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eBook341 Seiten4 Stunden

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Über dieses E-Book

Level 13
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Die Fernsehstory über eine "Abenteuer-Simulations-Anlage" auf einer Kirmes bringt Heinz Braun alias Perry Slot auf die Spur von merkwürdigen Geschäften internationaler Konzerne. Die sich gerade entwickelnde Computertechnik macht es möglich bisher noch nie gesehenes auf Leinwände und Fernsehapparate zu bringen. Die Entwicklung dient vordergründig der schnellen Befriedigung der aufkommenden "Angstlust", wurde aber in Wirklichkeit auf den Markt gebracht, um tief in das Unterbewusstsein der Besucher eingreifen zu können.
Ein kleines friedliches Land Südamerikas wird vom Konzern zum Versuchsobjekt gemacht. Es soll geprüft werden, ob die Beeinflussung auch politisch funktioniert. Beim Dreh der Fernsehgeschichte gelingt es Heinz Braun alias Perry Slot zusammen mit international agierenden Computerhackern, in den Zentralrechner des Herstellers einzudringen. Dabei kommen sie hinter Geheimnisse, die selbst dem Chef des Konzerns unbekannt sind: Hoch umstrittene Wirtschaftsstrategien des Weltkonzerns basieren auf dem Zusammenwirken eines Programmierfehlers und einer geklauten Software; dem 13. Level.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum26. Feb. 2017
ISBN9783741896187
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    Buchvorschau

    Level 13 - Peter Vinzens

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    Titel Seite

    1: Ein früher Besuch

    2: Wäldchestag

    3. Recherchen an der Oberfläche

    4. Zweifler und Gerechte

    5. Berliner mit Schuss

    6. Flug über den Pol

    7. Kontakte in Tokio

    8. Begegnung unter dem Berge

    10. Zwischenstation

    11. Ein ruhiges Land

    12. Fernsehjagd

    13. Begegnung über dem Äquator

    14. Jäger und Gejagte

    15. Ehrenwerte Banker

    16. Trojanisches Pferd

    17. Ordnung muss sein

    18. Storymacher

    19. Nachtprogramm

    20. Früher Besuch

    22. Reise zum Regenbogen

    23. Kleine Untersuchung

    24. Ecksteins Vermächtnis

    25. Entscheidung

    26. Zwischenstand

    27. Fisch bei Maria

    Über den Autor und den Roman „Level 13"

    Peter Vinzens

    Level 13

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    Reihe Perry Slot

    Level 13

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    Peter Vinzens

    Impressum

    Texte: © Copyright by Peter Vinzens

    Umschlag:© Copyright by Ursel Jaeger

    Verlag:Peter Vinzens, vtvfra.de

    Gluckensteinweg 3

    61350 Bad Homburg

    produktion@vtvfra.de

    Druck:epubli ein Service der

    neopubli GmbH, Berlin

    ISDN Print 978-3-7418-9617-0

    ISDN eBook 978-3-7418-9618-7

    Printed in Germany

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    1: Ein früher Besuch

    Heinz Braun sah aus seinem Fenster. Die Finca, in der er lebte, lag am oberen Ende der ‚Cala San Vicente‘ auf Ibiza. Braun war Schriftsteller, nannte sich als solcher aber nicht Braun, sondern Perry Slot. Der neue Name war das Ergebnis einer durchzechten Nacht. Erst hinterher war den Erfindern aufgefallen, dass sie ein wenig danebengegriffen hatten. Da aber war nichts mehr zu ändern gewesen.

    Der Wohlstand des Autors beruhte lediglich zum kleineren Teil auf seinen schriftstellerischen Erfolgen. Er hatte im Rahmen seiner ersten größeren Aktion als Schreiber von Romanen ein wenig in fremde Taschen gegriffen und dabei, unbemerkt von anderen Beteiligten, sein weiteres Leben verbessert. Heute war Heinz Braun alias Perry Slot nicht alleine. Eine Dame hatte sich angesagt und war tatsächlich gekommen. Sie war Redakteurin einer großen Frauenzeitschrift, die, analog zu den sogenannten Herrenmagazinen, des Öfteren knackige junge Kerle auf den Titelblättern zeigte. Solcherart eingeführt war natürlich auch ein erfolgreicher Schriftsteller interessant, obwohl der das Verfallsdatum schon leicht überschritten hatte.

    Perry Slot hatte der Redakteurin Kaffee und Tapas angeboten, die er, entgegen seiner Gewohnheit, bereits am frühen Morgen unten in der Bucht in Marias Kneipe geholt hatte. Die Dame zeigte sich entzückt, weniger von Slot selbst, mehr von der Aussicht aus seinem Haus hinüber zur Insel Tagomaro.

    „Lieber Herr Braun, oder ist es Ihnen lieber, wenn ich Herr Slot sage, eine ganz entzückende Wohnung haben Sie hier, ich bin ja schon richtig neidisch, wenn ich nicht schon vergeben wäre, ich würde sofort bei Ihnen einziehen wollen, aber Sie haben sicherlich schon eine Begleitung, die mir das übelnehmen würde." Die Redakteurin sprach wie ein Wasserfall, ließ Slot kaum zu Wort kommen, was der Aufgabe ihres Berufes überhaupt nicht entsprach. Slot atmete tief durch.

    Verbindungen zur schreibenden Presse sind für Schriftsteller hilfreich, denn es gab schon immer eine ganze Menge Menschen, die Journalisten fälschlicherweise aufs Wort glaubten und sich ihrer Meinung anschlossen. Ein guter, wohlwollender Artikel in einer überregionalen Illustrierten konnte schon ein paartausend verkaufte Bücher bedeuten. Deshalb atmete Slot tief durch.

    „Es ist mir egal, ob Sie Braun oder Slot zu mir sagen. Ich habe mich an beides gewöhnt. Greifen Sie doch zu. Die Tapas sind ganz frisch. Ich hole sie immer bei Maria, unten in der Bucht. Ein hervorragendes kleines Lokal. Direkt neben Ihrem Hotel."

    „Wie, Herr Slot, kommen Sie auf die Ideen zu Ihren Büchern? Das ist eine Frage, die unsere Leserinnen immer wieder brennend interessiert. Wie kommt man auf solche Geschichten? Was ist die Motivation diese Geschichten zu schreiben?"

    Eigentlich waren dies ja gleich zweieinhalb Fragen gleichzeitig. Slot beschloss ganz allgemein zu antworten, denn diese Fragen bekam er dauernd gestellt, und er hatte sie noch nie zu seiner eigenen Zufriedenheit beantworten können.

    „Ach, wissen Sie, ich war ja früher Journalist. Wie Sie. Nur halt beim Fernsehen. Da erlebt man eine ganze Menge. Sie wissen ja, die besten Geschichten schreibt das Leben."

    Einen so blöden Gemeinplatz muss mir die Tussi doch gleich um die Ohren hauen, dachte Slot. Sein Gegenüber aber lächelte nur wissend. Boulevardjournalismus lebt von Gemeinplätzen und Worthülsen. Die verstehen die Leute wenigstens, und das entspricht wiederum dem Zeitgeist.

    „Warum sind Sie beim Fernsehen ausgestiegen?"

    Eine gute Frage, dachte Slot, soll ich jetzt die Wahrheit sagen oder ihr eine eingängige Geschichte vorlügen? Slot entschloss sich zur Wahrheit mit ein paar dekorativen Beimengungen.

    „Wissen Sie, das kenne Sie ja bestimmt auch aus eigener Erfahrung, zum einen gestatten uns unsere Oberen bisweilen nicht die volle, die ungeschminkte Wahrheit zu verbreiten, andererseits wollen wir unsere Rezipienten ja auch nicht mit der brutalen Wirklichkeit erschrecken. Diesen Weg dazwischen zu finden ist nicht einfach, da stößt man schnell an Grenzen."

    „Sie sagen: ‚Man‘ stößt an Grenzen. Sie meinen aber, Sie persönlich sind an Grenzen gestoßen."

    Sieh mal an, Slot war ernsthaft überrascht, die Tussi konnte, entgegen seiner Erwartung, doch mitdenken und kritisch fragen.

    „Sie haben völlig recht. ‚Ich‘ bin an Grenzen gestoßen. Schmerzhafte Grenzen, die ich nicht noch einmal erleben möchte…"

    „Was war passiert?"

    „Es war ein Beitrag über eine Abenteuersimulationsanlage, so was gab es früher mal. Ich sollte sie fürs Fernsehen, fürs Regionalprogramm machen. Das ist jetzt, lassen Sie mich überlegen, das ist jetzt fünfunddreißig Jahre her. Das Computerzeitalter war noch jung, die Steinzeit der elektronischen Datenverarbeitung quasi. Da konnten wir uns vieles, was uns heute völlig normal vorkommt, noch gar nicht vorstellen. Wenn es Sie interessiert, will Ihnen die Geschichte erzählen, aber Sie sollten sich bequem hinsetzen, denn es ist eine längere Geschichte.

    Ich war also noch Journalist, noch jung und auch noch nicht der Schriftsteller Perry Slot, sondern der unbedeutende Reporter Heinz Braun vom Regionalfernsehen…"

    2: Wäldchestag

    …und hatte den Auftrag einen vier- bis fünf Minuten langen Beitrag zu drehen. Es roch nach Grillwürstchen, verschüttetem Apfelwein und ein wenig nach Toilettenanlagen. Hauptsächlich eigentlich nach Toilettenanlagen.

    Es ist nicht jedermanns Sache ‚Die Frau Rauscher, aus der Klappergass‘ laut und Original und aus der Nähe zu hören. Aber das war nur der Anfang. Sie waren von der Fernsehredaktion ihres Senders verdonnert worden einen Bericht über den ‚Wäldchestag‘ Frankfurts zu drehen. Drei, höchstens vier Minuten lang sollte er werden, hatte der Planungsredakteur gesagt. Mehr war die Story wohl auch nicht wert. ‚Wäldchestag‘, das ist ein traditionelles Fest der Frankfurter. Da geht man in das Wäldchen, daher auch der Name, um zu feiern und zu trinken. Früher war das so. Heute wird weniger gefeiert, eher mehr getrunken. Das Ganze ist für die Aussteller ein Bombengeschäft. Die Stellplätze im Wald sind auf Jahre hinaus vergeben, und die Wirte schlagen sich um die trinkfreudigen Gäste mit immer lautstärkerer Musik. Und die spielt kraftvoll und immer, immer wieder: „Die Frau Rauscher aus der Klappergass, die hat e' Beul am Ei...", als sei dies die Frankfurter Nationalhymne. Das ist sie aber nicht, eher dann schon ‚Money, Money...‘ aus ‚Cabaret‘. Das Volk aber soll seine Freude haben.

    Drei bis vier Minuten für das Regionalprogramm ist keine wilde Angelegenheit. Bilder von ein paar Fahrgeschäften und, wenn man keine große Lust hat sich anzustrengen, einen O- Ton, ein Interview, eine Aussage. Das schindet Zeit. Witziges war wenig zu finden. Kinder und Erwachsene fuhren Riesenrad. Ein paar tausend Mäuse turnten, gegen Entgelt zu besichtigen, in einer Landschaft aus Plastik herum. Das arme Viehzeug ähnelte ein wenig den Leuten draußen vor dem Wagen, nur, dass es draußen mehr zu fressen und zu saufen gab.

    Im Grunde genommen war schon abgedreht. Das Team wollte sich noch ein Bier gönnen, um dann zurückzufahren, zum Schnitt, zur Sendung. Aber gegenüber dem Apfelweinzelt hatte sich ein dubioser Riesenladen breitgemacht, und der Besitzer äußerte sich euphorisch darüber, dass dies die einzige transportable Abenteuersimulationsanlage Europas sei. Das Projekt A.SI.AN war geboren und sollte noch viel Ärger bereiten.

    3. Recherchen an der Oberfläche

    1. Drehtag, Pfingstdienstag Frankfurt, Waldstück gegenüber dem Stadion: ‚Wäldchestag‘

    „...und nicht die Wirklichkeit entspricht dem Zeitgeist, sondern die Simulation. Denn seit Hegel gilt als Definition: Zeitgeist ist die Summe der einer Zeitepoche eigentümlichen, sie beherrschenden Ideen. Heute simulieren wir alles: chemische Vorgänge, Mechanik, eheliche Beziehungen und auch

    Katastrophen.

    Sogar unsere Sucht wird simuliert. Geltungssucht, Gewinnsucht, Arbeitssucht und jetzt auch Angstsucht. Eine neue Form der Droge ist erfunden, und auch der Apparat dazu. Die Abenteuersimulationsanlage. Alkohol, Nikotin und harte Drogen können gesellschaftlich nicht akzeptiert werden. Sie hinterlassen Schäden bei der Arbeitskraft der Konsumenten. Da ist es dem Zeitgeist entsprechend Sucht zu simulieren. Ganz nach dem Lustprinzip, systemerhaltend, modern, und ein gutes Geschäft zudem. Steuerbegünstigt zur Not."

    Braun, der Reporter vor der Kamera entspannte sich wieder und verlor den wichtigen, den offiziellen Gesichtsausdruck. „War das brauchbar? Mein Gott, wir basteln uns wieder mal eine Story! Johannes? Warum sagst Du nichts, Du bist heute so richtig friedlich. Bist Du krank? Passt Dir was nicht?"

    Johannes, der Kameramann kam missmutig hinter seinem Arbeitsgerät hervor:

    „Heinz, glaubst Du wirklich was Du hier erzählst? Ist da wirklich was dran oder geht's nach der alten Leier: Große Wortblase versteckt mickerige Story?"

    „Weiß ich selbst nicht! Aber nachher haben wir keine Zeit mehr für Aufsager. War der Kerl von der Anlage übrigens schon da? Nein? Dann lass uns einen trinken, aber keinen Apfelwein! Ich hasse heute Apfelwein. Klaus, auf zum Bierfassen!"

    Der Tonmann grinste und packte das Gerät zusammen.

    „Ich habe zwar nichts verstanden, aber es war brillant formuliert. PAUSE!"

    Der Kameramann stand nachdenklich neben seiner Kamera. Zu trinken gab es am Wäldchestag genug, das aber war nicht das Problem, das ihn beschäftigte.

    Der Knabe von der Firma kam noch zur rechten Zeit. Noch würden sie mit dem Schnitt nicht in Verzug geraten. Der Vertreter war ihnen allen ein wenig unangenehm. Ein young urban professional, ein Yuppi, ein typischer Vertreter des Zeitgeistes: Profitorientiert, leistungsbewusst, die Karriere im Sinn. Alles andere durfte ruhig ein wenig teurer sein. Restaurants, Mädchen und was sonst noch so Spaß macht. Ein erster Eindruck.

    Aber sie wollten den Kerl ja nicht heiraten.

    Gesprächspartner kann man sich nicht aussuchen. Außerdem unterscheiden sie sich in vielen Bereichen kaum. Die Feigen werden Zuhälter, die Dreisten gehen in die Industrie. Hier hatten sie einen aus der Industrie. Mit Sicherheit hatte er studiert. Betriebswirtschaft oder Jura schätzte Heinz Braun. Dann folgte dem Studium wohl ein Auslandsaufenthalt, und irgendwann war er dann das, was er heute war: Gehobener Vertreter auf Abruf. Entsprechend war auch sein erstes Statement.

    „Ausgangspunkt für unsere Investitionen war die sich verbreitende Angstlust. Sehen Sie mal: Immer mehr Videos mit schrecklichen, zum Teil auch ekelerregenden Szenen finden ihren Absatz. Der Markt, wenn ich so sagen darf, entwickelt sich ganz ungeheuer. Für ein Unternehmen in der Elektronik- bzw. der Unterhaltungsindustrie ist das natürlich eine Herausforderung. Wir wollen natürlich nicht in die Gewalt- und Pornoindustrie einsteigen. Das würde unserem internationalen Ansehen schaden. Aber die Nachfrage nach Nervenkitzel ist schon eine Marktmöglichkeit. Wir haben uns deshalb überlegt, wie wir da tätig werden könnten. Zuerst bauten wir stationäre Erlebnisparks. Die neuesten Entwicklungen in der Holographie kamen uns entgegen, und in der nächsten Ausbaustufe waren dann fahrbare Anlagen dran. Heute arbeiten Autoren, Psychologen und Techniker zusammen. Die Programme, gesteuert von sehr leistungsfähigen Computern, sind variabel. Wir können also die Anforderungen und die Umgebungen ganz einfach umprogrammieren. Der Anwender ruft ab was er will, also das, was er verkaufen kann. Selbstverständlich sind die stationären Anlagen wesentlich leistungsfähiger als die fahrbaren. Sie müssen berücksichtigen, dass Millionen von Einzeldaten in Echtzeit verarbeitet werden müssen. Da gibt es dann zwangsläufig Grenzen in der Computerleistungsfähigkeit."

    Wenn den Reporter Leute nicht interessieren fragt er erst hinterher nach dem Namen. Heute wurde der Name Rolf Meister ziemlich spät bekannt, obwohl er sich zu Beginn natürlich vorstellte. Aber wer hört bei Vorstellungen schon so genau hin? Der Kameramann schätzte ihn auf rund 32 Jahre. Auf der Visitenkarte, eine Formalität mit sozialwertigem Hintergrund, war zu lesen, dass er Verkaufsleiter für Europa der TEC.TO.N war. Aus dem Buch Wer gehört Wem einer großen deutschen Bank, wusste Braun, dass die TEC.TO.N zu einem japanischen Konzern gehörte. A.SI.AN, die Abenteuer-Simulations-Anlage stand in Europa für eine Untergruppierung des Konzerns. Mehr war zurzeit nicht bekannt. Das japanische Wer gehört Wem war gerade eben nicht greifbar. Warum auch?

    Übrigens Visitenkarten: Sie sind eine Erfindung des mittleren Managements. Die Großen im Geschäft verteilen keine. Ihre Namen kennt man. Sie haben das nicht nötig. Ruft ein Pressemensch nämlich zum Beispiel die Telefonzentrale der Firma an, dann kennt die Telefonistin die Nummern der Chefs. Die ganz Kleinen bekommen überhaupt keine Visitenkarten, sie sind zu vernachlässigen, sie brauchen nicht bekannt zu sein. Nur das untere und mittlere Management braucht sie, sie müssen angerufen werden können. Sie brauchen Kontakte, besonders, wenn sich in der Firma noch nicht herumgesprochen hat wer sie sind. Das wollen sie ändern, wollen sich einen bekannten Namen machen. Deshalb also Visitenkarten. Meister hatte sie in Fülle. Ein Indiz gegen seinen Wert.

    Er zeigte sich begeistert von dem Produkt seiner Firma, ohne eigentlich zu begreifen, um was es wirklich ging. Der Vertreter sah in seinen Projekten technische Phänomene und ein gigantisches Geschäft. Eines seiner liebsten Worte, wohl gelernt in Fortbildungskursen für Hilfsmanager, war ‚Innovation‘. Die Abenteuersimulationsanlage war ihm anscheinend die liebste Innovation seines Verkaufsprogramms. Klaus Mullmann, der Tontechniker, meinte denn auch treffend: „Als Kind hat der wohl kein Spielzeug gehabt, sonst würde der sich jetzt nicht so an der Anlage festhalten. Das Abenteuer des kleinen Mannes und morgens wieder pünktlich bei der Maloche. Hervorragende Aussichten. Und nach einer Pause: „Ob die auch Abenteuer mit Mädchen simulieren können? Klaus war einer der vielen Verbalerotiker im Sender. Ansonsten war er harmlos.

    Natürlich bekamen sie die Anlage gezeigt. Ganz im Sinne der Verkaufsförderung versteht sich. Grundelement war ein Tieflader, auf dem die technischen Voraussetzungen für die hydraulischen Bewegungen des Publikumsraumes, die Laser und die Projektionseinrichtungen installiert waren. Darauf wurde ein zeltähnlicher Aufbau errichtet, dessen Innenwände weiß beschichtet waren, von außen aber kein Licht durchließen. Die ausklappbare Grundfläche ließ sich mit den Hydraulikpressen bewegen. Ein Container, angehoben auf die Höhe der Zeltdecke, enthielt, fest installiert, die gesamte Computertechnik.

    „Mit der Hardware haben wir immer große Schwierigkeiten. Rolf Meister sah die große Chance, sich öffentlich und bei seiner Firma gut zu verkaufen. „Deshalb mussten wir den ganzen Computerkram auch klimatisiert in einen festen Container packen. Unsere Kunden verlangen von uns, dass der Rechner funktioniert. Stellen Sie sich mal den Ausfall vor, wenn die Anlage stehen bleibt. Oder noch viel schlimmer: Der Computer spinnt. Wenn das Programm abstürzt, ist das ja noch das geringere Übel, aber wenn es ein Eigenleben entwickelt und die greifbaren Programme durcheinanderwirft, dann verunsichern wir nicht nur das Publikum, wir machen die Mechanik kaputt. Das wären Millionenverluste, deshalb muss der Rechner als anfälligster, als empfindlichster Teil besonders geschützt werden. Vergessen dürfen wir auch nicht Einflüsse von außen. Schon jetzt werden wir von einigen Spinnern angefeindet. Die befürchten, wir wollten die Welt verändern, dabei haben wir überhaupt noch nicht angefangen die Möglichkeiten auszuschöpfen. Aber irgendwann werden wir auch das tun. Dann können wir entscheiden welche Programme die Leute sehen. Das erste Programm bereitet die Leute auf das nächste vor, und so geht das weiter. Die erste Genehmigung ist wie ein Ermächtigungsgesetz, und außerdem, es ist wie die Erlaubnis zum Gelddrucken. Ein tolles Geschäft.

    Er hatte völlig vergessen, dass die Kamera lief, hatte sich in Rage geredet, mehr von seinen Wünschen gesprochen als von Realitäten. Draußen aber lief bereits die andere Realität. Der Einlass für Erwachsene und Kinder hatte begonnen, Eintritt fünfzehn Mark, Kinder acht. Qualität hatte auch 1996 ihren Preis, Attraktionen besonders.

    Während sich das Licht im Zelt verdunkelte, stiegen sie die Treppe zum Kontrollcontainer hinauf. Sie müssten sich nicht hetzten, meinte der Vertreter der TEC.TO.N, heute sei das Fernsehteam Hauptperson. Das war beruhigend, denn es braucht halt seine Zeit die Gerätschaft aufzubauen.

    Im Rechner war ‚Katastrophe‘ programmiert. Bombenkrieg live. Im großen Raum unten, zwischen Sitzgelegenheiten, umgeben von Projektionswänden für computergesteuerte Videobilder, versammelte sich das abenteuerlustige Publikum. Erwachsene und Kinder, Reiche und Arme, Männer, Frauen. Noch war das Programm nicht in Gang gesetzt. Die Vorstellung hatte noch nicht begonnen. Oben, unter der Zeltdecke, abgeschlossen von schallschluckenden Fenstern, die Zentrale: „Dies hier ist quasi der Kommandostand des Schiffes. Von hier aus werden die Programme gesteuert. Außerdem müssen wir auch das Publikum beobachten, denn wir machen Katastrophen so lebensecht, dass bisweilen schon mal jemand umfällt. Das darf allerdings nicht zu häufig vorkommen, sonst bleiben uns die Leute weg.

    Sehen Sie hier auf den Kontrollmonitoren: An diesen Daten können Sie ersehen wie stark der Krieg gleich werden soll. Nachmittags und am frühen Abend, also, wenn Kinder und Familienväter da sind, fahren wir natürlich nur ein kleines Programm. Alles wird von uns ein bisschen harmloser gemacht. Außerdem schont das die Hydraulik unter dem Boden. Damit können wir die Besucher so richtig schön durchschütteln. Sie kennen das bestimmt von Flugsimulatoren: Das Programm ist ganz lebensecht. Abends geht natürlich die Post ab, da fahren wir unsere Möglichkeiten voll aus. Und jetzt passen Sie auf. Wir starten den Rechner!"

    Auf den Monitoren waren zunächst nur Zahlen zu sehen. Der Operator lächelte sie milde an und meinte danach, „Mathematik ist fürs Fernsehen wohl zu abstrakt." Er könne auch Kurven liefern: Spannungskurven, Lautstärkekurven, Bewegungskurven der Hydraulik. Zum Nachmittagsprogramm läge die Einstellung zwischen 30 und 40 Prozent. Die harmlose Fassung.

    Auch graphische Darstellungen des Geschehens waren in der Kontrolle zu finden. Auf extra Monitoren wurden immer die folgenden Bilder schematisch angezeigt. Die Kontrollinstrumente für Stromversorgung, Mechanik, Holographie und Laser waren übersichtlich in die Wand eingebaut. Vorausgesetzt, man kannte die Anlage. Das Kontrollpanel hätte auch in einem Kraftwerk stehen können oder in einem Raumfahrtzentrum. Technisch kühl, ergonomisch geordnet. In der Mitte der Notschalter, das ‚Sofortaus‘, Entsprechend den Vorschriften der technischen Überwachung.

    Die Autoren des Schreckens hatten ihr Handwerk beherrscht.

    Auf den Projektionswänden zeigen sich die Bilder einer großen Stadt. London ist es. Aber die Bilder sind bereits älter, zeigen die Metropole in den vierziger Jahren. 1943 schätzte der Kameramann, er war der Älteste im Team. Merkwürdig braun/ weiße Farbtöne, erinnerten an vergilbte Fotografien. Eine beruhigende Stimme rät den Besuchern in der Mitte Platz zu nehmen, weiche Polsterquader laden zum Sitzen ein. Dann, langsam gleitet die projizierte Umgebung in die Nacht, umgibt den inneren Raum ein abschwellendes Licht mit einem Käfig, Halluzination aus Licht, Holographie. Und die Besucher mitten drin. Die Szene gleicht jetzt der Fahrt mit einem Autobus durch das nächtliche London des zweiten Weltkrieges. Der Boden beginnt im Rhythmus der Fahrt zu holpern, Fahrgeräusche schwellen an, die Illusion wird perfekt. Ein leibhaftiger Schaffner geht durch den vermeintlichen Bus und fragt, wer noch Fahrkarten benötige. Auf Englisch, mit Cogny-Akzent. Er ruft Stationen aus. Der Bus hält, fährt wieder an. Oxford Circus, rechts gleitet die Hannover Street vorbei. Passanten huschen durch abgedunkelte Straßen, draußen, um den Bus herum. Maddox Street. Die Fahrt geht durch die Innenstadt, zum Piccadilly Circus. Die Stecke der Bakerloo-Line, einer Buslinie Londons. Vorne eine Verkehrsstockung, Taxis stehen quer, eine Bobby pfeift, Leute schimpfen draußen. Rechts die New Burlington Street. Links eine Kirche. Das Tor ist geöffnet. Gläubige strömen auf die Straße. Erst jetzt fällt auf, dass die Bilder farbig geworden sind, fahl im leichten Londoner Nebel. Dunst unter den Laternen, reflektiert im Scheinwerferlicht der Automobile. Links geht die Glasshouse Street ab zum feudalen Regent Palace Hotel. Jeder kann die vorfahrenden Taxen sehen, Menschen, die ein und aussteigen, uniformierte Portiers, die Wagenschläge aufreißen. Die Regent Street hat hier eine Biegung nach links, dann kommt der Piccadilly Circus, der aufregendste Ort Londons. Links auch die große, haushohe Coca-Cola Leuchtreklame. In der Mitte der Brunnen. Drumherum der Linksverkehr. U-Bahn Schilder.

    Mit der Luftschutzsirene hatte keiner gerechnet. Sie heult unvermittelt los. Der Bus stoppt abrupt. Der Schaffner schreit Unverständliches und stürzt sich aus dem Wagen aus Holographie. Draußen rennen Menschen in U Bahnschächte, Hauseingänge. Das Sirenengeheul vermischt sich mit dem dumpfen, drohenden Brummen propellergetriebener Bomber. Niemandem ist aufgefallen, dass der Bus verschwunden ist. Oder sind alle ausgestiegen? Bomben fallen. Zuerst hört man nur ihr Pfeifen. Ein ekelhaftes, drohendes, zynisches Geräusch. „Wir kommen, wir kommen!" Rechts und links Detonationen. Steinbrocken fliegen über die Köpfe. Schlagen irgendwo auf. Spritzen Schrapnells über das Pflaster. Leute schreien in Panik. Rufen um Hilfe. Zeigen Angst. Stimmen der Illusion oder die Eigene? Gegenüber ist ein Feuer ausgebrochen, die Hitze strahlt herüber, Brandbomben, es stinkt nach Qualm, nach Pulver, nach Phosphor. Die Erde erzittert unter Detonationen, die Luft ist erschüttert vom Krachen zusammenstürzender Mauern. Und die Luftschutzsirene zersägt das Inferno mit kreischendem Laut.

    „Die perfekte Illusion.Teuer, aber perfekt."

    Was hatte der alerte Vertreter der Unterhaltungsfirma zu Beginn des Interviews doch gesagt? "

    „Angstlust! „Ein Markt mit Zukunft! „Ein elektronisch- optisch- psychologisch zu meisterndes Phänomen!"

    Krieg im Erlebnispark. Tötung als Massenschauspiel. Völkermord auf dem Abenteuerspielplatz. Freigegeben für Kinder und Erwachsene.

    Aber wie war das doch? Braun denkt nach: „Senden wir, die wir Fernsehen machen, jedem Kind zwischen dem dritten und dem sechzehnten Lebensjahr nicht rund achtzigtausend Morde ins Wohnzimmer? Nur damit sich unsere Werbung besser verkauft? Ein Zyniker, der da wehklagend den Finger heben will." Sein Honorar, der monatliche Scheck ist abhängig auch vom Tod auf der Mattscheibe. Der Reporter ist sich seiner Rolle nicht mehr sicher. Und wie viele Kunden erreicht schon eine noch so perfekte Abenteuersimulationsanlage?

    „Dreihundertsechzigtausend im Jahr, zumindest peilen wir dies mit dieser Anlage an. Aber sie ist erst der Prototyp. Später müssen es schon mehr sein. Allein wegen der Rendite."

    Der Verkaufsleiter lacht.

    „Die Zielgruppe ist im Moment noch etwas diffus. Im Ausland, ja im Ausland sind wir da schon wesentlich weiter. In England, in Japan, in Südamerika. Da sind die Ressentiments gegen solche Erlebnisanlagen bei weitem nicht so groß."

    Die Leute stolpern aus dem Zelt. Fragen an die Besucher: Sie sind begeistert: Alles sei so realistisch, fast lebensecht. Wenn sie nicht gewusst hätten es sei nur ein Spiel, sie hätten tatsächlich Angst bekommen. Fragen an die Kinder: Hattet ihr Angst? Die Großmäuligen antworten mit „Nein", spreizen stämmig die Beine, schielen zu ihren Eltern. Mutige Kinder. Viel besser als im Fernsehen sei es, wegen des Qualms und der Erschütterungen. Und wie fein die Bomben auf den Platz gekracht seien. So richtig stark, geil eben.

    Aber da sind auch Erschreckte, Erschütterte, die, die Angst hatten, die, die nicht mehr unterscheiden konnten zwischen Spiel und Wirklichkeit. Und dann noch die alte Frau, die den tatsächlichen Krieg mitgemacht hatte, in stickigen Bunkern, feuchten Kellern, in Gräben, draußen auf dem Feld. Differenziert ist ihre Meinung, gut für die Story. Vielleicht könnten die jungen

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