Rom: Bernini, Borromini,Caravaggio und viele Skandale
Von Ute Fischer und Bernhard Siegmund
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Über dieses E-Book
Es ist spannend, jene Orte zu sehen, an denen berühmte Ereignisse stattfanden, die unsere Zivilisation prägten. Das Kolosseum, in dem die ersten Christen von wilden Tieren zerfetzt wurden, das Foro Romano als antikes Zentrum, Fragmente von Tempeln und Thermen. So erhält Geschichte noch nachträglich eine Heimat. Dazu gehören auch die Kulissen berühmter Filme wie Ben Hur und La Strada und etliche cineastischen Bilder von Roberto Rosselini, Federico Fellini, Vittorio De Sica und Luchino Visconti. Beeindruckende Paläste und Kirchen, berühmte Straßen, Plätze und Brunnen brachten unsere Herzen in Aufruhr und ließen den Atem stocken.
Wir hatten das Glück, von einer seit 30 Jahren in Rom lebenden deutschen Historikerin geführt zu werden. Eva wusste, was uns in Rom faszinieren würde und was man besser den üblichen Touristen überlässt. Sie wählte die Stationen sorgsam aus, damit wir nicht überfüttert wurden und uns trotzdem auf einer Zeitachse orientieren konnten. Bald lechzten wir nach Bildern von Caravaggio, dem wilden cholerischen Maler, der seinen Heiligen schmutzige Füße und das Antlitz seiner nicht sehr gesellschaftsfähigen Geliebten Lena verlieh. Fasziniert verfolgten wir die Rivalität der Barockbaumeister Bernini und Borromini. Mit Brunnen, Palazzi, Skulpturen und Kirchenbauten schaukelten sie sich im abgrundtiefen Hass gestalterisch gegenseitig hoch. Fast argwöhnisch beobachtete uns Eva beim fleißigen Mitschreiben, weil sie wohl ahnte, dass wir viel von dem notierten, was sie zwischen den Zeilen, manchmal auch trotzig zwischen den Zähnen loswerden wollte, und was in keinem üblichen Reiseführer nachzulesen ist.
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Buchvorschau
Rom - Ute Fischer
einmal.
Tag 1 (Samstag)
Aufstehen um sechs Uhr. Abfahrt 6.45 Uhr. Draußen Schmuddelwetter. Keine zehn Grad. Wir wollen den Airliner um 7.48 Uhr erreichen. Reichlich gerechnet, weil Bernhard etwas von Straßensperrung an diesem Samstagmorgen gelesen haben will. Nichts. Wir sind schon kurz vor 7.00 Uhr da, parken und schlendern durch die Bahnhofshalle im guten Glauben, noch viel Zeit bis zum Bus zu haben. Am Ausgang, wo ein elektronischer Abfahrplan die nächsten Busse und Straßenbahnen avisiert, steht der Airliner in einer Minute abfahrbereit. Es ist der Vorgängerbus. Als wir das realisieren, stürmen wir durch die Tür. Kein Bus. Ein Taxifahrer fragt. „Wollen Sie zum Flughafen? Der Bus ist weg", feixt er, wohl in der Hoffnung, Geschäft mit uns zu machen. Dumm gelaufen. Auch für uns; denn auf dem Flughafen wäre es wärmer gewesen als in der Bahnhofshalle.
Wir sichern uns ein Plätzchen in einer Wartekoje, lesen in der mitgenommenen Tagezeitung. Und essen die mitgenommenen Schnittchen von unserem köstlichen selbstgebackenen Haselnussbrot. Der nächste (unser) Airliner nimmt uns auf. Er fährt eine Minute früher. Ist das System? Fuhr der Vorgänger auch eine Minute früher? Egal.
Terminal 1. Großbaustelle. Wir trotten den anderen Reisenden im Regen hinterher. Sie scheinen den Weg durch die Absperrungen zu kennen. Unser Flug LH A321 steht noch gar nicht auf dem Schedule. Wir sind aufforderungsgemäß zwei volle Stunden vor Abflug da. Sollen wir am Automaten einchecken oder am Counter? Letztes Mal in Lissabon schafften wir es nicht, zwei Nebeneinander-Sitze zu ergattern. Eine junge Dame vom LH-Bodenpersonal hilft uns. Gebont.
Gepäck aufgeben. Auch hier am Counter sitzt niemand. Ein weiterer LH-Mitarbeiter erklärt uns, wie wir das Gepäck automatisch selbst einchecken können/müssen. Die Monitor-Navigation gibt alles vor. Boardingpass mit Strichcode auf den Scanner legen. Koffer aufs Band legen. Bildschirm berühren. Acht Kilogramm. 23 wären erlaubt gewesen. Aus einem Schlitz wächst nun der Pappstreifen mit allen Daten, den wir selbst am Trolleygriff zusammenpappen. Fertig. Zur Bestätigung spuckt der Automat auch noch eine Quittung aus. Ready for take off.
Handgepäckkontrolle. Da hat sich nicht viel geändert seit dem letzten Flug nach Boston: Bernhard muss seine Hosenträger ablegen, wir beide die Gürtel. Außerdem Handy rauslegen. Wasser austrinken. Ausnahmsweise muss ich die Schuhe nicht ausziehen, obwohl ich die immer gleichen Treter mit den Einlagen trage. Wie immer greife ich zu meinem Taillenknopf und biete an, meine Hose herunterzulassen. Mit diesem Trick wollen mich alle immer schnell loshaben und winken mich durch. Ehrlich: Ich bin jedes Mal hochmotiviert, die Show durchzuziehen. Aber mehr, als über den Knopf zu öffnen, ist es mir noch nie gelungen. Dabei bin ich figurmäßig noch immer ansehnlich.
Die Käse-Sandwiches mit geraspelten Möhren sind bei Lufthansa doch wesentlich besser als bei der TAP (Azoren-Reise). Das war so ziemlich das Mieseste, was uns jemals angeboten wurde und bleibt deshalb als Gradmesser in Erinnerung. Mit dem Landeanflug verspricht uns der Flugkapitän 24 bis 29 Grad Celsius. Es ist ein bisschen diesig. In der Ferne ein Gebirgszug. Ich weiß nicht, was das ist. Nachgucken. Die Albaner Berge, Ausläufer der Abruzzen oder die Sabiner Berge im Norden? Wir werden es nie erfahren.
Der Flughafen in Fiumicino (Aeroporto Leonardo da Vinci) liegt etwa 30 Kilometer von Rom entfernt. Von hier aus gibt es mit dem Leonardo-Express
eine Non-Stop-Zugverbindung zum Hauptbahnhof, zur Stazione Termini. Damit erreicht der nichtorganisierte Reisende bequem und schnell die Stadt. Von Termini aus stehen einem dann sämtliche Wege des römischen Nahverkehrs offen. Für viele Reisende ist der Leonardo-Express sicherlich das Verkehrsmittel der Wahl: schnell und unkompliziert - auch wenn es einerseits billiger, andererseits bequemer geht.
Wir werden natürlich abgeholt. Die Reiseleiterin soll uns laut Plan am Ausgang links erwarten. Immerhin wissen wir schon, wie sie aussieht, unsere Eva. Aber erst warten wir sehr lange auf unser Gepäck. Zwei Damen meines Alters, die irgendwie nach ZEIT-Reisenden aussehen, warten ebenfalls am Gepäckband und wir kommen ins Gespräch. Tatsächlich. Aus unserer Gruppe. Wir sind 15 Personen: fünf Paare, fünf Einzelreisende – später kommt noch Lena von Zeitreisen hinzu. Ein separater Bus erwartet uns. Und damit beginnt unser Rom-Abenteuer.
Eva, studierte Kunsthistorikerin, die schon zig Jahre in Rom lebt, verspricht, uns nicht mit Jahreszahlen zu bombardieren, sondern uns Rom in Epochen nahe zu bringen. Eben eine richtige „Zeit-Reise". Unser Hotel liegt im Zentrum. Die letzten Tage seien sehr kühl und regnerisch gewesen. Heute der erste freundliche Tag. So muss es sein, grinsen wir uns an.
Vorab ein paar Zahlen zu Rom.
2,9 Millionen Menschen – knapp fünf Prozent aller Einwohner Italiens – leben im Stadtgebiet. Die Gesamtfläche entspricht mit 1.285 Quadrat-Kilometern der Fläche von Berlin, München und Regensburg zusammen. Rom liegt 21 Meter über dem Meeresspiegel und 26 Kilometer von der Küste entfernt. Der Tiber (Tevere), mit 404 km Italiens drittlängster Fluss, schlängelt sich mitten durch das Zentrum.
Die Gliederung in 22 Viertel (rioni) geht auf Kaiser Augustus zurück, der die Stadt ursprünglich nur in 14 Stadtviertel unterteilte. Die weiteren acht kamen erst 1921 dazu. Rein verwaltungstechnisch wurde das Ganze 2013 wiederum auf 15 Bezirke zusammengeschrumpft. Die Hauptstadt Italiens ist zugleich Sitz der Regierung.
Die klassischen sieben Hügel, auf denen Rom ursprünglich erbaut wurde, liegen alle östlich des Tibers und sind mit Höhen zwischen 47 und 65 Metern für uns Rom-Neulinge kaum auszumachen. Neben Aventin, Celio, Esquilin, Kapitol, Palatin, Quirinal und Viminal gibt es noch den Monte Paroli, 59 Meter, den Monte Antenne, 64 Meter, den Monte Testaccio, 49 Meter und mit 139 Metern den Monte Mario, der früher den aus Norden kommenden Pilgern den ersten Blick auf Rom bot. Ja, in Rom war schon immer viel los. Heute spricht man von über 33 Millionen Übernachtungen pro Jahr. Die meisten Besucher bleiben nur etwa drei Tage. Wir haben uns eine ganze Woche vorgenommen, immerhin mehr als doppelt so lange.
Der Bus fährt durch unauffällige Wohngebiete, die überall liegen könnten. Das Auffallendste an dieser Fahrt ist eine gewaltige Mauer, die Aurelianische Stadtmauer, wie wir erfahren. Begonnen von Kaiser Aurelian (270 bis 275) und fertig gestellt von Kaiser Probus (276 bis 282) umschloss sie auf der Länge von 19 Kilometern die damalige Stadt und blieb bis in die Neuzeit die Stadtgrenze. Ursprünglich beinhaltete sie 18 große Tore und 383 Wachtürme. Ihre Mauern waren bis zu sechs Meter hoch und 3,5 Meter tief. Damit es beim Bau schneller voran ging, wurden an mehreren Stellen vorhandene Bauwerke einbezogen. Vielleicht sehen wir noch etwas?
Vor uns tauchen Säulen und Säulenfragmente auf. Eva: „Wir sind gleich da. Jubel aus dem Bus. „Das Hotel liegt direkt am Forum Romanum
, im Stadtteil Monti. Es ist eines der ältesten Stadtviertel Roms in unmittelbarer Nähe des Kolosseums. Also mitten drin in Rom.
Das Monti
Eingezwängt zwischen die Hügel Quirinale, Esquilino, Viminale und Celio war die Gegend vor Jahrtausenden als „Suburra", als Ort der Bordelle und des Gesindels, berüchtigt. Auch heute noch ist das Viertel etwas Besonderes, weil wenig touristisch, ehemals eine Arme-Leute-Gegend, die ihren gemütlichen Rhythmus bewahrte. Kleine Lädchen. Kunsthandwerker. Glas. Metall. Holz.