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Von Vampiren, Kriegern und Dieben: Teil 1
Von Vampiren, Kriegern und Dieben: Teil 1
Von Vampiren, Kriegern und Dieben: Teil 1
eBook374 Seiten5 Stunden

Von Vampiren, Kriegern und Dieben: Teil 1

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Über dieses E-Book

Was passiert, wenn ein Vampir von seiner Vergangenheit eingeholt wird und gleichzeitig einer unbekannten Zukunft gegenübersteht? Tristan Kadian ist in der weltweit verstreuten Gemeinschaft der Vampire ein wichtiges Mitglied. Dann überrascht er eines Nachts eine Diebin in seinem Haus. Da Leilani Jungfrau ist und Tristan beinahe von Blutgier übermannt wird, ist ihm schnell klar, dass mehr hinter dem missglückten Einbruch stecken muss. Entgegen jeder Vernunft nimmt er Kontakt zu der jungen Frau auf und überzeugt sie, dass sie nur gemeinsam das Rätsel lösen können. Tristan ist es gewohnt, selbst die Initiative zu ergreifen und sich dabei selten Hilfe zu holen. Doch Leilani lässt sich von dem Krieger nicht einschüchtern. Was werden die beiden auf dem gemeinsamen Abenteuer herausfinden?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Nov. 2016
ISBN9783738093995
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    Buchvorschau

    Von Vampiren, Kriegern und Dieben - Heike Möller

    PROLOG

    Von Vampiren, Kriegern und Dieben

    (Teil 1)

    von Heike Möller

    Der Dieb sah sich unauffällig um.

    Am Wasser standen einige Familien und einzelne ältere Menschen, die die Enten, Schwäne und Fische fütterten.

    Auf dem kleinen Wiesenstück spielte ein Vater mit seinem etwa zehnjährigen Sohn Frisbee. Der Junge war athletisch, bekam beinahe jeden Wurf seines Vaters und warf die Scheibe kräftig und gezielt zurück.

    Eine Frau saß auf einer Bank und war in einem Buch vertieft. Zwischendurch nippte sie an einem Kaffeegetränk aus einem Coffeeshop.

    Zwei Männer joggten an dem Dieb vorbei, ignorierten ihn aber völlig.

    Der Dieb machte seine Dehnübungen am Baumstamm der alten Eiche und lächelte in sich hinein.

    >Anonymität. Das liebe ich an der Großstadt. Niemand kümmert sich. Keiner ist interessiert. <

    Der Dieb bückte sich, als ob er seinen Schuh zubinden wollte. Dabei schob er den kopfgroßen Stein, der neben den Wurzeln der Eiche lag, schnell beiseite und nahm den in Folie gewickelten Umschlag aus dem Loch. Schnell legte der Dieb den Stein wieder auf das Loch und steckte sich den DIN A5-großen Umschlag in seine Joggingjacke. Der Dieb stand auf, machte noch ein paar Dehnübungen und joggte dann weiter.

    Der Dieb machte einen Umweg, um nach Hause zu laufen. Dabei hielt er an einem Kiosk, kaufte sich eine Flasche Wasser. Vor dem Laden trank er mehrere kleine Schlucke, sah sich dabei wieder um.

    Niemand war ihm gefolgt.

    Zufrieden mit sich und der Welt lief der Dieb in leichtem Lauf nach Hause. Sorgfältig verschloss er die Tür hinter sich, zog den Umschlag aus der Jacke und warf ihn auf das Sofa.

    >Erst einmal duschen. <

    Der Dieb streifte sich seine Schuhe von den Füßen und war schnell ausgezogen. Ordentlich hängte er die Sachen auf einem Bügel und über den Wäscheständer zum lüften. Dann ging er unter die Dusche.

    Das Wasser prasselte eiskalt auf seiner Haut, aber das mochte der Dieb. Es erfrischte ihn, verhalf ihm zu klaren Gedanken. Nach wenigen Minuten drehte er das Wasser aber warm und seifte sich gründlich ein. Die kurzen, dunkelbraunen Haare waren schnell gewaschen und er spülte das Shampoo von seinem Kopf und den Schaum von seinem Körper.

    Mit einem befriedigenden Gefühl von Sauberkeit und Frische stieg der Dieb aus der Dusche und trocknete sich sorgfältig ab, schlüpfte in den weißen, weichen Bademan­tel. Aus dem Kühlschrank holte er sich den Tee, den er gestern Abend aufgebrüht und abgekühlt hineingestellt hatte. Als er sich den Tee in ein Glas goss, fielen auch zwei Minzblätter in das Glas, mit denen der Dieb seinen Eistee immer etwas würzte.

    Eine zufriedenen Laut von sich gebend setzte der Dieb sich auf sein Sofa und trank einen Schluck von dem Tee. Ein Blatt rutschte in seinen Mund und er kaute langsam darauf herum, während er den Umschlag in die Hand nahm und ihn öffnete.

    Der Auftrag.

    Eine Adresse.

    Eine Skizze der Örtlichkeiten, wo was zu finden war.

    Die bestmögliche Zeit.

    Eine Kontakthandynummer.

    Der Dieb nahm eines seiner Wegwerfhandy, das er nur für diesen Zweck gekauft hatte. Er wusste nicht, wer seine Auftraggeber waren und so sollte es bleiben. Und seine Auftraggeber kannten ihn nicht.

    Das Freizeichen ertönte.

    „Ja?" Die Stimme am anderen Ende war kalt, distanziert.

    Der Dieb hatte diese Stimme schon öfter gehört. Bisher sechsmal hatte er für den Kunden Aufträge erledigt. Und immer waren die Informationen über das Was, Wo und Wann korrekt gewesen.

    „Ich nehme den Auftrag an, sagte der Dieb. „Das Zeitfenster ist zwar eng, aber machbar.

    „Gut. Ich überweise Ihnen die übliche Summe vorab. Wenn Sie Ihren Auftrag erledigt haben, kontaktieren Sie mich erneut."

    „Natürlich."

    Der Dieb legte auf. Alles Wichtige war gesagt.

    >Morgen Abend. Wie gut, das mein Kunde so zuverlässig ist. Ich vertraue ihm, brauche also nicht das Objekt vorher zu observieren. Schnelle Sache. <

    Der Dieb lehnte sich auf seinem Sofa zurück und schaltete den Fernseher ein.

    Kapitel 1: Sündenfall

    Es war eine klare Winternacht.

    Die Sterne und auch weit entfernte Galaxien waren deutlich am Nachthimmel erkennbar, ebenso das Band der Milchstraße. Obwohl weit und breit kein künstliches Licht war, war es durch die dicke und weiße Schneedecke nicht wirklich dunkel.

    Nicht für Vampiraugen.

    Er sah, wie sich die Frau im Schnee liegend räkelte.

    Nackt.

    Die kalte Luft um ihren erhitzten Körper waberte regelrecht, bildete merkwürdige Wirbel und Muster. Das Licht der Sterne tauchte den Körper der Frau zusätzlich in ein unwirkliches Licht.

    „Du bist wunderschön", flüsterte er ergriffen und sank zwischen ihre Beine auf seine Knie. Er versuchte das Gesicht der Frau zu erkennen, aber da war nichts. Nur eine milchig-weiße Fläche. Keine Konturen, keine Augen, kein Mund.

    Und doch küsste er die Stelle, wo ein Mund sein sollte und er spürte Lippen, die sich sehnsuchtsvoll mit seinen verbanden. Sein starker, warmer Körper legte sich auf die Frau, verband sich mit ihm, schmolz mit ihm zusammen.

    Zähne, so lang und scharf wie seine eigenen, bohrten sich lustvoll in seinen Hals.

    Tristan Kadian schrie auf, riss die Augen auf.

    „Mon Dieu!", flüsterte er und sank in das Kissen zurück. Mit zitternder Hand wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Aus einem völlig irrationalem Grund tastete er an seinem Hals entlang, aber da war alles in Ordnung. Keine Bisswunde, kein Blut.

    „Ich habe es offensichtlich wirklich nötig", stöhnte er leise und schlug die Bettdecke zurück. Sein Penis begrüßte ihn mit einem freundlichen `Hallo!´, so steif war er.

    „Wie ich sehe, bist du schon wieder einsatzbereit."

    Tristan sah die Frau neben sich irritiert an, dann lächelte er. „Mein Schwanz ist es, ich leider nicht, Ariane."

    Die Frau gab einen kleinen Seufzer von sich. „Schade. Du bist ein wirklich fan­tastischer Liebhaber und ich kann nicht genug von dir bekommen. Sie strich ihm aufreizend über die Muskeln an seiner Leiste. Tristan grinste jetzt breit. „Plusieurs remercie, mon ange! (Vielen Dank, mein Engel)

    Er stand auf und gab der Frau einen kleinen Klaps auf den nackten Hintern. „Tut mir leid, dass ich danach eingeschlafen bin. Die letzten Wochen waren ein wenig an­strengend."

    Ariane schüttelte ihre platinblonde Mähne. „Ich bin dir nicht böse, Christian."

    Tristan lächelte in sich hinein. Er hatte sich der Prostituierten als Christian vorgestellt und sie sich ihm als Ariane. Beide wussten, dass die Namen falsch waren, aber das war egal. Für Ariane war Christian ein sehr gut zahlender Kunde, der sie außerdem immer höflich und mit Respekt behandelte. Bei ihm hatte sie nie das Gefühl, eine schlechte Frau zu sein.

    „Du bist seit langem der erste Mann, der mich nicht wie ein Hure behandelt, auch wenn ich eine bin. Da kannst du bei mir einschlafen, so oft und lange, wie du willst."

    Tristan sah Ariane nachdenklich an. „Warum tust das überhaupt?, fragte er leise. „Du bist eine herzensgute Frau, hübsch und intelligent. Du hast ein besseres Leben verdient.

    Ariane sah ihn merkwürdig an. „Das Leben ist leider nicht immer nur Schwarz und Weiß, Christian. Ich habe Jura studiert, war kurz vor meinem Examen. Doch dann geriet ich in eine Schuldenfalle. Eigene Schuld, übrigens. Ich kann niemanden außer mir selbst einen Vorwurf machen. Also musste ich zusehen, wie ich die Schulden loswerden würde. Prostitution ist ein einträgliches Geschäft, wenn man es … sagen wir, wenn man es schlau anstellt."

    Tristan lächelte. „Du hast einen guten Kundenstamm, hoffe ich?"

    Sie zuckte die Schultern. „Es reicht zum Leben. Meine Schulden bin ich seit einem Jahr los."

    Tristan zog sich an, grübelte ein wenig dabei. Dann setzte er sich auf das Bett, nahm Arianes Kinn in seine Hand. Forschend sah er in die graugrünen Augen der Frau. „Noch kannst du aufhören und von vorn anfangen. Zieh´ in eine andere Stadt, benutze deinen richtigen Namen und arbeite als Anwältin. Ich habe Kontakte, könnte dir für die Jahre eine glaubwürdige Geschichte geben. Du musst nur etwas sagen."

    Ariane sah Tristan mit großen Augen an. „Warum willst du das tun?"

    Tristan zuckte mit den Schultern. „Versteh´ mich nicht falsch. Ich bin nicht in dich verliebt. Aber ich mag dich. Und ich schätze den Beruf einer Prostituierten. Huren und auch Lustknaben haben im Laufe der Geschichte viel Unrecht erfahren. Dabei war dieser Berufszweig bei manchen antiken Völkern etwas hoch Angesehenes. Ich verurteile niemanden, der diesen Weg einschlägt. Im Gegenteil, ich habe Hoch­achtung vor Frauen wie dich."

    Ariane schluckte. Tränen wollten sich ihren Weg bahnen, aber sie würgte sie runter. Schon lange weinte sie nicht mehr. „Wieso?"

    „Weil ich mir vorstellen kann, dass es manchmal extrem demütigend sein muss, sich hinzugeben, wenn man den Sexualpartner zutiefst verabscheut."

    Ariane vergaß zu atmen. Rasch wendete sie sich von Tristan ab, verbarg ihre Tränen. Sie hörte, wie er aus seiner Geldbörse ein paar Scheine zog und sie auf den Nacht­tisch legte. „Überlege es dir, Ariane. Das Angebot steht und bleibt bestehen. Ich würde es zwar aus egoistischen Motiven bedauern, aber ich würde mich auch für dich freuen, wenn du die Chance ergreifen würdest."

    Sie hörte, wie er zu der Tür ging, sie öffnete und hinausging. Leise zog er die Tür hinter sich zu.

    Ariane schluchzte, zwang sich zur inneren Ruhe. Dann drehte sie sich um und sah auf den Nachttisch. Christian war immer ein großzügiger Kunde, der mehr als den übli­chen Preis zahlte. Und er befriedigte sich nicht nur selbst an ihr, sondern auch sie, was kaum ein anderer Kunde tat.

    Sie starrte ungläubig auf das Geldbündel. „Meine Güte. Hat er im Lotto gewonnen?"

    Auf dem Nachttisch lagen vier 500 Euro-Scheine. Auf dem obersten Schein war in einer wunderschönen, klaren Handschrift eine Handynummer notiert. Und der Zusatz: `Ruf´ an, wenn du meine Hilfe willst! ´.

    Ariane zitterte, als sie die Geldscheine an ihre Brust drückte.

    Tristan verließ das Stundenhotel und schlug den Weg zu dem Parkplatz ein paar Straßen weiter ein, wo sein Jaguar stand. Nachdenklich drehte er sich eine Zigarette, zündete sie an.

    „Hey, schöner Mann!" Die Prostituierte, die sich ihm in den Weg stellte, hatte ein extrem tief geschnittenes Dekolleté und sehr hohe Pumps. Die Haare wirkten ungepflegt. Tristan erkannte sofort am Geruch der Frau, dass sie ernsthaft krank war, aber es auch mit der Hygiene nicht besonders hielt.

    >Diese Art von Prostituierten mag ich nicht besonders. Trotzdem, bleib´ höflich! <

    „Danke, Teuerste. Aber ich hatte gerade mein Vergnügen und bin voll auf meine Kosten gekommen", sagte er lächelnd und ging weiter.

    Und das stimmte.

    Ein paar Wochen nach Rowenas Verschwinden mit Erik hatte Tristan genug vom Trübsal blasen und ging öfter aus. Am Anfang suchte er sich seine amourösen Abenteuer in Clubs und Diskotheken, nährte sich dabei auch gelegentlich. Aber die meisten Frauen waren einfallslos oder himmelten ihn gleich verliebt an. Und das wollte er nicht.

    Eines Abends schlenderte er durch eine Seitenstraße am Ku´Damm und entdeckte Ariane. Sie fiel ihm sofort auf, weil sie im Gegensatz zu den anderen Nutten Stil hatte. Ihre Kleidung war nicht billig, weder im Aussehen noch von der Preisklasse her. Ihre Haltung drückte Stolz und Selbstbewusstsein aus. Und sie warf sich nicht mit den üblichen Sprüchen an den Mann, wortwörtlich.

    Tristan hatte sie gefragt, ob sie sich auf ein Schäferstündchen mit ihm einlassen wolle. Ariane fand es bezaubernd, dass seine erste Frage nicht gleich der Preis war, sondern dass er es ihr überlassen wollte, zu wählen. Er las die Frau, während sie ihn kurz von oben bis unten musterte. Aber es war schwierig, sie hatte natürliche Barrieren und so konnte er nur an der Oberfläche ihrer Gedanken kratzen.

    „Keine sadistischen Spiele", sagte sie und sah ihm in die Augen.

    „Abgemacht. Nur klassischer, altmodischer Sex", hatte er gesagt.

    Sie hatte ihn auf ihr Zimmer in dem Stundenhotel mitgenommen. Sie hatte das Zimmer fest gemietet und sorgte dafür, dass es immer sauber und ordentlich war. Noch etwas, was für diese Frau sprach. Beim ersten Mal spürte er ihre Nervosität, aber durch seine zärtliche und zuvorkommende Art mit ihr umzugehen, lockerte er sie schnell und sie genossen beide die Stunde. Nicht nur er war befriedigt, ihre Schreie bewiesen ihm, dass auch sie befriedigt worden war.

    Lächelnd zog Tristan ein letztes Mal an seiner Zigarette und warf den Rest weg. Er wollte gerade seinen Schlüssel in das Schloss seines Jaguars stecken als er merkte, dass er nicht allein war. Gewarnt schnupperte er in der Luft, ließ seine Sinne gleiten. Dann drehte er sich um.

    Vor ihm standen drei Männer. In der Mitte ein untersetzter schmieriger Kerl mit einer dicken Schicht Pomade im Haar. Das Hemd stand weit offen und ließ den Brustteppich und die Vielzahl an Goldketten blitzen. Neben ihm standen zwei Body­guards, so breit wie hoch.

    >Dumm und Dümmer mit ihrem Luden. Super. Vielleicht sollte ich dem Kerl sagen, dass die gegelte Mode nicht mehr In ist. <

    „Kann ich was für die Herren tun?", fragte er stattdessen freundlich.

    „Dein Auto gefällt mir", sagte der Untersetzte.

    „Wirklich? So ein Zufall. Mir auch." Tristan war nicht so dumm, die Situation falsch einzuschätzen. Diese Männer waren es gewohnt, sich zu nehmen, was ihnen gefiel.

    „Gib´ es mir." Der Untersetzte bleckte ein wenig die gelben Zähne.

    Tristan glotzte ihn an, verkniff sich gerade so ein Lächeln. „Wie meinen?"

    „Ich will dein Auto. Hast du das nicht verstanden?" Der Untersetzte ging einen kleinen Schritt zurück und die beiden Leibwächter traten einen halben Schritt nach vorn.

    >Na großartig. Eine kleine Sparringrunde. Genau das, was ich jetzt brauche! <, dachte Tristan ironisch. Er hatte eigentlich keine Lust, sich zu prügeln. Aber wenn es nicht anders ging, würde es eben so sein.

    „Tja. Mach´ mir ein vernünftiges Angebot."

    Der Untersetzte sah Tristan mit einem verblödeten Ausdruck an. „Angebot? Okay. Hier ist mein Angebot. Meine Jungs werden dir kein Haar krümmen und ich gebe dir sogar Geld für ein Taxi. Was sagst du?"

    Tristan schnalzte mit der Zunge. „Ach, ich weiß nicht, mon ami. Ist mir irgendwie zu dürftig."

    Der Untersetzte glotzte Tristan an, als ob dieser chinesisch sprach. „Du hast mich offensichtlich nicht richtig verstanden. Meine Jungs werden dir deine hübsche Fresse polieren. Danach wird dich nie wieder eine Frau auch nur ansehen wollen."

    Tristan ließ den Autoschlüssel in seine Hosentasche gleiten, kreuzte seine Arme und lehnte sich gegen sein Auto. „Zu deiner Information, mon ami. Ich habe eine sehr gute Heilhaut. Es werden keine Narben zurückbleiben. Und außerdem glaube ich nicht, dass deine Männer es schaffen, mich zu überwältigen. Ich mache dir jetzt ein Angebot, in Ordnung?"

    Der Untersetzte blinzelte irritiert. Dem großen Blonden schien der Ernst der Situation nicht bewusst zu sein. „Lass hören."

    „Du und deine Männer gehen einfach und tut, was ihr eben so tut. Es interessiert mich nicht. Ansonsten werde ich dem einen eine Kniescheibe zertrümmern, dem anderen einen Milzriss bescheren und dir deine Nase brechen. Was hältst du von meinem Angebot?"

    Der Untersetzte starrte Tristan mit offenen Mund an. Dieser große, schlanke Mann mit den kurzen, modisch geschnittenen blonden Haaren hätte ein Model aus irgend­einer Zeitschrift sein können. Perfekte Körperhaltung, guter Körperbau und ein aus­nehmend hübsches, ja asketisch schönes Gesicht. Ebenmäßige Gesichtszüge, eine schmale Nase und leicht schräg stehende, grünbraune Augen, die jetzt dunkelgrün leuchteten. Die Unterlippe war stärker ausgeprägt als die Oberlippe, hatte einen sinnlichen Schwung.

    Und um die Mundwinkel hatte sich entschlossener, grausamer Zug gelegt.

    „Schnappt ihn euch, Männer", sagte der Untersetzte.

    Tristan seufzte. Der erste Leibwächter holte aus und hieb seine riesige Faust in Richtung Tristans Gesicht. Der wich mit einer Behändigkeit und Schnelligkeit aus, sodass der Angreifer gegen den Jaguar prallte. Tristan trat gezielt auf die Kniescheibe des Mannes, setzte alle Kraft in diesen Tritt. Es krachte fürchterlich, als die Knochen brachen und das Knie in einem unnatürlichen Winkel weg knickte. Aufheulend brach der Mann zusammen, blieb jammernd auf der Straße liegen.

    Der zweite Leibwächter stapfte auf Tristan zu und teilte Boxhiebe aus. Tristan wehrte sie geschickt ab, steckte aber einen Hieb in der Niere ein. Er hatte genug und rammte seine Faust in den Bauch des Mannes, genau da, wo sich die Milz befand.

    Der Mann japste nach Luft, wurde grün im Gesicht und brach ebenfalls zusammen.

    Ruhig ging Tristan nun auf den untersetzten Mann zu. Der sah sich hektisch um. Einige Prostituierte hatten den kleinen Kampf mitbekommen, ebenso deren Freier. Sie bildeten in gebührenden Abstand einen kleinen Kreis um Tristan und seine Angreifer.

    „So, mein Freund. Und jetzt bekommst du noch eine blutige Nase. Wie versprochen." Tristan setzte einen kurzen, nicht allzu heftigen Hieb an und brach dem Mann die Nase. Sofort sprudelte Blut aus dem malträtierten Gesichtsteil hervor und der Mann schrie, als wäre er abgestochen worden.

    „Ach komm schon! So schlimm ist das auch nicht. Daran stirbst du schon nicht. Allerdings, … Tristan legte in einer falsch-freundlichen Geste den Arm um die Schulter des Mannes. „... wenn ich hören sollte, dass du aus lauter Frust über unseren kleinen Disput eines oder mehrere deiner Pferdchen schlecht behandelst – und glaube mir, ich bekomme so etwas heraus -, dann komme ich wieder. Und dann ist es nicht die Nase, die ich dir brechen werde. Hast du mich verstanden?

    Der Mann wimmerte, antwortete aber nicht.

    Tristan seufzte und erhöhte den Druck seiner Umarmung. Die Schulter des Mannes wurde gequetscht, und das tat scheußlich weh.

    „Ich fragte, ob du mich verstanden hast?", wiederholte Tristan leise.

    „Ja! Ich habe dich verstanden!", jaulte der Mann.

    „Guter Mann. Und ich rate dir, mich ernst zu nehmen. Ich habe vor langer, sehr langer Zeit aufgehört, Witze zu machen."

    Tristan sah den Mann direkt ins Gesicht und ließ seine Augen schwarz werden. Selbst das Weiß seiner Augen verschwand. Dann hob er seine Oberlippe ein klein wenig an. Nur ein bisschen.

    Spitze Eckzähne blitzten hervor.

    Der untersetzte Mann starrte in das Gesicht des Fremden, dann wurde er kalkweiß, Panik machte sich breit. Mit einem entsetzten Aufschrei sprang er zurück, vergaß seine schmerzende Nase. Immer noch schreiend drehte der Mann sich um und rannte los.

    „Immer das Selbe", seufzte Tristan, holte seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche und stieg in sein Auto. Irgendjemand hatte wohl die Polizei oder einen Krankenwagen geholt, denn von Weitem hörte Tristan die Sirenen. Es war Zeit, zu verschwinden.

    >Das nächste Mal komme ich mit einem Taxi hierher <, nahm er sich vor und fuhr lächelnd los.

    Kapitel 2: „Wir machen uns Sorgen!"

    „Seit vier Monaten ist absolut Ruhe im Karton, Tristan."

    Tristan Kadian saß in seiner Prunkvilla in seinem Arbeitszimmer und hatte eine Videoschaltung mit Benjamin van Güldensteen zu laufen. Der Flame, der zurzeit im Ruhrgebiet lebte und dort als Polizist arbeitete, hatte im Herbst letzten Jahres vom Konzil den Auftrag bekommen, seine Kontakte spielen zu lassen und Erkundigungen über die `Krieger des reinen Glaubens´ einzuholen. Diese religiösen Fanatiker hatten sogenannte Legionäre verpflichtet, die Jagd auf Vampire und deren Helfer machten. Ein ausgebildeter Legionär hatte auf dem linken Unterarm auf der Innenseite ein koptisches Kreuz tätowiert.

    Tristan selbst hatte nach jahrhundertelanger Feindseligkeiten mit van Güldensteen Frieden mit dem Flamen geschlossen. Es war ihm bewusstgeworden, wie hohl und sinnlos eine Fehde war, deren Anfänge Ewigkeiten zurücklag und deren Beteiligte und Gründe längst zu Staub und Asche zerfallen waren.

    Außerdem war van Güldensteen nützlich für das Konzil. Seit über 200 Jahren arbeitete er nun in den verschiedensten Organisationen und Ländern als Polizist, hatte sowohl die klassischen als auch die modernsten Vorgehensweisen diverser Polizei­ermittlungen für sich nutzen können. Und darüber hinaus hatte der Flame Kontakte. Wichtige und extrem nützliche Kontakte, überall in der Welt.

    Zwar ärgerte Tristan die manchmal eher flapsige Art des Mannes, aber er musste sich auch eingestehen, dass Benjamin effektiv und erfolgreich war.

    „Seit vier Monaten haben die keinen mehr von uns erwischt? Das ist ungewöhnlich." Tristan hatte sich in seinem Ledersessel zurückgelehnt, ein Bein über das andere geschlagen und den Kopf in seiner rechten Hand am Kinn gestützt. Grübelnd sah er auf den Monitor, wo er mit Benjamin von Angesicht zu Angesicht konferierte.

    „Ja. Aber bitte keine Entwarnung. Ich bin sicher, dass ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Da braut sich was zusammen." Die eisblauen Augen des flämischen Riesen mit dem geflochtenen Kinnbärtchen blitzten unheilvoll.

    „Ich hasse es, das zu sagen, aber ich gebe dir Recht, Ben."

    Vor einem Jahr hätte Tristan sich eher die Zunge abgeschnitten, als dem Mann Recht zu geben, auch wenn er Recht hatte.

    „Meine Kontakte und ich halten Augen und Ohren offen. Vielleicht solltest du im Konzil anregen, dass man weltweit unsere Leute in eine Art Alarmbereitschaft versetzen sollte. Nur so ‘n Gedanke."

    Tristan nickte. „Es liegen schon Pläne vor. Ich werde es nachher zur Sprache bringen, wenn ich mit dem Triumvirat Kontakt aufnehme."

    „Gut." Benjamin nickte, schien aber noch etwas sagen zu wollen.

    „Was ist los, Ben? Hast du noch irgendwas?"

    „Na ja. Ist ´ne persönliche Frage. Und ich weiß nicht, ob wir schon so weit mit unserer Kommunikation sind, dass ich sie dir stellen kann."

    Überrascht sah Tristan den Flamen an. „Ähm …, na ja, versuch´s. Ich kann ja immer noch sagen, dass es dich nichts angeht."

    „Abgemacht. Hat deine Frisur etwas mit Rowenas Verschwinden zu tun?"

    Tristan klappte der Unterkiefer runter. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Sein Herz setzte für drei oder vier Sekunden aus und er hielt die Luft an. Dann ließ er geräuschvoll die Luft hinaus.

    Natürlich war es Benjamin van Güldensteen aufgefallen, dass Kadian, der seit Jahr­hunderten schulter- oder rückenlanges Haar trug, plötzlich eine dem 21. Jahrhundert modisch angepasste Kurzhaarfrisur trug. Tristan pustete etwas.

    „Ja. Ich denke, dass es das hat. Nicht bewusst." Er hätte es verleugnen können, aber sein Gesprächspartner war ja nicht blöd.

    Benjamin nickte. „Du machst dir Sorgen um sie, nicht wahr?" Das vernarbte Gesicht des Mannes drückte ein leichtes Mitgefühl aus.

    „Irgendwie schon. Aber Erik ist bei ihr. Und so ungern ich es zugebe, der Typ achtet mit seinem Leben auf sie und tut ihr gut. Trotzdem …"

    „Ja. Ich kann nachempfinden, was du fühlst, was du durchmachst."

    Tristan legte den Kopf schief. „Hätte ich gewusst, dass du der Mann von Rowenas Ziehtochter warst, hätten wir unseren Streit schon vor Jahrhunderten beilegen können."

    Ben zog seine Schultern hoch. „Hätte. Wenn. Wäre. War aber nicht. Aber wir haben jetzt ein Ist. Und ich finde es ganz okay."

    Tristan lächelte etwas. „Qui. Es ist nie zu spät für Frieden."

    Benjamin seufzte etwas. „Ich denke, wir machen für heute Schluss, bevor wir hier noch völlig ins Rührselige abdriften, Kadian."

    Tristan lachte leise. Er stellte sich den 2,05 Meter großen und massigen Riesen vor, wie er mit einem zarten, weißen Spitzentaschentuch seine Tränen trocknete. Die Vorstellung nahm irgendwie Gestalt an und Tristan musste sich sehr beherrschen, nicht laut loszulachen.

    „Ach, Tristan, noch was."

    „Ja, Ben?"

    „Falls du mal Hilfe brauchst, egal, um was es geht, ruf mich. Ich meine es ernst."

    Tristan legte zwei Finger an seine Schläfe und schickte seinem früheren Kontra­henten einen halb militärischen Gruß. „Wird gemacht, Goldie."

    Benjamin zog indigniert eine Braue hoch, wollte etwas sagen, aber da Tristan die Verbindung unterbrach würde er nie erfahren, was Benjamins Antwort gewesen war.

    >Ich brauche einen Kaffee! <

    Tristan stand auf, schnappte sich seine leere Kaffeetasse und ging in die große, modern eingerichtete Küche. Luisa, seine Haushälterin, machte gerade ein gemüse­reiches Mittagessen und würzte es ordentlich. Tristan mochte es ein wenig schärfer, vor allem die orientalischen Gewürze und Gewürzmischungen hatten es ihm angetan.

    „Noch eine halbe Stunde, Herr Kadian", flötete die ältere Dame und lächelte ihn an.

    Tristan grinste. „Was würde ich nur ohne Sie tun, ma perle (meine Perle). Sie verwöhnen mich." Er stellte die Tasse unter den Kaffeeautomaten und drückte die Taste für einen Cafe au Lait.

    Es klingelte an der Haustür und Luisa eilte hinaus um nachzusehen, wer an der Tür war. Bevor sie die Haustür öffnete wusste Tristan bereits, wer der unverhoffte Be­sucher war und lächelte etwas.

    >Ist das wieder ein Kontrollbesuch, ob alles mit mir in Ordnung ist, Tobi? <

    >Arschloch! <, bekam er als Antwort.

    Tristan lachte leise, nahm eine saubere Tasse aus dem Küchenschrank und machte für Tobias Kerner einen Cappuccino.

    „Herr Kerner ist hier", sagte Luisa, als sie wieder die Küche betrat.

    „Dachte ich mir schon. Merci, Luisa. Er sah Tobias schmunzelnd an, der mit nach­denklicher Miene die Küche betrat. „Was hast du auf dem Herzen, mon ami?

    >Das besprechen wir lieber ohne sterblichen Zeugen. <

    „Ich dachte, ich sehe mal nach meinen alten Freund, der sich in letzter Zeit etwas rar gemacht hat", knurrte Tobias.

    Tristan drückte ihm die Tasse mit dem Cappuccino in die Hand, nahm seinen Cafe au Lait und ging seinem Gast voraus in Richtung Arbeitszimmer.

    „Bleiben Sie zum Mittagessen, Herr Kerner?", fragte Luisa und sah dem jungen Mann, der der Bruder ihres Arbeitgeber hätte sein können, lächelnd in die Augen.

    „Nein. Danke, Luisa, ich bin mit meiner Frau zum Mittagessen verabredet. Aber es duftet verlockend. Wie immer." Er schenkte der Haushälterin eines seiner unwider­stehlichen Lächeln und zwinkerte ihr auch noch zu. Luisa lief, obwohl sie eine Frau über 50 und verheiratet war, puterrot an.

    >Musst du immer mit ihr flirten? <, fragte Tristan verärgert.

    >Warum nicht? Es tut ihr gut. Eine Frau, egal welchen Alters und ob verheiratet oder nicht, braucht gelegentlich etwas Aufmerksamkeit. <

    Verblüfft sah Tristan zu Tobias auf, als er sich hinsetzte und seinem Gast den bequemen Stuhl neben seinem Schreibtisch anbot. „Seit wann bist du ein Experte für Frauen?"

    Tobias kräuselte die Lippen. „Zum einen war ich in den letzten Jahrhunderten kein Asket wie du und zum anderen habe ich täglich Kontakt mit Sterblichen. Die meisten davon sind Frauen. Was glaubst ist der Grund, warum viele Frauen tanzen lernen wollen? Aufmerksamkeit, mein Freund. Einmal das Gefühl haben, etwas Besonderes zu sein."

    Tristan sah Tobias nachdenklich an. „Du schaffst es tatsächlich, mich noch zu überraschen, Tobi."

    Der Berliner grinste breit und ein Grübchen bildete sich auf seiner linken Wange. „Gut. Apropos Überraschung,

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