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Lady Trents Memoiren 3: Die Reise der Basilisk
Lady Trents Memoiren 3: Die Reise der Basilisk
Lady Trents Memoiren 3: Die Reise der Basilisk
eBook440 Seiten6 Stunden

Lady Trents Memoiren 3: Die Reise der Basilisk

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Über dieses E-Book

Die spannenden Abenteuer von Lady Trent werden in Marie Brennans "Die Reise der Basilisk" fortgesetzt!

Sechs Jahre nach ihren riskanten Aktionen in Eriga bricht Isabella zu ihrer bisher ehrgeizigsten Expedition auf: einer zwei Jahre langen Reise um die Welt, um Drachen an jedem Ort zu erforschen, wo man sie finden kann. Von gefiederten Echsen, die sich in den Ruinen einer vernichteten Zivilisation sonnen, bis zu den riesigen Seeschlangen der Tropen stellen diese Kreaturen eine Quelle sowohl endloser Faszination als auch häufiger Lebensgefahr dar. Begleitet wird Isabella nicht nur von ihrem jungen Sohn Jake, sondern auch von einem ritterlichen ausländischen Archäologen, dessen Interessen sich im professionellen und persönlichen Bereich mit denen von Isabella überschneiden.

Die Forschung ist natürlich der Hauptzweck dieser Reise, aber Isabellas Leben ist selten so simpel. Sie muss mit Stürmen, sinkenden Schiffen, Intrigen und Kriegen zurechtkommen und das gerade als sie eine Entdeckung macht, die eine revolutionäre neue Sichtweise auf die uralte Geschichte der Drachen eröffnet.
SpracheDeutsch
HerausgeberCross Cult
Erscheinungsdatum2. Juli 2018
ISBN9783959816618
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    Buchvorschau

    Lady Trents Memoiren 3 - Marie Brennan

    5660

    TEIL EINS

    In welchem die Autorin sich auf die Reise macht

    EINS

    Leben in Falchester – Abigail Carew – Ein Treffen der Fliegenden Universität – M. Suderac – Galinkes Bote – Hautkrankheiten

    Zu keiner Zeit traf ich die bewusste Entscheidung, eine improvisierte Universität in meinem Wohnzimmer zu gründen. Das passierte tatsächlich durch Zufall.

    Der Prozess begann, kurz nachdem Natalie Oscott als Gesellschafterin bei mir eingezogen war, als sie von ihrem Vater enterbt worden war, weil sie mit mir nach Eriga weggelaufen war. Meine Finanzen konnten uns beide nicht lange in meinem gewohnten Stil unterhalten, besonders nicht, weil ich auch an meinen heranwachsenden Sohn denken musste. Ich musste einen Teil meines Lebens, wie es bis dahin gewesen war, aufgeben, und weil ich nicht willens war, meiner Forschung zu entsagen, musste ich andere Dinge loslassen.

    Etwas, das verschwand, war das Haus in Pasterway. Nicht ohne Bedauern. Es war mehrere Jahre lang mein Zuhause gewesen, auch wenn ich einen guten Anteil dieser Zeit in fremden Ländern verbracht hatte, und ich verband mit diesem Ort angenehme Erinnerungen. Außerdem war es das einzige Zuhause, das der kleine Jacob kannte, und ich fragte mich für einige Zeit, ob es ratsam war, ein so junges Kind zu entwurzeln und es darüber hinaus in die chaotische Umgebung einer Stadt zu versetzen. Es war aber viel wirtschaftlicher für uns, einen Wohnsitz in Falchester zu haben, und so zogen wir am Ende um.

    Für gewöhnlich ist das Leben in der Stadt natürlich viel teurer als auf dem Land – selbst wenn die betreffende »ländliche« Kleinstadt Pasterway ist, das heutzutage ein regelrechter Vorort der Hauptstadt geworden ist. Aber viel an dieser Kalkulation setzt voraus, dass man zu dem Zweck in der Stadt lebt, ihr glitzerndes gesellschaftliches Leben zu genießen: Konzerte und Opern, Kunstausstellungen und Mode, Bälle und Feste und Champagnerfrühstücke. Ich hatte kein Interesse an solchen Dingen. Meine Sorge galt dem intellektuellen Austausch, und in dieser Hinsicht war Falchester nicht nur überlegen, sondern auch viel billiger.

    Dort konnte ich die wundervolle Leihbücherei von Alcroft nutzen, die jetzt besser als eine der Gründungsinstitutionen der Königlichen Bibliotheken bekannt ist. Das ersparte mir viele Ausgaben, weil mein Bedarf an Forschungsliteratur gewaltig gestiegen war und alles, was ich brauchte, zu kaufen (oder die Bücher mit der Post an hilfsbereite Freunde zurückzuschicken), mich binnen kurzer Zeit in den Ruin getrieben hätte. Ich konnte außerdem alle Vorlesungen besuchen, die einer Frau Eintritt gewährten, ohne mehrere Stunden Fahrt auf mich nehmen zu müssen. Tatsächlich musste ich überhaupt keine Kutsche und all die damit verbundene Ausrüstung und das Personal mehr unterhalten, sondern konnte stattdessen nötigenfalls eine mieten. Dasselbe galt für Besuche bei Freunden, und genau so nahm die sogenannte »Fliegende Universität« Gestalt an.

    Ihre anfängliche Entwicklung wurde durch meinen Bedarf an einer Gouvernante getrieben. Natalie Oscott verspürte, obwohl sie mir eine gute Gesellschafterin war, nicht den Wunsch, die Verantwortung für die Betreuung und Erziehung meines Sohns zu übernehmen. Ich warf deshalb mein Netz nach jemandem aus, der das tun würde, und achtete darauf, dass ich im Voraus klarstellte, dass mein Haushalt absolut nicht gewöhnlich war.

    Das Fehlen eines Ehemanns war für einige Bewerberinnen ein Vorteil. Ich kann mir vorstellen, dass sich viele meiner Leser der unangenehmen Lage bewusst sind, in der sich Gouvernanten oft wiederfinden – oder eher, der unangenehmen Lage, in die ihre männlichen Arbeitgeber sie oft drängen, denn es hilft niemandem vorzugeben, dass dies durch irgendeinen natürlichen und unvermeidlichen Prozess geschieht, ohne jegliche Verbindung mit dem Verhalten von irgendjemandem. Meine Anforderungen an ihre Qualifikationen aber schreckten viele ab. Mathematik war unnötig, weil Natalie mehr als bereit war, meinen Sohn in Arithmetik, Algebra und Geometrie zu unterrichten (und sich zu dem Zeitpunkt, wenn er zur Infinitesimalrechnung bereit wäre, diese selber beigebracht hätte), aber ich bestand auf einer soliden Grundlage in Literatur, Fremdsprachen und einer Vielzahl an Naturwissenschaften, um gar nicht erst von der Geschichte, nicht nur von Scirland, sondern auch von anderen Ländern, zu reden. Das machte den Prozess, Bewerberinnen zu beurteilen, ziemlich mühselig. Aber es zahlte sich durch ein interessantes zusätzliches Ergebnis aus: Zu dem Zeitpunkt, als ich Abigail Carew anstellte, hatte ich außerdem eine Anzahl junger Damen kennengelernt, denen es an ausreichender Bildung mangelte, die aber eine Menge Wissbegier besaßen.

    Ich möchte nicht vorgeben, dass ich die Fliegende Universität begründete, um unzureichende Gouvernanten-Kandidatinnen besser auszubilden. Tatsächlich sah ich einen Großteil jener jungen Damen nie wieder, weil sie auf der Suche nach weniger strengen Arbeitgebern weiterzogen. Aber das Erlebnis weckte mein Bewusstsein über diesen Mangel in unserer Gesellschaft, und so machte ich, als ich erst einmal meinen Zugang zur Alcroft hatte, den Inhalt meiner Bibliothek (sowohl eigene als auch geliehene Werke) jedem zugänglich, der ihn nutzen wollte.

    Das Ergebnis war, dass man zu der Zeit, als meine Seeexpedition begann, an jedem beliebigen Athemer-Abend zwischen zwei und zwanzig Leute vorfinden konnte, die mein Wohnzimmer und Studierzimmer besetzten. Ersterer Raum war ein Ort zum stillen Lesen, wo Freunde sich in jedem Fach weiterbilden konnten, das meine Bibliothek bieten konnte. Tatsächlich erstreckten sich mittlerweile ihre Themengebiete weit über meine eigenen Regale und Bücher, die aus der Alcroft geliehen waren, hinaus, weil sie zu einem Zentrum des Austauschs für diejenigen geworden war, die die Ressourcen anderer nutzen wollten. Kerzen und Lampen waren etwas, an dem ich nicht sparte, und so konnten sie in angenehmer Atmosphäre lesen.

    Das Studierzimmer war im Gegenzug ein Ort für Gespräche. Hier konnten wir einander Fragen stellen oder Themen diskutieren, in denen wir unterschiedlicher Ansicht waren. Oft blieben diese Diskussionen recht freundschaftlich, weil unsere Gruppe einander aus der Finsternis der Unwissenheit heraus ins Licht der, wenn nicht Weisheit, dann zumindest gut informierten Neugier hob.

    Zu anderen Gelegenheiten konnte man die Diskussionen eher als »Streitgespräch« bezeichnen.

    »Du weißt, dass ich Flügel mehr als jede andere Frau liebe«, sagte ich zu Miriam Farnswood – die als weibliche Ornithologin diese andere Frau war und Flügel sehr schätzte. »Aber in diesem Fall übertreibst du ihre Bedeutung. Fledermäuse fliegen und genauso Insekten, und doch schlägt niemand vor, dass diese nahe Verwandte der Vögel sind.«

    »Niemand hat bisher Beweise gefunden, dass Fledermäuse Eier legen«, antwortete sie trocken. Miriam war beinahe zwanzig Jahre älter als ich, und ich hatte mich erst in den letzten sechs Monaten getraut, sie mit ihrem Vornamen anzusprechen. Nicht zufällig hatten die letzten sechs Monate auch den Beginn dieser speziellen Debatte gesehen, in welcher wir sehr gegensätzliche Meinungen vertraten. »Es ist deine eigene Arbeit, die mich überzeugt, Isabella. Ich weiß nicht, warum du so leidenschaftlich widersprichst. Die Skelettstruktur der Drachen weist viele Ähnlichkeiten mit der der Vögel auf.«

    Sie bezog sich natürlich auf die hohle Struktur der Knochen. Diese fand man nicht oft bei Reptilien, welche ich als nächste Verwandte der Drachen postulierte. Ich sagte ungeduldig: »Hohle Knochen können sich einfach zu unterschiedlichen Gelegenheiten entwickelt haben. Immerhin scheint das auch mit Flügeln passiert zu sein, oder nicht? Viel weniger gewöhnlich wäre es, in der Evolution ein neues Paar Vorderbeine zu entwickeln, wo zuvor keine waren.«

    »Du hältst es für plausibler, dass Reptilien plötzlich Flügel entwickelten, wo zuvor keine waren?« Miriam schnaubte. Es war kein sehr damenhaftes Schnauben. Sie war die Art von Frau, die man sich in Tweed gekleidet mit einem Gewehr unter dem Arm und einer Bulldogge an der Seite, wahrscheinlich aus ihrer eigenen Zucht, durch die Landschaft marschierend vorstellte. Die Anmut, mit der sie sich bewegte, wenn sie zur Vogelbeobachtung unterwegs war, war absolut verblüffend. »Bitte, Isabella. Nach dieser Logik solltest du für ihre Verwandtschaft mit Insekten argumentieren. Zumindest haben diese mehr als vier Beine.«

    Der Bezug auf Insekten lenkte mich von dem ab, was ich gerade hatte sagen wollen. »Funklinge machen das Bild komplizierter«, gab ich zu. »Ich bin wirklich überzeugt, dass sie eine extrem zwergenhafte Drachenart sind – obwohl ich überhaupt nicht erklären kann, wie eine solche Größenreduktion zustande kommen könnte. Selbst diese winzigen Hunde, die man in Coyahuac hat, sind nicht so viel kleiner als die größte Hunderasse.«

    Mein Kommentar ließ jemanden in einigen Fuß Entfernung leise kichern. Tom Wilker hatte sich mit der Suffragette Lucy Devere unterhalten und die Politik im Synedrion diskutiert, aber ihr Gespräch war kurz verstummt, und er hatte mich gehört. Es war nicht das erste Mal, dass er meine Gedanken über Funklinge mitbekommen hatte, die ihre Taxonomie betreffend ein endloses Ärgernis für mich waren.

    Wir konnten es kaum vermeiden, uns gegenseitig zu belauschen. Mein Stadthaus am Hart Square war nicht so groß, dass wir viel Luft zwischen uns hatten. Und tatsächlich war mir das oft ganz lieb, weil es uns ermutigte, von Thema zu Thema und Gruppe zu Gruppe abzuschweifen, statt uns für die Dauer des Abends in kleine Grüppchen zu sortieren. Tabitha Small und Peter Landenbury hatten ihre Gedanken über ein neues historisches Werk geteilt, aber wie üblich hatte Lucy sie in ihren Bann gezogen. Mit Elizabeth Hardy, die ihren Kreis abrundete, waren wir in meinem Studierzimmer zu siebt, was es mehr oder weniger völlig ausfüllte.

    Miriam hatte, als ich vom Thema abgewichen war, die Augenbrauen gehoben. Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Sei es, wie es sei. Ich glaube, du interpretierst zu viel in die Tatsache hinein, dass die Quetzalcoatls aus Coyahuac Federn haben. Sie sind keine Echten Drachen nach Edgeworths Definition …«

    »Ach, komm schon, Isabella«, unterbrach sie mich. »Du kannst wohl kaum Edgeworth zu deiner Verteidigung benutzen, wenn du selbst den Angriff geführt hast, um seine gesamte Theorie infrage zu stellen.«

    »Ich bin noch zu keinen Schlüssen gekommen«, sagte ich resolut. »Frage mich wieder, wenn diese Expedition erledigt ist. Mit etwas Glück werde ich mit eigenen Augen gefiederte Echsen beobachten, und dann kann ich sicherer sagen, wie sie in die Familie der Drachen passen.«

    Die Tür öffnete sich leise, und Abby Carew schlüpfte herein. Sie wirkte selbst im schmeichelnden Kerzenlicht müde. Jake hatte sie in letzter Zeit schlimm geschlaucht. Die Aussicht, auf eine Seereise zu gehen, hatte seine Fantasie so entflammt, dass sie ihn kaum dazu bringen konnte, in seinen Unterrichtsstunden sitzen zu bleiben.

    Der Gedanke, meinen Sohn mitzunehmen, war mir etwa zwei Jahre zuvor gekommen. Als ich die Idee gehabt hatte, um die Welt zu reisen und Drachen an allen Orten, wo man sie finden konnte, zu erforschen, war Jake noch ein Kleinkind gewesen – viel zu jung, um mich zu begleiten. Aber eine solche Expedition kann man nicht über Nacht organisieren, nicht einmal in einem einzigen Jahr. Zu dem Zeitpunkt, als ich sicher war, dass die Expedition stattfinden würde, war Jake bereits sieben. Jungen in diesem Alter sind schon zur See in den Krieg gefahren. Warum sollte nicht einer im Namen der Wissenschaft fahren?

    Ich hatte die Feindseligkeit nicht vergessen, die mir entgegengeschlagen war, als ich nach Eriga gefahren war und meinen Sohn zurückgelassen hatte. Mir schien es, dass die eindeutige Lösung für dieses Problem nicht war, für immer daheim zu bleiben, sondern ihn stattdessen beim nächsten Mal mitzunehmen. Ich betrachtete es als prächtige Bildungsgelegenheit für einen inzwischen neunjährigen Jungen. Andere sahen es natürlich eher als Teil meines charakteristischen Wahnsinns.

    Ich entschuldigte mich bei Miriam Farnswood und ging durchs Zimmer zu Abby. Sie sagte: »Natalie hat mich geschickt, um dir zu sagen …«

    »Ach herrje!«, seufzte ich, bevor sie fertig reden konnte. Ein schuldbewusster Blick auf die Uhr bestätigte meinen Verdacht. »Es ist spät geworden, nicht?«

    Abby war höflich genug, nicht darauf herumzureiten. In Wahrheit wollte ich meinen Gästen nicht die Tür weisen. Dies sollte unsere letzte Versammlung sein, bevor ich aufbrach – oder ich sollte eher sagen, meine letzte Versammlung, weil Natalie sie in meiner Abwesenheit weiterhin empfangen würde. Sosehr ich mich auch auf die kommende Reise freute, ich würde diese Abende vermissen, an denen ich mein Wissen erweitern und seine Stärken gegen Menschen, deren Intelligenz meine in den Schatten stellte, prüfen konnte. Dank ihnen war mein Verständnis der Welt weit über seine ersten, naiven Anfänge hinausgewachsen. Und ich hatte für meinen Teil getan, was ich konnte, um im Gegenzug mein Wissen zu teilen, besonders mit jenen Individuen, Männern oder Frauen, deren Gelegenheiten, zu lernen und zu forschen, nicht so reichlich wie meine gewesen waren.

    Ich schreibe jetzt in der Vergangenheitsform. Ich ertappte mich damals, wie ich in der Vergangenheitsform dachte, und schüttelte mich. Ich ging auf eine Reise und zog nicht für immer ans andere Ende der Welt. Was in meinem Wohnzimmer angefangen hatte, würde an jenem Abend nicht enden. Mein Anteil daran machte nur eine Pause.

    Sie gingen ohne Aufhebens, aber mit vielen Wünschen für eine sichere Fahrt und großartige Entdeckungen. Das Lebewohl dauerte insgesamt über eine halbe Stunde. Der Letzte, der aufbrach, war Tom Wilker, der nicht Lebewohl sagen musste. Wir würden zusammen auf die Reise gehen, denn ich konnte mir nicht vorstellen zu versuchen, Forschungen ohne seine Hilfe durchzuführen.

    »Habe ich belauscht, wie du Mrs. Farnswood Präparate versprochen hast?«, fragte er, als nur noch er und ich selbst im Foyer waren.

    »Ja, von Vögeln«, sagte ich. »Sie wird dafür bezahlen oder die, die sie nicht selbst behalten will, verkaufen. Es wird eine weitere Quelle für unsere Finanzierung, und eine sehr willkommene.«

    Er nickte, obwohl sein Lächeln gequält wirkte. »Ich weiß nicht, wann wir Zeit zum Schlafen finden sollen. Oder eher, wann du die Zeit finden willst. Ich bin nicht derjenige, der dem Winfield-Kurier regelmäßige Berichte versprochen hat.«

    »Ich werde in der Nacht schlafen«, sagte ich sehr vernünftig. »Im Lampenlicht zu schreiben, ist eine schreckliche Verschwendung von Öl, und es gibt nicht so viele nachtaktive Vogelarten, dass ich jede Nacht beschäftigt sein werde.«

    Ich erntete ein Lachen von ihm, was ich beabsichtigt hatte. »Schlaf gut, Isabella. Du brauchst deine Erholung.«

    Natalie kam rechtzeitig ins Foyer, um ihm gute Nacht zu wünschen. Als die Tür hinter ihm geschlossen war, wandte sie sich an mich. »Bist du sehr müde oder kannst du ein paar Momente entbehren?«

    Ich war viel zu wach, um gleich schlafen zu gehen, und würde nur lesen, wenn ich versuchte, ins Bett zu gehen. »Hat es mit den Vorkehrungen für meine Abwesenheit zu tun?«

    Natalie schüttelte den Kopf. Wir hatten diese Angelegenheit bereits oft genug besprochen: mein Testament, für den Fall, dass ich sterben würde, den Übergang meines Stadthauses unter ihre vorläufige Verwaltung, wie sie mich kontaktieren konnte, sobald ich im Ausland wäre, all die logistischen Hindernisse, die man überwinden musste, ehe ich aufbrechen konnte. Sie sagte: »Ich habe heute wieder mit Mr. Kemble gesprochen.«

    Ich seufzte. »Komm in mein Studierzimmer. Ich glaube, dafür muss ich mich hinsetzen.«

    Mein alter, verschlissener Sessel war mir ein kleiner Trost, während wir ein Thema besprachen, das überhaupt nicht angenehm war. Sobald ich in seine Umarmung gesunken war, vermutete ich: »Er will, dass ich eine Vereinbarung mit dem Thiesser eingehe.«

    »Er steckt in einer Sackgasse«, sagte Natalie. »Das geht jetzt seit über einem Jahr so. Die detaillierte Struktur von Drachenknochen erschließt sich ihm weiterhin nicht, und solange sie das nicht tut, haben wir keine Synthese. M. Suderacs Belüftungsprozess ist vielleicht genau das, was wir brauchen.«

    Die bloße Erwähnung dieses Themas brachte mich dazu, dass ich mit dem Kopf auf meinen Schreibtisch schlagen wollte. Nur das Wissen, dass Frederick Kemble jetzt seit beinahe einer Dekade mit dem Kopf auf etwas weit weniger Nachgiebiges einschlug, hielt mich davon ab. Tom und ich hatten ihn angestellt, um einen synthetischen Ersatz für konservierte Drachenknochen zu schaffen, sodass die menschliche Gesellschaft die Vorteile dieser Substanz nutzen konnte, ohne dafür Drachen massakrieren zu müssen. Kemble hatte die chemische Zusammensetzung nachgeahmt, aber der luftige Leichtbau ihrer Struktur, der das ohnehin geringe Gewicht reduzierte, ohne die Stärke zu vermindern, hatte sich als weniger nachvollziehbar erwiesen.

    Natalie hatte recht: Der Belüftungsprozess, den M. Suderac entwickelt hatte, würde vielleicht tatsächlich helfen. Ich konnte den Mann aber nicht leiden – so wenig, dass der bloße Gedanke, für ein solches Unternehmen eine Partnerschaft mit ihm einzugehen, mich krank machte. Er war ein gut aussehender Mann aus Thiessin und dachte eindeutig, dass ihm sein gutes Aussehen mehr als reine Freundlichkeit von mir einbringen sollte. Immerhin war ich Witwe, und wenn ich auch nicht mehr so jung war wie früher, hatte ich auf dem Abstellgleis noch nicht sehr viel Staub gesammelt. Das, was M. Suderac von mir wollte, war keine Ehe. Er hatte eine Frau, und selbst wenn er keine gehabt hätte, hatte ich sehr wenig an Besitz anzubieten, um ihn in Versuchung zu führen. Er wollte nur uneingeschränkten Zugang zu meiner Person. Zu behaupten, dass ich wenig geneigt war, ihm diesen zu gewähren, ist eine grenzenlose Untertreibung.

    Und doch, wenn eine finanzielle Partnerschaft das Leben zahlloser Drachen retten würde …

    Das Geheimnis, wie man Drachenknochen konservierte, war gelüftet. Diese spezielle Katze war aus ihrem Sack entkommen, ehe ich nach Eriga gereist war, als Diebe, die der Marquis von Canlan angeheuert hatte, in Kembles Labor eingebrochen waren, seine Notizen gestohlen hatten und Canlan sie daraufhin nach Yelang, an die Va-Ren-Schifffahrtsgesellschaft, verkauft hatte. Diese Kerle schienen ihre Informationen recht sorgsam unter Verschluss gehalten zu haben, weil es noch nicht zum Allgemeinwissen geworden war, aber ich wusste, dass es sich verbreitete. Was bedeutete, dass der Bedarf für einen synthetischen Ersatz dringlich war.

    Ich wog diese Faktoren ab, bis mein Herz in meiner Brust bleischwer war. »Ich vertraue ihm nicht«, sagte ich schließlich zu Natalie. »Ich kann nicht. Er ist die Art von Mann, der etwas sieht und es haben will, und er glaubt, dass ihn das alleine dazu berechtigt, es zu besitzen. Ich würde ihm wirklich zutrauen, das Problem am Ende zu knacken, aber dann das Ergebnis für seinen eigenen Gewinn für sich zu behalten. Und wenn ich auch bereit wäre, auf meinen Anteil zu verzichten, falls es bedeuten würde, dass wir die Antwort hätten, kann ich nicht zulassen, dass Kemble und die anderen auf solche Weise beraubt würden.«

    Natalie ließ den Kopf an die Rückenlehne ihres Stuhls sinken und starrte resigniert die Decke an. »Nun, ich habe es versucht. Du hast mit Suderac nicht unrecht, denke ich – aber ich weiß nicht, wie wir es sonst schaffen sollen.«

    »Vielleicht sollte ich versuchen, Diebe anzuheuern. Sie könnten einbrechen und die Geheimnisse des Belüftungsprozesses stehlen.«

    »Gott sei Dank gehst du bald an Bord eines Schiffes«, sagte Natalie. »Ansonsten glaube ich, dass du das wirklich tun könntest.«

    Sie übertrieb – aber nicht sehr. Es gab sehr wenig, was ich zum Wohl der Drachen nicht getan hätte.

    Am nächsten Morgen brachte die Post eine Anzahl Briefe, einige davon von Leuten, die nicht mitbekommen hatten, dass ich bald für eine längere Zeit abreisen würde und nicht viel Gelegenheit hätte, ihnen zu antworten. Einer aber stach mir ins Auge.

    Die Handschrift auf dem Umschlag war mir nicht vertraut. Das lag nicht nur daran, dass ich die Handschrift selbst nicht kannte. Ihr gesamter Stil war seltsam, als sei sie von einem Ausländer geschrieben. Und doch erinnerte sie mich an etwas, aber ich konnte nicht sagen, was.

    Ich wurde neugierig und schnitt den Umschlag mit meinem Messer auf. Die Notiz darin war auf teurem Papier geschrieben, wieder in dieser seltsamen Handschrift. Es war eine Einladung, mit einem gewissen Wademi n Oforiro Dara an diesem Tag im Salburn zu Mittag zu essen, falls ich nicht bereits verplant sei.

    Nun wusste ich, woran mich die Handschrift erinnert hatte. Ich hatte immer noch gelegentlich Kontakt zu Galinke n Oforiro Dara, der Halbschwester des Obas von Bayembe. Die Handschrift dieses Mannes zeigte Spuren desselben Stils, obwohl sie in diesem Fall viel schwächer waren. Daraus schloss ich, dass er mehr daran gewöhnt war, auf Scirländisch zu schreiben, als Galinke.

    Oforiro Dara. Er gehörte zur selben Abstammungslinie wie Galinke. Ein Bruder? Nein, ich war mir ziemlich sicher, dass sie keine Brüder hatte, die von derselben Mutter stammten, und die Yembe erben ihre Familiennamen über die mütterliche Linie. Er konnte alles vom Sohn einer Schwester von Galinkes Mutter bis zu einem viel entfernteren Cousin sein. Aber die Verbindung reichte, um mich eine schnelle positive Antwort schreiben und zum Hotel des Mannes schicken zu lassen. Mein alternativer Plan für den Mittag war eine schnelle Mahlzeit gewesen, die ich beim Packen hinuntergeschlungen hätte. Das hier versprach wesentlich interessanter zu werden.

    In jenen Tagen speiste ich nicht oft im Salburn – was meine höfliche Art ist auszudrücken, dass ich es mir nicht wirklich leisten konnte. Das störte mich sehr wenig. Ich war nie eine Feinschmeckerin. Aber es bedeutete, dass Wademi n Oforiro Dara entweder ein reicher Mann war oder von jemand anderem gut finanziell unterstützt wurde, weil ein Mittagessen für zwei dort nichts war, was man locker bezahlen konnte.

    Ich hatte keine Schwierigkeiten, ihn im Eingangsbereich zu erkennen. Er war Yembe, dunkelhäutig und nach ihrer Mode in ein gewickeltes und gefaltetes Tuch gekleidet, obwohl er wegen des kühleren Klimas von Scirland und unserer strengeren Sitten, was Nacktheit betraf, seinen Oberkörper als Kompromiss mit einem Mantel bedeckte. Die Farbe war ebenfalls auf beinahe scirländische Art nüchtern: Schwarz und Gold in einem einfachen geometrischen Muster. Er war bereits aufgestanden, als ich eintrat, und ging sofort auf mich zu.

    Wir begrüßten uns auf Yembe, und mein Akzent und meine Grammatik demonstrierten mir, wie sehr ich aus meiner ohnehin nur geringen Übung geraten war. Als er in meine Muttersprache wechselte, entschuldigte ich mich bei ihm dafür. »Ich fürchte, meine Beherrschung des Yembe hat sich fürchterlich verschlechtert, weil ich es nie nutze – und ich war von Anfang an nicht gut darin. Galinke und ich korrespondieren auf Scirländisch.«

    Sein Scirländisch hatte einen Akzent, war aber fließend. »Sie sollten auf Besuch kommen! Ich höre, dass Sie bald auf eine Reise aufbrechen. Werden Sie nach Bayembe kommen?«

    »Ich wünschte, ich könnte überall hinfahren«, sagte ich. »Aber ich fürchte, dass meine Forschung verlangt, dass ich mein Wissen in der Breite statt in der Tiefe erweitere. Ich muss meine Zeit neuen Gebieten und neuen Spezies widmen.«

    Das war die Wahrheit, aber nicht die gesamte Geschichte. Ich konnte diesem Mann nicht von meinem Gespräch mit einem gewissen Mitglied des Synedrions (das namenlos bleiben soll, obwohl es jetzt tot ist und ihm Klatsch nicht mehr schaden kann) erzählen, in welchem man mir klargemacht hatte, dass die Regierung es nicht gerne sähe, falls ich jemals nach Bayembe zurückkehren sollte. Was sie genau befürchteten, kann ich nicht sagen. Ich kannte nur ein einziges Staatsgeheimnis über unsere Geschäfte dort, und das war seit Langem aus dem Sack. Aber weil ich mich einmal dort eingemischt hatte, konnte man nicht darauf vertrauen, dass ich mich nicht wieder einmischen würde.

    Zu meiner Überraschung speisten Wademi und ich nicht im Hauptraum. Er hatte eines der Nebenzimmer für uns reserviert – vielleicht, weil wir auf diese Weise weniger Aufmerksamkeit auf uns zogen, der Yembe-Mann und die Frau, die man einst beschuldigt hatte, ihr Land für seines verraten zu haben. Das Geheimnis, wie er sich das leisten konnte, war schnell gelöst, denn es stellte sich heraus, dass er tatsächlich der Sohn der Schwester von Galinkes Mutter war. Jeder, der so nahe mit dem Oba von Bayembe verwandt war, sei es auch durch eine Nebenfrau, konnte locker mich und dazu meinen gesamten Haushalt verpflegen, ohne mit der Wimper zu zucken.

    Wir verbrachten die Vorspeise mit freundlichem Geplänkel, aber als der Hauptgang serviert wurde, stellte ich fest, dass er einen weiteren Grund hatte, dieses private Zimmer zu nutzen.

    »Was haben Sie von den Drachen gehört?«, fragte er, sobald der Kellner hinausgegangen war.

    »Den Drachen?«, wiederholte ich. Mein Kopf war so voll von verschiedenen drakonischen Spezies, dass ich länger brauchte, als ich sollte, um zu verstehen, wovon er sprach. »Meinen Sie diejenigen, die die Moulish Bayembe geschenkt haben?«

    Es war nicht so, dass ich sie vergessen hatte. Man vergisst nicht leicht Vereinbarungen, bei denen man geholfen hat, sie zwischen zwei fremden Völkern zu schließen, besonders wenn diese Hilfe verursacht hat, dass man des Verrats beschuldigt wurde. Aber mein Interesse an Drachen war biologisch, nicht politisch. Die Tatsache, dass es jetzt in Flüssen in Bayembe moulische Sumpfwyrme gab, war momentan nicht mein Hauptinteresse.

    Wademi nickte, und ich breitete die Hände aus. »Ich habe wirklich sehr wenig gehört. Galinke erwähnte, dass die Eier wie versprochen gebracht wurden und dass sie schlüpften – ich glaube, sie sagte aber, dass die Gesamtzahl etwas mager war. Es gab Vereinbarungen, um sicherzustellen, dass die Fangfische ausreichend gefüttert wurden. Aber seitdem nichts mehr.« Was mir jetzt, wo ich darüber nachdachte, seltsam vorkam. Zugegeben, die Drachen in den Flüssen von Bayembe waren als Verteidigung für die Grenze dieses Landes gedacht und mochten deshalb ein geschütztes Geheimnis sein. Aber Galinke musste sehr wohl wissen, dass ich mehr von ihren Fortschritten hören wollte, und hätte eine Möglichkeit finden können, mir irgendetwas mitzuteilen. Stattdessen hatten mich ihre seltenen Briefe mit anderen Angelegenheiten abgelenkt.

    Es schien, dass sie tatsächlich einen Weg gefunden hatte, mir etwas mitzuteilen, und der hieß Wademi n Oforiro Dara. »Die Situation ist … seltsam geworden«, sagte er, »und wir hoffen, dass Sie sie erklären können.«

    Das weckte natürlich meine Neugier wie nichts sonst. »Was meinen Sie mit ›seltsam‹?«

    Er sprach langsam zwischen den Bissen seiner Speisen. Ich erinnerte mich daran, meine eigenen zu essen, obwohl ich fürchte, dass die Mühen der Köche im Salburn an diesem Tag bei mir völlig vergeblich waren.

    Wademi sagte: »Zuerst waren es die Eier, aus denen nicht die erhoffte Menge schlüpfte. Aber die Moulish brachten im nächsten Jahr mehr, sodass wir jetzt genug haben. Die Fangfische fraßen sich gegenseitig, und diejenigen, die überlebten, wuchsen – einige von ihnen. Viele waren Kümmerlinge. Aber selbst die, die wuchsen, sind nicht wie die Drachen im Sumpf. Sie sind magerer.«

    »Jungtiere«, sagte ich. »Haben Sie die Moulish befragt? Sie würden wissen, wie lange es dauert, bis sie ihre volle Größe erreichen.«

    Er schüttelte den Kopf. »Sie sollten jetzt ganz ausgewachsen sein. Und ihre Haut ist anders. Ihre Schuppen sind feiner.«

    Ich konnte nicht anders, als zu fragen: »Sind Sie sicher, dass es keine Hautkrankheit ist?«

    Als Antwort fasste er unter seinen Mantel und holte ein Kästchen heraus, das er auf den Tisch zwischen uns legte. Als ich es öffnete, verpestete der stechende Geruch von Formaldehyd die Luft. Das Kästchen enthielt ein Stück Haut, das ich vorsichtig mit meinen Fingernägeln ergriff und hochhielt, um es besser betrachten zu können.

    Es war keine Hautkrankheit. Ich hatte oft die raue, krokodilartige Haut von Sumpfwyrmen beobachtet, und obwohl sie anfällig gegen Seuchen waren, welche Krankheit würde denn ihre Haut feiner machen? Was ich in meiner Hand hielt, war eher wie die Haut eines Fisches.

    Oder einer Savannenechse. »Sie können sich nicht mit den Drachen von Bayembe vermehrt haben«, stellte ich fest. Obwohl einige Exemplare dieser Spezies sich in die Ausläufer des moulischen Dschungels wagten, liefen sie nicht weit genug hinein, um Sumpfwyrmen zu begegnen. Und selbst wenn sie es täten – und erfolgreich überlebensfähige Eier produzierten –, hätten die Moulish diese Eier nicht dem Oba geschenkt. Sie hatten einen sehr rigorosen Prozess für die Zucht ihrer Drachen, der es einschloss, die Männchen aus dem eigentlichen Sumpf zu dem See zu bringen, wo die Königinnen schwammen.

    Meine Fingernägel gruben sich tiefer in die Haut. Die Königinnen …

    Ich hatte nicht so viel über die Biologie der Sumpfwyrme erfahren, wie ich es gerne hätte. Ich wusste, dass die Moulish die Eier nach dem Ablegen nahmen und im Sumpf verteilten, und ich wusste, dass die unterschiedliche Inkubation der Eier einige dazu brachte, sich zu Königinnen zu entwickeln, während der Rest Männchen blieb. (Zu diesem Zeitpunkt vermutete ich, hatte aber keine Gelegenheit zu beweisen, dass einige von den »Männchen« entweder geschlechtslos oder unfruchtbare Weibchen waren. Geschlechtslosigkeit war von anderen Drachenarten bekannt, und ich hatte das Gefühl, dass nur einige Wyrme im Sumpf dazu auserwählt waren, sich mit den Königinnen zu paaren. Aber ich war nicht dazu gekommen, genug Drachen aus ausreichend kurzer Entfernung zu untersuchen, um sicherzugehen.)

    Mein Kopf schwirrte vor diesen und anderen Gedanken, sodass verschiedene Theorien und Beobachtungen auf chaotische Art kollidierten. Was aus dem Getümmel herauskam, war dies: Was, wenn die Übertragung der Eier in die Flüsse von Bayembe Königinnen statt Männchen hervorgebracht hatte?

    Meine Beobachtungen der Drachenköniginnen hatten alle aus ziemlicher Entfernung stattgefunden, sodass ich nur spekulieren konnte, ob ihre Haut solch feine, überlappende Schuppen besaß. Es ergab aber Sinn. Sie schwammen in den turbulenten Wassern des Sees unter dem Großen Katarakt, wo sie von einer stromlinienförmigeren Oberfläche profitieren würden.

    Aber wenn das der Fall wäre, warum hatten die Moulish nichts zu den Yembe gesagt?

    Weil sie nicht wollten, dass die Existenz der Königinnen bekannt wurde. Der Oba würde sicherlich versuchen, eine einzuhandeln, und sollte das scheitern, würde er wohl versuchen, sich heimlich oder mit Gewalt eine anzueignen. Oder er würde, falls er genug über die Inkubationsprozeduren erfuhr, versuchen, diese nachzuahmen, damit er seine eigenen Drachen züchten konnte, ohne sich auf die Moulish verlassen zu müssen.

    Was mich in eine ordentliche Zwickmühle brachte. Falls meine Theorie zutreffen sollte, dann wollte ich unbedingt eine Bestätigung. Außerdem wollte Wademi – und über ihn Galinke und ihr gesamtes Volk einschließlich ihres Halbbruders – meine Hilfe. Aber ich würde mich nicht besonders gut bei meinen moulischen Freunden revanchieren, wenn ich ein Geheimnis verriet, das sie zu behalten versuchten.

    Ich legte die Haut zurück in ihr Behältnis. »Ich bin nicht sicher, was ich sagen soll. Es könnte eine Reaktion auf die sauberere, kühlere Umwelt in den Flüssen sein. Das Sumpfwasser ist sehr reich an Schlamm und organischen Bestandteilen, was, wie ich mir vorstellen könnte, die Haut der Jungdrachen sehr reizt.« Jedenfalls hatte es meine eigene Haut sehr gereizt. »Wirken Ihre Drachen gesund?«

    »Zum größten Teil«, antwortete Wademi.

    »Ich würde gerne wissen, ob sie weiterhin wachsen«, sagte ich. »Einige Fische passen ihre Größe an ihre Umwelt an. Es ist möglich, dass Ihre Drachen größer als die im Sumpf werden, weil das Wasser offener ist.« Falls sie länger als vier Meter werden sollten, würde mir das sehr viel verraten. Die Königinnen waren nach dem, was ich von ihnen gesehen hatte, viel größer als die Männchen.

    Wademi machte das Summen, das unter den Yembe für die Weigerung stand, die man aus Höflichkeit nicht direkt äußern konnte. Ich dachte an unseren privaten Raum und Galinkes Zurückhaltung in ihren Briefen. Er hatte mich zum Mittagessen eingeladen, damit er Informationen überbringen konnte, die sie nicht zu Papier bringen wollten. (Es fiel mir erst einige Monate später auf, dass vielleicht sogar irgendjemand in Scirland meine Post lesen konnte. Wenn man nicht wollte, dass ich nach Bayembe reiste, hatte man vielleicht ein Interesse an den Briefen, die ich verschickte und von dort empfing. Bis heute weiß ich nicht, ob das der Fall war.)

    Meine Gedanken galten an jenem Tag nicht solchen Angelegenheiten, aber selbst damals wusste ich, dass es wahrscheinlich schwierig würde, mich informiert zu halten. Ich seufzte. »Es wird ohnehin kompliziert, mir zu schreiben, weil ich für eine Weile recht viel unterwegs sein werde.«

    »Aber was ist mit den Drachen?«

    Selbst wenn ich den Mut besessen hätte, diesem namenlosen Herrn aus dem Synedrion zu trotzen, konnte ich unsere Reisepläne jetzt nicht mehr ändern. Obwohl darin Raum für Abstecher war – wie dieser Bericht beweisen wird –, konnten wir keinen Umweg

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