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Am Ende bleibt ein Zauber
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eBook166 Seiten2 Stunden

Am Ende bleibt ein Zauber

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Über dieses E-Book

Weil die Frauen im Dorf etwas über die betagte Elli Wahlstedt und deren Nachbarssohn Pepe erfahren haben, beschließt man, etwas zu unternehmen.

Zu spät. Elli hat Pepe längst gebeten, sie zu einem nicht benannten Ziel zu fahren. Bald vermutet der junge Mann, sie hat gar kein Ziel, es treibt sie nur aus der Schusslinie des Dorfklatsches. Lange Zeit sieht es auch ganz danach aus. In der nahen Stadt strebt Elli beinahe kopflos von einem Ort zum anderen und erzählt Geschichten aus ihrem Leben, bis sie sich zu einer Fabrikhalle fahren lässt. Dort geschah vor fünfundzwanzig Jahren ein Unglück, das mit Pepes Leben eng verknüpft ist, aber totgeschwiegen wurde. Hatte Elli diesen Tag nur für Pepe geplant?
Nicht nur Ellis lange gehütetes Geheimnis wirft Pepe total aus der Bahn…
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum9. Juli 2018
ISBN9783742733740
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    Buchvorschau

    Am Ende bleibt ein Zauber - Maxi Hill

    Es geschah vor 25 Jahren

    An diesem eiskalten Morgen erschrak Elvira bei Brigadier Webers Worten: »Zuerst der Kesselwagen der Freunde.«

    Diese Freunde, das waren die sowjetischen Besatzer. Das Brudervolk. Der große Lehrmeister.

    Sie erinnerte sich an die Gruppe sowjetischer Soldaten, die sie am ersten Tag nach ihrer Degradierung in der Nähe des Werktores gesehen hatte, durch das sie fortan zu gehen hatte.

    »Er steht schon in der Halle«, sagte Weber mit einer Handbewegung, die zur Eile trieb. Nur Willi Waschke, der wie zumeist neben ihr stand, murmelte leise vor sich hin: »Das grenzt an Wahnsinn.«

    In der Brigade gab es außer Elvira keinen Anfänger oder Quereinsteiger. Alle kannten die Dienstvorschriften aus dem Effeff. Ob einer dasselbe ahnte, was Willi Waschke auf dem Weg zur Halle durch den Kopf ging, blieb unergründet.

    Alle gingen an ihre Plätze mit denselben gleichgültigen Gesichtern wie jeden Morgen. Elvira — seit Langem an schweigendes Dulden gewöhnt — bestieg ihren Kran, ihre Kanzel, die Geborgenheit bot und Abstand von den Unbilden der Welt. Hier oben dachte sie daran, wie sie die Jahre mit ihrem Kind gestalten würde, wenn es erst einmal so weit sein würde, dass es mitentscheiden konnte. Sie würde sich auf alle Fälle mehr Mühe geben als ihre Mutter. Und sie würde keine Sekunde länger dem untreuen Mannsbild hinterher trauern. Vorfälle, wo auch ein pflichtvergessener Vater wieder stolz auf seinen Sohn blickte, gab es genügend. In Klein-Pepes Fall war es schlicht unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich unmöglich.

    Ihre eigene Konsequenz war es, mit der sie sich aus dem Schlamassel, den Martin Breuning angerichtet hatte, befreien konnte — ohne fremde Hilfe, wenn sie Willi Waschke mal außen vor ließ.

    Hier in Webers Brigade war sie längst angekommen in relativ kurzer Zeit. Ein gutes Jahr war erst vergangen. Ein Jahr vollgestopft mit Veränderungen und Erkenntnissen. Ein Jahr, um Vertrauen füreinander zu schmieden. Hier würde ihr jetzt nichts mehr passieren — nicht in dem Sinne, wie es ihr passiert war.

    Solange sie auf ein Kommando von den Kollegen tief unter ihr wartete, erinnerte sich Elvira merkwürdigerweise an ein paar Worte von Willi Waschke. Sie hatte ihm ehrlich anvertraut, sie sei jetzt angekommen in der Brigade, in die sie strafversetzt worden war. Jetzt könne ihr nichts mehr passieren.

    »Dir kann überall etwas passieren. Bei dieser Schlamperei warte ich täglich auf ein Unglück.«

    Unter ihr begannen die Kollegen am Kesselwagen der Freunde zu hantieren. Auf der anderen Hallenseite fuhr der Kollege der Che-Guevara-Brigade den zweiten Kran und bediente den Rest der Schicht.

    Gerade dachte sie darüber nach, wie die Brigaden hier in der Produktion zu ihren Namen gekommen sein mögen, als eine furchtbare Helligkeit durch die Halle schoss und ein Druck alles erzittern ließ.

    Ihre Ohren wurden taub, ihre Augen geblendet. Stichflammen reichten beinahe bis zur Kanzel. In Sekundenschnelle quoll dicker Qualm in Nase und Rachen, nahm ihr die Sicht und die Luft zum Atmen. Sie versuchte, den Abstieg zu erreichen. Es wäre blanker Mord. Durch diese Hölle bis nach unten? Das konnte sie nicht riskieren, ihr vaterloses Baby wartete in der Betriebs-Kinderkrippe auf ihren Feierabend…

    KAPITEL I - Die Sache mit Elli Wahlstedt

    »Angesichts der Vergänglichkeit macht man keine Scherze«, sagt Erna lächelnd. Sie streicht über ihre bunte Kittelschürze, ohne die sie keiner Arbeit nachgeht. Hier auf dem Friedhof kommen die Frauen heute einer Pflicht nach, die sie dem Dorf und den Verstorbenen schuldig sind.

    »Das ist kein Scherz!«, erwidert Vera Kulka. Sie ist die jüngste der drei Frauen, die sich gar nicht so zufällig treffen, wie man meinen mag. Elfriede Strunz ist mit ihrem Mann hier, der die Hecke verschneidet. Aber Vera hatte sie zu sich gewinkt. Vera ist die einzige von den drei Frauen, die noch mit beiden Beinen im Leben steht, wie man sagt, wenn jemand einer geregelten Arbeit nachgeht.

    »Ich hab΄s von Bernd Lux.« Nicht nur in diesem Dorf kennt man den agilen Vorsitzenden der Stadtverordneten. Sein Name steht für Wahrheit und Mut.

    Bernd Lux kam vom Bündnis΄90 und hat sich in der Stadt einen Namen gemacht. Er kann klar sagen was er meint, ohne Sperenzchen. Zumeist folgen die Abgeordneten seinen Argumenten.

    Vielleicht wäre es klüger, den Mund zu halten. Das kann Vera nicht. Es gibt das etwas geradezurücken im Dorf, und das will sie hier besprechen, möglichst auch mit Kurt Strunz.

    »Bernd Lux weiß es von Elli selbst. Dann wird es wohl stimmen.«

    »Diese Elli Wahlstedt?«, entfährt es Elfriede Strunz. Im Dorf wissen die Leute vom Kriegsbeil, das Elfriede gegen Elli Wahlstedt nicht begraben kann. Und das ist ihr gutes Recht.

    Unschlüssig gehen ihre Augen zu Kurt, der seine Arbeit an der Hecke nicht unterbrechen will. Auf Kurt ist Verlass. Elfriede hatte sich am Grab ihrer Eltern zu schaffen gemacht, bis Vera kam, und mit ihr die Erna.

    Vera holt tief Luft. Mit so wenigen Worten will sie die Sache noch nicht auf sich beruhen lassen. »Man hätte bei der Elli Wahlstedt an so vieles denken müssen, aber daran? Wer hätte das gedacht.«

    Erna zwängt ihre Fäuste in die Taschen der Kittelschürze und richtet ihren Rücken gerade. »Die Elli … irgendwie hätte man es ahnen können. Die Wahlstedts sind anders gestrickt als unsereiner. Oder?« Die Frauen rücken näher zusammen. Die alte Vertrautheit macht Erna zufrieden. Sie mag es, mit den beiden zu reden. Vera und Elfriede sehen in ihr nicht die Alte, deren Kraft nachlässt und die schon abseits steht im Dorf.

    »Und…? Was ist mit dem Jungen? Weiß er es?«, lässt Elfriede Strunz nicht locker. Vera zieht den Kopf dichter zu Elfriede und flüstert beinahe, als ob es außer ihnen niemand hören darf.

    »Ich weiß es nicht. Noch nicht. Aber dein Kurt könnte doch mal… Ich meine, der ist doch mit der Elli ganz gut…« Vera streckt ihren Kopf wieder gerade. Sie legt großen Wert darauf, nicht als neugierig zu gelten.

    Zumeist, wenn Frauen etwas ausbaldowern, bleiben die Männer abseits, bis zu einem bestimmten Punkt. Elfriede ist ratlos. Ob auch Kurt wissen sollte, was sie jetzt weiß? Gerade weil Kurt so oft bei Elli aushilft, ist Elli seit Jahren der Stachel in Elfriedes Fleisch. Wenn Kurt jetzt erfährt, was es mit der Elli auf sich hat, was könnte daraus werden? Bis jetzt glaubt man im Dorf ihren Sorgen. Sie liegen an Ellis Anziehung auf Kurt. Elfriede Strunz hat den Mund nicht nur am rechten Fleck, auch der Zuspruch der Leute zu ihrem Verhalten gefällt ihr.

    Wie die drei Frauen so stehen, schwirren Schwalben aufgeregt um sie herum. Sie schimpfen und fordern ihr Recht. In der Nacht hatte es geregnet. Ausgerechnet nahe dem Eingang zum Friedhof, da, wo die Frauen jetzt plaudern, hatte der Regen den Boden aufgeweicht. Ein besonderer Boden. Das wissen alle, deren Höfe und Stallungen den glückbringenden Seglern als Gastgeber dienen. An diesem frühen Tag schimpfen die Vögel auf drei Menschen, die ihre Nöte des Nestbaues ignorieren. Wie Pfeile stürzen sie herab, füllen rasch ihre Schnäbel mit Schlamm und schießen zurück in die Höhe. Unterwegs mischen sie die schlammige Beute mit ihrem Speichel und tragen das Baumaterial zu ihren Nestern in den Nischen der Wände auf den Höfen. Auch bei Elfriede und Kurt Strunz nisten sie seit Jahren. Nicht die Rauchschwalben mit ihren majestätischen Schwänzen. Die kleinen Mehlschwalben finden unter dem Dach ihrer Scheune genügend Platz.

    Heute haben die Frauen, die Schwalben aus Prinzip verehren, kein Gespür für deren Not. Heute sind sie mit einer anderen Sache befasst, erfüllt, fast benommen. Das Neueste erfährt man immer durch Zufall. Seit Jahren ersetzt der Friedhof den einstigen KONSUM, den ihnen die Zeit genommen hatte. Früher konnten sie sich dort einander mitteilen oder auch nur zuhören. Es gab immer jemanden, der etwas zu berichten hatte. Ihren geliebten KONSUM der Helga Regel gibt es nicht mehr — schon fünfzehn Jahre. Das Grab der Helga liegt an der Hecke, da, wo der Kurt gerade noch am Werken ist. Deshalb kann Vera in Ruhe berichten. Sie ist Helga Regels Tochter und erfüllt ihre Pflicht seit acht Jahren an Mutters Grab. Es gibt kein Zuviel. Es gibt nur ein Zur-rechten-Zeit. Jeder im Dorf hat ein besonderes Gespür für die rechte Zeit vom Bepflanzen bis zum Abdecken kurz vor dem Schnee.

    Kurt Strunz schneidet die Hecke mit Akribie, und das nicht nur hier. So manch einer in der Gemeinde möchte von seinem Geschick etwas abhaben, aber der dörfliche Stolz lässt jeden selbst zur Schere greifen. Nur Elli Wahlstedt greift gerne auf Kurt zurück, seit ihr Richard vor fünf Jahren auf dem Gottesacker seine Ruhe gefunden hat. Elfriede glaubte lange nicht, dass alles harmlos ist, wenn Kurt nach getaner Arbeit noch bei Elli sitzen bleibt und sie ihn zum Dank bewirtet. Einmal hatte das etwas Gutes. Elfriede erfuhr durch Kurt von Ellis Plan: Richards Grab sollte anders werden als alle Gräber hier. Ohne polierten Stein und ohne heuchelnden Spruch.

    Über das «heuchelnd» hatte man sich die Mäuler zerrissen. Als ob die Leute im Dorf alles Heuchler oder gar Erbschleicher wären. Der Pfarrer hatte gemeint, ein Grab ohne Spruch sei christlich genug.

    Elli hatte von der Tuschelei erfahren und wollte den Platz neben der kleinen Kirche plötzlich nicht mehr. Sie hat ihren Richard in der Stadt zur Ruhe gebettet.

    Das alles ist jetzt fünf Jahre her. Was sollte man darüber noch lamentieren.

    Elfriede schert als Erste aus dem Plauderkränzchen der Frauen aus. Kurt hatte ein Zeichen gegeben. Er hält vom Dorfklatsch nicht viel.

    Das Blut rauscht in Elfriedes Ohren. Das Herz hämmert unangenehm. Wie soll sie bei Kurt nur beginnen? Er wird sie gleich fragen.

    In angemessener Distanz bleibt sie stehen, zupft am Blatt einer Petunie und wartet.

    Kurt Strunz ist ein besonderer Typ Mensch. Wenig kompliziert. Wenig dickfellig. Die Leute im Dorf haben kein Problem mit einem wie Kurt, sofern er nicht bei Elli schwadroniert.

    Die Sonne scheint Elfriede ins Gesicht. Sie schließt für einen Moment die Augen: Vielleicht wäre es besser, Kurt die Sache mit Elli ganz zu verschweigen? Mit offenen Augen weiß sie, das bringt nichts. Nicht bei Kurt. Irgendwann kommt er dahinter, schließlich kennt sie Veras Mitteilsamkeit. Die Sache mit Elli Wahlstedt wird schnell im Dorf die Runde machen, ganz sicher. Das Dorf schläft nie. Dann würde Kurt ihre Heimlichkeit übel nehmen.

    Sie kennt ihn zu gut. Seit Jahren leben sie ganz dicht beieinander, sieht man von wenigen Stunden ab, in denen Kurt einmal anderen Leuten im Dorf hilft. Elli zum Beispiel.

    Im nächsten Moment legt Kurt die Schere auf die Hecke. Hier auf geweihtem Boden benutzt er stets die große Handschere. Hier ist Stille angebracht, wenn auch nicht in Grabes-Traurigkeit.

    Gemeinsam raffen sie den Grünschnitt auf und tragen ihn zum Kompost, danach gehört der Tag allein Kurt und Elfriede.

    Nach wenigen Stunden und vielen Worten von seiner Frau Elfriede kommt Kurt Strunz ins Grübeln. Noch nie hatte er auf Elli Wahlstedt etwas kommen lassen. Nach langem Schweigen weiß er, was zu sagen ist. »Wenn das stimmt, dann müssen wir etwas tun.«

    Und Kurt Strunz tut etwas.

    Koffer packen

    »Ich packe in meinen letzten Koffer…« Elli Wahlstedts Gedanken sind in ihrer Kinderzeit. Wie hatte sie das unendlich währende Gedächtnisspiel gehasst, weil sie nicht wusste, warum einer seinen Koffer packen sollte. Damals verreiste niemand. Erst recht wusste sie nicht, warum man sich all die Dinge merken sollte.

    »Schuhe, Jacken, Röcke, Hosen, Taschen…« Ihre Finger zählen mit. Über die Lippen huscht ein winziges Lächeln.

    Seit Richards Tod vor fünf Jahren war Elli Wahlstedt für kurze Zeit wieder mit sich selbst und mit der Welt im Reinen gewesen. Jetzt ist es Zeit auszubrechen. Abzubrechen. Auszusteigen…

    Mit dem Jungen will sie fahren. Mit diesem Jungen, der nichts von alldem weiß, was sie seit über zwanzig Jahren bewegt. Schweigen ist manchmal eine große Schuld.

    »Waschtasche. Jogginganzug. Die neuen Pantoffeln. Nachthemden.«

    Ihre Hand schlägt sanft an die blasse Stirn, dann trapst sie noch einmal zum großen Wäscheschrank im Schlafzimmer und sucht nach einem ganz besonderen Stück, einem, das Richard einst in buntem

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