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Ein Traum ist nicht genug: Kurze Geschichten von langen Reisen
Ein Traum ist nicht genug: Kurze Geschichten von langen Reisen
Ein Traum ist nicht genug: Kurze Geschichten von langen Reisen
eBook922 Seiten13 Stunden

Ein Traum ist nicht genug: Kurze Geschichten von langen Reisen

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Über dieses E-Book

"In dreißig Jahren um die Welt" war nicht das ursprüngliche Ziel, sondern ist das Ergebnis von vielen Reisen des Verfassers, und in dieser Zeit waren es mehr als drei Jahre an "Touren", in denen die Geschichten um Länder und Menschen entstanden, manchmal verbunden mit Abenteuern, immer jedoch mit neuen Erkenntnissen und dem Bestreben, Interessantes nicht nur selber zu erleben sondern auch weiter zu geben und dadurch den Leser zu ermuntern, selbst auf den Baum der Erkenntnis zu steigen, das Fernglas der Neugier in die Hand zu nehmen und den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Denn ein Traum allein ist nicht genug, die Welt kennen zu lernen, Fremdes zu mögen und Menschen als Nachbarn und Freunde zu sehen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum23. Mai 2018
ISBN9783752801149
Ein Traum ist nicht genug: Kurze Geschichten von langen Reisen
Autor

Heinz Brueck

Heinz Brueck studierte in Köln und Bonn und promovierte in Biologie und das vor langen Jahren. Nach einer wissenschaftlichen Assistentenzeit an der Universität Bonn war er Dozent in der Ausbildung Biologisch-technischer Assistenten und hatte 25 Jahre bis zu seiner Pensionierung den Lehrauftrag für Technischen Umweltschutz an der Rheinischen Fachhochschule Köln (University of Applied Sciences) inne. Zur Abwechslung tauchte er schon einmal unter, am liebsten da, wo das Wasser warm und klar war, züchtete als Hobby eine Zeitlang schottische Gallowayrinder und betätigt sich als Sachverständiger für biologische, umwelttechnische und Fragestellungen des Arbeitsschutzes. Daneben fährt er immer noch gern Motorrad und ist manchmal in aller Welt unterwegs, denn das Neue lässt immer noch keine Ruhe. Heinz Brueck lebt mit seiner Frau und mittlerweile ohne Kinder im Haus in Köln.

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    Buchvorschau

    Ein Traum ist nicht genug - Heinz Brueck

    Heinz Brueck studierte in Köln und Bonn und promovierte in Biologie – und das vor langen Jahren. Nach einer Assistentenzeit an der Universität war er Dozent in der Ausbildung von Biologisch-technischen Assistenten und hatte 25 Jahre den Lehrauftrag für Technischen Umweltschutz an der Rheinischen Fachhochschule Köln (University of Applied Sciences) inne. Zur Abwechslung tauchte er schon einmal unter, am liebsten da, wo das Wasser warm und klar ist, züchtete nebenbei eine zeitlang schottische Gallowayrinder und betätigt sich als Sachverständiger für biologische und umwelttechnische Fragestellungen. Daneben fährt er – immer noch – gern Motorrad und ist manchmal in aller Welt unterwegs, denn das Neue ruft weiterhin.

    DENEN, DIE ES VERDIENT HABEN, ERWÄHNT ZU WERDEN

    Gern benutzt man eine der ersten – der manchmal schon einmal leeren – Seiten eines Buches, um sich zu bedanken bei denen, die einen besonders wenig gestört haben beim Schreiben oder um das nachfolgende Werk, wenn man es denn so nennen darf, jemandem zu widmen, die oder der es besonders verdient hat. Also folge ich hiermit auch diesem anscheinend guten Brauch.

    Ich bedanke mich bei meiner Familie für jedwede Unterstützung, bei meiner Frau natürlich zuerst, die jahrelang nichts dagegen hatte, mich für Reisen, manchmal auch für längere Zeit und manchmal in seltsame Gegenden, loszulassen, bis sie merkte, dass ich ja – bis jetzt – immer wiederkomme und man eigentlich gefahrlos mitreisen könne. Was sie jetzt auch manchmal tut. Und dafür, dass sie mich in meinem Arbeitskeller an den Computer lässt, ohne mich häufiger sondern jetzt nur noch sporadisch darauf hinzuweisen, dass der Rasen wieder mal gemäht werden müsse, was er allerdings auch wirklich manchmal muss. Deswegen bedanke ich mich auch beim Winter.

    Und ich bedanke mich bei meinen Kindern, denen ich hoffentlich eine wenig Fernweh mitgegeben habe um solche Dinge zu entdecken, über die ich in Auszügen berichte, ein Auge für die Besonderheiten ferner Welten, die aber auch schon mal auf ihren Vater verzichten mussten, so zu Beispiel meine Tochter, die immer dann pflegt, Geburtstag zu haben, wenn ich Semesterferien hatte und auf Tour war. 2017 zu ihrem Vierzigsten war ich das erste Mal seit 23 Jahren vor Ort, nachträglich „dreadfully sorry". Und bei meinen Söhnen, denen ich in der Zeit meiner Abwesenheit nicht bei irgendwelchen schulischen Dingen helfen konnte, die solche Einmischungen wahrscheinlich aber auch gar nicht gewollt hätten, ich glaube das nämlich eher.

    Aber ganz so schlimm wird es nicht gewesen sein mit meiner Abwesenheit, und ab und zu ist man zu Hause bestimmt auch überflüssig, denn als die Familie vor langen Jahren einmal beim Abendessen saß und ich in einer Diskussion über das Alter die Worte fallen ließ: „Na ja, die Zeit geht vorüber und die Hälfte ist vorbei, wobei ich mein damaliges Alter von 50 meinte, kam die Frage: „Welche Hälfte?, und meine Antwort: „Ernst Jünger (deutscher Schriftsteller, für die, die keine Kriegsliteratur lesen, was ja sehr verständlich ist) ist jetzt 102, das werde ich wohl auch noch schaffen! Darauf die nachdenkenswerte Frage eines meiner Söhne: „Willst Du uns bedrohen? Da sieht man einmal wieder die Diskrepanz zwischen der eigenen Wahnehmung und der anderer.

    In diesem Sinne … kann man zwar vielleicht, sollte aber nicht zu lange mit dem Aufschreiben von Geschichten warten.

    Inhalt

    DENEN, DIE ES VERDIENT HABEN, ERWÄHNT ZU WERDEN

    NUR EINE KLEINE GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR „KURZE GESCHICHTEN VON LANGEN REISEN"

    EIN SCHIFF WIRD KOMMEN

    WEIT IM WESTEN

    DER HYÄNENMANN

    DREI VERSUCHE HAT DER TOD

    DAS HAUS UND DER TOD

    TIEF IM SÜDEN

    RADIOACTIVITY …

    TECHNISCHER K.O.

    ATEMLOS

    KEIN SELFIE MIT GOTT

    WEITAB GEWOHNTER PFADE 1

    WEITAB GEWOHNTER PFADE 2

    FEUER FÜR DIE SEELE

    TANZ AUF DEM VULKAN

    FLUGHAFENERÖFFNUNG

    FLUGHAFENSCHLIESSUNG

    REAKTOR 4

    FERN IM OSTEN

    DIE NASE DES TEUFELS

    IN HEILIGEN HALLEN

    HOCH IM NORDEN − ODER −

    … DAS IST DAS HAUS VON HO CHI MINH …

    NACH TIMBUKTU

    AN EINEM KALTEN WINTERTAG

    KEIN MOKKA IN MOKKA

    SISSIS HAUS - EINE HOMMAGE AN ALEPPO

    WIR LAGEN VOR MADAGASKAR

    DURSTSTRECKE

    EIN KÄFER IM HÜGELLAND

    TRARI TRARA, DIE POST IST DA

    NEHM´ WIR DOCH EINFACH DEN BUS

    AUF VERBOTENEN WEGEN

    DIE INSEL DER ROBBEN

    DAS MEER DER INKA

    RELAIS DES PISTARDS

    TE PITO O TE HENUA ODER DER VOGELMANN

    DIE MAYA − SIE LEBEN NOCH

    WE OF THE NEVER NEVER − IM HEISSEN NORDEN

    NACHT FIEL ÜBER ATACAMA

    „SETZ DICH HIN, KLEINES LAMA" ODER TIWANAKU IM SCHNEE

    LUANG PRABANG − BEI GOLDSUCHERN, SCHNAPSBRENNERN UND OPIUMBAUERN

    EINLADUNG INS KLOSTER

    [ANFANG EINER] DIENSTFAHRT

    NUR EINE KLEINE GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR „KURZE GESCHICHTEN VON LANGEN REISEN"

    „Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht angeschaut haben."

    Alexander von Humboldt

    Die Welt ist ein Mythos. Ein Mythos, den die Naturwissenschaften langsam mehr und mehr entschlüsseln. Aber sie ist auch einzigartig im Universum, der einzige Planet, von dem wir wissen, dass er Leben in Vielfalt hervorbrachte und weiter hervorbringt, und auf dem es Philosophen gibt, die versuchen, uns den Sinn der menschlichen Existenz näher zu bringen sowie Idioten, die es immer wieder schaffen, selbst ein wenig Ordnung in grausiges Chaos zu verwandeln.

    Die Welt ist aber auch ein Mosaik. Ein Mosaik von Kontinenten und Ozeanen, von Landschaften und Ländern, von Bergen und Ebenen, von Seen und Strömen, von Lebensgemeinschaften der Pflanzen und Tiere. Aber auch ein Mosaik der Menschen, ihrer Gesellschaften und ihrer Geschichte, ihrer unterschiedlichen Sprachen und Kulturen, ihrer Moralvorstellungen und Gewohnheiten, Interessen, Vorlieben und Aversionen, ihrer Meinungen, Urteile und Vorurteile, ihrer guten und schlechten Eigenschaften, aber auch ihrer persönlichen Lebensweisen wie ihrer Literatur und ihrer Musik, ihrer Kleidung, ihrer Ess- und Trinkgewohnheiten und von noch so vielen Dingen mehr.

    Und die Elemente dieses großen Mosaiks zu entdecken, zu betrachten, zu verstehen, zu mögen oder zu hassen, anzunehmen oder abzulehnen, das schafft nur eins: ihr Kennenlernen. Das Kennenlernen durch persönliche Berührung, durch das Reisen zu den und hinein in die unterschiedlichen „Mosaiksteine(n)" der Welt. Denn nur so erhält man die Weltanschauung, deren Gegenteil Alexander von Humboldt in seinem Zitat für so gefährlich hält und natürlich auch nicht gutheißt, niemand kann das eigentlich.

    Und …

    es gibt ihn also doch, den Menschen, der sich für dieses Buch interessiert und für die Geschichten, die Anekdoten und Episoden aus dem Mosaik, die es beschreibt.

    Aber …

    … dieses Buch ist kein Reiseführer und schon gar kein Reisehandbuch.

    Es ist eine Zusammenstellung von Geschichten aus dem „Mosaik", von Orten der Erde, die man vielleicht nicht jeden Tag besucht und so werden auch Erlebnisse erzählt, die einem nicht regelmäßig passieren – etwas anderes wäre ja auch ziemlich langweilig.

    Zudem ist es nicht erforderlich, das Buch unbedingt vorn zu beginnen – wie es ja zum Beispiel bei einem Roman oder sogar einem Kriminalroman sinnvoll sein kann – obwohl ich gehört habe, dass es Leute geben soll, die auch zuerst das Ende eines Kriminalromans lesen, aus welchen Gründen auch immer.

    Hier können Sie das schadlos und ohne Verlust von Spannung und Erkenntnis tun, die einzelnen Geschichten haben keine logische Reihenfolge. Sie stehen so da, wie es mir eingefallen ist, ohne Bezug auf das Jahr der Entstehung, ohne Bezug auf Ortsverwandtschaften und Geschehnisse.

    Erlebnisse als Erlebnisse eben – beim Entdecken aller oder besser vieler Facetten – alles andere wäre pure Angeberei – des großen Mosaiks auf Reisen in den letzten etwas mehr als 30 Jahren, denn wer kann schon alles entdecken? Aber es ist und bleibt ein Traum, mit der „Entdeckung" neuer Teile des Mosaiks, so unscheinbar sie auch anfangs erscheinen mögen, fortzufahren.

    Sollten Sie das Buch also erworben haben, um eine Reise damit vorzubereiten, war der Kauf „ein Schuss in den Ofen, wenigstens ein kleiner, aber wirklich nur ein kleiner. Ein „kleiner Schuss in einen großen Ofen, weil es keine aktuellen politischen, wirtschaftlichen und soziologischen Daten über ein angepeiltes Reiseziel, keine aktuell wichtigen Informationen über Naturräume, über Flüge, Eisenbahn- und Busfahrten oder über Hotels und Tourenangebote gibt. Auch Hinweise über Kosten irgendwelcher Arten werden Sie nicht finden, dafür ändern sie sich und die Wechselkurse zu schnell, man ist ja meistens außerhalb der Eurozone.

    Aber zu solchen, hier nicht zu erhaschenden Daten finden sich haufenweise sehr und gute Führer – deswegen gut, weil man merkt, dass die Schreiber auch wirklich in den Gegenden waren, über die sie berichten – aber es gibt auch solche Berichte, denen man – leider meist erst am Ort des Geschehens – anmerkt, „dass es dort aber gar nicht so aussieht, wie im Führer beschrieben." Seltsam und selten? Nein, normal und häufig!

    Dass aber dieses Buch zu gar nichts Reiseinteressantem tauglich ist, kann man auch nicht behaupten. So entstanden die Geschichten, die Erlebnisse, aber auch Vorfälle, selten sogar schon einmal Unfälle, manche würden manches auch mit „Abenteuer übersetzen, ja nicht in der Phantasie des Verfassers, so wie in der des Herrn Karl May, was aber dessen Geschichten „gottbehüte nicht abqualifizieren soll – ich habe die Werke in meiner Jugendzeit verschlungen, mehrfach sogar, was ich normalerweise nicht mache – sondern sind Ergebnisse von wirklichen Reisen, so dass man einen Teil des Gelesenen durchaus auch sehen kann als Einführung in die Länder, Regionen, Örtlichkeiten, ohne deren Grundkenntnis man nicht versteht, warum bestimmte Dinge so und nicht anders abgelaufen sind oder ohne die das Geschilderte leicht langweilig würde.

    Berichtet wird aber hauptsächlich über Geschehenes und ein Bericht über das, was passiert ist, kann leicht übersetzt werden in das, was noch passieren kann und auch, was anderen Reisenden schon mal passieren könnte. Dabei soll dem Verb „passieren in diesem Zusammenhang keine Wertung beigemessen werden, weder eine negative, die übliche nämlich, „Stell Dir vor, was mir passiert ist! oder „Was einem hier nicht alles passieren kann., aber auch keine positive wie die im Sinne von „Erfahren oder „Erleben sondern es ist wirklich nur das Geschehen, für den einen – vielleicht ist Angsthase ja etwas zu vorurteilsbeladen ausgedrückt – also für den Vorsichtigen, den Zurückhaltenden, den Voraussehenden, wirklich etwas Negatives oder sogar für den Fatalistischen, der immer erwartet, dass sich ein schlechtes Karma auch just in dem Moment erfüllt, in dem man an die Möglichkeit denkt, „es könnte … aber auch für den Mutigen, vielleicht Tollkühnen, oder besser, den, der den „so genannten Abenteuern nicht aus dem Weg zu gehen pflegt, der an dem „passieren vielleicht sogar mehr oder weniger aktiv beteiligt und nicht unschuldig an seinem Verlauf ist.

    So soll und kann dieses Buch einen qualifizierten Reiseführer zwar nicht ersetzen, es kann jedoch helfen, ein Ziel so zu beschreiben, dass man Sympathie für ein Ziel „Da muss ich auch mal hin! oder Antipathie dagegen „Keine zehn Pferde würden mich dahin bringen! entwickelt, denn die Beschreibung eines Erlebnisses kann ja nicht losgelöst von der Umgebung erfolgen, in der es „passiert" ist, weil häufig diese Umgebung maßgeblich an einem solchen Erlebnis beteiligt ist oder sogar ausschließlich dafür verantwortlich gemacht werden kann oder muss.

    Und in diesem Kontext sind die Geschichten in ihrer Summe doch ein Reiseführer, „Komm her oder bleib weg." Und … wenn Sie eine Begebenheit lesen ohne einen – wenigstens kleinen – Bezug zu der Gegend, dann wäre das bestimmt langweilig, also ein wenig Information von mir für die Bildung von Ihnen (das ist schlechter Schreibstil, ich weiß, passt aber syntaktisch eigentlich ganz gut, also lasse ich es so stehen, Verzeihung), das muss sein. Und ein wenig Bildung hat ja noch niemandem geschadet, nicht wahr, oder?

    „Reisen bildet, ein Schlagwort, das man – nach langer Abstinenz – mittlerweile wieder häufiger lesen kann, sogar in den Katalogen namhafter Reiseveranstalter – wer hätte das gedacht – wobei es ja ganz unterschiedliche Anlässe gibt, eine Reise zu tun, aber jeder, „der [wer] eine Reise tut, [der] kann auch etwas erzählen.

    Der klassische Urlaub (vom Mittelhochdeutschen < urloup >, der „Erlaubnis" des Dienst- oder Lehnsherrn, sich vom Dienstort für eine bestimmte Zeit zu entfernen) ist heute meist doch der Erholungsurlaub, es sind landläufig die Ferien (vom lateinischen < feriae >, den Festtagen unterschiedlichster Gründe), der Urlaub am Strand, das süße Nichtstun, da, wo die Sonne immer scheint, wo das Essen gut ist und die Getränke kostenlos sind. Da, von wo man nichts zu erzählen hat.

    Mitnichten, auch ein solcher Urlaub kann viele Geschichten erzählen, Geschichten von der Gegend, dem Hotel und seinen Qualitäten, den Leuten, die man mag oder doof findet, vom Essen, das man lobt oder tadelt, vom Wetter, von Sonnenbrand, von Kakerlaken im Zimmer und so weiter, Geschichten, die für den Erzähler ja erzählenswert sind, vielleicht mit Bildern unterlegt und je nach der Vorstellung, die man überhaupt von Urlaub hat und den eigenen intellektuellen Grundansprüchen, eben als wichtig erscheinen.

    Zwar hat jemand einmal formuliert – und ich werde mich hüten, diesen Menschen zu enttarnen – dass es Leute gibt, die durch das Studium ihrer Briefmarkensammlung weiter durch die Welt kommen als manche, die am Pool liegen, zwar jedes Jahr an einem anderen, aber für die eben dies die Welt ist, ihre Welt. Wir sollten allerdings nie vergessen, dass der Geschmack ja ausschließlich individuelle Züge aufweist und Vorgaben, was man zu tun oder zu lassen hat, vielleicht juristisch bedeutsam, aber im Sinne der Urlaubswahl inopportun sind.

    Seit einiger Zeit gibt es ja noch den „Aktivurlaub", die Ferienzeit, in der bestimmte Tätigkeiten, für die bestimmte Orte prädestiniert sind, durchgeführt werden. So eignen sich Berge eben besonders für Klettertouren, aber auch für das Wandern oder das Drachenfliegen (womit aber keine Flugreise mit der Schwiegermutter gemeint ist, wiederum Verzeihung), das Wasser eignet sich gut zum Schwimmen und Tauchen oder zum Bootfahren mit Segel oder Motor. In diesen Urlauben sind also besondere Aktivitäten gefordert, die allerdings auch schon das eine oder andere Mal zum Abenteuer mutieren können, wenn zum Beispiel das Wetter nicht mitspielt, die körperlichen Fähigkeiten oder die erforderliche Ausrüstung unzureichend sind – man sich also überschätzt oder von den Gegebenheiten – einem Teil des Mosaiks Welt eben – überschätzt wird.

    Der so genannte „Wellnessurlaub, die Zeit, in der man sich aus den unterschiedlichsten Gründen, meist gesundheitlicher oder esoterischer Art, hauptsächlich irgendwelcher medizinischer oder sogar pseudomedizinischer Behandlungen hingibt, meist in Orten mit einem teuren Vornamen – „Bad – soll hier unkommentiert sein und als gegeben stehen bleiben – und jetzt bitte nicht lachen, sonst lache ich mit.

    Die meisten Reisen hatten und haben ja das Ziel, an eben diesem angestrebten Ziel etwas zu wollen, zu sollen oder sogar zu müssen. Das Erreichen des jeweiligen Zieles ist also Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Reise. Aber selbst eine solche Erzählung wird häufig nicht nur die Beschreibung des Endergebnisses beinhalten, sondern eine Geschichte des Weges sein, der Erfolge, der Schwierigkeiten, der Landschaften, der Menschen, die man getroffen hat und der Gefühle, die man dabei entwickelte.

    Hätte Homer über die Fahrten des Odysseus lediglich berichtet, wo und warum dieser abgefahren und dass und wann er in Ithaka angekommen war – Ziel erreicht, Zweck erfüllt – glauben Sie, der Odyssee wäre dieser jahrtausendlange Erfolg beschieden worden? Selbst Kinder kennen Odysseus und wissen, was er erlebt hat. Und was ist mit den Schriften von Mungo Park über den Niger, der Ibn Battutas über Afrika und große Teile Asiens, Marco Polos Lebens- und Reisegeschichten, Sven Hedins Forschungsreisen in Tibet, Luìs de Camões´ „Lusiaden" der Reisen Vasco da Gamas, zum portugiesischen Nationalepos geworden, und vielen, vielen anderen mehr? Diese Geschichten verschlingt man doch wegen der Geschichten auf den Reisen, weniger wegen des Ziels.

    „Der Weg ist das Ziel", dieser Satz von Konfuzius – vielleicht von Konfuzius oder auch nicht – zeigt uns den Unterschied zwischen einer teleologischen Zielsuche – ich habe das Ziel erreicht, der Zweck ist erfüllt – und dem Versuch der Selbstverwirklichung in kleinen Schritten, der Neugier auf immer neue, vielleicht nur kleine, scheinbar nebensächliche, Ziele, deren Summe sich aber am Ende nicht nur als Sinn des Lebens sondern als Beweis für die Kohärenz des Kosmos offenbart.

    „Daß ich erkenne, was die Welt … Im Innersten zusammenhält." (Goethe, Faust I).

    Und wer hätte diesen Zusammenhang, diese Vision einer Erkenntnis, besser beschreiben können als Andrea Wulf, die deutsch-britische Kulturwissenschaftlerin, in ihrem Werk: „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur"; Bertelsmann, Berlin 2016, über das Universalgenie Alexander von Humboldt, der reiste, nur der Erkenntnis wegen.

    Man kann es als sprachgewandter Deutscher übrigens auch in der englischen Originalfassung lesen, man muss nur etwas mehr Zeit einkalkulieren und darf nicht vergessen, es … im Flugzeug liegen zu lassen, so ein Mist!

    Und es gibt in der realen Welt noch so viel zu suchen, zu entdecken, zu finden und zu erfinden, dass wir die vielgepriesene und hochgelobte virtuelle Welt – und die werden wir in der Zukunft ohne Zweifel brauchen und auch gebrauchen – müssen (ach ja) – hoffentlich aber nur als Instrument, als nützliche Hilfswelt einsetzen und nicht als „Weltersatz" auffassen, so wie es heute schon manchmal? – häufig? – geschieht.

    Die „virtuelle Irrealität" – Verzeihung für die leichte Abwandlung des allgegenwärtig benutzten Begriffs – kann die reale nicht ersetzen und sie wird sie auch nicht ersetzen – können – das sage ich voraus – niemals. Und wir werden irgendwann froh sein, dass die Welt, so wie sie ist, auch so existiert. Denn diese Welt hat – obwohl sie uns manchmal Unerwartetes zeigt – glücklicherweise eine immanente Logik, die es zu beachten gilt. Auf die Ursache folgt die Wirkung und nicht umgekehrt, auch wenn es schon mal etwas dauert.

    „Vor dem Aufstehen das Hinfallen nicht vergessen", also bitte immer berücksichtigen.

    Somit trauen Sie sich einfach, das Buch zu lesen.

    Lesen Sie die knapp vier Dutzend kurzen Geschichten – „Short stories, sagt man, denn wenn heutzutage nicht zumindest ein einziger, wenn auch kurzer und zur Not völlig deplatzierter englischer Schimmer im Text auftaucht, wird es ein Misserfolg, garantiert, ich weiß, darum taucht der englische Begriff deshalb hier unplanmäßig auf – also meine Konzession an die Brexitgeplagten – Geschichten aus den Mosaiksteinchen der Erde, aber um alle und alles zu würdigen, bräuchte man bestimmt mehr als hundert Leben und um sie zu erzählen, mehr als „Tausend und eine Nacht.

    Aber ich verspreche Ihnen, es wird nicht langweilig, es wird aber auch nicht übermäßig kompliziert und wissenschaftlich, vielleicht wird es schon einmal ungewöhnlich, vielleicht für den einen oder anderen an der einen oder anderen Stelle etwas unappetitlich, aber so ist die Welt eben, es wird auch nicht übermäßig gefährlich, na ja, es kommt drauf an, was man unter Gefahr versteht, aber es gibt bestimmt das eine oder andere Neue und Interessante und wenn nicht, dann ziehen Sie sich die eine oder andere Geschichte eben als „Alten Hut" an und wenn Sie Dinge besser wissen als ich, was ja immer sein kann und bestimmt auch das eine oder andere Mal sein wird, weil es Menschen gibt, die wirklich schon fast überall schon fast alles gesehen und erlebt haben, dann bitte ich um Korrektur, denn dafür bin ich immer offen.

    Und wenn Sie noch Ziele kennen, deren Besuche konventioneller oder unkonventioneller Art Ihrer Meinung nach besonders lohnenswert erscheinen, dann bitte ich um Mitteilung derselben, das wäre schön.

    Aber natürlich sind meine Geschichten lediglich eine Auswahl aus viel mehr Möglichen und subjektiv zusammengestellt, weil ich glaube, dass „normale Reiseabläufe, wie sie ja wohl in der überwiegenden Zeit geschehen, für ein Buch doch etwas zu trivial sind. Außerdem soll es ja Gegenden geben, von denen man so plastisch behauptet, dass dort niemand „tot über dem Zaun hängen wolle, und solche Lokalitäten zu beschreiben, auf die man einmal gestoßen ist, ist auch nur kurz und dann auch nur einmal lustig. Dass man von dort schnell wieder fort will, dürfte klar sein. Aber … gibt es solche Gegenden überhaupt?

    Reisen tut man schon mal allein, das kommt vor. Entweder ist man nicht angewiesen auf Unterhaltung oder sehr introvertiert, manche würden sagen, autistisch veranlagt. Sein kann allerdings auch, dass niemand mit einem unterwegs sein will, das Ziel ist anderen vielleicht doch zu exotisch, man kann aber auch zufällig – wie man hierzulande sagt – ein Kotzbrocken sein, Misanthrop ist besser aber natürlich nicht freundlicher, oder jemand, der schon alles weiß und drei Wochen lang Belehrungen ausspuckt – aber in den meisten Fällen reist man eben nicht allein.

    Mit Frau, wenn die sich traut, mit Kindern, die in den wenigsten Fällen mit wollen aber in den meisten mit müssen oder in einer Gruppe, was ich persönlich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht besonders favorisiere, nur wenn es sich absolut überhaupt nicht vermeiden lässt. Oder mit Bekannten oder Freunden, das kommt vor.

    Ich möchte deshalb an dieser Stelle eine lange und besonders dicke Lanze brechen für meine Mitreisenden in all den Jahren, insbesondere für meinen Freund und ehemaligen Kollegen Jürgen, der ja schon das eine oder andere Mal namentlich genannt wird und mit dem ich über eine lange Zeit viele Touren unternommen habe, und der schon häufig mehr als eine Hauptrolle in den Begebenheiten gespielt hat.

    Er ist stets aufgeschlossen für alles, wissbegierig, sprachgewandt, immer gut vorbereitet, nicht besonders kapriziös und auf Luxus erpicht, humorvoll aber auch abgeklärt und ruhig, abgesehen von kurzen, aber heftigen Wutanfällen, also insgesamt der beste Reisegefährte, den man sich vorstellen kann.

    Der beste? Nein, der allerbeste. Er gehört also ganz und gar nicht zu den Leuten, von denen man scherzhaft – aber mit ernstem Hintergrund – meint, sie seien ja schon 30 Jahre tot, hätten es allerdings noch nicht bemerkt (von denen kenne ich allerdings mehr als ein Dutzend schweigsamer Exemplare – leider – die sind so still, dass Spinnen sie umweben konnten). Ihm – dem Kollegen – gilt mein besonderer Dank.

    Und nicht zu vergessen … die eine oder andere Sequenz in diesen Geschichten hat natürlich er verbrochen, das gehört der Wahrheit halber auch hier hin.

    Immer wieder wird man gefragt, woher das nach langer Zeit noch vorhandene Wissen über Geschehnisse, Abläufe oder Zusammenhänge noch herkommt, oder ist es Phantasie, bloßes Fabulieren, ach, es merkt ja doch niemand? Das Gedächtnis an die beschriebenen Begebenheiten muss man ja aus der „Langzeitecke" holen, und es ist immer noch da, danke dafür, denn meistens wurde ja nur Marginales schriftlich festgehalten. Obwohl … mit zunehmendem Alter scheint das Langzeitgedächtnis auch immer besser zu funktionieren, das merkt man bei vielen alten Leuten. Ist das etwa ein Zeichen von …? Ach, lassen Sie mal, später, später.

    Danken muss ich aber auch externen Quellen, die man als Fortführung der „Inneren Lektüre in der heutigen Zeit zur Verfügung hat, Bücher gibt es ja immer noch – Fahrenheit 451 ist glücklicherweise noch nicht eingetreten – und ohne die ist man verloren, Google hilft schon einmal, auch wenn viele dieser „Informationsmedusa nicht über den Weg trauen, und Wikipedia hilft im Besonderen, ich habe es also schon mal bemüht, wenn es Not tat.

    Fand man noch vor einigen Jahren bei einer Suche ach so manchen Unsinn und verzettelte sich schnell und hoffnungslos, so ist das „System" heute systematischer, vollständiger und vor allen Dingen richtiger, wird es doch inhaltlich seit einiger Zeit auch kontrolliert.

    Und wenn ich schon für Wikipedia hier mal schnell eine Lanze breche – und es ist keine Lanze für Schleichwerbung – glaube ich, dann mit dem Hinweis, der Bitte der dafür Verantwortlichen nicht nur Lob und Kritik zur Verfügung zu stellen, sondern sich auch an der weiteren Existenz dieses Universallexikons durch das Einwerfen des einen oder anderen Euro in den Klingelbeutel des Wissens zu beteiligen. Und … Spendenquittungen gibt es bei denen natürlich auch. Los, machen Sie mit!

    Leider wird man älter, und das ist dummerweise das konkrete Wesen des abstrakten Wortes „Alter", dass es einen nämlich selber trifft. Und man merkt, dass bestimmte zukünftige Ziele nicht mehr so leicht aus den gut eingelagerten Vorstellungen und Ideen im hinteren Teil des Hirns in die vordere Abteilung, genannt Fast-Realität, zu rücken sind, und wenn einmal vorn im Gehirn, so ist der Übergang von da in die Lunge, in die Muskeln und die Gelenke auch nicht so leicht, da habe ich das Herz überhaupt noch nicht erwähnt. Ist aber mit von der Partie.

    Aber wir haben vor einigen Jahren im Busbahnhof von Nazca – Peru – zwei holländische Damen getroffen, die so wie wir um Mitternacht auf den verspäteten Fernbus nach Arequipa warteten, und das mit Rucksack und einem geschätzten Alter von – wir haben die Damen natürlich nicht danach gefragt, denn das tut man ja nicht, aber man kann so etwas auch vom Aussehen her abschätzen – so zwischen 75 und 80.

    Es gibt also noch Hoffnung, machen Sie auch da mit!

    Übrigens … stören Sie sich nicht daran, dass jede Episode mit einem Zitat beginnt. Bekannte und manchmal auch unbekannte Leute haben mit ihren Weisheiten viele Dinge antizipiert und ihre Bemerkungen passen eigentlich immer ganz gut zu den Geschichten.

    EIN SCHIFF WIRD KOMMEN

    „Wie glücklich man am Lande war, merkt man erst, wenn das Schiff untergeht."

    Lucius Annaeus Seneca, Berater Neros

    Jürgen schaut arg skeptisch, fast schon argwöhnisch, als er das Schiff sieht.

    „Das ist ein schönes Schiff. Glauben Sie mir, ich kann das beurteilen, ich war bis zu meiner Pensionierung mein Leben lang Seemann und habe für viele deutsche und holländische Reedereien die ganze Welt bereist. Ich fahre jetzt nach Sao Filipe zu meiner Familie und ich fahre immer mit dem Schiff, das Flugzeug ist mir zu teuer. Wir haben das Schiff von Norwegen geschenkt bekommen. Es hat einen guten Deutz-Diesel, aber der ist alt und muss dringend überholt werden, deshalb schaffen wir die Strecke nach Fogo auch nur in 12 Stunden, früher ging das schon mal in 6. Aber es sind die letzten Fahrten vor der Reparatur. Dann ist das Schiff, dann ist die Furna wieder wie neu."

    Der das sagt, steht neben uns im Hafen von Praia, der Hauptstadt der Republik Cabo Verde, einer Inselgruppe im atlantischen Ozean – ein autonomer Staat Afrikas, ein junger – aus der Herrschaft Portugals erst 1975 entlassen und gerade das Ziel einer unserer jährlichen Exkursionen. Und der das sagt, ist ein altes, kleines, schrumpeliges Männlein in blaugestreifter Ballonseide und mit einer ebenso schrumpeligen, weil halbleeren Adidastasche zu seinen Füßen. Er sagt uns das im Brustton der Überzeugung, man glaubt aber eher herauszuhören, dass er sich selber von seiner Wohlmeinung über den anvisierten Rosthaufen überzeugen muss. Uns kann und muss er allerdings nicht überzeugen, denn wir sind auf das Schiff angewiesen und in einem Alter, in dem uns ein Abenteuer mehr Ruhe verspricht als ein feiger Rückzieher davon – wie widersinnig. Aber trotzdem, unsere Meinung über den „Seelenverkäufer kann eigentlich nur besser werden – Ende offen – denn noch würden wir eigentlich eine Fahrt mit Kapitän Bernard Fokke vorziehen, da ist das Ende ja auch offen, und das will ja schon etwas heißen, uns dem „Fliegenden Holländer etwas eher anzuvertrauen. Unser zukünftiger Mitfahrer sieht übrigens so gar nicht nach einem rauen Seemann aus, vielleicht hat er in der Kombüse sein Arbeitsleben lang ja auch nur die Kartoffeln geschält und von der Welt auf dem Meer nicht viel mitbekommen. Wir fragen ihn lieber nicht. Das wäre uns peinlich, schüchtern wie wir sind.

    Die Kapverdischen Inseln, neun bewohnte und 6 kleinere und unbewohnte Inseln – wie häufig, es fehlt das Wasser – liegen ungefähr 500 Kilometer westlich des Senegals und erhielten ihren Namen wegen des dort ansässigen Cap Vert, dem westlichsten Punkt Kontinentalafrikas, und bestehen aus zwei weit voneinander entfernten Inselgruppen, den Inseln Über dem Wind (Barlavento) sowie den Inseln Unter dem Wind (Sotavento). Lange Jahrhunderte ausgebeutet und lediglich als Zwischenlager für Sklaven in Richtung Neue Welt missbraucht, wurden die Inseln für die Seefahrt erst dann interessant, als die Dampfschifffahrt aufkam, die für Strecken von Europa nach Südamerika Kohlenlager für unterwegs benötigte. Die Briten erkoren zu diesem Zweck die Hafenstadt Mindelo auf der Insel Sao Vicente.

    Das Klima der Inseln ist mild ozeanisch. Bedingt durch die zunehmende Trockenheit findet man aber mehr und mehr wüstenähnliche Bereiche, und dadurch ist natürlich der Anbau von Nutzpflanzen stark beeinträchtigt. In den letzten Jahren bestimmt aber zunehmender Tourismus die Wirtschaft. Cabo Verde ist keine Exportnation, uns ist außer Salz auch nichts anderes zum Export wesentliches aufgefallen. Jetzt liegen die Vorräte brach, niemand will Salz. Aber das Salz bestimmte lange das Leben der Inseln und die damalige Ausfuhr des einzigen Schatzes nach den Sklaven, für die die Inseln aber auch nur ihr Großhandelslager war, erschien so wichtig, dass eine ganze Insel den Namen Sal erhielt und man den Hauptort der Insel Boavista, der Wüsteninsel, sogar Sal Rei – König Salz – nannte.

    Wir wollten einige Inseln besuchen und hatten – leichtsinnigerweise und ohne jegliche Notwendigkeit, aber auch ohne zukünftige Wiederholung, hochheilige Schwüre oder grässliche Flüche kamen wiederholt über unsere Lippen – schon einige Flüge und Hotels vorgebucht. Da zum damaligen Zeitpunkt aber lediglich der einzige internationale Flughafen auf Sal instrumentenfluggeeignet war – er war von der Republik Südafrika gebaut worden, weil zu Zeiten der Apartheid südafrikanische Flugzeuge nicht über den afrikanischen Kontinent fliegen durften – und man zwischen den Inseln lediglich auf Sicht flog, waren saharische Sandstürme, die bis zu den Kapverden über das Meer zogen – für Staubkörnchen eh nur ein Kurzstreckenflug und nur zur Information, Saharastaub ist nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis für einen Teil der Mineralstoffversorgung des amazonischen Regenwaldes verantwortlich, und das ist ein wahrer Langstreckenflug – immer wieder große Flughindernisse.

    So auch bei uns, niemand nahm uns mit. Lediglich eine Horde Italiener – der italienische Tourist beherrscht aus unerfindlichen Gründen die Inseln – durfte, obwohl erst später als wir und andere angekommen und von allen Zurückgebliebenen mit verfluchendem Abschiedsgeheul losgelassen, einen Flug wagen, der sich zu aller Schadenfreude allerdings als Rundflug herausstellte, zurück nach Sal ihr Italiener, Landeverbot auf Santo Antão, jetzt ist der Sand hier König und nicht das Salz. Und im Flughafen von Sal waren schon alle guten der eigentlich schlechten Plätze belegt. Wir lernten aus Not diesen Flughafen folglich ausgesprochen intensiv kennen – sprich, waren zweimal gezwungen, dort zu übernachten, besser, die ungewisse Zeit abzusitzen – jeder Orthopäde käme über die potentiellen Schäden, die unseren Körpern durch die verbogenen Haltungen dort hätten zustoßen können, in langes Schwärmen – wir kennen das Café, die malerischen, papierlosen Toiletten und lernten die kleine Flughafenkatze kennen, die ein sehr freundschaftliches Verhältnis mit uns begann und ab da auch die Spatzenhorden ignorierte, die sofort auflebten, zwar nicht auf den Tischen tanzten, aber auf unseren Sandwichs Allotria veranstalteten, Futter macht eben Freunde, hier hatten wir sogar zwei Spezies eine Zeitlang glücklich gemacht – und verpassten aber auf diese Weise viele unserer Vorbuchungen. Weg ist das Geld, aber immer da bleiben die Erfahrungen, und wir wären mit dem Zaster bestimmt auch nicht glücklicher gewesen. Aber wie sagt man so wahr, Improvisation ist ja bekanntlich alles und sie beugt der Demenz vor, das sage ich jetzt!

    Cabo Verde, Inseln der glücklich Unglücklichen. Vorbei ist die Zeit des Sklaventums, der Ausbeutung des Menschen durch seine Artgenossen – in der klassischen Sklavenform wohlgemerkt, modernere Formen sind als Ersatz allerdings durch findige Ökonomen immer wieder neu erfunden worden – gekommen ist nach der Zeit der Ausbeutung des Planeten aber jetzt die Rache der Erde, die Trockenheit, die das Leben der Caboverden schwer macht, an vielen Stellen sogar unmöglich. Aber die Erinnyen sind kurzsichtig geworden, falsche Rache an den falschen Leuten, an falschen Orten und zur falschen Zeit. Entlassen, raus!

    So haben wir die Inseln kennen gelernt von ihren vielen Seiten, den schönen und den hässlichen. Wir haben die Hauptstadt Praia gesehen mit den Resten der alten portugiesischen Bauten, aber auch die Unterkünfte der armen Landflüchtlinge, die sich wie überall auf der Welt aufmachen, ein besseres Leben in den Städten zu suchen – und nicht finden. Hier leben sie in der Nähe des Marktes in einer riesigen überdachten Unterkunft, zusammen wie die Siedlerweber – das sind afrikanische Vögel – hunderte Behausungen zusammen, ein Wellblechdach zeugt von Wohlstand, andere schützen sich mit Tüchern oder Pappen vor der Sonne. Unser Besuch ist nicht willkommen, werden wir doch von einigen Männern, die wir beim Spiel um Geld ertappten, gnadenlos hinaus verfolgt.

    Wir waren auf Brava, der Kleinen, haben mit Verwirrten über die portugiesischen Kolonialkriege diskutiert und uns auf offenen Aluguers den A… abgefroren und auf Fogo, der Insel des Vulkans, haben ihn mit Mühe bestiegen, den Berg, der noch vor kurzem (kurz vor unserem Besuch und das war 1999) gezeigt hatte, dass er noch nicht in Rente ist und einiges verbrannt hatte, auch einiges Wichtige, wie die schönen Weinfelder der Einheimischen. Und wir haben sie getroffen, die Einheimischen, am Vulkan, an der Chã das Caldeiras, da wo die schwarzen Kinder blonde Locken haben, weil vor Jahren ein blonder Franzose ein paar seiner blonden Gene da gelassen hat. Wahrheit, keine Fabel! Wir waren beim Karneval in São Filipe, da wo sich die Schwarzen nicht schwarz genug glauben und sich – womit? – noch schwärzer, rabenschwarz, färben, haben Langusten gegessen im Restaurant Leila, direkt gegenüber der Station des Inselgenerators, der alles dort mit Strom versorgt, und dessen Wächter, der uns immer freundlich grüßte, und der vom Motorenlärm des Riesendiesels stocktaub ist, freundlich zurückgewunken, haben der Morna gelauscht, der Sodade (Cabo Verde ist nicht Portugal, die Saudade wird hier Sodade genannt), nicht gesungen von Cesária Évora, der Königin, sondern von Sängern und Gitarrespielern vor den Kneipentüren der Stadt und waren berührt, ohne den Text zu verstehen, von der Melancholie und der Sehnsucht nach dem Tod.

    Und wir haben Friedhöfe besucht, so wie wir überall auf der Welt die Orte der Erinnerung und des Vergessens besuchen. Überall. So ist der große Friedhof von Praia – baumlos und der flirrenden Hitze trocken ausgesetzt – ein Beispiel für den Niedergang eines Volkes, einer Region, nein, ein Beispiel für die Gnadenlosigkeit der Geschichte. Hier die Reste der monumentalen Grabstätten der damaligen – 19. Jahrhundert – Herrscher über die Inseln, der Portugiesen, auf denen man das Alter der Verblichenen noch lesen kann, und wo man 80 und mehr Jahre findet und dann die kleinen, schmucklosen Gräber der Jetzttoten – und man ist schockiert, wenn man auf das Alter sieht – es sind überwiegend Jugendliche und Kinder, die das Erwachsensein und die vagen Chancen auf den Inseln nicht geschafft haben, wer hat ihnen das verwehrt? Ach, da gibt es viele Gründe, viele Hindernisse für ein weiteres langes Leben. Ein langes Leben, so wie auf dem Friedhof an der Steilküste auf Fogo, auf dem schon seit hundert Jahren keine Beerdigung mehr stattgefunden hat – bitte jetzt nicht falsch verstehen, es lebt hier niemand mehr, die Angst vor Vampiren oder Werwölfen ist überflüssig. Es ist der Friedhof der Extreme, denn eine Hälfte, die vordere, ist mitsamt der Mauer und der Steilküste und den Gräbern im Meer versunken und auf den oben verbliebenen Monumenten kann man lesen, dass ein Teil dieser Menschen damals über einhundert Jahre alt geworden ist. Wie sieht die Bevölkerungspyramide auf den Capverden heute aus? Stellen Sie sie sich bitte nicht vor!

    Wir stehen also im Hafen von Praia an der Avenida Charles Darwin am Kai und warten darauf, das Schiff mit dem schönen Namen Furna betreten zu dürfen. Auf der anderen Seite des Kais ist ein Lagerplatz, ein Platz für dicke Bäume, für Tropenholz. Auf den Inseln gibt es keine tropischen Wälder, wo kommt das Holz her und was geschieht hier damit? Wir werden es nicht erfahren, sehen aber einen einsamen Arbeiter, der in seiner typischen Arbeitskleidung – blaue Basketballhose (die scheint hier beliebt zu sein), Flipflops, nackter Oberkörper – und bewaffnet mit einer sehr mächtigen Kettensäge die toten Stämme zerteilt. Totes Holz auf siechem Land.

    Furna ist portugiesisch und heißt Höhle oder Grotte und ich hoffe, dass das Schiff uns nicht über Gebühr in seiner Höhle festhält, vor allen Dingen nicht unter Wasser, denn noch trauen wir ihm, sein Äußeres ist schuld daran, ja nicht besonders über den Weg und ob das Vertrauen während der Überfahrt größer wird, ist zumindest ungewiss. Aber wir haben im Büro der Schifffahrtsgesellschaft Tickets erworben, Tickets von Praia auf der Insel Santigo nach Sao Filipe auf der Ilha do Fogo und weiter zur Ilha Brava, der kleinsten bewohnten Insel des Archipels ohne funktionsfähigen Flughafen und zurück nach Fogo, wenn´s denn sein darf. Das sind so um die 160 Kilometer zusammen. Und immerhin kostete das Ticket auch umgerechnet 9 Euro und das will man ja nicht verfallen lassen. Außerdem, wie wollen wir anders dorthin kommen?

    Die Furna mit ihrem Stammhafen Sao Vicente war ursprünglich ein norwegischer Trawler, dort ausgedient – man kann noch den schlecht überpinselten Heimathafen lesen – Tromsö – und dem Staat Cabo Verde geschenkt, so wie wir erfahren. Das Schiff ist etwas über 20 Meter lang, hat auf der Ladefläche einen stark vertäuten Container für das Gepäck der Passagiere und eventuelle Fracht – so zum Beispiel gebackene Plätzchen, hergestellt auf Brava und verfrachtet nach Fogo. Kein Witz, aber der Himmel weiß, warum diese Süßigkeiten gerade Bravas Exportschlager sind. Wir werden noch merken, warum der Container so stabil befestigt ist.

    Das ganze sieht etwas mitgenommen aus und mit dem Hinweis, Reparatur dringend erforderlich, sind wir doch ein wenig verunsichert. Um den Rost im Zaum zu halten, waren Ladebaum und alle Winden sowie deren gesamte Nachbarschaft stark gefettet. Man konnte also neben seiner persönlichen Einfettung auch leicht auf die Fr… fallen, was vor allem im Dunkeln, und die Fahrt fand ja überwiegend nächtens statt, wenig anzuraten war, denn der Kahn war ursprünglich nicht als Personenschiff mit Sicherheit für die Personen gebaut worden und man konnte somit ziemlich leicht in einem nassen Grab landen. Meine Frau hat mich später zu Hause beim Anblick von Fotos des „Seelenverkäufers" in die Gegend geistiger Umnachtung positioniert und etwas von erweitertem Selbstmord gemurmelt, außerdem meiner Lebensversicherung Lob und Dank für ihre Existenz ausgesprochen, deren Vorstand wahrscheinlich während unserer Fahrten laufend unruhige Träume hatte, immer das Geld seiner Compagnie in Vernichtung gesehen. Im übrigen wurden wir nur so nebenbei darüber informiert, dass es auf den Kapverden keine Seerettung gab und bei einem irreversiblen Ausfall der Maschine das Schiff mit der dann mumifizierten Besatzung an Kapitän, Matrosen und Passagieren so in etwa sechs Wochen an der brasilianischen Küste anlanden, besser, stranden würde. Das einzig Fixe an der Sache war Brasilien wegen der Strömung. Eine äußerst beruhigende Perspektive!

    Heute sind die Verhältnisse vor Ort, so wie man lesen kann, natürlich deutlich besser, so gibt es tägliche Schnellfähren zu den von uns besuchten Inseln, aber damals war die Furna für sie eben das Maß allen Hinkommens. Und jetzt, abgearbeitet, ramponiert, verbraucht, nicht mehr zu gebrauchen, nicht mehr geliebt und verehrt, verschwunden aus der Literatur, dem Netz und bestimmt auch aus der Erinnerung der Einheimischen – Furna? Nie gehört. Doch! Nicht aus meiner, weil verantwortlich für mindestens 100 graue Haare.

    Ich schätzte, dass dem Raumangebot entsprechend circa 60 Personen in der einzigen Kajüte an der Überfahrt teilnehmen konnten, wenn es denn voll war, etwas nettes Gedränge gab, aber es war wie in Madagaskar, wo ein Fahrzeug erst dann voll ist, wenn man es vor Menschen nicht mehr sieht. Es waren deutlich mehr Leute als „voll" anwesend, deutlich mehr als 100 sicherlich, alle Löcher zugestopft.

    Wie bekannt, Mut zeiget auch der Mameluck, also auf los geht´s los!

    Wir entern das Schiff am frühen Abend über eine wackelige Gangway und sind als erstes fasziniert vom Kapitän, der das Defilee der Gäste abnimmt. Er ist ein älterer, etwas fülliger Mann einheimischer Genese und trägt eine glänzend blaue Basketballhose (siehe irgendwo vorher) und ein bedrucktes T-Shirt, anscheinend ist ihm eine Uniform zu steril. Für den Kapitän einer offiziellen staatlichen Schifffahrtslinie aber eine etwas gewagte Dienstbekleidung, nicht wahr? Trotz permanenter Rutschgefahr an Deck kommt er anscheinend mit Flipflops gut zurecht. Wir konnten später während unserer Fahrten seinen Umgang mit der Mannschaft – sichtbar waren lediglich drei Matrosen – bestaunen. Der Kapitän sprach nicht, kein Wort während der gesamten Tour. Er gab seine Kommandos über Pfiffe weiter und anscheinend hatte seine Mannschaft damit auch keine Verständigungsschwierigkeiten. Ob er so auch private Gespräche führte, konnten wir leider nicht ermitteln. Und noch eins, fast während der ganzen Fahrt schleppte unser Kapitän eine Bierflasche mit sich herum, eine Bierflasche, in deren Hals er einen Zeigefinger gesteckt hatte, Bierflasche am langen Arm. Ob er Angst hatte, seine Untergebenen würden die Flasche austrinken? Wir haben nichts dergleichen bemerkt, allerdings den Kapitän auch nie beim Trinken ertappt. Vielleicht war die Flasche ja nichts anderes als sein Talisman oder ging einfach nicht mehr vom Finger.

    Ich habe das Schiffsäußere bereits kurz geschildert, Genaueres wollen Sie bestimmt auch nicht wissen, sonst würden Sie, wenn Sie mal dort hin kommen, jegliches Verkehrsmittel am Ort meiden. Und auch unsere Unsicherheit bei seiner Betrachtung haben Sie bemerkt und bei dem, was man insgeheim bestimmt immer tut, auch beim Bewerten der (unbekannten) Schiffseigenschaften und der möglichen Auswirkung von Defiziten. Auf die Idee, den Mitreisenden eine Führung durch den Maschinenraum zu gewähren, ist sicherheitshalber niemand gekommen. Wir konnten uns also nur auf die anfänglichen Äußerungen des pensionierten Seemanns verlassen, den wir übrigens während der Überfahrt nicht mehr zu Gesicht bekamen. Vielleicht hat er sich – vor Angst schlotternd – in eine stille, schlecht einsehbare Ecke zurückgezogen oder hat seine Reiseambitionen einfach eingestellt oder hat doch tiefer in die Tasche – hoffentlich in seine eigene – gegriffen und das Flugzeug genommen, er wollte ja nur nach Fogo, da kann ein Feigling auch hin fliegen, wenn der Sand ihn lässt.

    Mit dem Gepäck die Treppe hinunter in die einzige Kajüte. Dort befinden sich Tische und Bänke, festgeschraubt am Boden sowie eine Tiefkühltruhe für Speiseeis, das sagt jedenfalls die Werbung. Und anstatt in dieser Kajüte auf einer Bank festgewachsen sitzen zu bleiben und das Ende der Fahrt abzuwarten, begehen wir den Fehler, lassen die Taschen unten und gehen nach kurzer Zeit auf eine kleine Entdeckungstour. Bei der Rückkehr stellen wir fest, dass die übrigen Personen jetzt dort festgewachsen das Tourende abwarten und wir platzlos sind und es auch bleiben werden. Das sind wohl alle gewiefte Überfahrer, die genau wissen, aufgestanden, Platz vergangen. Und warum beherzigen wir nicht den wohl weltweit bekannten Kinderreim? Doofheit kommt vor dem Fall, hier dem Aufenthalt im Freien.

    Über die Furna stehen immer ein paar besondere Sätze in irgendwelchen älteren Reiseführern, die man liest um sie zu beherzigen oder sich zu erschrecken (seit dem stillen Schiffstod ist dieser Platz natürlich frei für anderen Unsinn). Unter anderem steht dort, es gäbe nur wenige Toiletten da, und deren Zustand würde sich recht schnell nach der Abfahrt ins Unermessliche, ins unermesslich Grässliche steigern. Ich entschließe mich also noch während des Hafenaufenthalts, eine der wenigen avisierten Toiletten prophylaktisch aufzusuchen. Der erfahrene Reisende hat ja bekanntlicherweise im Lauf seiner Touren durch überhartes Training die volle Kontrolle über seine wesentlichen physiologischen Funktionen erworben, das heißt, dass ihm auch seine Ausscheidungsorgane gehorchen, meistens jedenfalls, Fehlfunktionen lassen sich leicht unter dem Schlagwort Tropendiarrhoe subsumieren, gegen die ja nur Montezuma etwas machen können soll, wenn man ihm denn nichts getan hat und er sich nicht rächen will. Also zeitiges Vorbeugen beim Aufsuchen des Schiffslokus ist angesagt, möglichst früh. Das Schiff hat immerhin ganze zwei Toiletten. Wenn Sie jetzt denken, man hätte diesen Satz mit einem Ausrufezeichen beenden müssen um seine Missbilligung zu äußern. Oh nein, zwei Klos für 100 Leute ist immer noch besser als 4 für 2.000, so erlebt in der Großen Halle des Sun Ya Tsen in Guanzhou, aber dass die Chinesen keine Toilettenkultur haben, weiß ja mittlerweile jeder und die zwei auf der Furna waren ursprünglich auch nur für ein paar norwegische Fischer vorgesehen. Also ab in den Schiffsbauch zu den zwei Toiletten. Eine ist besetzt, bei der zweiten klemmt die alte Holztür. Aber mit Gewalt geht vieles, auch die Überwindung der Armkraft der Dame, die von innen zuhält. Kein Schloss an der Tür! Oh Entschuldigung, na, wohl auch die Passage mit der zeitlich sinkenden Toilettenqualität im Reiseführer gelesen. Die Furna füllt und füllt sich. Viele Mitreisende haben wohl ihren gesamten Hausrat dabei und der kommt in den rostigen Container und der wird sogar voll und er wird gut vertäut, Stahlseile über Kreuz verspannt. Die Reisenden sind sämtlich einheimisch, meistens etwas älter, Männlein und Weiblein sind gleich vertreten, und – um im Meeresjargon zu bleiben – dünne Heringe, alle, das Adipositasgen ist auf den Inseln, wenn überhaupt, nur spärlich vertreten. Der Eindruck fehlenden finanziellen Rückhalts für ein Flugticket wird durch ihre Kleidung bestätigt. Wir sind die einzigen Fremden, dazu auch noch Touristen, die anscheinend eine Lustreise machen und wieder einmal als solche im Sammelsurium der Passagiere auffallen müssen, weil sie den „Mussreisenden" den Platz wegnehmen – wie häufig in solchen Ländern, in denen wir vorzugsweise einheimisch unterwegs sind – heute aber zu unserem Leidwesen nicht. Und zwei schwarze Herren in grauen Sonntagsanzügen sind da, die auf Nachfrage zugeben, aus Nigeria zu stammen und hier beabsichtigen, eine Gastarbeiterrolle zu übernehmen. Na, ob das aber in einem Land, das sowieso mit hoher Arbeitslosigkeit gesegnet ist, Erfolg versprechend ist? Aber die beiden sind guter Dinge und recht optimistisch, vielleicht haben sie ja besondere und hier besonders gefragte Fähigkeiten. Wer weiß? Wir gönnen es ihnen.

    Es dämmert und die ungewisse Abfahrt rückt anscheinend näher, denn das Matrosenteam wird aufgeregt, und das Flöten des Käptns erreicht Papageno-Intensität.

    Kurz vor Ultimo kommt ein junges Ehepaar mit zwei kleinen Kindern, viel Gepäck und einer Matratze angejapst. Gerade noch geschafft! Die Matratze wird im Freien direkt an der Reling und vor unserer Nase ausgebreitet, die beiden Kinder werden darauf ausgebreitet, mit einem Betttuch vollständig zugedeckt und während der gesamten Fahrt unbeaufsichtigt – wenn man von unserem sporadischen Hinsehen absieht, den selbsternannten Paten – in Ruhe gelassen – sie schlafen auch sofort ein. Die Eltern sind weg, irgendwo im sicheren Gebiet. In der Biologie nennt man das Brutfürsorge – „Wir haben dir einen guten Start gegeben, mach was draus – im Gegensatz zur Brutpflege – „Wir tun auch noch später was für dich. Unserer Einschätzung nach wären die beiden mit Brutpflege besser dran gewesen, denn wenn der Wellengang hoch ist, und er war mächtig hoch, hätte man auch leicht über Bord gehen können, es heißt zwar so, man wäre aber eigentlich ja gefallen. Glücklicherweise ist nichts passiert aber je höher Lebewesen entwickelt sind, umso stärker ist generell auch die Brutpflege ausgebildet, erstaunlicherweise nicht in diesem Fall. Vielleicht spielt hier aber auch das Kindergeld eine gewisse Rolle. Auf den Kapverden gibt es das nämlich nicht.

    Es wird Nacht, recht zügig, die Furna legt klammheimlich ab, immerhin ist der Diesel wenn schon nichts anderes oder besseres, leise, niemand winkt und wir sitzen im Freien, auf dem Fußboden und in einer sauberen Ecke bei den fremden Kindern, noch recht angenehm, warm und ohne Wind. Alle Mitreisenden sind irgendwo, unsichtbar, nämlich in der übervollen Kajüte, nur wir nicht. Viele Stunden liegen vor uns.

    Die Fahrt geht entlang der Küste und das in einem ziemlich großen Abstand, nautisch wohl erforderlich, man erkennt die Entfernung an der Größe, besser der Kleinheit der Lampen auf der Insel und der Wind und die Wogen nehmen zu. Die Gewässer rund um die Kapverden sollen ja ziemlich rau sei, habe ich mal gelesen und es soll auch viele Haie geben. Das Schiff schwankt beträchtlich, Wellen schlagen über die Reling und die Kinder schlummern selig. Und fallen glücklicherweise nicht vom Schiff. Phänomenal! Wie gut, dass der Container so stark befestigt ist, der wäre sonst mit Sicherheit schon auf dem Weg Richtung Meeresgrund.

    Die Zeit wird lang und trotz des hohen Wellengangs – jetzt bloß nicht seekrank werden, eine solche Blamage gilt es unter allen Umständen zu vermeiden, es steht auch kein Kapverde an der Reling, aber glücklicherweise ist uns diese unangenehme Neigung fremd (übrigens hat uns der Kapitän eines Versorgungsbötchens zwischen Flores und Corvo, den westlichsten Inseln der Azoren dies nicht geglaubt und uns durch seine Tochter ausrichten lassen, er nähme uns im Winter nicht mit, da er kotzende und mit Selbstmord drohende Touristen vier Stunden lang nicht ertragen könne) – wird es langweilig und ungemütlich für die Knochen, und es wird kalt, nichts ist hier auf dem Meer mit den Subtropen, man wähnt sich im borealen Umfeld, wobei ich doch immer behaupte, ich sei ein Feind des Windes, was meine Frau auf meine Mähne zurückführen möchte, falsch, es ist nicht der Wind allein, es ist der kalte Wind, der mein Feind ist, ich bin boreophob nicht äolophob, ab jetzt gibt es auch diese neuen Worte.

    Die Uhr ist unverschämt, los geh endlich schneller! Man muss mal aufstehen und herumgehen, was aber schwer fällt, weil man dann stark schwankt und sich woanders hinsetzen muss. Jürgen testet es aus. Zack, in das Fett, die schöne Cordhose, sie sieht nicht mehr gut aus und sie weiß, dass sie nach unserer Ankunft weg kommt, nicht mehr zu gebrauchen. So ein Glück, dass so etwas nicht bei und mit uns möglich ist: sieht nicht mehr gut aus, ist nicht mehr zu gebrauchen und kommt weg. Die Erde wäre ziemlich leer, denn wer sieht schon immer gut aus und ist immer zu gebrauchen? Morgens um fünf käme dann das das große Schlachten. Es ist wie bei der Putzfrau im MOMA: „Ist das Kunst oder kann das weg?"

    Und es wird noch schlimmer, das mit dem Seegang und das mit den lahmen Beinen und … das mit der immer langsameren Uhr, wird sie afrikanisch unzuverlässig oder ist das ein Vorurteil? Die Zeit vergeht wirklich immer langsamer, wir nähern uns bestimmt dem Ende des Universums, immer langsamer, hoffentlich fallen wir nicht von der Kante. Hören Sie nicht hin, so ein Unsinn fällt einem immer dann ein, wenn man nichts Wichtigeres zu denken hat. Ich schleiche herum, um einen schönen … schönen? irgendeinen neuen Sitzplatz zu erhaschen, der meinen Beinen und meinem Rücken halbwegs gefällt, bekomme aber bisher nur Ablehnung von meiner Anatomie und ich komme an die Treppe zur Kajüte. Auch auf jeder Stufe liegt jemand, hochkant. Kurz denke ich darüber nach, was wäre, wenn ich mich – da ist keiner mehr hingegangen aus Angst, die restliche Fahrt stehen zu müssen – auf den Lokus setze, aber das kann ich noch nicht übers Herz … Entschuldigung – über die Nase und sonst was bringen. Also aushalten. Und die Kinder schlafen immer noch selig, ich bin erstaunt, selig als Vorstufe zu heilig? Dann schlafe ich jetzt auch sofort ein. Und das mit den Kindern erzähle ich zu Hause den meinen, wenn sie fünf Minuten nach der Abfahrt des Autos schon schreien: wann sind wir denn endlich da?

    Aber wenigstens wir müssten doch bald da sein. Es ist noch finster, ich glaube, die Sonne hat aufgehört zu scheinen, die Erde ist im … wie heißt Endstadium auf portugiesisch, und man kann sich bedenkenlos in die Fluten stürzen, Tod durch Erfrieren oder Tod durch Ertrinken – das hatte ich ja schon einmal … fast – das letztere ist bestimmt besser, es geht auf jeden Fall schneller.

    Ein kapverdischer Mann, ein mutiger, kommt die Treppe hoch, weil, denke ich, er mal muss. Und Jürgen, mit seinen elementaren Bedürfnissen besser, auf jeden Fall aber schneller vertraut als ich, steht auf, grinst und meint: „Pech gehabt, jetzt muss er stehen bleiben." Und er nimmt seinen Platz in der Sardinendose ein. Stimmt, zurückgekommen nimmt die aussortierte Sardine es stoisch, so wie ich, auf der Erde hockend und mit angezogenen Beinen immer in der Furcht vor dem fiesen, braunen Fett, starr und stumm verharrend. Und die Kinder? Die hätte ich auch gern.

    Es dämmert, es dämmert, selten habe ich die Dämmerung so herbeigewünscht. Zu Hause möchte man die Morgendämmerung ja meistens gern noch ein paar Stunden hinausschieben, aber hier, bloß nicht. Wir nähern uns Sao Filipe auf Fogo und wir nähern uns dem Hafen. Warum ich das so betone? Wir müssen ja noch weiter nach Brava und Brava hat nicht nur keinen Flughafen sondern auch keinen Hafen und das Verlassen des Schiffs ist, wie ich noch beschreiben werde, Circus-Roncalli-reif. Aber erst einmal sind die meisten Störenfriede – sie haben meine ausruhbedürftigen Knochen durch ihre Anwesenheit sehr gestört, sonst nichts – weg, sie bleiben in Fogo. Ende der Reise, schöne Insel, bleibt alle da, dann haben wir wenigstens Platz bei der Weiterfahrt. Übrigens … auch Sao Filipe hat keinen richtigen Hafen aber eine halbwegs schöne Mole, wo man fast normal aussteigen kann.

    Die Furna fährt weiter, nur noch drei Stunden, man glaubt es kaum, weil man Brava schon deutlich sieht, aber man ist ja langsam, nur net hudele. Das wäre was, Motorschaden kurz vor dem Ziel und nur zwei Rettungsboote und die wahrscheinlich festgerostet.

    Wir verziehen uns in die Kajüte – auf die Kinder muss jetzt niemand mehr aufpassen, die sind mit samt ihren Rabeneltern ausgestiegen, wohl ausgeruht, aus süßen Träumen aufgeweckt, mit Näglein besteckt, na ja, eher mit einigen nassen Wellenspritzern eingesaut.

    Es sind jetzt Plätze auf den Bänken frei. Es sind ja auch nur noch um die 20 Leute an Bord. Ich strecke mich auf einer Bank aus, drehe den Kopf nach rechts und sehe, auf dem Tisch neben mir liegend, alte, dünne Beine – es sind übrigens viele ältere Menschen noch da, die nach Brava wollen – gibt es da einen besonders schönen Friedhof? – nicht dass ich falsch verstanden werde, der zugehörige alte Mann liegt auch da – die, jetzt wieder die Beine, wir würden sagen, nicht besonders schön aussehen, denn der Mann hat nur eine kurze Hose an und offene, sehr offene Beine. 20 Zentimeter von meinem Gesicht entfernt und offen, feucht und grindig. Hoffentlich ist es nicht der Aussatz. Aber man gewöhnt sich an alles.

    Die „Hafenbucht" von Brava wird angesteuert. Mein Tiefschlaf neben dem offenen Zombie ist vorbei. Die Furna ankert in der Buchtmitte, weiter geht nicht, am Rand ist es ist zu flach. Es nähert sich ein kleines Ruderboot und in dieses steigen wir ein, mit Gepäck. Gepäck! Ach ja. Ich vergaß zu erwähnen, dass der Aufenthalt meiner Tasche neben der Tiefkühltruhe in der dort verbrachten Zeit ausreichend lang genug war, um einem Kakerlakenstaat die Gründung zu ermöglichen. Tasche aufheben, Staatswesen vernichtet, Flagge auf Halbmast, traurig, traurig! Aber Kakerlaken sind bekanntlich hart im Nehmen, die finden in dieser Gegend bestimmt schnell was Neues.

    Über der Hafenbucht – und ich sage das eher missmutig oder traurig – steht der Mast einer sehr großen Windkraftanlage, die bestimmt ausgereicht hätte, einen großen Teil der Hauptstadt – Hauptdorf – Villa Nova Sintra mit elektrischer Energie zu versorgen. Der Kopf mit der Elektrik liegt ohne Flügel daneben. Kaputt. Und da das eine Investition, besser, ein Geschenk der EU war, ist das Interesse an der nützlichen Anlage – man hat ja selber nichts bezahlen müssen – verflogen, perdu! Und was ist mit Reparatur? Da kriegt man schon einen dicken Hals!

    Das Aussteigen wäre für viele mitteleuropäische Seelen eine arge Qual, und bestimmt würden einige Leute – zusammen mit ihren Seelen – ins Wasser fallen und andere lieber wieder zurück nach … wer weiß wo … fahren, nur um hier nicht raus zu müssen. Das Ruderboot steuert die Hafenmole an und die Aussteigewilligen steigen auf den wackligen Bootsrand, einer nach dem anderen, springen mit hochgereckten Armen etwas in die Höhe und werden oben von kräftigen Armen empfangen und an Bord – Verzeihung, ich bin wohl noch auf See – auf das Ufer gezogen. Das ist alles gar nicht so einfach, aber die Menschen hier sind es gewohnt. Und da Jürgen und ich und die beiden Nigerianer anscheinend zu Ehrenmitgliedern der Crew ernannt worden sind, helfen wir allen anderen, hochzuflutschen. Und das machen wir mit mehreren Ladungen, und immer besser, vielleicht bekommen wir ja einen Vertrag, aber wir haben es ja auch nicht besonders eilig.

    Eine sehr dünne und anscheinend auch sehr alte Dame muss natürlich auch raus und der „Hafen" hat keinen Kran. Sie klettert mühsam auf den Bootsrand, das hätte in diesem Alter bei uns niemand mehr gemacht, besser, niemand gewollt und gekonnt, Jürgen und ich schnappen jeweils einen Unterschenkel nahe des Knöchels, 1, 2, 3, und hochgeworfen, kein Witz, die Fänger (nicht die im Roggen, die auf der Mole) sind bereit und schon ist die Oma oben. Sie geht kommentarlos und flipflopbeschuht von dannen. Anscheinend kennt sie diese Art der Ausbootung seit Kindesbeinen. Als letzte sind wir dran, sind an Land und unterschwellig nun auch Ehrenmitglieder der Brava-Ausbooter.

    Wir haben Brava unverletzt an Leib und Seele – na ja, das mit der Seele überlege ich mir noch einmal – erreicht und verbringen hier einige interessante Tage, wohnen in einer kleinen Pension bei einem netten Menschen, der ausgezeichnet kochen kann und es auch tut, trinken seinen letzten Rotwein, treffen drei deutsche Touristen, die von ihren Abenteuern berichten und müssen natürlich wieder zurück. Wir haben ja noch Termine.

    Und es geht so weiter, wie es angefangen hat. Wir warten auf die Furna.

    Wir sind jetzt zu fünft, waren in derselben Pension, sind auf der Ladefläche eines Lkw rechtzeitig in die Hafenbucht gebracht worden und … siehe oben, da wir die Ankunftszeit des Schiffes kennen, 9 Uhr morgens. Seltsam ist allerdings, dass außer uns niemand anderes da ist. Will keiner mit? Nach einer Stunde Wartezeit wird man schon etwas unruhig. Ist die Furna vielleicht kaputt, das ist ja bei dem Zustand nicht ausgeschlossen? Ist sie untergegangen? Die Nachrichten über einen solchen Zwischenfall – wenn ich das mal so nennen darf – hätte Brava auch bestimmt so schnell nicht erreicht. Und was ist dann mit uns, wie kommen wir weg? Alle Pläne sind hinfällig und keiner weiß, wie wir nach Hause kommen. 90 Minuten und kein Schiff in Sicht, 90 Minuten und kein anderer Reisewilliger in Sicht, etwas Schweiß bricht aus, mit Scherzen überspielt man die Lage. Das Schiff wird schon kommen. Sollen wir das jetzt mal singen, vielleicht hat das ja Einfluss? Blödsinn! Aber man benimmt sich schon etwas lächerlich, tritt Steinchen ins Wasser, hüpft von einem Bein auf das andere, stößt wilde Vermutungen aus, das ist erst der Anfang, geht dann zu Missbilligungsbekundungen über und endet mit hässlichen Wünschen für den Kapitän und seine Crew und verwünscht endlich das ganze Schiff, die Insel, die Welt. Es ist nichts anderes als blanke Hilflosigkeit, ein Psychologe hätte die Reihenfolge vorhergesagt.

    Zwei Stunden sind es jetzt und ein Punkt erscheint am Horizont, vielleicht eine Fata Morgana? Die Welt, nein, das Schiff als Wille und Vorstellung? Schopenhauer ist mal wieder zu gebrauchen. Der Punkt wird größer, es ist die Furna, und es kommen Mitpassagiere in die Bucht, zu Fuß, mit dem Auto, allein oder begleitet von Angehörigen. Die haben es gewusst, dass das Schiff kommt, aber eben, wann es will oder wann es kann oder weil die Uhr des Kapitäns eben afrikanisch geht. Und wir sind gerettet.

    Die Furna ankert, das Bötchen lädt die Ankommenden aus wie gehabt und wir steigen ein. Fässer werden eingeladen, da sind die ominösen Plätzchen drin. Der Kapitän beginnt mit seiner geheimnisvollen Pfeiforgie, der Motor wird angelassen, der Anker wird gelichtet und es kommt noch ein Boot mit einem großen blauen Fass – auch mit Plätzchen, wie wir erfahren. Der Kapitän wird unruhig, auf einmal hat er es eilig. Das Fass wird eingeladen, denkste, es fällt von der Reling ins Wasser und der Kapitän flötet süß zum Aufbruch. Das Fass bleibt da, sein Schicksal uns verborgen.

    Die Fahrt nach Fogo verläuft bei hellem Sonnenschein und starkem Seegang und Sturm. Für einige Reisende wird es jetzt Zeit für die erste Antischlechttablette, also sind die Kapverder doch nicht so seefest wie vermutet. Wir stehen an der Reling auf dem obersten Deck – werden selbst da noch nass – und haben unsere Taschen unter einer Rettungsinselkapsel verstaut. Man muss sich ordentlich zweihändig festhalten und darf nicht an sein Innenohr denken, weil dort ja leicht die Bogengänge in Unordnung geraten könnten und die auf dem Schiff stark und schnell wechselnde Drehbeschleunigung bösen Drehschwindel, auch Seekrankheit genannt hervorrufen würde oder medizinisch Nausea, das hört sich im Vergleich ziemlich lieblich an, die Symptome sind natürlich mit denen der Seekrankheit identisch.

    In kurzen und gleichmäßigen Zeitabständen hebt Jürgen seine Tasche einhändig hoch, mit der anderen muss er das Überbordgehen ja verhindern, hält sie kurz in der Luft fest und setzt sie wieder ab.

    „Machst Du gymnastische Übungen?"

    „Nein, aber sieh Dir mal das junge Paar da an der Reling an."

    Und dieses Paar hat die berüchtigte Seekrankheit, steht auf der falschen Schiffsseite, auf die der Sturm bläst, Luv sagt man wohl dazu, und verliert zumindest das aktuelle Frühstück, wenn nicht mehr, das je nach Seitenlage der Furna mal knapp über Bord plätschert, mal auf dem Deck in Richtung Jürgens Tasche schwimmt und kurz vor Erreichen der Tasche wird diese eben hochgehoben, Frühstück drunter weg, Tasche wieder abgelassen und so weiter. Irgendwann sind die Seeuntüchtigen leer, rülpsen noch einmal hohl und geben dann Ruhe.

    Unsere Ankunft gelingt hafenmäßig problemlos und auch den Wellengestressten ganz gut.

    „Und an diese Fahrt werde ich noch in hundert Jahren denken", oder müssen, meint Jürgen.

    Und es locken die

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