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Longtiantang: Noemis Ruf
Longtiantang: Noemis Ruf
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eBook120 Seiten1 Stunde

Longtiantang: Noemis Ruf

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Über dieses E-Book

Nicht nur, dass Liam den Verlust seiner großen Liebe Noemi nicht verkraften kann, er fühlt sich auch für ihren Tod verantwortlich. Als seine Sehnsucht unerträglich wird, beginnt er sie zu malen - und kann seinen Augen kaum trauen, als Noemi aus dem Bild auf zauberhafte Weise zum Leben erwacht! Sie erzählt von der fernen Drachenwelt Longtiantang, in die sie nach ihrem Tod gelangt ist. Doch kaum hat Liam seine große Liebe wieder, taucht der mysteriöse Schlangenmensch Ngun auf und verlangt von Liam Unmögliches. Um Noemi nicht erneut zu verlieren, müssen Liam und sie in die exotische Welt Longtiantang reisen, wo ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum14. Juli 2017
ISBN9783764191924
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    Buchvorschau

    Longtiantang - Ava Blum

    später

    1

    Liams Blick schweifte übers Meer, das an diesem Tag behutsam seine Wellen ans Ufer trug, und blieb an Noemi haften. Die Arme hinter dem Rücken verschränkt, stand sie neben ihm und zog gedankenverloren mit ihrem großen Zeh weite Bögen durch den Sand. Sie trug ein trägerloses Strandkleid aus weißer Baumwolle, das ihre Anmut betonte und ihre Knöchel umflatterte. Vereinzelte schwarze Strähnen hatten sich aus ihrem locker hochgesteckten Haarknoten gelöst und umschmeichelten ihr Gesicht.

    Schmunzelnd wandte sie sich zu ihm um. »Weißt du eigentlich, dass Drachen nicht nur Glück bringen, sondern auch in vielen Gebieten Chinas gottesgleich verehrt werden?« Begeisterung blitzte in ihren dunklen Augen auf, und wie immer schaffte sie es, Liam mit ihrer Euphorie anzustecken.

    »Wirklich?« Er versank in ihren grün-gold gesprenkelten Iriden und vergaß Zeit und Raum.

    Noemi griff nach seiner Hand, und ihre Finger verflochten sich miteinander, bevor sie ihn weiterzog. »Die Long verkörpern aber auch Naturphänomene wie Gewitter und Vulkane. Zudem ist jedem Fluss und jedem See ein Drache zugeordnet, der darin wohnt. Der richtige Umgang mit ihnen verhindert Fluten, der falsche hingegen …« Ein belustigtes Lächeln flog über ihr Gesicht. »Anstatt, wie ihre Ahnen, die Long zu besänftigen, sind viele Chinesen dazu übergegangen, sie zu verärgern, indem sie Gegenstände ins Wasser werfen oder die Statue des Drachenkönigs in die Sonne stellen, um Regen herbeizurufen.«

    Liam lachte laut auf. »Klingt erfolgsversprechend!«

    »Das Prachtexemplar in meinem Traum heute Nacht verkörperte Güte und Friedfertigkeit.« Ihre Stimme hatte einen weichen Klang angenommen, wie immer wenn sie sich in ihrer Fantasiewelt verlor. »Seine Schuppen schimmerten in allen Farbe im Licht eines Feuers, das alles in einen rötlichen Schein tauchte. Als ich ihm über die Flanke strich, blähte er seine Nüstern und stieß einen Luftschwall hervor. Doch instinktiv spürte ich, dass er mir nichts tun würde, und in dem Moment, als er sich zu mir wandte, erkannte ich die Weisheit in seinen Augen.«

    Liam gab einen übertriebenen Seufzer von sich. »Ich wünschte, du würdest auch mal so über mich sprechen.« In gespielter Gekränktheit verschränkte er die Arme vor der Brust und verzog das Gesicht.

    Noemi legte den Kopf schief, ein kleines Lächeln spielte um ihre Lippen.

    Liam zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen: Na, ist doch so!

    Ihre Nase kräuselte sich, während sie in ein kehliges Glucksen ausbrach – die ersten Vorboten ihres Lachens, das Liam so sehr liebte. Schützend beschirmte sie mit einer Hand ihre Augen vor dem gleißenden Licht der Sonne und blickte zu ihm hoch.

    Noemi entsprach absolut nicht dem üblichen Bild von Chinesinnen. Sie war nicht verhalten oder darauf bedacht, ihr Gesicht zu wahren. Jede einzelne Gefühlsregung konnte er in ihrer Mimik lesen. Sicherlich lag das daran, dass sie bei deutschen Adoptiveltern aufgewachsen war und wenig von der chinesischen Kultur mitbekommen hatte.

    Sie wurde ernst, stellte sich auf Zehenspitzen und strich ihm sanft durch seine dunklen Locken. »Du bist mein Alles«, flüsterte sie.

    Ein starkes Kribbeln durchströmte einem Stromschlag gleich seinen Körper, als ihre Lippen zärtlich die seinen berührten. Er erinnerte sich noch so genau daran, weil er in diesem Moment das pure Glück verspürte.

    Mein Alles …

    »Liam …«, drang die Stimme seiner Schwester in sein Ohr und riss ihn unsanft aus seinen Gedanken. Er rutschte höher in den Liegestuhl, um Haltung anzunehmen.

    Nichts konnte er weniger gebrauchen, als Merles einfühlsamen Blick, wenn sie merkte, dass er wieder seinen Erinnerungen nachhing. Er war hier, um Abschied zu nehmen.

    Genau vor einem Jahr hatten sie hier auf Darß im Strandhaus ihrer Eltern den Urlaub verbracht. Merle, ihr Freund Julius, Noemi und Liam. Statt Noemi war diesmal sein bester Kumpel Raúl mitgekommen. Die gesamten Semesterferien wollten sie bleiben und Liam über seine Trauer hinweghelfen.

    Der Duft frischer Pfefferminze stieg ihm in die Nase. Er sah auf, Merle hielt ihm eine dampfende Tasse hin. Er nahm sie entgegen und trank einen großen Schluck, der sich wohlig im Magen ausbreitete.

    Mütterliche Sorge färbte ihre braunen Augen noch dunkler, als sie ohnehin schon waren. Sie sog die Luft ein und stemmte ihre Hände in die Hüften. Mit dem krausen Haar, das ihr bis zur Taille reichte, dem wallenden Kleid und der langen Kette erinnerte sie Liam tatsächlich an ihre Mutter, die trotz ihrer fast sechzig Jahre immer noch wie ein altersloser Hippie herumlief – wäre da nicht Merles dick umrahmte Brille gewesen, die ihr einen intellektuellen Touch verlieh.

    In stiller Eintracht blickten sie auf die Ostsee. Schäumende Wellenkämme brausten heran und brachten das Meer in Wallung. Die kühle Brise, die herüberwehte, kündete von den ersten Anzeichen des Herbstes.

    Er wusste genau, was sie dachte: Wie kann ich meinen Bruder nur auf andere Gedanken bringen? Ihre Fürsorge, die sich seit ihrer Schwangerschaft noch verstärkt hatte, hatte ihn nach Noemis Tod beinah erstickt.

    Trotz allem war er Merle dankbar, dass sie nicht von seiner Seite wich, denn ohne sie hätten ihn seine Gewissensbisse und Selbstvorwürfe schon längst in den Selbstmord getrieben.

    Vor drei Monaten hatten Noemi und Liam einen Autounfall gehabt. Ein bedeutender Tag sollte es werden, an dem er seine gesammelten Werke das erste Mal einer Galerie präsentierte. Als er auf der anderen Straßenseite direkt davor einen Parkplatz entdeckte, ordnete er sich trotz des Verbotszeichens auf der Linksabbiegerspur ein, um zu wenden. Der Lastwagenfahrer sah Liams quer stehenden Pkw zu spät, konnte nicht mehr ausweichen und krachte ungebremst in die Beifahrerseite. Noemi war sofort tot. Und das alles nur, weil Liams Ehrgeiz ihn dazu getrieben hatte, eine Sekunde unachtsam zu sein.

    Immer wieder und wieder verteufelte er sich dafür und brachte seitdem keinen einzigen Pinselstrich mehr auf die Leinwand. Stattdessen hatte er seine Zeit auf der Couch eines Seelenklempners vergeudet. Als wenn der ihm den Schmerz und die Schuldgefühle nehmen könnte.

    Merle drückte seine Schulter und ließ ihre Hand darauf ruhen. Ihr Beistand tat gut, doch gleichzeitig stieg diese verhasste Beklemmung in ihm hoch. Er stellte seine Tasse auf den Boden und versuchte sich gegen dieses Gefühl zu wehren. Schluckte. Doch sein Mund war so trocken, als hätte er Staub gegessen. Er atmete tief ein und schloss die Augen. Spürte, wie eine einzelne Träne seine Wange hinablief. Einerseits ein Fortschritt, dass er seine Trauer endlich herauslassen konnte, doch die Ausweglosigkeit schmerzte so sehr, dass ihm der Atem stockte und ihm die Kehle zuschnürte. Voller Verzweiflung stellte er die Füße auf den Boden und vergrub sein Gesicht in den Händen.

    Er spürte Merles Hand über seinen frisch rasierten Kopf streichen. Was das Ganze nicht besser machte. Unwillkürlich brach ein Schluchzen aus ihm hervor, und ein unglaublicher Druck löste sich.

    »Ist schon gut, lass alles raus«, beruhigte sie ihn.

    Auf einmal schäumte eine ohnmächtige Wut in ihm hoch. Er konnte das Mitleid und die Sorge in der Stimme seiner Schwester nicht mehr ertragen. Wie hatte er nur dieser Reise zustimmen können? Niemals hätte er sich auf die schmerzliche Konfrontation mit seiner Vergangenheit einlassen dürfen. Ruckartig sprang er auf und stieß sie zur Seite. »Was ist gut?«, schrie er. »Nichts ist gut! Nichts wird jemals wieder gut sein ohne sie. Es war eine verdammte Scheißidee, hierherzukommen …«

    Er stolperte die Treppen der Veranda hinunter und lief barfuß durch den Sand, weinte, dass es ihn innerlich fast zerriss.

    Der Wind blies ihm kühl ins Gesicht, doch er spürte ihn kaum. All seine Befürchtungen trafen ein: Seine Gefühle brachen wie eine Orkanwelle über ihm zusammen, und er war ihnen hilflos ausgeliefert. Anstatt nach vorne zu blicken, holte die Vergangenheit ihn wieder ein.

    Er rannte. Rannte um sein Leben, als könnte er so seinen Kummer hinter sich lassen. In diesem Moment blieb ihm nichts mehr, als sich an diese trügerische Hoffnung zu klammern.

    »Sagt mir, was wir tun können.« Merle drückte die leicht verzogene Terrassentür fester zu, als es notwendig gewesen wäre.

    »Lass ihn doch erst mal ankommen, und hör auf, dich wie eine Glucke aufzuführen.«

    Julius ließ die Architekturzeitung auf seinen Schoß sinken und klemmte eine rapsblonde Haarsträhne hinters Ohr. »Gib ihm Zeit, sich zu verabschieden. Natürlich wird er hier mit alten Erinnerungen konfrontiert. Du selbst hast

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