hatten, dass ein Yelangese beim Vortrag meines Mannes auftauchte, einige sehr feindselige voreilige Schlüsse gezogen hatten.

    Ich hielt meine Stimme leise, weil ich nicht vorhatte, noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen, als dieser Vorfall es bereits getan hatte. Zum Glück war der Magister, der aufgestanden war, immer noch auf den Füßen, zusammen mit einem weiteren Mann, der gerade versuchte, ihn niederzubrüllen. »Meine Herren«,

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