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Sommer auf Französisch: Nur ein Liebesroman
Sommer auf Französisch: Nur ein Liebesroman
Sommer auf Französisch: Nur ein Liebesroman
eBook345 Seiten4 Stunden

Sommer auf Französisch: Nur ein Liebesroman

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Über dieses E-Book

Ein Roman, so leicht wie der Sommer, so aufregend wie ein Kuss und so sanft wie ein Sommerregen …

Frisch, prickelnd, sinnlich… !

Als Lia an der wundervollen Côte-d'Azur eintrifft, besitzt sie nichts außer einem Ferienjob, einem Zimmer bei ihrem Arbeitgeber und dem Willen, etwas an ihrem Leben zu ändern; sich zu ändern. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Obendrein muss sie bald feststellen, dass das schillernde Leben an der berühmtesten Küste Europas auch dunkle Seiten birgt ...

Eine Geschichte über Liebe, Selbstfindung und die Verwirklichung von Träumen.

Alle Bücher der Autorin können unabhängig voneinander gelesen werden und sind in sich abgeschlossen.

Leserstimmen:

"Das Buch war sehr spannend geschrieben bis zum Schluss wusste man nicht wie es ausgeht. In jeder freien Minute habe ich es verschlungen...SEHR ZU EMPFEHLEN" Amazon-Kunde
"Die Geschichte Lia 's ist so spannend wie das Leben selbst" Dani Bücherwurm
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum19. Dez. 2019
ISBN9783750216563
Sommer auf Französisch: Nur ein Liebesroman

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    Buchvorschau

    Sommer auf Französisch - Sibylle Baillon

    Table des matières

    Sommer auf

    Französisch

    LIEBESROMAN

    Von Sibylle Baillon

    Impressum

    Texte: © Copyright by Sibylle Baillon

    Umschlag: © Copyright by James Price https://www.facebook.com/aepbookcovers

    Verlag: WILD EDITION

    5, Rue Charles Gerin

    83400 Hyères

    sibylle.baillon@icloud.com

    Alle Rechte vorbehalten! Vervielfältigung, Verbreitung, Übertragung, Übersetzung oder Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

    Auch wenn sich die Handlung an wahre Begebenheiten anlehnt, so wurden Handlung, Figuren und Namen in diesem Roman frei erfunden. Ähnlichkeiten oder Namensgleichheit mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen, oder mit Orten, sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Besitzer.

    Der Weg des Lebens ist mit verpatzten Gelegenheiten gepflastert – es obliegt uns selbst, sie zu vermeiden." Sibylle Baillon (sicher!)

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren."

    Bertolt Brecht (angeblich)

    Vorwort

    Es gibt Momente im Leben, die das Dasein eines Menschen verändern können. Momente, die – wenn man nicht aufpasst – zu schnell vergehen und einem mit dem bitteren Nachgeschmack des Bedauerns zurücklassen. Bedauern über etwas, was hätte sein können, etwas, das man sich lange erträumt, aber nie gewagt hatte, in Angriff zu nehmen. Wenn man einen solchen Augenblick verstreichen lässt, kommt er nie wieder zurück. Und manchmal liegt es nur an einer Kleinigkeit, dass man ihn verpasst ...

    Sibylle Baillon

    Prolog

    März – Hyères – Frankreich

    „Du in Gefahr", sagte sie und schaute den jungen Mann bedeutungsschwer an. Dieser runzelte nur unwillig die Stirn und entzog ihr seine Hand, die sie sich kurz zuvor geangelt hatte, ohne ihn vorher um Erlaubnis gefragt zu haben, so wie sie es immer hielt. Seine stahlblauen Augen blickten sie prüfend an. Er wusste es, schoss es ihr durch den Kopf.

    „Ja, ja, ich bin in Gefahr und morgen fällt mir der Himmel auf den Kopf, der Weltuntergang wird kommen und uns alle in ein schwarzes, tiefes Loch aufsaugen." Er wusste es, aber er verleugnete es auch ...

    Sie hob stolz das Kinn an. Ihr rechter Mundwinkel schnellte in die Höhe, und sie schaute ihn teils belustigt, teils tadelnd an, wie eine Mutter ihren Sohn, der sich über die Warnungen seiner Alten lustig machte, anstatt sie ernst zu nehmen. Hatte hergemusst sie

    „Sarkasmus nicht gut sein, sagte sie ruhig, „denn nichts ändern an Tatsachen.

    Schnaubend stemmte er die Hände in die Hüften, warf einen kurzen Blick um sich herum und schaute sie schließlich genervt an.

    „Was für Tatsachen?"

    Er schien sich zu ärgern, weil sie ihn neugierig gemacht hatte, oder weil er wusste, dass sie recht hatte. So erging es vielen, die sie in ihr Netz lockte, und sie spürte, dass sie ihn genau da hatte, wo sie ihn haben wollte. Fast ein wenig schadenfroh zupfte sie an ihrem langen Rock herum und hob die Augenbrauen in die Höhe; es ließ ihre ohnehin schon geheimnisumwitterte Erscheinung noch mysteriöser wirken, das wusste sie.

    „Ich sehe Wasser, viel Wasser ..."

    „Ja, wir leben am Meer, das ist also normal." Er verschränkte die Hände vor der Brust und schüttelte missmutig den Kopf. Ein Hauch seines teuren Aftershaves wehte zu ihr hinüber.

    „Nein, das Wasser, das ich sagen, nicht normal."

    „Sie meinen die Überschwemmungen? Seine Gesichtsfarbe änderte sich. „Wird es wieder eine geben? An seinem Hals konnte sie die Ader erkennen, die plötzlich schneller pulsierte.

    „Nein, ich meinen die alte ..."

    „Ach so, sagte er und es klang erleichtert. Auch die Farbe kehrte allmählich wieder in sein Gesicht zurück. „Das grenzt an Betrug, wenn Sie mich vor Umständen warnen, die der Vergangenheit angehören, sagte er und runzelte die Stirn.

    „Nein, Wasser nicht Vergangenheit. Es dich verfolgen, dich überschwemmen. Du in Gefahr."

    Jetzt schien er zu verstehen. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. „Du Dich in Schwierigkeiten bringen, große Schwierigkeiten, wenn Hilfe annehmen. Keine Hilfe annehmen, ja?"

    „Hmm, sagte er, „ich wüsste nicht, von wem ich diese zu erwarten hätte. Aber trotzdem vielen Dank für die Warnung. Versprochen, ich werde sie mir zu Herzen nehmen und sie nicht vergessen. Hier -, sagte der junge Mann und drückte ihr einen Zehn-Euro-Schein in die Hand. Er meinte nicht wirklich, was er sagte, aber das war sie gewohnt. Manchmal kamen die Menschen erst Jahre später wieder zu ihr, um ihr zu sagen, dass sie mit ihren Vorhersagen richtig gelegen hatte. Auch er würde zurückkommen ...

    „Jetzt muss ich aber los, denn wenn ich hier noch länger herumlungere, wird Ihre Vorhersage noch wahr, nur weil ich Wahrsagungen lausche, anstatt zu arbeiten."

    Er grinste und sie lächelte ihn nachsichtig an. Doch hinter der Fassade des selbstsicheren, jovialen Burschen erkannte sie die Wahrheit. Durch seine blauen Augen konnte sie in seine Seele schauen. Er war einsam. So einsam wie nur jemand sein konnte, der unter Bergen von Problemen versank, sie aber mit niemandem teilen konnte oder wollte. Einsam wie es nur ein Geschäftsmann sein konnte, der davon überzeugt war, dass sowieso niemand seine Sorgen verstehen könne, was auch oft stimmte, denn von außen kann niemand wissen, wie es ist, Verantwortung zu tragen. Aber auch einsam wie jemand, der sich ein privates Vergnügen untersagte, aus Angst, es könne seine Konzentration beeinträchtigen und die klaren Gedanken vernebeln, die er so nötig brauchte.

    „Danke, Junge, sagte sie, „du gut. Auf dich aufpassen.

    Er nickte und eilte davon.

    Seufzend schaute sie ihm hinterher. Hübscher Mann, dachte sie. Leider trug er eine schwere Last auf den Schultern, unsichtbares Gepäck, das Tonnen wiegen musste, und sie wollte um nichts in der Welt mit ihm tauschen. Aber sie hatte noch etwas anderes gesehen, etwas, was sie ihm absichtlich vorenthalten hatte. Auch ohne ihre Vorhersage würde es ihn noch früh genug von seinen geschäftlichen Anliegen ablenken ...

    Zufrieden steckte sie den Schein in das Ledersäckchen, das sie unter dem Rock versteckt trug und rieb sich die Hände. Sie liebte ihre Visionen, aber noch mehr liebte sie den Gedanken, Menschen mit ihrer Gabe zu retten ...

    *

    Kapitel 1 – April - Bienvenue

    Träume sind dazu da, uns in eine hoffnungsvolle Erwartungshaltung zu versetzen, uns den Alltag zu versüßen und uns glauben zu lassen, dass alles besser werden kann. Es gibt viele Arten von Träumen.

    Träume, die einem im Schlaf einholen, unsere Nächte bevölkern und am nächsten Morgen oft ein sonderbares Gefühl hinterlassen. Manche von diesen Träumen sind sehr irreal und andere - im Gegenteil - scheinen so wirklich wie das Leben selbst. Die Erinnerungen an diese Träume hallen manchmal noch den ganzen Tag über nach, wie die Klänge eines riesigen Gongs, deren Schwingungen in der Unendlichkeit zu zerfließen scheinen, und können wohlige oder auch traurige Gedanken in uns auslösen. Weiter gibt es Tagträume, denen wir mit offenen Augen nachhängen, oft ohne es zu bemerken. Auch die verschönen unser Dasein, geben uns Freude, Kraft und Hoffnung, erlauben uns, kreativ zu werden.

    Aber der realistischste aller Träume ist der, den man wie ein Projekt in seinem Herzen trägt, manchmal über Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg. Wir hegen und pflegen ihn, wie ein kostbares Juwel, das wir uns für eine große Gelegenheit aufbewahren, auch, wenn wir nicht wirklich wissen, ob diese jemals kommen wird. Es kommt aber auch vor, dass uns das Leben diesen Traum vergessen lässt, dass er in die Ferne rückt, wie ein Boot, das man verpasst hat und gen Horizont davongesegelt ist. Wir wenden uns von ihm ab, wahrscheinlich, weil es zu schmerzhaft ist, sich den Verlust vor Augen zu führen, und wir glauben ihn tot, begraben, bis ...

    Ja, bis eines Tages ein winziges Zeichen einem zeigt, dass ein solcher Traum nie wirklich stirbt, sondern nur vor sich hinschlummert, gleich einem alten, trägen Murmeltier im Winterschlaf, das, durch ein Signal plötzlich hellwach wird, die Steifheit abschüttelt und munter durch die Gegend läuft.

    Dann stehen wir da, das Herz in Flammen, den Kopf voller Fragen. Und doch scheint alles so grell und klar wie nie. Jäh geht es ums Überleben, um das eigene Überleben, um das Überleben des Traumes und um die Unglaublichkeit der plötzlichen Einsicht. Wenn man sich so lange heimlich gefragt hat, ob das jetzt alles gewesen sein soll, ob das Leben wirklich nur das zu bieten hat, was man zur Zeit gerade tagein, tagaus lebt, dann weiß man, dass der Moment gekommen ist, der Moment des „Jetzt-oder-nie. Der Moment, an dem man sicher weiß, dass es keine neue „zweite Chance danach mehr geben wird. Warum man das weiß? Das ist und bleibt ein Rätsel, aber wer diesen Moment schon einmal durchlebt hat, der weiß genau, worum es geht.

    Und genau so einen Moment erlebte Lia gerade, versuchte, ihre Ideen durchzusetzen, ohne genau zu wissen, ob es richtig war, oder ob sie nicht einfach nur eine Egoistin war.

    Das Hupen der Autos und der Straßenlärm machten sie genauso perplex wie die Hitze, die schon über der Stadt lag, obwohl es erst 8 Uhr morgens war. Wartend stand Lia am Bahnhof von Toulon und fragte sich, wo die Leute bloß steckten, die sie hätten abholen sollen.

    Die Reise war gut verlaufen, auch wenn sie im ratternden Zug kaum ein Auge zubekommen hatte und sich geschlaucht fühlte. Das lag aber vielleicht weniger an den Geräuschen des Zuges, sondern an ihren Mitreisenden. Ein Mann hatte so fürchterlich geschnarcht, dass sie den Versuch in Morpheus Arme zu fallen bald aufgegeben hatte. Vielleicht war es auch die Aufregung gewesen, die Lia um ihre nächtliche Ruhe gebracht hatte. Während sie dastand und wartete, ließ sie die verschiedenen Eindrücke ihrer neuen Umgebung auf sich wirken. Die hohen Fassaden der viktorianischen Gebäude umzingelten den Kreisverkehr vor dem Bahnhofsgebäude. Altmodische Straßenlaternen sollten einen an andere Epochen erinnern und passten gut zu den Gebäuden. Alles wirkte so ... französisch. Trotz ihrer Müdigkeit musste sie grinsen. Schmuddelige Häuserwände und Straßen, chaotisch geparkte Autos, Frauen, die in bunten, luftigen Kleidern daher liefen, und denen Jugendliche hinterherpfiffen. Ein Mann mit einem Baguette unter dem Arm huschte über die Straße, nicht etwa da, wo sich ein Zebrastreifen befand, nein. Er überquerte die Straße und zwang die Autofahrer zu verlangsamen, die wiederum hupend und schimpfend und mit obszönen Gesten antworteten. Eben der Süden, dachte Lia entzückt, so, wie sie sich ihn immer erträumt hatte. Die wenigen Zweifel, die immer wieder wie bittere Magensäure in ihr hochstiegen, versuchte sie zu verdrängen. Hatte sie die richtige Entscheidung getroffen? Jetzt war es eigentlich zu spät, um sich noch diese Frage zu stellen. Die Zeit der Zweifel war vorbei. Jetzt galt es ihren Traum in die Tat umzusetzen. Aus dem Seitenfach ihrer Handtasche lugte die famose Zeitung heraus, die Übeltäterin, die ihr die „Flausen" ins Ausland gehen zu wollen in den Kopf gesetzt hatte. Mit den Fingerspitzen strich Lia über die Anzeige, fast dankbar, oder als hätte sie Angst, sie könne sich in Luft auflösen, wenn sie zu grob darüber fuhr. Aber die Anzeige blieb real. Weder stellte sie ein Hirngespinst dar, noch wurde das Papier, auf der sie geschrieben stand, wie durch Geisterhand durchsichtig.

    Wenn ich diese Stelle nicht antrete, dann wird es eine andere junge Frau tun, dachte Lia bestimmt. Es musste hunderte geben, die sich nach einer Gelegenheit wie dieser sehnten.

    „Warum möchte eine Frau mit ihrer Qualifizierung unbedingt in einem Ferienclub arbeiten?", hatte sie der Mann am anderen Ende der Leitung geradeheraus gefragt. Zuerst hatte sie seine Direktheit überrumpelt, und normalerweise hätte sie in diesem Augenblick gehemmt geschwiegen. Doch sie hatte ihren Mut zusammengenommen und ehrlich geantwortet. War es ihre Offenheit, die ihn letztendlich berührt hatte oder Mitleid oder gar Verständnis, als er sie zwei Tage später zurückgerufen hatte, um ihr die Zusage mitzuteilen?

    Flynn Wendemeier. Ein typischer deutscher Name. Ob er auch nur ein Angestellter war? Nachdem, was sie verstanden hatte, kamen fast nur deutschsprachige Urlauber in den Club. Das war also der Grund, warum sie deutschsprachiges Personal brauchten.

    Erneut las sie die Anzeige:

    Für unsere Ferienresidenz an der Côte d’Azur suchen wir eine/n deutschsprachige/n Mitarbeiter/in. Vertragsdauer: vom 01.04. – 31.08. Freie Kost und Logis."

    Nein, es gab keinen Zweifel: Sie wollte diesen Job! Unbedingt!

    In der Ferne sah sie neben einem blauen Cabriolet einen großen Mann stehen, der mit den Armen fuchtelte. Meint er mich, fragte sich Lia und sah sich nach allen Seiten um. Der Mann lachte, nickte und winkte ihr zu, machte Zeichen mit der Hand, als wolle er sie auffordern, zu ihm hinüber zu kommen. Was bildete sich dieser Lackaffe eigentlich ein? Stolz hob sie das Kinn und schaute fort, doch ihr Herz machte einen Sprung. Alles war so fremd und doch so aufregend. Sie hatte geahnt, dass die Männer im Süden ein hitzigeres Temperament hatten, aber das war wohl doch etwas übertrieben. Nur weil der Mann ein super Cabriolet hatte und noch dazu blendend aussah, brauchte er nicht zu glauben, dass er sie so einfach kommandieren konnte. Sie schüttelte den Kopf. Naja, ein wenig geschmeichelt fühlte sie sich schon. Ihr wurde warm.

    Plötzlich setzte sich der Schönling in Bewegung und kam zu allem Überfluss auch noch auf sie zu. Ein Schreck durchfuhr ihre Glieder. Sie fühlte sich absolut nicht in der Lage, sich von diesem Mann ansprechen zu lassen. Sein blendend weißes Lächeln und die hellblauen Augen, die ihr aus dem sonnengebräunten Gesicht entgegenblitzten, schienen sie auslachen zu wollen. Wie unverschämt war der denn?

    „Bonjour, du bist Lia? Lia Hesse?", fragte er mit einem starken französischen Akzent, der auf Lia wie eine sanfte Melodie wirkte. Lia nickte.

    „Ich bin Flynn Wendemeier, aber alle nennen mich Flynn", sagte er mit seinem breiten Lächeln. Lia lächelte schüchtern zurück.

    „Hattest du eine angenehme Reise?"

    „Ja, danke."

    Lia wollte nur noch in den Erdboden versinken.

    Sie kam sich furchtbar dümmlich vor, hatte das Gefühl fünfzehn zu sein. Sie schluckte. Wie peinlich. Was würde er von ihr denken?

    „Komm, die Karosse wartet schon, Gnädigste", sagte er und vollführte eine übertriebene Handbewegung. Spott schien aus seinen Augen zu sprühen. Sollte es eine Anspielung darauf sein, dass sie auf sein Winken nicht reagiert hatte? Machte er sich etwa über sie lustig?

    Sie nickte ihm zu, bemüht, nicht zu befangen zu wirken, packte den Griff ihres Trolleys und zog ihn hinter sich her, während sie ihrem neuen Vorgesetzten folgte. Verlegen blickte sie an ihrer von der Zugreise verknautschten Kleidung hinunter. Selbst für diese Jahreszeit war sie noch zu warm angezogen.

    „Ich hoffe, du hast auch weniger warme Sachen dabei", sagte Flynn, als hätte er ihre Gedanken erraten und lächelte freundlich.

    „Ja, natürlich, log Lia und ärgerte sich sofort, „in Deutschland ist es noch ziemlich frisch. Das war zumindest nicht gelogen.

    „Sicher, das vergisst man manchmal, wenn man hier unten lebt", sagte Flynn und schmunzelte.

    „Du sprichst aber gut Deutsch", rutschte es Lia heraus.

    „Meine Mutter war Deutsche und mein Vater Franzose", sagte Flynn, zwinkerte und lud ihren Koffer in den Kofferraum des Cabriolets, das dunkelblau in der Sonne blitzte. Lia musterte Flynn genauer. Er musste über Dreißig sein, hatte dunkles gewelltes Haar, das mit sonnengebleichten Strähnen durchzogen war und ein ebenmäßiges, leicht kantiges Gesicht. Seine Haut war tiefbraun. Er trug eine Bermuda aus Jeans, ein dunkelblaues T-Shirt und passende dunkelblaue Sneakers. Es waren seine Augen, die ihr am meisten imponierten. Durch seine Kleidung traten seine dunkelblauen Augen leuchtend hervor. Alles passend zum dunkelblauen Cabriolet, dachte Lia beeindruckt. Er kam ihr vor, wie ein Topmodell aus einer Modezeitschrift, oder einer Werbung für Ferien in Luxushotels an der Côte d’Azur.

    „Ach so", war alles, was Lia herausbrachte.

    Flynn lachte nachsichtig, als er um das Auto herumging, um ihr die Tür aufzuhalten. Verblüfft über diese galante Geste folgte sie seiner Aufforderung und setzte sich auf den Beifahrersitz, wobei sie ihren Knöchel am unteren Rahmen der Karosserie anstieß. Es schmerzte höllisch, doch sie stieß nur kurz die Luft aus, hoffte, dass er es nicht bemerkt hatte. Erst als er die Wagentür geschlossen hatte und um das Vehikel herumlief, rieb Lia sich unauffällig das Fußgelenk und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Du musst dich unbedingt zusammenreißen, dachte sie, deine Tollpatschigkeit wird dich noch die Anstellung kosten. Zwar hatte sie noch nie sehr viel Selbstbewusstsein an den Tag gelegt, aber so unbeholfen, wie in den letzten fünf Minuten, hatte sie sich ihres Erachtens noch nie gezeigt. Das ärgerte sie. War es der Mann oder die Situation, die sie zu einem unbeholfenen Teenager werden ließen?

    Lia schnallte sich hastig an, bevor er sie dazu auffordern konnte. Genug! Ich bin fast Dreißig, habe studiert und brauche mich nicht minderwertig zu fühlen, dachte sie bestimmt.

    Flynn ließ sich neben ihr auf den ledernen Fahrersitz gleiten. Ein weiches beiges Leder, dass sicher die Hitze im Sommer erträglicher machen würde, dachte Lia. Auch er legte seinen Gurt an und startete den Motor, der einen röhrenden Klang von sich gab. Vorbeigehende Passanten drehten sich jäh zu ihnen um, musterten das Auto, lächelten anerkennend.

    „Mustang", sagte er schlicht, als würde alleine diese Aussage die Lautstärke des Motors erklären. Sofort kam aus den Lautsprechern der Wagentüren eine angenehme Reggae-Musik, die Lia nicht kannte.

    Flynn fuhr vorsichtig an und konzentrierte sich auf die belebten Straßen Toulons. Es hupte und schimpfte aus allen Richtungen, als sie die große Avenue am Hafen entlangfuhren. Frauen in blumigen Kleidern und Männern in Shorts und T-Shirt tummelten sich auf den Bürgersteigen, schienen zur Arbeit zu gehen. Taten sie das wirklich? Erstaunt registrierte Lia, dass die Menschen nicht gehetzt wirkten, wie in Frankfurt, wenn sie um 8 Uhr morgens über die Zeil liefen.

    Bald schon kamen sie aus der Innenstadt mit den hohen Gebäuden heraus und bogen nach rechts ab, in ein pittoreskes Stadtviertel. Große viktorianische Gebäude säumten mit altmodischer Eleganz beide Seiten der Avenue und auf den Bürgersteigen ragten haushohe Dattelpalmen in die Höhe. Dattelpalmen! Wow! Lia versuchte, sich die Überraschung nicht anmerken zu lassen und schielte flüchtig zu Flynn, der sich weiterhin auf das Fahren zu konzentrieren schien. Nur seine Finger tippten im Rhythmus der Musik aufs Lenkrad. Er sprach kein Wort, was Lia sehr gelegen kam, denn endlich entspannte sie sich und ließ alle Eindrücke auf sich wirken.

    Über ihnen strahlte der Himmel so blau, dass Lia zum ersten Mal in ihrem Leben den Begriff „Azur" zu verstehen glaubte. Ihre Sonnenbrille lag in ihrem Koffer, denn aus irgendeinem blödsinnigen Grund war sie davon ausgegangen, sie nicht sofort zu benötigen. Also kniff sie vor dem gleißenden Sonnenschein die Augen zusammen, wenn sie mal nicht gerade unter dem schattigen Schutz einer Palme an einer Ampel standen. Als Flynn sich über ihre Knie hinweg zum Handschuhfach vorbeugte, stieg der angenehme Duft seines Rasierwassers zu ihr auf.

    „Sorry", sagte er und reichte ihr eine Sonnenbrille, die Lia dankbar lächelnd annahm. Gleich nahm sie sich vor, eine Falsch/Richtig-Liste von Klischees über Franzosen zu führen.

    Punkt Nummer 1: Die Straßen waren eher schmutzig - Richtig! Punkt Nummer 2: Die Menschen waren undiszipliniert - Richtig! Punkt Nummer 3: Die Männer waren einer Frau gegenüber galant und aufmerksam - Richtig! Sie grinste zufrieden in sich hinein. Ob der Rest, den man sich über sie erzählte, wohl auch stimmte? Sie räusperte sich verlegen, doch ein erwartungsvolles Kribbeln stieg in ihr auf, wie eine Verheißung, die ihre Ansage körperlich ausdrücken wollte.

    Als sie an einem kleinen Hafen an der Küste angelangten, nahm ihr der Anblick schier den Atem. Vor ihnen lag das tiefblaue Meer, das Mittelmeer! Sie schnappte nach Luft. Viele Fotos hatte sie schon gesehen und auch im Urlaub mit ihren Eltern waren sie schon ans Meer gefahren. Doch dieser Anblick übertraf ihre Vorstellungen bei Weitem. Glatt und schillernd lag die Méditerranée im Morgenlicht. Einladend, unvorstellbar schön und elegant. Kein Foto, kein Bild konnte ausdrücken, was Lia gerade empfand. Zum Weinen schön! Sie schluckte, und in diesem Moment wusste sie mit Sicherheit, dass sie ihre Entscheidung, was immer für Konsequenzen sie mit sich bringen würde, nicht bereuen würde.

    Kleine Boote lagen leicht wogend auf dem flachen glitzernden Wasser, und die Masten klimperten im Wind, auf denen Möwen saßen und sich ihr Gefieder putzten, während die Skipper die Boote startklar machten. Andere hingegen saßen gemütlich auf dem Deck und frühstückten.

    „Das ist le Mourillon, erklärte Flynn, „einer der beliebtesten Stadtteile Toulons.

    Sie fuhren den Hang der Bucht hoch, vorbei an kleinen Geschäften, die gerade erst zu öffnen schienen und Strandbedarf und Postkarten anboten. Dann ließen sie den wunderschönen Anblick des in der Morgensonne glitzernden Meeres hinter sich und fuhren an Luxusvillen und kleinen Dörfern vorbei, auf einer Straße, die sich am Litoral entlang schlängelte. Sie gewannen an Tempo und der Fahrtwind fuhr durch ihr Haar, das noch immer fest in einem Dutt zusammengehalten war. Vereinzelte Strähnen lösten sich und kitzelten ihre Wangen. Es roch blumig und fruchtig nach Frühling. Kristalline Hänge und Täler waren mit Kiefern bewachsen, hier und da standen Zypressen und Agaven, und der Boden war mit Pflanzen übersät, die wie kuschelige Teppiche wirkten und deren vielzählige Blüten im Morgenlicht wie weiße und lila Diamanten schimmerten. Andere Sträucher blühten im grellen Gelb.

    Ich bin an der Côte d’Azur, dachte Lia. Für einen kurzen Augenblick vergaß sie ihre Hemmungen, legte den Kopf zurück, schloss die Augen und genoss den Gedanken, dass sie es tatsächlich geschafft hatte. Sie war im Land ihrer Träume. Bislang wurden ihre Erwartungen keinesfalls enttäuscht. Im Gegenteil! Saß sie nicht gerade in einem Traumauto neben einem, wie sie zugeben musste, sehr gut aussehenden Mann? Als sie die Augen wieder öffnete, wagte sie einen Blick zu Flynn, der sich weiterhin auf die kurvige Straße konzentrierte und ihr nur ein flüchtiges Lächeln zuwarf.

    Ja, jetzt würde sie fünf Monate an der berühmten Côte d’Azur verbringen, noch dazu mit einem so gutaussehenden und coolen Chef. Alles schien schön in diesem Land. Die Sonne, die Palmen, die Wärme, das Meer, der Himmel, die kleinen verträumten Häuser mit ihren in Lila-, Gelb- und Rottönen blühenden Hecken ...

    Heftiges Herzklopfen überkam sie und ihre innere Aufregung stieg an.

    Als sie erneut einen Ort, der sich Carqueranne nannte, durchfuhren, hielt Flynn den Wagen nahe bei einem Markt an und stellte ihn mitten auf der Straße ab.

    „Kommen Sie, Lia, ich muss noch etwas besorgen", sagte er und stieg aus. Etwas überrumpelt löste Lia ihren Sicherheitsgurt und erhob sich ebenfalls aus dem Sitz.

    „Wollen Sie den Wagen einfach hier stehen lassen?"

    „Oh, das? Das machen hier alle so. Aber Sie können auch auf mich warten, wenn Ihnen das lieber ist. Ich brauche nicht lange."

    „Und das Gepäck?"

    „Das ist sicher im Kofferraum eingeschlossen", sagte er und rüttelte wie zur Bestätigung an der Haube.

    Schon war Flynn im Gewühl der Menschen verschwunden. Lia seufzte und blickte sich um. Tatsächlich war es nicht das einzige Auto, das so unglücklich in der Doppelreihe geparkt war. Kein Mensch schien sich daran zu stören.

    Sie überlegte, schaute sich weiter um. Auf dem Markt herrschte ein buntes Treiben. Neben Blumen, Gemüse und Spezialitäten wurden auch Teppiche, Hüte und Schuhe angeboten. Marktschreier priesen ihre Waren an, doch Lia verstand kein Wort. Plötzlich fiel ihr Augenmerk auf einen Marktstand, an dem Sommerklamotten angeboten wurden. Schnurstracks schritt sie auf die Bude zu. Ein schwarzes Wickelkleid mit weißen großen Blumenmustern, das mit anderen Kleidern an einer Stange am riesigen Überschirm hing, fiel ihr besonders ins Auge. Eine Dame Mitte Fünfzig, die ein rotgemustertes Tuch um den Kopf gebunden trug, näherte sich Lia.

    „Très belle robe pour très belle femme, sagte die Frau, nickte ihr zu, holte das Kleid sofort mithilfe einer Stange und einer geschickt eingeübten Geste herunter und reichte es Lia. Selbst trug die Verkäuferin ein langes buntes Kleid aus Seide oder Satin, dessen vorwiegend rote Muster gut zu dem Kopftuch passten. Ihre langen schwarzen Haare waren mit grauen Strähnen durchzogen und ihre schwarz umrandeten Augen funkelten Lia fröhlich an. Die Frau erinnerte sie an eine Zigeunerin aus den Comics „Tim und Struppi, Geschichten, die Lia als Kind gerne gelesen hatte.

    „Oh, merci, sagte Lia, auch wenn sie nicht wirklich ganz verstanden hatte, was die Frau von ihr wollte. „Belle femme, das hieß wohl „schöne Frau", soviel wusste sie noch. Ob die Verkäuferin sie damit gemeint hatte? War die Frau blind?

    „Vous ne parlez pas français?"

    Lia schüttelte den Kopf, wollte etwas sagen, doch die Frau kam ihr zuvor.

    „Espagnol? Spanish?"

    „Non,...äh ... allemand!"

    „Ahhh, sagte die Frau, „Deutsch.

    Lia nickte.

    „Schöne Kleid für schönes Frau", sagte die Verkäuferin im

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