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Die Träne des Fressers: Weiße Königin
Die Träne des Fressers: Weiße Königin
Die Träne des Fressers: Weiße Königin
eBook672 Seiten9 Stunden

Die Träne des Fressers: Weiße Königin

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Über dieses E-Book

"Auf ihrer Seite stand niemand mehr außer ihm, und auf dem anderen Dach zog die weiße Frau gerade ihre verzierte Klinge mit einem vibrierenden Geräusch durch den letzten zusammenbrechenden Angreifer, obwohl dieser sich offensichtlich gerade kniend ergeben hatte. Mehr als ein Dutzend regungsloser, zerteilter Körper umgaben die...Elfe."
Zensa´ide ist eine unsterbliche Jaidanelfe, die unzählige Schlachten, Siege, aber auch tote
Kameraden gesehen hat und ihr Dasein in der Gesetzlosigkeit fristet, bis sie dem jungen
Menschenmann Spleen begegnet. Völlig überfordert, reißt sie der unerfahrene Knappengehilfe
in ein Abenteuer durch das halbe Universum mit ungeahnten Ausmaßen…
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum15. Dez. 2015
ISBN9783732378074
Die Träne des Fressers: Weiße Königin

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    Buchvorschau

    Die Träne des Fressers - Nathan C. Marus

    Prolog

    Sie spürte das Zittern des Bodens, sah den glühenden, schwankenden Horizont, hörte die Schreie der Panik, die sich zu einer wilden Kakophonie des Grauens vereinigten.

    Die anderen fangen an zu laufen, lassen sie allein.

    Leiber stießen gegen sie, flüchtend in sinnloser Unterschätzung der Gefahr. Nun steht sie einsam auf dem großen Platz. Sie spürte die ansteigende Hitze, die gierig an ihr zu zerren begann. Fasziniert schaute sie zum Himmel. Starke Winde kamen auf und zogen alles, was flog in die kilometerhohe Wand aus Feuer, die auf sie zu zukriechen schien, aber in Wirklichkeit doch raste. Sie hörte das dumpfe Brodeln und Bersten von Stein, das Dampfen von Fleisch und Knochen. Die Hitze wurde unerträglich, doch sie konnte ihren Blick nicht abwenden von dieser tödlichen Schönheit. Es fing an zu schneien. Asche. Es regnete Asche vom sterbenden Himmel. Sie fing sie auf. Auf einmal war er da.

    Ein Mann. Ein Schatten ganz eingeschneit, ganz verstaubt in seinem dunklen Anzug, wie eine Statue. Fremdartige Gewänder.

    Sein Gesicht, seine Augen verborgen unter einer Maske, einem Helm? Die Hitze raubte ihr den Verstand. Der Mann hängt ihr etwas um den Hals. Sie schaut an ihm vorbei und lässt ihn gewähren. Schaut auf das Meer, die Welle aus Feuer. Sie kann sehen wie ein großes Gebäude in den Flammen empor gerissen wird… und verdampft. Ihre Federn fangen an zu qualmen. Sie schreit.

    Der Mann schlägt ihr auf die Brust

    Ich liebe das Licht.

    I

    Spelunken sind Orte voller Philosophie. Sie geben Einblick in die Vielfalt und gleichzeitig Vergänglichkeit des Lebens. Zumindest auf Anaut. Ganz bestimmt auf Anaut.

    Zensa’ide blickte sich im Halbdunkel ihres Exemplars einer Spelunke um. Sie selbst schloss sich in die „Vielfalt" des Lebens mit ein. Vielleicht war sie sogar eines der exotischsten Exemplare vor Ort, abgesehen vielleicht von dem insektoiden Kree, der gerade an der verschrammten Holztheke stand und verzweifelt mit seinen Summ- und Shreek-Lauten versuchte sich dem Zwergenwirt verständlich zu machen. Die meisten waren von seiner Fremdartigkeit verschreckt.

    Zensa’ide war ebenfalls fremdartig, aber nicht unbedingt verschreckend. Mit ihrer schneeweißen Haut und den ebenso farblosen Haaren war sie eindeutig als Nichtmensch - oder weitergedacht-, anhand ihres zarten Körperbaus und ihrer kleinen, spitzen Ohren leicht als Elfe zu identifizieren. Nun …eine Art Elfe. Sie blickte um sich.

    Sie saß allein.

    Das war meist so. Niemand setzte sich auf das zusammengewürfelte Mobiliar in die Nähe einer nicht näher bekannten Rasse ohne die Eigenarten dieser zu kennen. Denn solche Informationen konnten überlebenswichtig sein. Es war ihr gleich. Um sie herum betranken sich Menschen, Orks, Elfen, Zwerge, einige Goblins und mindestens ein Gnom in diesem stinkenden verrauchten Loch. Soviel zur Vielfalt.

    Eine unter dem Nachbartisch hervorschauende Hand, wahrscheinlich mit dazugehörigem Körper, zeugte von der anderen Seite. Soviel zur Vergänglichkeit. Sie nippte an ihrem schmuddeligen Glas, dessen Inhalt in ihr gebundene Gedanken und Gefühle zu lösen versuchte, aber es einfach nicht schaffte. Es schmeckte widerlich, was auch immer es war und jeder Schluck schmerzte. Es war genau richtig.

    Ihre „Freunde" Orghul und Orja hatte sie unter dem Tisch verkeilt, damit sie nicht gleich auffielen…nur für den Fall. Sie wurde selten gestört, wenn sie eine aufflammende Sehnsucht nach Gesellschaft im Schmutz des atmenden Abschaums von Anaut abtöten musste. Mit ihren schmalen Fingern fuhr sie am Knauf des Schwertes Orja unter dem Tisch entlang und schwenkte gleichzeitig ihr Glas. Der wackelige Holztisch war übersät mit Botschaften gewollter oder ungewollter Natur. Eine davon lautete von diesem Ort zu verschwinden. Was diesem Ort wirklich fehlte, war ein Barde. Der Letzte hatte es nicht lange gemacht. Das war traurig…nein, es war ihr doch eher egal.

    In ihrem Geist formte sich ein Lied…von früher…es war so lange her …sie hatte es auf ihrer Seele liegen, aber es konnte nicht klar genug werden, um zu einem konkreten Ereignis ihrer Vergangenheit zu werden. Sie hatte nur die Erinnerung an das Gefühl des Liedes…das absolut nicht zu diesem Ort passte.

    Ein betäubender Duft verdrängte plötzlich den gewohnten Geruch nach „Unterhaltung" und Worte aus einem wohl geformten, männlichen Mund übertönten den Lärm.

    >> Eine schöne Frau…auf jeden Fall!<<

    Diese Worte waren an sie gerichtet.

    Nach den Maßstäben der Menschen mochte auch er ein gutaussehender Mann sein, der da vor ihr stand. Mit einem langen Blick, der nicht verriet, ob sie Interesse hätte oder nicht, musterte sie den Menschen. Ihr Gegenüber schien sich nicht um die ungeschriebenen Gesetze dieses Ortes zu kümmern. Er schnappte sich ohne eine Antwort abzuwarten den klapprigen Stuhl neben ihr, um sich so zu setzen, dass er ihr genau gegenüber saß. Mit dem Blick eines Jägers tasteten seine Augen undefinierbarer Farbe ihren Körper genau ab, um dann wieder ihr Gesicht intensiv zu studieren. Sie hatte das Gefühl, dass er sie mit jemand anders verglich und begann selbst erneut damit den Tisch zu mustern. Er strich sich eine Strähne seiner längeren blonden Haare hinter ein Ohr. Eine fast feminine Geste, die aber zu seiner feinen langen Kleidung passte. Er überlegte ein paar Sekunden und schien mehrfach zum Sprechen anzusetzen, als er sich entschlossen hatte:

    >> Ich würde jetzt normalerweise so dumme Sachen sagen wie „Was tut solch eine Schönheit wie ihr hier an solch einem Ort?", aber dieser Satz würde Euch in keinster Weise gerecht werden. Also lass ich es und komme direkt zum Punkt.<<

    Er vollführte eine sich empfehlende Geste und sprach weiter:

    >> Ihr habt mich absolut verwirrt und ich weiß eigentlich gar nicht mehr genau was ich will, aber für den Anfang würde es mir reichen… Euch zu besitzen.<<

    Sie schaute langsam und ausdruckslos auf.

    Gewinnend erwiderte er ihren verheissungsfreien Blick. Zensa’ide erhielt ihren nichts sagenden Gesichtsausdruck aufrecht. Er lächelte immer noch zuversichtlich zurück. Wie oft hatte sie schon solch Abschaum loswerden müssen. Menschen waren die Schlimmsten. Sie verwechselten sie mit den dünnblütigen Sivelfen.

    Eine exotische Hure. Dafür hielten sie sie. Der Gedanke mit einer Käuflichen verwechselt zu werden, störte sie nicht so sehr wie dieses sich ewig wiederholende Ereignis und sein sich wiederholendes Ende. Langsam nahm sie ihr Glas auf, prostete ihm zu, aber schüttete dann den Inhalt wie in Trance auf den Fußboden, stellte es wieder zurück und begann zu sprechen.

    >> Gut!<<

    Seine Miene erhellte sich hoffnungsvoll trotz ihrer merkwürdigen Geste, die er für Trunkenheit hielt. Sie sprach weiter zu ihm.

    >> Dann nehmt mich…aber…<< Und die weiße Elfe hielt inne. >> …bedenkt dass kein Menschenmann eine elfische Frau wirklich befriedigen kann. Wenn Euer Ego mit so einer Erniedrigung weiter existieren kann oder Ihr nicht schon bei der ersten Berührung Eure Fruchtbarkeit verschleudert, dann sollt Ihr wahre Glückseligkeit erfahren.<<

    >> Berührt mich!<<

    Der gutgekleidete Fremdling erwiderte selbstbewusst lächelnd und schulterzuckend ihre Worte. Sie lächelte jedoch nicht zurück. Einen Augenblick wurde die lebhafte, zwielichtige Atmosphäre der Spelunke durchbrochen…

    …schallend hallte die Ohrfeige durch den Raum.

    Zensa’ide lockerte ihr Handgelenk, lehnte sich langsam wieder zurück und betrachtete erneut desinteressiert die Tischoberfläche während sie sprach.

    >> Ihr batet mich darum. Erst stumm, dann ganz unverhohlen.<< Sie hatte ihre Stimme im Gegensatz zu ihrer Hand nicht erhoben und der Fremdling, obwohl sich ihre Finger auf seinem Gesicht abzeichneten, schien nicht sehr beeindruckt. Er runzelte nur heiter die Stirn. Seine Iris changierte als er ruhig, fast zärtlich, sprach

    >> Du ziehst die Liebe auf elfische Weise vor?<<

    Endlich lächelte er nicht mehr und fuhr nun wütend fort:

    >> Ich hoffe, du kennst die Liebespraktiken der Dunkelelfen!<<

    Mit diesen Worten holte er aus und schlug zu. Blut füllte ihren Mund, als ihr Kopf zurückschnellte und sie durch die Wucht des Schlages vom Stuhl fiel. Als er langsam aufstand und den Stuhl beiseite stieß, ließ er ihr Zeit seine Tat als Information zu verarbeiten. Zensa’ide lag mit einer Hand aufgestützt auf dem unebenen schmutzigen Steinboden. Sie war nicht erstaunt, sondern nahm nur sein Angebot an und spuckte den dunkelroten Schluck in ihre offene weiße Hand. Wie lange hatte sie nicht mehr ihr eigenes Blut gesehen? Offensichtlich war sie doch noch am Leben. Ausdruckslos schaute sie auf das Rubinrinnsal, als sein Tritt ihren Magen so heftig traf, dass sie ihre Wirbelsäule knacken hörte als ihr Körper die Wand traf. Schmerzen rasten durch ihren Körper und lösten Krämpfe in ihr aus. Sofort trat er ihr mit einem harten Klatschen gegen die Schläfe, aber dieser Umstand wollte sie nicht mit süßer Bewusstlosigkeit segnen, sondern ihr stattdessen nur die Sicht mit ihrem eigenen Blut trüben.

    Sein übertriebenes Lachen war unüberhörbar und übertönte das Raunen und Johlen der Schaulustigen. Der Mob hatte sich schnell gebildet und trotz seiner Unterschiedlichkeit, teilten sie alle eine Vorliebe für Grausamkeiten. Die geifernden Gesichter verschmolzen im trüben Licht der Kneipe zu einem unpersönlichen Klumpen Hässlichkeit der nach Gewalt gierte, um nur einen Augenblick die eigene Bedeutungslosigkeit zu vergessen. Als führe er die Gruppe an, baute sich ihr Peiniger vor ihr auf. Er war ein wenig atemlos, aber hatte nur Augen für sie. Die tobende Menge hinter sich, der Bierkrug der knapp an ihm vorbeiflog, das nahm er alles gar nicht wahr. Stöhnend blickte sie zu ihm auf, als er sprach.

    >> Ich hoffe das Vorspiel gefällt dir.<<

    Wieder trat er unvermittelt zu. Dabei verzerrte sich sein Gesicht, wie ein Sommergewitter, vom blauen Himmel innerhalb einer Sekunde zu einer Sturmmiene. Er trat ihr in die Nieren, in den Magen, gegen die Stirn. Nach den ersten Tritten, die sie mehr oder minder wehrlos gemacht hatten, holte er kurz Luft und lachte erneut als ob sie beide sehr viel Spaß zusammen hätten.

    Lachte ihr ermunternd zu.

    Dann bewölkte sich sein Antlitz wieder und seine Stiefel bearbeiteten sie weiter. Sie spürte es nicht mehr, aber sie hörte ihn nun in einer beschmutzenden Geilheit lachen, die mehr schmerzte als seine Tritte. Wahrscheinlich dauerte das Ganze nicht lange, aber in diesem Moment der Agonie verlor die Zeit an Substanz. Die Wucht der Gewalt, so kam es ihr vor, schien nicht sie, sondern einen anderen Körper zu treffen. Schließlich ließ er von ihr ab, aber sie verspürte keine Erleichterung. Sie lag bäuchlings mit verdrehten Gliedern, den Kopf auf der Seite. Seine Stiefel hatten wunderschöne Blumenschnallen, die sie fixierte, bevor er sie an ihrer Kleidung abwischte und sein Abschied war so glatt wie sein Gruß.

    >> Fürs erste Mal war das nicht schlecht. Ich hoffe für dich war es genauso gut.<<

    Sie lag am Boden mit dem Gesicht nach unten und war nur noch der Schatten der Schönheit, der sie noch vor wenigen Momenten gewesen sein mochte, dennoch war sie in der Lage zu sprechen.

    >> Tut mir leid.<<

    Ihre Stimme zitterte, doch sie sprach ohne Zorn oder Trotz.

    >> Es war genauso enttäuschend …wie ich es… erwartet hatte. Wärt Ihr ein echter Mann, dann …wäre ich …jetzt tot.<<

    Seine Stiefel tauchten wieder neben ihr auf, verharrten zögernd auf dem gerissenen Steinboden. Er trat ein letztes Mal zögernd in ihren Unterleib und wandte sich dann ab. Ihr wurde schlecht, ihr Bewusstsein schwand und sie erwartete nur noch seine sich entfernenden Schritte zu hören. Sie spürte bereits die Hände der aasfressenden Gelegenheitsdiebe, als sie meinte ein herzzerreißendes Weinen zu hören, dass von ihrem Angreifer stammt. Es erstaunte sie nur kurz, denn Dunkelheit umfing sie. Endlich!

    Spelunken….

    Ja, …soviel zur Vergänglichkeit…

    Sie wachte auf…und bereute es, die Ohnmacht verlassen zu haben. Schmerzen durchzuckten jeden Teil ihres Körpers.

    Anscheinend war sie jedoch nicht lange ohnmächtig gewesen und nur achtlos im Schankraum zur Seite geschoben worden, nachdem sie offensichtlich nach Habseligkeiten durchsucht worden war. Sie bekam ihre blutverklebten Augen nicht gleich auf und fühlte sich unheimlich steif. Sie spuckte etwas Dreck und Blut aus und versuchte langsam sich zu bewegen und wieder aufzurichten. Nach und nach, zögerlich nur, bewegte sie ihre Arme und ihren Oberkörper, ungläubig, dass nichts gebrochen war. Ein knirschendes Geräusch ihrer Schulter ließ sie ächzen. Der Laden war noch immer gut besucht, aber niemand schenkte ihr Beachtung, höchstens amüsiertes Interesse. Ihre Beine waren durch einen Druck belastet.

    Wenigstens spürte sie sie noch.

    Ein Blick an ihr herab, zeigte ihr, dass ein schielender Gnom der Grund für den Druck darstellte. Das kleine Monster hatte sie in ihrer Ohnmacht als Sitzgelegenheit benutzt. Benommen trat sie unkontrolliert nach dem Mistvieh und es sprang kreischend von ihr weg in das laute Gewusel der Kneipe. Stöhnend richtete sie sich aus dem Dreck und dem Blut auf. Sie hatte schon schlechter geschlafen. Ihr Kiefer war in Ordnung. Sie schob ihn hin und her. Der halbangetrockneten Blutlache nach zu urteilen, in der sie gelegen hatte, musste sie furchtbar aussehen, aber das war nicht so schlimm. Sie grinste und lehnte sich an die verrußte Wand.

    Immerhin würde dann nicht noch irgendein kranker Mensch versuchen einen Paarungsakt mit ihr zu vollziehen. Ächzend wie eine alte Frau brachte sie ihre Beine in einen Schneidersitz und schüttelte sich.

    Was war passiert?

    Er hatte sie überrascht.

    Hatte er das wirklich?

    Sie rollte mit den Augen hin und her. Ihr Gesicht juckte geschwollen unter dem Schorf, der sich bereits gebildet hatte. Die Wand hinter ihr war eine gute Stütze, um sich zum Stehen zu bringen. Blutige Spuren zierten die Mauer, als sie sich völlig aufgerichtet hatte. Sie überkam kurz das Gefühl sich übergeben zu müssen, aber das verschwand genauso schnell wie ihre getrübte Sicht. Sie befühlte ihre Gliedmaßen erneut. Es war wirklich nichts gebrochen.

    Der Kerl war wirklich ein Schlappschwanz.

    Was hatte sie doch für ein Glück. Ein ironisch blutig rotes Lächeln huschte erneut über ihre gesprungenen Lippen. Es hatte nicht einmal jemand versucht sie in ihrer Ohnmacht als Gelegenheitshappen oder Einkommensaufbesserung mitzunehmen. Sie hielt sich an der der Wand fest und riss dabei klappernd das Geweih irgendeines Tieres herunter. Einige der Gäste in ihrer Nähe betrachteten sie daraufhin interessiert, der schmierige Wirt schrie gestikulierend in ihre Richtung aber keiner bot ihr Hilfe an. Sie hätte es genauso gemacht und war froh darüber jetzt nicht auch noch eine geheuchelte Mitleidsbekundung ertragen zu müssen.

    Als sie wieder stand und sicher war, dass Sie laufen könnte, hinkte sie zu ihrem Tisch.

    Doch …dieser war nun besetzt.

    Ein Haufen zwielichtiger Paria hatte sich während ihrer Ohnmacht an ihren Platz gesetzt. Menschenähnliche Scheusale mit einem zusätzlichen Fingergelenk und spitzen Zähnen, aber auch feige wie die Nacht vor dem Tagesanbruch. Die Gruppe bestand ihrer Aufmachung nach aus Schmugglern und Dirnen derselben Rasse. In ihrer derzeitigen Lage würde sie genau in das Beuteschema eines Parias passen. Sie dachte nach, während sie von neugierigen Augenpaaren begleitet weiterhüpfte und fast über eine Bodenerhebung des natürlichen Felsbodens gestolpert wäre. Ein etwas aufdringlicher Elf mit nur einer Hand wollte ihr scheinbar helfen, aber sie stieß ihn unter dem Johlen seiner Begleiter ungehalten zur Seite

    Es sollte eigentlich genügen den Tisch und somit ihre Instrumente zu erreichen. Die Gruppe schien irgendetwas zu feiern. Die durchaus jungen Männer waren mit ihren überlangen Fingern gerade dabei, die Freudenmädchen zu untersuchen, wobei diese ihrer Bezeichnung entsprechend kreischten. Sie näherte sich ihrem ehemaligen Sitzplatz und wurde dort durch ein grell geschminktes, dralles Pariaweibchen der Ansammlung erst spät bemerkt. Die Runde verstummte abrupt und richtete ihre Aufmerksamkeit angewidert auf sie. Zensa’ide hielt etwas unsicher auf den Beinen inne und brabbelte unverständlich.

    >> Entschuldigung, aber ihr sitzt da auf meinem Platz!<<

    Der älteste der Paria runzelte verständnislos sein pockenvernarbte Stirn und entgegnete ihr:

    >> Und?<<

    Zensa’ide war ihre Erscheinung nicht wirklich peinlich. Sie fühlte sich aber einfach schlecht und zuckte mit den Schultern.

    >> Es ist ja nur so…<< vor ihren Augen tanzten Sterne.

    >>…ich habe hier noch etwas vergessen.<<

    Der Paria schaute sie immer noch an als ob sie ein dreiköpfiger Oruboro wäre. Er ließ seine schwieligen Hände knacken und sah sich übertrieben hastig um, dass seine langen Ohrringe wackelten und die anderen Paria taten es ihm belustigt nach. Eine der Huren imitierte ihren Gesichtsausdruck. Der ergrauende Wortführer sprach schließlich wieder mit verrauchter Stimme:

    >> Ich sehe hier aber nichts, was du verloren haben könntest oder hast du dir deinen Stuhl von zu Hause mitgebracht.<<

    Die Runde brach in Gelächter aus, aber der Paria setzte noch einen oben drauf.

    >> Mir scheint das einzige, was du hier verloren haben könntest, ist dein Verstand und der kann nicht allzu groß gewesen sein, wenn er sich so leicht übersehen lässt.<<

    Nun gab es kein Halten mehr. Die Handvoll Paria schüttete sich vor Lachen und der Anführer schaute mit seinem vernarbten Gesicht aufmunternd und amüsiert zu seinen Begleitern. Zensa’ide nutzte diesen Anflug von „Humor" aus, um noch einen gewagten Schritt in Richtung des Tisches zu machen. Dieser Annäherungsversuch blieb nicht unbemerkt und das Lachen verstummte. Die Paria sahen sie an wie ein Stück Beute. Das übertrieben geschminkte Weibchen, das sie zuerst bemerkt hatte, kreischte sie an.

    >> Du Drecksstück! Verschwinde! Du machst mir nur die Kundschaft streitig!<<

    Zensa’ide beachtete sie nicht weiter, sondern nahm ihr Gesicht in eine Hand und drückte sie mit Schwung hinten über. Die Paria fiel mit ihrem Stuhl und einem erstaunten Gesichtsausdruck auf ihren Rücken, wobei sie alle Gliedmaßen von sich streckte.

    Die Gruppe am Tisch deutete diese Geste als Signal für einen Angriff und sprang auf. Das Geräusch von Stahl, der aus der Scheide gezogen wurde, umgab Zensa’ide. Mit geschwollenem Gesicht nickte sie nur wissend und betrachtete die armseligen Messer ihrer Gegner, um blitzschnell unter den Tisch zu greifen, um ihre beiden Instrumente an sich zu bringen und griff…ins Leere.

    Nein! Das durfte nicht wahr sein.

    Ihre Augen weiteten sich. Sie richtete sich auf und schaute sich suchend um. Die Paria um sie herum starrten sie immer noch grimmig an, aber verharrten bedrohlich und etwas verwirrt, weil sie scheinbar ignoriert wurden. Die Hure rappelte sich gerade wieder auf und versuchte schimpfend ihre Frisur zu richten. In Erwartung einer erneuten Auseinandersetzung wurde es still. Gierig nach Blut wurden sie erneut von den unbeteiligten Gästen angeglotzt. Pocke, so hatte Zensa’ide den Anführer in Gedanken benannt, wandte sich ihr genervt zu. Wein tropfte von seinem Kinn. Er war etwas zu hastig aufgesprungen.

    >> Du solltest mehr Respekt zeigen. Aber ich sehe schon, dass Du keine von diesen liederlichen Sivelfen bist, sondern zu den arroganten, älteren Rassen gehörst.<<

    Er versuchte ihre Augen auf sich zu lenken, aber sie blickte sich immer noch suchend im Raum um. Beharrlich sprach er in die entstandene Stille hinein.

    >> Es gibt ein Sprichwort: „Der Tod eines Elfen beginnt mit gebrochenem Stolz." Wir sollten prüfen, ob das wahr ist.<<

    Sein Blick wanderte zu einem seiner Spießgesellen, der fast hinter Zensa’ide stand.

    Dieser zog siegessicher seinen Ledergürtel am Wanst etwas höher und griff sie mit seinem Messer an, das wohl gut sein mochte, um Gemüse zu schneiden. Sie ging einfach einen Schritt zur Seite, sodass der Angreifer an ihr vorbeiglitt. Zusätzlich gab sie ihm aber noch einen kleinen Schubs, dass er sein Gleichgewicht verlor und beinahe einen sehr hageren, schlecht rasierten Pariagefährten verletzt hätte.

    Sie schien geistesabwesend und schwer verletzt zu sein und genau aus diesem Grund hatte Pocke sie auch unterschätzt

    Sie drehte sich zum Sprecher des Packs um und nahm die Geschwindigkeit aus der übereilten Entwicklung. Noch ein Kampf würde ihr heute nicht gut tun. Sie kam ihm damit entgegen, die kleine Vorstellung hatte ihn verunsichert und die Aussicht auf eine echte Auseinandersetzung hatte die bunte Gruppe nicht in dieses Loch getrieben. Also gab sie ihm die Möglichkeit, fast ohne Gesichtsverlust vor seinen Leuten aus der Sache zu entkommen.

    >> Wenn es danach geht, bin ich gestorben, als ich begann mit Euch ein Wort zu wechseln und nun entschuldigt mich.<<

    Sie schaute sich noch einmal um.

    >> Anscheinend hab ich doch nichts hier verloren.<<

    Der Paria bleckte seine spitzen Zähne machte dann aber eine herab- und entlassende Handbewegung und richtete seinen Stuhl auf. Brummelnd steckten die Paria ihre Waffen weg, aber die Damen kümmerten sich sofort um ihre „Helden" wie Zensa’ide noch vernehmen konnte. In ihr zog sich immer noch alles zusammen. Ihre Schwerter?!

    Zensa’ide entfernte sich hastig, während sie sich umschaute. Die Anwesenden grummelten enttäuscht über den ausgefallenen Kampf und verfielen wieder in ihren Amüsement-trott, aber sie hatte wirklich andere Probleme als den Blutdurst der stumpfen Menge zu befriedigen oder…noch mehr zu befriedigen. Sie war im Moment nicht in der Verfassung. Sie verließ die Sicherheit des „Etablissements" durch die knorrige Holztür in die Kühle der Nacht und begab sich auf die durchlöcherten Straßen Anauts.

    Es war eine dieser kälteren Nächte mit wundervollen Sternen, die mit einer Schönheit auf diese Welt herabblickten, welche diese Welt nicht verdient hatte. Im Restlicht der Kneipe konnte sie ihren Atem sehen. Zensa’ide riss ihren Blick von den paralysierenden Lichtpunkten und humpelte von der unsicheren hellen Straßenmitte in die Schatten der heruntergekommenen Häuser. Ja…Anaut war eine Welt, die sicher und unsicher zugleich war. Jemand, der sich verstecken musste, war hier meist gut aufgehoben vor seinen Verfolgern, manchmal sogar vor seinen Erinnerungen. Allerdings stellte Anaut an sich eine eigenständige Bedrohung dar, denn hier herrschten Anarchie, Banden und Warlords.

    Der Weltenbund hatte sich verändert.

    Anaut war nur ein weiteres Opfer der großen Sphärenkriege.

    Eines von vielen.

    Anaut war Teil des Weltenbundes, der alle Sphären oder Welten durch das Netz der künstlichen oder natürlichen magischen Sprungtore miteinander verband. Die Sphärenkriege hatten dieses Gefüge vor mehreren Jahrhunderten empfindlich erschüttert. Es war eine Zeit des Wahnsinns, damals gingen viele Welten für immer verloren. Tore wurde gesprengt, um Feinde aufzuhalten oder in üble Todesfallen verwandelt. Selbst nach dieser langen Zeit fand man auf nahezu allen Welten noch Überbleibsel des Konflikts und jede Welt hatte sein eigenes Kapitel in der Geschichte der Sphärenkriege zu erzählen.

    Diese Welt, ursprünglich gesegnet mit großen Reichtümern, gewaltigem magischen Potential und vielen festen Toren zu anderen Welten, wechselte damals als strategisch wichtiger Punkt der Kriege so oft den Besitzer, dass heute niemand mehr wusste, wer diese Welt ursprünglich besiedelt hatte. Mal hielt die eine Seite Anaut für ein paar Jahre dann wiederum kam ein neuer Usurpator, brannte alles nieder, erbaute neu, nur um selber wieder ausgelöscht zu werden. Das Ganze endete abrupt, als Anaut begann instabil zu werden.

    Ja, instabil…

    Natürliche Tore öffneten sich nun aus dem Nichts und nahmen in einem gewaltigen Sog ganze Landstriche mit ihren Einwohnern in sich auf. Danach zeigte keine Seite in dem Krieg noch Interesse an dieser Welt. Hierzulande sprach man dann von einer Anomalie oder auf der Straße von einem „Fraßgewitter". Heute war diese Sphäre ein Moloch, ein Refugium für Mörder, Flüchtlinge, Abschaum und Abenteurer. Es galt das Gesetz des Stärkeren. Piraten und Schmuggler nutzten Anaut als Basis für ihre Geschäfte. In den zahlreichen Ruinen gab es Unterschlupf und Platz für alle Arten von Kriminellen und einen gewaltigen Schwarzmarkt. Nun eigentlich war es ja kein Schwarzmarkt, er bot einem alles, was man suchte, wenn man Beziehungen hatte.

    Zaglis war eine ziemlich normale Stadt auf dem zentralen Superkontinent dieser Welt. Ein ehemaliger Außenposten, die Götter wissen, welche von ihnen verdammte Rasse Zaglis errichtet hat. Jedenfalls war sie eine der größten „Städte hier auf Anaut. Der Kern der Siedlung mochte gut hunderttausend intelligente Wesen aller Arten beherbergen, dann kam der Ruinengürtel und schließlich der „Dschungel, wie die Einwohner den Teil der Stadt nannten, den sich die Natur zurückgeholt hatte. Zensa’ide gehörte zu dieser Welt, zu dieser Stadt und ihrem Abschaum. Sie war ihr gewähltes Zuhause und genau aus diesem Grund sollte sie es eigentlich besser wissen, so unaufmerksam zu sein und ihre Instrumente so aus den Augen zu lassen.

    Dummer Neuankömmling. So hatte sie sich benommen. Sie warf sich gegen die nächste Wand. Verzweiflung begann ihr Herz zu beschweren. Sie hätte alles verlieren können, aber doch nicht ihre Waffen…Orja! Ihr Orghul, ihre Waffe, ihr Nilatir!

    Ein Zittern durchlief ihren Körper, das nicht der Kälte oder ihrem angeschlagenen Zustand zugeschrieben werden konnte. Sie presste ihre Hände vor ihr Gesicht und wollte einfach so verharren, vielleicht bis zum nächsten Sphärenkrieg oder Fraßgewitter. Aber trotz der Hände vor ihren Augen hatte sie plötzlich das Gefühl, dass es fühlbar dunkler geworden war. Sie nahm die Hände herunter und schaute sich erschrocken um. Im Augenwinkel nahm sie Bewegung wahr. Ein Stück schwarzer Masse, war das Haar(?), verschwand auf dem Boden in einem Winkel neben dem heruntergekommenen Gebäude, das sie nun anstarrte.

    Vorsichtig stand sie auf. Etwas hatte sie berührt. Innerlich.

    Alles in ihr warnte sie, näher auf die schwarze Ecke zuzugehen und trotzdem zog sie, der nach Pisse stinkende Winkel geradezu hypnotisch an. Es klirrte metallisch vor ihr in der Dunkelheit. Hoffnung flammte in ihr auf. Es schien schlagartig wieder heller zu werden. Vorsichtig schlich sie näher heran und spähte in das Halbdunkel der Straße. Sie versuchte die Geräuschkulisse aus der Schenke zu ignorieren und lauschte.

    Da war jemand.

    Trübes Licht brach sich in spiegelndem Metall und ein Lumpenbündel bückte sich huschend und hustend vor ihr um einen länglichen Gegenstand aufzusammeln. Zensa’ide nahm ohne zu zögern Anlauf. Sie hörte wie dem Dieb erschrocken der rasselnde Atem stockte, dann rutschte sie auf irgendetwas Weichem überrascht aus, aber riss den Mann gerade noch, eher zufällig, fluchend von den Füssen. Noch immer machten ihr die Schmerzen von ihrer unglücklichen Begegnung mit dem sadistischen Menschen zu schaffen und ein paar zusätzliche Sterne schienen sich gerade in den Reigen ihrer Brüder und Schwestern am Himmel einzureihen. Der Bettler, der offensichtlich im Besitz ihrer kostbaren Waffen war, schien sich auch ohne Schläge in einem ähnlichen Zustand wie sie zu befinden. Auch er hatte beträchtliche Mühe aufzustehen und wie zwei altersschwache Krüppel im volltrunkenen Zustand mühten sie sich in einem beschämenden Wettstreit ab. Dann fasste Zensa’ide sich. Sie rollte zur Seite und gab dem gebückten Wesen einen schmerzhaften Tritt, woraufhin dieses seine Glieder von sich gestreckt endgültig vor ihr bäuchlings auf der Straße liegen blieb. Dabei interessierte sie sich nur für das entstehende scheppernde Geräusch unter dem Lumpenbündel und nicht dessen unglückliche Landung. Hastig stand sie auf. Sie spürte die Nähe ihrer Waffen. Sie waren so nah! Ein erneutes Zittern lief durch ihren schlanken Körper Das stinkende Etwas hatte ein lähmender Hustenanfall gepackt, der Stücke auf den Boden regnen ließ. Unbeeindruckt und lieblos drehte sie den armseligen Gauner mit dem Fuß um, wie einen toten Hund.

    Ein halbes Gesicht kam zum Vorschein, die andere Hälfte hatte irgendein Krieg als Tribut behalten. Der entstellte Alte hob wimmernd seine Hände über den Kopf als er mehr Hiebe erwartete. Sie aber schaute auf ihn herab und nahm ohne ihn weiter zu beachten die beiden Scheiden auf.

    Hastig befreite sie die Waffen von stinkenden Stoffresten und warf einen prüfenden Blick darauf. Aus der einen Scheide lugte ein mit Lilienornamenten und grünen Steinen verzierter Griff hervor. Es war Orja, die Königliche! Der andere Griff war nur mit einem einfachen Lederband umwickelt. Orghul, die Trauer!

    Es waren ihre Waffen.

    Ein Stein fiel ihr vom Herzen und kniend küsste sie das stinkende Leder des einen Griffes und wandte ihre Aufmerksamkeit dann etwas weniger emotional der edleren Klinge der beiden zu. Im Zwielicht betrachte sie eingehend den verzierten Griff Orjas, ob diesem auch kein Stein fehlte. Der Alte zog sich währenddessen wimmernd aus ihrem Aktionsradius zurück. Gut, dass er ihren blutüberströmten Anblick nur halb sehen konnte, ansonsten wäre er wahrscheinlich noch ängstlicher gewesen, dachte sie bei sich. Sie hegte keinen Groll gegen den Mann. Jeder musste hier sehen wie er klar kam.

    Wahrscheinlich hätte sie in seiner Situation ebenso gehandelt. Vielleicht hatte er woanders mehr Glück. Kurz überlegte sie seinem Elend ein gnädiges Ende zu setzen, entschied sich aber dagegen. Sie stand auf und band sich die beiden Waffen erleichtert über ihr schlichtes graues Oberteil auf den Rücken. Dann schaute sie sich ein letztes Mal um. Der Bettler war verschwunden. Zensa’ide war kurz irritiert, was war das für eine Dunkelheit? Was hatte sie dort gesehen? Kopfschüttelnd verwarf sie diese Gedanken und spürte erneut den ziehenden Schmerz ihrer Prellungen. Es war Zeit, schlafen zu gehen. Der Tag hatte sich dahingeschleppt, um in diesem Desaster zu enden. Wahrscheinlich hatte sie es hinaufbeschworen. Zu lange schon verweilte sie in Rastlosigkeit.

    War ihr Überleben nicht mehr genug …oder zu viel?

    Sie humpelte über das grobe Straßenpflaster voller Löcher und Krater wieder auf die Hauptstraße. Ihr tat immer noch alles weh. Später würde sie sich gründlicher untersuchen müssen. Passanten wichen ihr erschrocken aus und tuschelten im Halbdunkel als sie an ihnen durch die Ruinenstadt von Zaglis vorbeiging.

    Das knisternde Donnern einer Anomalie riss sie aus ihrem schmerzgeplagtem Schlaf. Mühsam drehte sie das angeschwollene Gesicht zu der schmalen Öffnung in der starken Steinwand. Ein Lichtstrahl brach durch die schmale Schießscharte und ließ langsam fliegenden Staub hell aufglühen. Ihr Blick durch dieses schmale „Fenster" erhaschte gerade noch das letzte unnatürlich-bläuliche Glühen des Horizonts vor den erwachenden Strahlen der Sonne. Der fauchende Blitz war zum Glück wieder verschwunden ohne Teile dieser Welt mit sich zu reißen. Verdammte Fraßgewitter!

    Sie stand mit einem Ächzen von ihrem Lager aus Stroh und einer alten Decke auf und eilte nackt die knarzende Holztreppe zum Dach ihres maroden und leicht schiefen Turmes hinauf. Auf ihrem weißen, biegsamen Körper zeichneten sich dunkle Male ab, die ihre Verletzungen kennzeichneten. Von den Zinnen aus altem, moosbewachsenen Stein hatte man einen fantastischen Blick über das erwachende Elend der Stadt. Zahllose Rauchsäulen in den Gassen der behelfsmäßig geflickten Häuser kündeten von Vorbereitungen für ein vielleicht ärmliches Frühstück. In den Straßenschluchten der teilweise noch immer imposanten Gebäude hallten das Kläffen von Hunden und das Geschrei der Straßenkinder wider. Mit gleicher Intensität nahm man auch noch leicht den unangenehmen Gestank der Umgebung wahr.

    Fäkalien, Blut, Leben.

    Zaglis lag wie ein brauner Haufen Dung in der sonst grünen Landschaft Anauts und schien nur auf Zensa’ide zu warten. Sie atmete einmal tief ein und wandte sich von der zerschundenen Stadt ab und ihren eigenen Wunden zu. Hier oben auf dem etwas unsicher erscheinenden Holzdach hatte sie immer ein paar Gefäße stehen, die das Regenwasser auffingen, da das Wasser an den Brunnen teuer verkauft wurde. Mit einem rostbraunem starren Stück Stoff, das sie in das kalte Wasser einer verbeulten Kupferwanne tauchte, begann sie das getrocknete Blut vorsichtig abzuwaschen. Sie biss die Zähne zusammen. Alles war verkrustet und angetrocknet.

    Gestern Nacht hatte sie einfach nicht mehr die Kraft dazu gehabt. Auch wenn es wahrscheinlich klüger gewesen wäre, die Wunden gleich zu reinigen. Streitende Stimmen hallten durch die Gasse unter ihr, dann das schartige Geräusch von Metall auf Metall, ein kurzer Schmerzensschrei und wieder das gewohnte Atmen der Stadt am Morgen. Sie lauschte kurz, um dann gnadenlos an sich weiterzuschrubben.

    Was wollten die Leute bloß noch alle hier?

    Ihr Zuhause, der alte, bewachsene Turm, der wohl mal zu einer überwundenen Wehranlage gehört hat, erschien den meisten aufgrund seiner Schräglage zum Glück als so baufällig, dass sie hier ihre Ruhe hatte. Vielleicht war es aber auch einfach ihr Ruf, ihre „Souvenirs" oder die dicke Eichentür im Erdgeschoss.

    Sie biss ihre Zähne zusammen.

    Das Reinigen der Wunden brannte ein wenig, aber mit jedem Eintauchen des Lappens in die Wanne färbte sich das Wasser ein wenig dunkler. Sie hoffte, dass sie dafür wieder ein bisschen heller werden würde. Schnell wurde sie durch diese schmerzhafte Reinigung munter und klar im Kopf. Ärger über sich selbst kam in ihr auf, da sie durch ihre eigene Schuld ihr ganzes Geld verloren hatte. Was war bloß los mit ihr? Ein paar Spatzen setzten sich zwitschernd auf eine Zinne neben sie und fraßen gierig ein paar unvorsichtige Käfer.

    Das bedeutete, dass Sie wieder auf Raubzug in die Gebiete der angrenzenden Banden ziehen musste. Sie selbst residierte hier im Gebiet der „Roten Ehre, deren Symbol ein krickeliges rotes „X an den Wänden der Gebäude darstellte. Die kontrollierenden Banden lebten von Schutzgeldern und willkürlichen Zöllen, die sie von Passanten forderten, was eine normale Bewegung auf den Straßen zwischen den Revieren beinahe zum Erliegen brachte…aber auch gleichzeitig so etwas wie das letze bisschen an Ordnung darstellte. Ständig suchten Reisende Umwege über Dächer und „Geheimwege", ja es gab sogar Führer, die einen zollfreien Weg versprachen, aber meist doch nur zu irgendeiner Bande gehörten und Unerfahrene in Fallen führten. Anaut war unersättlich. Es verschlang Unmengen an Wesen des Weltenbundes und immer wieder kam neues Futter aus anderen Sphären hierher. Die vielen unkontrollierten Tore, natürlicher oder künstlicher Art, versprachen außerdem Zeitersparnis oder eben zollfreien Handel.

    Was wollten die Leute bloß hier?

    Erneut stellte sie sich die Frage. Sie betrachtete ihren Körper und ihr tropfendes Gesicht im Wasser und hielt nachdenklich inne. Mit einem Finger berührte sie die Spiegelung ihres etwas abgeschwollenen Gesichts. Es verschwamm in den Kreisen des Wassers. Sie schüttelte langsam den schmalen Kopf. Die Reinigung der Wunden war fast abgeschlossen. Der Heilprozess würde viel länger dauern, wenn sie sich nicht darum gekümmert hätte. Nun konnten die Wunden richtig geschlossen werden. Ein Schauer der Kälte lief ihr über den Rücken. Der Wind hier oben war unangenehm, aber verglichen mit den Temperaturverhältnissen ihrer Heimatwelt war es geradezu warm.

    Sie verdrängte den Gedanken.

    Es gab Wichtigeres zu tun. Sie würde sich mit der „Roten Ehre darüber unterhalten müssen in welchem Gebiet reiche Beute zu erwarten war. Die „Rote Ehre war eine Bande von Kobolden mit der sich niemand gern anlegte. Sie galten als verschlagen und unberechenbar und man durfte sie nur wegen ihres lächerlichen Aussehens oder geringen Größe nicht unterschätzen. Zwischen ihr und diesen Halsabschneidern bestand jedoch ein Abkommen:

    Von ihren unternommenen Beutezügen in die Gebiete der angrenzenden Konkurrenten der „Roten Ehre" zahlte sie einen Anteil an die inzestuösen Kobolde. Dafür durfte sie von der Bande unbehelligt in ihrem Gebiet leben. Diese Halsabschneider hatten zwar schon mehrfach versucht, das Abkommen zu ihren Gunsten zu brechen, aber die Kosten überstiegen jedes Mal ihren Nutzen wie die angenagelten Koboldhände über ihrer Tür bewiesen.

    Sie legte den ersten Ring um ihren Hals. Er rastete ein und das juckende Kribbeln der Heilung setzte sofort ein. Zuseren gehörten zum Glück zur Grundausstattung eines Soldaten des Ziherats…eines ehemaligen. Mit verzogenem Gesicht griff sie nach dem zweiten Ring. Sie spürte bereits wie sich die Wunden schlossen und die Schwellung weiter zurückging. Es war trotzdem unangenehm. Die anderen drei Ringe würde sie wohl nicht brauchen. Später nahm sie die Zuseren wieder ab und steckte sie zurück in ihr Versteck. Zwar würde niemand sonst in diesem Umfeld mit den magischen Gegenständen umgehen können, aber sie wollte es nicht drauf ankommen lassen.

    Es war Zeit. Sie zog sich ihr graues, hochgeschlossenes Oberteil und die dazu passenden Hosen an, band sich ihre Schuhe bis zu den Knien und befestigte ihre beiden Instrumente auf dem Rücken. Von ihren Verletzungen war nichts mehr zu sehen.

    Auf den staubigen und spärlich gepflasterten Straßen war wie immer nicht viel los, obwohl dies der Kern von Zaglis war. Manchmal hatte sie das Gefühl die Leute reisten und lebten nur nachts. Eine Meute aus Kindern aller Rassen rannte lachend und mit einem Lumpenball spielend vor ihr auf der Straße umher. Sie machte vorsichtig einen Bogen um die lärmende Menge und warf den Blagen einen warnenden Blick zu, der ihnen gebot nicht näher zu kommen. Auch die Kinder arbeiteten hier meist für die Banden. Abweisend schritt sie schnell durch den Dreck der Stadt. Ihr Weg führte sie zu dem alten, abgestürzten Luftschiff und dessen noch immer sichtbaren Bahn der Zerstörung, die das Ding bei seinem Absturz durch die Gebäude gezogen hatte, obwohl das schon Jahrhunderte her sein musste. Das alte Ding war ein Kriegsschiff aus den Sphärenkriegen, ein faszinierend gefährliches Relikt vergangener Tage, und hier hatte die „Rote Ehre" ihren Unterschlupf. Die Bande gab stets damit an, dass die arkane Bordbewaffnung zum Teil noch funktionieren würde, …was sie bezweifelte.

    Das windschnittige Objekt hatte eine Länge von ungefähr dreißig Metern und ein glatte schwarz-metallische Oberfläche ohne erkennbare Öffnungen. Von nahem betrachtet überzogen merkwürdige Muster das gesamte dunkle Objekt. Es sah aus wie ein überdimensionaler umgekippter Regentropfen, an dem man zu lange gezogen hatte. Allerdings hatte es in der Mitte ein glattes Eintritts- und Austrittsloch von irgendeiner verschollenen vergessenen Waffe. Diese Löcher waren heute die unnatürlichen Zugänge zu dem alten dunklen Ungetüm, das von bunten Bauten der Kobolde überwuchert wurde.

    Gerne hätte sie es einmal von innen gesehen, mehr über seine Erbauer herausgefunden, aber ihr war der Zutritt nicht gewährt und sie bestand nicht darauf. Allerdings empfand sie einen gewissen Schmerz darüber, dass dieses großartige, vermutlich dunkelelfische Konstrukt von liederlichen Kobolden bewohnt wurde, die ebenso vermutlich in dessen Ecken koteten. In dieser Gegend lungerten diese Biester überall herum, deren Gesichter die Karikaturen humanoider Antlitze waren. Das Ganze wirkte noch grotesker durch ihre geringe Körpergröße, die bunten Haare und Hautfarben, welche die Verwandtschaft zu den Gnomen unbestreitbar machten.

    Langsam schlenderte Zensa’ide an einem unregelmäßigen Schild mit einem riesigen X und einer darüber baumelnden Leiche vorbei. Sie hielt kurz einen Augenblick inne um den Toten zu identifizieren, damit sie ihn aus ihrem Geschäftskreis entfernen konnte, aber die verwesenden Züge riefen keine Erinnerung in ihr wach. Sie setzte ihren Weg zur „Roten Ehre" fort. Wenn sie sich genau besann, war sogar der Name der Bande geklaut. Die Kobolde hatten eine andere Gruppe Gauner ausgelöscht, die vorher hier residierte. Den Namen allerdings haben die kleinen Monster beibehalten. Seufzend duckte sie sich unter einer Wäscheleine hindurch und schritt auf eine lose Gruppe der Bande zu, die sich in dem verwahrlosten Innenhof vor dem Luftschiff befand. Diese unterhielten sich ungestört und rauchten einen Pfeifenkopf Elendskraut, bis sie ihrer gewahr wurden.

    >> Ah, schau unsere Eisprinzessin taucht mal wieder auf.<< Der Kobold blickte sie mit geweiteter roter Iris an, während sein riesiger Mund mit den fetten weißen Wulstlippen zwei schmollende Würstchen bildete. An seinem grotesken Leib mit dem übergroßen Kopf baumelten zwei Dolche, die bei seiner geringen Körpergröße wie Schwerter anmuteten und ein löchriges Kettenhemd hing an ihm herab wie ein Kleid. Die anderen Gestalten waren ähnlich ausgestattet. Angewidert begann sie das Gespräch auf dem Niveau der Kobolde, dabei sprach sie diese niemals mit Namen an, da sie sich diese sowieso nicht merken konnte oder wollte.

    >> Ich habe eure hässlichen Visagen auch nicht wirklich vermisst, aber wie das so ist, brauche ich eure allgegenwärtigen Ohren, damit ich nicht wie euresgleichen den ganzen Tag auf der Straße harmlose Passanten belästigen muss, Rafi¹.<<

    Der angesprochene Kobold glotzte Zensa’ide mit erstarrtem Gesichtsausdruck an als ob er halbwahnsinnig wäre und nicht die Absicht hätte sich jemals wieder zu bewegen.

    >> Meine Liebe!<< Ein anderer Kobold mit Ohren wie eine Hase und orangenfarbenen Haaren mischte sich ein. Sie wandte sich von Wurstlippe ab, der wohl nicht mehr ansprechbar war, was am Elendskraut liegen mochte.

    >> Natürlisch schtehen unschere Informatschionen Eusch zschur Verfügung zschum üblichen Preisch. Allerdingsch schehe ich keinen Unterschied zschwischen unscherer Räuberei und Eurem Diebschtahl. Denkt nicht bescher von Eusch, weil ihr ein paar zschentimeter mehr mescht. Erscht rescht nicht scho ein häschlisches Exschemplar wie ihr.<<

    Der „Hase" ließ seine Pfeife genüsslich zwischen seinen schmalen ockerfarbenen Lippen hängen. Er hatte endlich aufgehört beim Reden zu spucken.

    Zensa’ide hob eine Augenbraue und sagte nichts.

    Sie wartete auf eine befriedigende Antwort, die nicht immer gleich kam und erst recht nicht auf direktem Wege. Die illustre Gruppe bewaffneter Kobolde ignorierte sie wieder. Es war ihr gleich. Sie blieb einfach im Staub stehen, lehnte sich an eine Baracke (hoffte, dass diese standhielt) und hörte zu. Sie verschränkte die Arme und stand wie eine Leibwache neben dem zweibeinigen Unrat. Die Themen der Ungetüme beschränkten sich in ihrem angeheiterten Zustand auf die extremen Farben der Haut einer angebeteten Kobolddame, übertriebene Heldentaten im Angesicht übergroßer Gegner und …Elendskraut.

    Zensa’ide hörte geduldig zu.

    Die Kobolde wussten, dass Sie nicht mit ihr sprechen brauchten oder sie machten sich wie immer ein Spielchen daraus. Es war immer das Gleiche. Als unsterbliche Elfe der alten Rassen war etwas, was sie allerdings hatte, nämlich Zeit, und trotzdem empfand sie dies Verhalten als ungerechte Lächerlichkeit. Sie warf einen Blick zum Himmel. Wenn sie wollte, könnte sie diesen ganzen Haufen einfach töten. Nachschauen, ob ihr Blut genauso bunt war wie ihr abstoßendes Äußeres. Diese hässlichen Leiber auf die Müllhaufen schicken von denen sie stammen, die Männer…

    …und sie blickte sich um als sie ein verhülltes Koboldweibchen mit rosa Schleiern sah…

    …die Frauen…

    …das Weibchen trug ein krähendes Bündel…

    … und die Kinder.

    Es kribbelte in ihrer Hand. Sie spürte deutlich den Druck Orghuls auf dem Rücken. Zensa’ide seufzte lustvoll genervt. So blieb sie einfach stehen und hörte zu, während sie sich vorstellte Wurstlippe und Hasenohr mit einem einzigen Hieb zu pfählen und ihre Phantasien wurden nicht weniger grausam als sie den Gesprächen zuhörte:

    Verbaler Abfall, Obszönitäten, Witze ohne Pointe, Tratsch innerhalb der Bande, offenwerdende Posten, Karrieretipps für Schurken bis die Rede auf einen Trupp Menschen kam, der sich, ohne Zoll zu bezahlen, durch die Stadt kämpfte.

    Die Kobolde behandelten Zensa’ide immer noch wie einen Zierbaum. Einer klopfte sogar frech seine Pfeife an ihrem Stiefel aus. In ihrer Vorstellung büßte er dafür seine Hand ein, die perfekt zu der Sammlung über ihrer Tür passen würde, aber Zensa’ide hörte dennoch nur zu. Sie gaben damit an, was sie tun würden, wenn dieser Trupp bei der Roten Ehre ankommen würde und scherzten, dass die Fremdlinge gerade im Gebiet der Kazim-Bande für Unheil sorgten. Was lachten sie doch herzlich dreckig über diese kotfressenden Schwächlinge. Das reichte Zensa’ide. Sie würde sich die Sache näher ansehen.

    >> Ah! Wasch meint Ihr, Schneekönigin? Wäre dasch nisch…! Paaah.<<

    Der Kobold Hasenohr starrte auf die Stelle an der eben noch die Elfe gestanden hatte. Ein bisschen Straßenstaub verwehte.

    >> Dummesch arrogantesch Elfending…Du hattescht doch noch gar nicht allesch gehört.<<

    Er zündete sich eine neue Pfeife Elendskraut an und holte hustend Luft um seinen Freunden eine neue Lüge zu erzählen.

    *1 Anmerkung : Kumpel

    II

    Spleen wunderte sich über gar nichts mehr. Er wusste, dass sein Herr zuweilen recht störrisch war, aber das hier …das hier war offensichtlich Selbstmord. Vor ungefähr einem Tag waren sie durch das Tor von Anan hier nach Anaut gekommen. Es war sein erstes Mal, dass er auf diese Art gereist war und er war sich sicher, dass er nicht so schnell wieder so reisen wollte, aber nun sah es so aus als ob er als das umsonst erlitten hatte. So würden sie niemals irgendwo ankommen. Sie hatten diese Strecke nur gewählt, um Zeit zu sparen, obwohl sie auf die Eigenarten Anauts hingewiesen worden waren, aber sein Herr Kasual hatte alle Bedenken beiseite gewischt.

    >> Azruphel blickt gnädig auf die Mutigen herab und verachtet die Feiglinge!<<

    Das hatte er damals zu Gilhad gesagt und er fuhr fort:

    >> Und außerdem haben wir keine Zeit zu verlieren nur wegen ein paar Bettlern und Dieben. Sollten diese dennoch ihre gierigen Hände, Klauen und Tentakeln nicht zurückhalten können, dann werden wir sie Ehrlichkeit lehren und sie von ihren sündigen Gliedmaßen befreien.<<

    Von Anfang an hatte es Probleme gegeben.

    Sie waren auf dem Weg nach Ksorahar, weil sie dort etwas abgeben sollten, das Kasual von den Edlen erhalten hatte. Spleen wusste nicht worum es sich handelte, aber er wusste, dass es wertvoll war und deswegen verstand er das Verhalten von Kasual noch weniger. Er zog alle Aufmerksamkeit auf sich und ihre kleine Gruppe. Als sie das erste Tor von Anan nach Anaut hinter sich gelassen hatten, kamen sie bald schon an einen behelfsmäßigen Schlagbaum und wurden aufgefordert eine unverschämt hohe Summe für ihre Passage zu bezahlen. Spleen wusste, dass Kasual diese Summe sehr einfach hätte zahlen können, er weigerte sich jedoch. Natürlich waren der Herr und Gilhad in ihren glänzenden Rüstungen und auf ihren Pferden beeindruckende Gegner, aber er wusste auch dass die Banditen sie für Edelleute halten mussten und somit für ein lohnendes Ziel, vielleicht so lohnend ein bisschen mehr Aufwand zu investieren. Auch der sonst so sorglose Gilhad hatte vorgeschlagen die Rüstungen abzulegen und sich inkognito durch diese Welt zu bewegen, aber Kasual hatte das als Feigheit und Selbstverleugnung abgelehnt. Sein Begleiter hatte dafür eine Ohrfeige mit Kasuals Stahlhandschuh erhalten und so war es beschlossene Sache, dass sie wie eine läufige Hündin mit Keuschheitsgelübde in ein Rudel Rüden hineinliefen.

    Am dritten „Schlagbaum" war es passiert. Die Wegelagerer waren Orks und Menschen, welche ihnen schlicht und einfach unbeeindruckt von ihren Rüstungen und Waffen die Passage verweigerten. Mit rostigen Speeren, Schmiedehämmern und Holzschilden drohten die zerlumpten Gestalten etwas unsicher mit den Händen, aber brennender Gier in den Augen. Kasual hatte darauf sein Schwert gezogen und einen Kampf mit den Bauern angefangen, der zwar schnell entschieden war, weil der Abschaum feige floh, aber seitdem fühlte sich Spleen verfolgt. Kasual hingegen erfreute sich bester Laune. Ein Sieg war eben ein Sieg. Egal wie ungleich der Kampf war.

    >> Sie sollten es besser wissen, sich dem Schwert Hadorams in den Weg zu stellen.<<

    Womit er sich auf das Wappen Anans bezog.

    >> Vielleicht…<< Warf der blonde Gilhad ironisch ein. >> …sind sie ihm einfach noch nie begegnet?<<

    Er schaute Kasual besorgt an oder zu ihm auf. Denn Kasual war jemand zu dem man leicht aufschauen konnte, ein Berg von einem Mann. Stattlich. Muskulös. Stur! Er mochte Mitte dreißig sein und damit vielleicht zehn Jahre älter als der schmalere Gilhad und wenig mehr als ein Dutzend Jahre als er selbst, der viel schmalere Spleen.

    >> Es würde mich nicht wundern.<< Erwiderte Kasual.

    >> Einen solchen Dreckhaufen wie diesen…<< Er machte eine umherschweifende Geste.

    >> …Würde kein Soldat des Königs freiwillig betreten. Es sei denn auf Befehl, so wie wir.<<

    Kasual hatte seinen Helm wieder abgenommen und nun konnte man seine grauen Schläfen in seinem kurzen braunen Haar sehen. Sie ließen die Pferde langsam über die schlechten Straßen trotten. Vereinzelte Fußgänger vermieden es tunlichst, ihnen zu nahe zu kommen. Spleen konnte noch immer nicht fassen, dass es sich um eine Stadt handelte. Die Ortschaft kam ihm vor wie ein Flüchtlingslager. Nur vereinzelte Häuser waren vollkommen in Stand gesetzt und vermittelten ihm ab und zu das Gefühl von Zivilisation. Allerdings war alles so durcheinander und nicht aufeinander abgestimmt. Es war so anders als Anan …auch wenn es ähnlich klang.

    Ein Schauer lief ihm über den Rücken als sie an einem alten Mann vorbeiritten, der nur ein Auge hatte und Spleen unverwandt mit der leeren Augenhöhle und runzeligem Gesicht anstarrte. Schnell wand der Knappengehilfe seinen Blick ab, aber schaute sich dann erneut nach allen Seiten um. Er wusste einfach, dass es einen Hinterhalt gab. Vielleicht könnte er Schlimmeres verhindern,

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