Tyra & Fenris
Von Jess A. Loup
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Über dieses E-Book
Ohne zu wissen, wie ihr eigentlich geschieht, gerät Tyra in einen Strudel, der sie nicht nur in ein Durcheinander aus verwirrenden Gefühlen, sondern auch mitten in einen uralten Konflikt zwischen den nordischen Göttern zieht! War ihre Begegnung mit Fenris vielleicht sogar vom Schicksal vorherbestimmt?
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Buchvorschau
Tyra & Fenris - Jess A. Loup
änderten.
1
Die Scheinwerfer schnitten tief in die Dunkelheit ein und entrissen der Nacht bizarre Formationen aus Eis und Schnee. Tyra fuhr langsam; obwohl der alte Geländewagen schnurrte wie eine gewaltige Katze, irritierten sie die hektischen Flocken, die ständig die Richtung änderten und es ihr erschwerten, sich auf die Straße zu konzentrieren.
Der Schlag kam aus dem Nichts. Eben noch waren ihre Augen konzentriert nach vorn gerichtet gewesen, im nächsten Moment weiteten sie sich erschrocken, als etwas Schweres gegen die Scheibe prallte, einem Einschussloch gleich Risse nach allen Seiten entstehen ließ, und verschwand, als hätte es nie etwas gegeben. Der Wagen schleuderte hin und her, und Tyra verschwendete wertvolle Sekunden, in denen sie panisch bremste und beinahe völlig die Kontrolle verlor. Schließlich gelang es ihr gegenzusteuern und den Jeep abzufangen, der einen Bogen schlug und dann stehen blieb. Tyra öffnete den Gurt und stieg aus dem Wagen aus, bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte. Sie zitterte, und es war nicht allein der Kälte geschuldet, dass eine Gänsehaut ihre bloßen Arme überzog. Was habe ich getan?, dachte sie und suchte nach einem Tier, nach Blut, einem zerfetzten Körper, irgendetwas. Bitte, lass es keinen Menschen gewesen sein!, flehte sie zu niemandem Bestimmten, doch ihre Hoffnung zerschlug sich, als sie einige Schritte nach vorn wagte, und über das Grollen ihres Motors ein dumpfes Stöhnen vernahm. Etwas – jemand – bewegte sich in dem Tiefschnee, der den Straßengraben füllte. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie sich neben dem Unfallopfer auf die Knie fallen ließ.
»Oh, mein Gott«, wimmerte sie, streckte die Hand aus und verharrte nur Zentimeter über dem regungslosen Körper.
Es war ein Mann, zweifellos. Ein nackter Mann mit einer Haut, die im Licht der Scheinwerfer wie glatter, sorgfältig behauener Marmor wirkte, weiß wie der Schnee, auf dem er lag. Haar wie Ebenholz, dachte sie in einem Anfall von Hysterie, und seine Lippen rot wie … Blut!
Das wirkliche Blut erschien ihr dunkel und unwirklich. Von einer klaffenden Kopfwunde aus rann es über seine Schläfe, benetzte die Wange und glitt fast träge über seinen Hals und die bloße Brust. Fieberhaft überlegte sie ihr weiteres Vorgehen. Ihn zu bewegen erschien ihr riskant, da sich mögliche innere Verletzungen verschlimmern konnten, doch liegen lassen war auch keine Option. Für diese Nacht waren weniger als – 4 Grad Fahrenheit angesagt, und sie zweifelte nicht daran, dass diese Temperaturen erreicht waren. Obwohl sie sich erst wenige Sekunden draußen aufhielt, zitterte sie wie Espenlaub, und jeder Atemzug brannte in der Lunge.
Der Mann nahm ihr die Entscheidung ab, als er hochfuhr und den Kopf unruhig bewegte.
»Wer ist da? Was ist passiert? Wo bin ich?« Sein Gesicht lag im Schatten. Tyra schlang ihren Arm um seine Hüfte und hielt ihn fest. »Wer seid Ihr?«, verlangte er zu wissen, doch seine Stimme wurde leiser, und er sackte zusammen. Er war unglaublich schwer, obwohl kein Gramm Fett seinen durchaus sehenswerten Körper verunstaltete, registrierte Tyra etwas abgelenkt. Was hatte dieser Mann erlebt oder durchgemacht? Jemand hatte ihm die Augen mit etwas verbunden, das wie Spinnenfäden aussah, weiß, dünn, zäh und klebrig. Dieselbe Substanz hing auch in Fetzen von seinen Armen und Beinen, als hätte jemand versucht, ihm nicht nur die Sicht zu nehmen, sondern auch zu fesseln. Es musste warten, denn wenn sie noch längere Zeit in der Eiseskälte verbrachten, würde keiner von ihnen mehr in der Lage sein, dem anderen zu helfen.
»Sie sind in Sicherheit, Sir«, sagte sie leise, denn sie hoffte, er würde sich beruhigen, wenn er eine sanfte Stimme hörte. Es schien zu funktionieren. Lauschend neigte er seinen Kopf und lehnte sich regelrecht in ihre Hand, als sie ihm das schwarze Haar aus der Stirn strich. »Aber Sie müssen aufstehen, nur für einen Moment. Ich bringe Sie in mein Auto, da ist es wenigstens warm.« Auch wenn ihn die Kälte nicht zu stören schien, denn im Gegensatz zu ihr zeigte sich auf seinen Armen und Beinen keine Gänsehaut. Sie bemühte sich mit zusammengebissenen Zähnen, ihm vom Boden zu helfen. Er stemmte sich hoch, doch dann taumelte er und wäre wohl gestürzt, wenn sie sich nicht seinen Arm über ihre Schulter gezogen hätte.
»Ihr seid winzig«, krächzte er. Er musste Ausländer sein; nie zuvor hatte sie einen solchen Akzent gehört.
»Nein, Sir, ich bin durchschnittlich groß, was man von Ihnen nicht behaupten kann.« Tatsächlich war das eine Untertreibung. Der Mann musste nahezu sieben Fuß messen, denn wenn sie ihn ansehen wollte, war sie gezwungen, den Kopf in den Nacken zu legen. Tyra quetschte die Worte zwischen ihren Zähnen hindurch und keuchte bereits nach den wenigen Schritten, die sie bis zum Auto brauchten. Als sie die logistische Meisterleistung vollbracht hatte, die Beifahrertür zu öffnen, ohne den Mann wieder fallen zu lassen, standen ihr trotz der Kälte Schweißperlen auf der Stirn. Schützend hielt sie die Hand über seinen Kopf, als er sich auf den Sitz fallen ließ, und befestigte den Gurt. Als sie auf ihrer Seite einstieg, war er zusammengesackt – sie wusste nicht, ob er das Bewusstsein verloren hatte oder eingeschlafen war.
Er war weder das eine noch das andere, denn als sie die Wärme auf die höchste Stufe gedreht hatte, und sich ihm wieder zuwandte, drehte er seinen Kopf in ihre Richtung. Sie schauderte, so bizarr wirkte sein Gesicht mit den verbundenen Augen.
»Ich werde Sie jetzt in ein Krankenhaus bringen, Sir. Haben Sie keine Angst, bestimmt ist alles halb so schlimm.« Sie hoffte zumindest, dass er nicht so schwer verletzt war, dass er starb oder bleibende Schäden zurückbehielt.
Seine Finger schlossen sich um ihr Handgelenk und sie bemerkte, wie warm sie waren. Warum waren sie nicht blau angelaufen wie ihre eigenen, die eher Eiszapfen glichen?
»Nehmt meine Augenfessel ab, ich bitte Euch. Die Magie der Fesseln verbrennt mich, um mich daran zu hindern, sie selbst zu entfernen.« Was? Der stand aber wirklich voll neben sich. Trotzdem: Sein dunkler, rauer Bariton ging ihr durch und durch. Nicht einmal der seltsame Akzent und seine ungewöhnliche Art sie anzusprechen verhinderten, dass sie ihm am liebsten ein Telefonbuch in die Hand gedrückt hätte, um einfach nur zuzuhören, wie er ihr daraus vorlas.
Tyra wusste, dass es vernünftiger war, zuerst zu einem Arzt zu fahren, doch sie konnte nicht widerstehen. Sie musste die Augenbinde entfernen! Behutsam berührte sie mit den Fingern den Verband, der sich als seltsam klebrig entpuppte. Vielleicht war das gar keine Fessel, sondern eine medizinische Erfindung? Suchend tastete sie nach einer Stelle, an der sie ansetzen konnte ihn abzuwickeln, und es war ein dünner, klebriger Faden, der an ihren Fingerspitzen hängen blieb. Sie zog ihn ab, Windung um Windung um den Kopf des Fremden herum, solange, dass sie meinte, Stunden damit zu verbringen. Ihr Arm begann in dieser unnatürlichen Haltung zu schmerzen, doch sie wickelte weiter, bis der Verband vollständig entfernt war. Sein Sinn erschloss sich ihr nicht: Sie hatte erwartet, verbrannte Haut darunter zu finden oder blutige, zerschlagene Augen. Doch das Gesicht des Mannes entpuppte sich als glatt und unverletzt, und lange Wimpern bedeckten seine Lider. Er musste jünger sein, als sie angenommen hatte, höchstwahrscheinlich nur wenige Jahre älter als sie selbst. Langsam öffnete er die Augen und blinzelte. Tyra musste sich innerlich zur Ordnung rufen, um es ihm nicht gleich zu tun. Augen wie die seinen hatte sie noch nie gesehen: ein geradezu strahlendes Grün, das im schwachen Licht der Wagenbeleuchtung zu leuchten schien. Träge ließ er seinen Blick über Tyra, das Armaturenbrett und dann nach draußen schweifen, bevor er tief durchatmete, sich zurücklehnte und die Augen wieder schloss. Er murmelte etwas, doch Tyra konnte die rauen, fremden Worte nicht verstehen.
2
»Sie können ihn mitnehmen«, sagte der dunkelhäutige, übernächtigte Arzt, und Tyra schrak aus dem unbequemen Plastiksitz hoch.
»Mitnehmen?«, fragte sie, nicht ganz sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
»Yup. Dem Mann fehlt nichts außer ein paar Klamotten. Sie haben ihn nackt im Schnee gefunden, sagten Sie?«
»Nicht zu vergessen, mitten im Nirgendwo, fernab von Dörfern oder Städten«, bekräftigte sie stirnrunzelnd.
Er zuckte mit den Schultern und rieb seine Augen, unter denen sich dunkle Ringe abzeichneten. »Jedenfalls ist er, von der Platzwunde am Kopf abgesehen, körperlich in Ordnung. In seinem Oberstübchen scheint