35 letzte Geschichten: Geschichten für einen Sterbenden
Von Ute Fischer und Bernhard Siegmund
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Über dieses E-Book
Wir werden nie erfahren, ob es für ihn wohltuender gewesen wäre, ihn täglich zu besuchen. Trotz Berufstätigkeit wäre das alles möglich gewesen. Aber wir waren nicht gewohnt, mit einem Sterbenden umzugehen, ohne seine Verzweiflung zu schüren, ohne sich an unserem Wohlergehen zu messen. Wir fühlten uns unfähig für einen Dialog.
Weil Steffen auch immer wieder Zeiten im Krankenhaus verbringen musste, erfanden wir für ihn Geschichten um seine beiden Dackel, die er heiß und innig liebte und vermisste. Täglich eine. Wirklich täglich. Wir waren wie vom Wahn besessen, dass er so lange leben würde, wie er unsere Dackelgeschichten erhielt. Wir mussten sie ja nur über die Straße tragen.
Die tägliche Geschichte war uns eine Pflicht, die alles andere hintan stellte. Die Ideen stammen aus dem täglichen Leben und beziehen viele Namen und Ereignisse aus der gesamten Nachbarschaft ein. Nur einmal fehlte uns eine Idee; aber auch das wurde eine Story. Und wie wir später von seiner Frau erfuhren, wartete er wirklich darauf, um sich die neusten Abenteuer von Filou und Heidjer vorlesen zu lassen.
Das alles ist lange her. Steffen starb 2001, wenige Tage vor One-Eleven. Die letzte Geschichte hat er nicht mehr erlebt. Wir schrieben sie nach seinem Tod und steckten sie in sein Urnengrab.
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Rezensionen für 35 letzte Geschichten
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Buchvorschau
35 letzte Geschichten - Ute Fischer
Als liebe Erinnerung
für Gitti Peters
Ein Buch aus dem
Redaktionsbüro Fischer + Siegmund
In den Rödern 13
64354 Reinheim
Fotos: privat
Alle Begebenheiten sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu realen Situationen sind reiner Zufall.
Einleitung
Überhaupt nicht lustig war der Anlass für diese 35 Geschichten von Filou und Heidjer. Sie entstanden aus der Hilflosigkeit, damit umgehen zu müssen, dass unser Nachbar und Freund Steffen schwer erkrankt und sein früher Tod nicht mehr abwendbar war. Wir werden nie erfahren, ob es für ihn wohltuender gewesen wäre, ihn täglich zu besuchen. Trotz Berufstätigkeit wäre das alles möglich gewesen. Aber wir waren nicht gewohnt, mit einem Sterbenden umzugehen, ohne seine Verzweiflung zu schüren, ohne sich an unserem Wohlergehen zu messen. Wir fühlten uns unfähig für einen Dialog. Weil Steffen auch immer wieder Zeiten im Krankenhaus verbringen musste, erfanden wir für ihn Geschichten um seine beiden Dackel, die er heiß und innig liebte und vermisste. Täglich eine. Wirklich täglich. Wir waren wie vom Wahn besessen, dass er so lange leben würde, wie er unsere Dackelgeschichten erhielt. Wir mussten sie ja nur über die Straße tragen. Die tägliche Geschichte war uns eine Pflicht, die alles andere hintan stellte. Die Ideen stammen aus dem täglichen Leben und beziehen viele Namen und Ereignisse aus der gesamten Nachbarschaft ein. Nur einmal fehlte uns eine Idee; aber auch das wurde eine Story. Und, wie wir später von seiner Frau erfuhren, wartete er wirklich jeden Nachmittag darauf, um sich die neusten Abenteuer von Filou und Heidjer vorlesen zu lassen. Das alles ist lange her. Steffen starb 2001, wenige Tage vor One-Eleven. Die letzte Geschichte hat er nicht mehr erlebt. Wir schrieben sie nach seinem Tod und steckten sie in sein Urnengrab.
Inhaltsverzeichnis
Heidjer und Filou - allein zu Haus
Heidjer - vorrübergehend verschollen
Filou und Heidjer und die geheimnisvolle Botschaft
Filou und Heidjer und die Sache mit den Tomaten
Filou und Heidjer und die Kunst der Manipulation
Filou und Heidjer und die dicke Frau Kabbelschuh
Filou und Heidjer reisen nach Holland
Filou und Heidjer auf der Gartenparty
Filou und Heidjer und der Waschtag
Filou und Heidjer und die Katzen
Filou und Heidjer und der Nachhilfe-Unterricht
Filou und Heidjer und der schlechte Traum
Filou und Heidjer und fliegende Wesen
Filou und Heidjer und das schlechte Gewissen
Filou und Heidjer und die bunten Lichter im Garten
Filou und Heidjer und das Haus auf der Straße
Filou und Heidjer und die Anatomie
Filou und Heidjer und die Beingeschichten
Filou und Heidjer und der Autoknacker
Filou und Heidjer und das Fliegen
Filou und Heidjer - Besuch bei Tina
Filou und Heidjer und der Schreck im Feld
Filou und Heidjer und der Unheimliche
Filou und Heidjer-ganz schön in der Bredouille
Filou und Heidjer und der Mund im Himmel
Filou und Heidjer und keine Geschichte
Filou und Heidjer auf der Insel Pellworm
Filou und Heidjer und die Hundstage
Filou und Heidjer und Nachbars Garten
Filou und Heidjer und der Schwarze Mann
Filou und Heidjer und das Gewitter
Filou und Heidjer und die Himmelhunde
Filou und Heidjer und der Geburtstag
Filou und Heidjer und die Begegnung mit einer alten Dame
Filou und Heidjer und der Abschied vom Jäger-Pappi
Heidjer und Filou - allein zu Haus
Der Nachmittag war lang und langweilig. Die Sonne malte Kringel auf den Boden. Eine dicke Fliege brummte wie ein Hubschrauber um den Hundekorb. Ihr Bauch dick und rund voller Eier. Für die suchte sie ein sicheres warmes Plätzchen, wo ihre Babys in aller Ruhe ausschlüpfen konnten. Sie landete mal hier und mal da, erhielt von Filou, dem Dackeljungen, eine gewischt, weil sie auf seiner Nase landen wollte. Verzeihung
knirschte sie und probierte einen neuen Platz mit viel weichem Kuschelpelz.
Heidjer
, flüsterte Filou seinem Dackel-Stiefbruder zu, Heidjer, pass auf, die dicke Fliege versucht ein Nest auf Deinem Ohr zu bauen!
Da war Heidjer auf einen Schlag hellwach. Er schüttelte den Kopf hin und her und kratzte sich mit beiden Vorderpfoten die Ohren. Bleah - isse wech?
fragte er angewidert und rubbelte noch immer an seinen Ohren. Und Filou fiel klatsch-um vor Lachen, hihi Du siehst aus, als ob Du Dir selber Ohrfeigen gibst!
Heidjer war enttäuscht über die Schadenfreude seines - wie er immer meinte - besten Freundes und trollte sich in die Küche unter den Tisch. Dort weinte er erst ein Tränchen und schlief darüber ein.
Er träumte schlecht. Er träumte vom Zahnarzt und dass der ihm alle seine Zähnchen heraus gezogen hat. Nie wieder würde er lachen können wie andere Dackel. Nachbars Pudel Tina hatte auch schon spitze Bemerkungen abgeschossen. Winni von der anderen Seite hatte gar zahnloser Dackel-Opa
zu ihm gebellt. Er fand das ja soo gemein, soo gemein. He Heidjer, Du alte Schlafmütze
stupste ihn Filou munter, Du verpennst noch den ganzen Nachmittag und in der Nacht kannst Du nicht schlafen!
.
Heidjer rieb sich die Augen, die noch ganz feucht von seinem traurigen Traum waren. Was flennst Du denn
, fragte Filou und setzte sich neben ihn, nur weil ich vorhin wegen der Fliege so gelacht habe?
Ooch nö
, nuschelte Heidjer mit dem zahnlosen Gaumen, isch bin schoo traurig, dass isch koine Zähnsche mehr hob
. Na mir könnte das ja Recht sein
, kicherte Filou, wo Du mir immer an den Ohren herum gekaut hast, als wäre ich ein Stück Leberkäs
. Dann besann er sich aber, legte seine Pfote auf die Pfote von Heidjer und sah ihm tief in die Augen. Du tust mir wirklich leid Heidjer
, das mit den Zähnen können wir ja nicht ändern, oder willst Du tatsächlich ein Gebiss tragen? Tu's nicht, bell ich Dir. Ich kenne das von Lehmanns Timmi; der hat das Gebiss dauernd verloren und in seiner Zerstreutheit dann sogar vergraben und nicht wiedergefunden. Noch einmal seufzte Heidjer auf:
Oober esch isch schoo langweilig ohne Schzähne, isch konn Dir gor nischt mehr an die Ohrsche kaue! Filou schluckte laut hörbar, kratze sich noch mal schnell am Ohr und hielt es Heidjer hin.
Also gut, wenn es Dir so viel bedeutet, dann darfst Du ab heute daran lutschen!"
Heidjer - vorrübergehend verschollen
Es war ein kühler Julinachmittag. Regenschwere Wolken verdunkelten die Sonne und wilde Böen rüttelten an den Daturas, dass die aufblühenden Trompetenblüten wie Glocken hin und her geschüttelt wurden. Interessiert drückte Heidjer sein Näschen an die Scheibe und wartete darauf, dass diese Glocken läuten würden. Hin und her schwenkte er seinen Kopf und warf die Ohren nach oben. Aber alles, was er zu hören bekam, war das Kichern von Filou: Du bist doch wirklich ein kleiner Dummi
, pöbelte dieser, zuckte resigniert mit dem Schwanz, pupste zwei Mal langgezogen in Heidjers Richtung und rückte sich sein