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Mails von Marge: Da läuft ganz schön was zusammen
Mails von Marge: Da läuft ganz schön was zusammen
Mails von Marge: Da läuft ganz schön was zusammen
eBook784 Seiten11 Stunden

Mails von Marge: Da läuft ganz schön was zusammen

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Über dieses E-Book

Auch wir, also mein Mann und ich, machten uns auf den Weg. Schon klar – über den Jakobsweg. Beginnend ab 2011 trotteten wir im Paarlauf des Weges. Dabei wollte ich immer alleine gehen. Wieder im Alltagstrott gelandet, war mein Kopf gefüllt mit den Erinnerungen. Die Bilder im Kopf ließen mich nicht los. So schrieb ich fast jeden Tag eine Mail an unsere Kinder und Freunde über unsere Camino-Erfahrungen. Als wenn sich um meinen nackigen Körper eine Schnur geschlungen hatte, die mit jedem Satz, jeder Seite, von meinem Leib abgerollt wurde, mich in einen Brummkreisel verwandelte, bis ich völlig entblättert war.
Sicher erzähle ich die Eindrücke, die ich hatte ein bisschen sarkastisch, quengelnd, lauffaul, wartend auf die mit kulinarischen Köstlichkeiten ausgestattete Sänfte. Die mich über den steinigen Camino "trägt". Woraus man mich am Ende der Etappe vorsichtig hebt und mich in die duftige Dammastbettwäsche zum Ruhen legt.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum11. Juni 2020
ISBN9783752962598
Mails von Marge: Da läuft ganz schön was zusammen

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    Buchvorschau

    Mails von Marge - Margrit Lange

    Vorlauf

    Es geht los. Meine ersten Schritte auf dem Laptop.

    Ach ja, laufen äh oder ausgelaufen? Bin gar nicht mehr wech – sondern wieder hier. Blödes Revier. Die Kinder hatten uns mit ihrem neuen Auto vom Flughafen abgeholt. Wir überlegten noch, können wir mit unseren verdreckten Wanderstiefeln in dieses schnieke strahlend weiße Auto einsteigen. Gibt es vielleicht schon Filzpuschen dafür? Gutes Geburtstagsgeschenk, unbedingt merken.

    Wollten wir nicht sechs Wochen laufen? Den Jakobsweg von Pamplona nach Santiago de Compostela? Sind wir gerast oder Kenianer. Nein, wir waren gelaufen - bis – bis Wolfgangs Sehnenentzündung keine Besserung erwarten ließ.

    Hatte ich gerade begonnen auf meinem Laptop zu hacken, beginnt bei uns das Reihenhausleben. Fröhlich wird der Rasenmäher linksseitig über den gut gedüngten Rasen gelenkt. Rechtsseitig kämpft man mit zwei Kleinkindern und dem Handrasenmäher. Meine Lust zum Schreiben wurde abrupt beendet. Nachdem ich alles zusammengepackt hatte, war der Rasen auch gemäht.

    Vielleicht sollte ich auch anstandshalber eine Runde im Garten werkeln, kommt immer gut an. Punkt. Gesagt getan.

    Gestern mühsam den Laptop eingerichtet. Ich besitze ihn schon seit August vorigen Jahres. Nur leider war meine Lizenz für das Virenprogramm unter einem Monat gültig. Also warten. Über das Warten und der zwischenzeitigen Verlängerung hatte ich ihn schlicht missachtet. Vielleicht auch irritiert durch den Hinweis: eingeschränkte Garantie, lebensgefährliche Stromschläge wenn die Anschlüsse in falscher Reihenfolge angebracht werden. Toll!!

    Nun gestern endlich dabei gegangen. Virenprogramm installieren, übliche rauf- und herunterfahren. Einmal – zweimal – dreimal. Dabei wurden die Updates von Windows installiert, erst waren es 43, dann waren es 50 Updates. Warten – warten. Ich bin ja so geduldig beim Warten. Was machen die eigentlich bei Microsoft? Wieso so viel Updates in einem Zeitraum von 9 Monaten. Gebären sie Fehlerentdeckungen?

    Nun aber mal los, nicht so viel jammern.

    Unsere Vorbereitungen liefen über Monate. Stiefel kaufen, einlaufen, umtauschen, die Nächsten einlaufen. Odlo Unterwäsche, Schlafsäcke, Inletts, Fleecejacken, Funktionsshirts, Wolfgang Suppa-Funktionsjacke – ich hatte ja schon meine Extremsportjacke – hallo! In Weiß!! – wie blöd kann man eigentlich sein? In Weiß! Gut das ich sie nicht gebraucht hatte – sie ist noch weiß. Bei Regen hätte ich bestimmt immer nur meine Fleecejacke getragen, nur um die Extremsportjacke zu schonen. Weiter in der Vorbereitungs- und Einkaufsliste: Taschenmesser, Rucksäcke, für viele albern – Schutzhüllen für Rucksäcke, Merinowolle Schlafshirt, Wandersocken, Funktionshosen, Regenbilligponcho, Regenhüllen für Rucksäcke, Notverpflegung, Sandalen, Plastikflaschen für Shampoo, Duschzeug, Sonnencreme, Sonnenhüte, Sicherheitsnadeln, Wäscheleine, extra leichte Badehandtücher, Pacsafe-Bauchtaschen, Pilgerausweise, Outdoor-Reiseführer, Moleskine Notizbücher (fast leer zurück – meins jedenfalls), Nähzeug (auch fürs Blasen aufstechen), Ohrstöpsel und das ganze Sortiment an Blasenpflaster, Hirschtalg, Magnesium, Globuli, Handdesinfektionsmittel, Pipi-Rinne für Mädels (auch alte Mädels) und eine Kackschaufel, viel was wir für den Weg geschenkt bekommen hatten. Man, was waren wir ausgerüstet.

    Anreise

    Am 14.05.2011 ging es endlich los. Ab zum Flughafen. Guten Mutes liefen wir zum Bahnhof. Ich hatte im Laufe der Woche ja schon Probepackungen vorgenommen. Alles klar 8.630 g mein Rucksack, Wolfgangs 9.400 g. Abflugtag meiner 9.800 g? Zum Fliegen hatten wir uns alte Sachen angezogen, die wir in Pamplona wegwerfen wollten. Na, kommt denn wohl so hin – dachte ich noch. Leicht war der Rucksack aber nicht wirklich.

    Schleppt man nicht sein ganzes Leben Dinge mit sich, die man nie braucht? Aber immer dabei hat – es könnte ja sein, dass man sie doch benötigt?

    Eine geniale Idee ist ja die E-Bordcard (für wen?? Ach ja, für Willi-Unwichtig) – man braucht ja nicht mehr einchecken! Doch musst du, wenn du Gepäck hast.

    Lufthansaschlangen haben nichts mit Luftschlangen gemein. Denn sie sind wirklich sehr – sehr lang. Alle Lufthansafluggäste (für sämtliche Flüge) bitte in einer Schlange anstellen. Klasse Idee – Begeisterung – denn die Zeit auf der Uhr zeigt an, das könnte knapp werden. Trotz E-Bordcard – ha!

    In der Schlange präparierten wir unsere Rucksäcke mit den Plastikhüllen, damit wir in Pamplona mit heilen, sauberen Rucksäcken landen können. Beim Verpacken rann mir schon mal ein büsschen Schweiß von der Stirn. Natürlich mussten wir mit unseren etwas seltsam verpackten Rucksäcken zum Schwerlastschalter. Aber dann hatten wir alles erledigt, ab durch die Personenkontrolle. Wir hatten ja kein Handgepäck, das Puckelgepäck war endlich weg. Pacsafe ab, Gürtel ab, alles aus den Taschen raus und? Na und? Ich war längst durch. Na wo ist denn der Wolfgang? Es piehipte. Er musste in eine Kammer und seine Schuhe ausziehen. Es dauert und dauert. Puh! Endlich hatten wir es bis in die Wartehalle des Gates geschafft. Puh!

    Im Warteraum von Lufthansa, früher gab es hier mal Zeitungen, taxierte ich die Fluggäste der Maschine Hamburg-Düsseldorf. Was fällt mir auf? Zwei Frauen, eine in Khakibraungelb die andere in Türkis, Dreckigtürkis. Irgendwie glaubte ich, dass die Beiden die gleiche Reiseroute haben. Khaki isst erst mal ein Käsebrot.

    In Düsseldorf angekommen, benötigen wir nur ein paar Schritte, um zum Abfluggate zu kommen.

    Hallo, was ist denn hier los. Erschien eben ein Icon Windows-Update? Hallo, bin doch gar nicht am Netz. Fährt der Laptop doch einfach herunter. Wenn er so weiter macht, werden wir nicht wirklich dicke Freunde. Darf ich weiterschreiben? Danke.

    Gate A 20 Düsseldorf – Bilbao. Ich hielt Umschau. Sah mehrere Wanderstiefel an den Füßen. Aha, es ist das richtige Gate. Na, wer ist auch da? Na klar, Khaki und Türkis. Ich mag diese Frauen nicht. Khaki isst erst mal das nächste mitgebrachte Käsebrot. Türkis muss die Arme ganz weit ausbreiten, um ihre herabfallenden Mundwinkel aufzufangen. Der erste Eindruck über die Frauen, vergiss sie.

    Ein Wandersmann durchschreitet im Stechschritt die Halle. Gerade Körperhaltung, ausdrückend; ich bin ein sehr guter Läufer – stark, energisch, ha! Dabei ist sein Körpermaß ca. 160 cm. Die meisten Passagiere fliegen weiter nach Bilbao. Türkis grummelt immer noch. Zicke.

    Vom Flughafen Bilbao soll ein Bus in die Stadt zum Busbahnhof fahren. Er war natürlich schon weg. Vor der Haltestelle stehen alle meine Freunde. Obwohl das Käsebrot ist jetzt wohl alle. Stechschritt fragte ob wir heute noch die erste Etappe laufen wollen. Es ist bereits 13.30 Uhr. Klapskalli.

    Als der Bus kam (angegebene Fahrplanzeiten wollen wir mal schlicht vergessen) und wir einstiegen, konnte ich endlich mein vorzügliches Spanisch anbringen „Dos billete a Bilbao por favor". Na ja, der Bus fuhr ja auch nur nach Bilbao.

    An der zweiten Station stiegen die beiden Frauen aus. Ich war unruhig, wollte auch raus. Wolfgang fragte lieber nach, auf Englisch, sicherheitshalber auf Englisch. Bei meinem Spanisch! Wir blieben bis zur Endstation sitzen und die Weibsen waren wir auch los.

    Es war gestern heiß – sehr heiß. Die Luft bestand nur aus durchsichtigen Marshmallows. Dann kam nach langer Trockenheit das Gewitter. Ein Instinkt schreit – los reiß dir die Klamotten vom Leib und tanze durch den prasselnden Regen. Eine Reinigung - nicht nur der Luft. Was hielt mich davon ab, mich zu entblättern? Das Gewitter oder die Nachbarn – beides. Schade eigentlich.

    Nun wollen wir aber wieder auf den richtigen Weg kommen.

    Busbahnhof Bilbao, mein zweiter Einsatz „Dos billete a Pamplona por favor", hat geklappt. Hielt zwei Fahrkarten nach Pamplona, Abfahrt 15.15 Uhr, in der Hand. In der Wartezeit lernten wir zwei Pilger kennen. Einen Hamburger und einen Rheinländer. Der Rheinländer war sehr aufgeregt. Er möchte den Camino in Logroño beginnen, ist überhaupt nicht vorbereitet und möchte negative Dinge die sein Leben begleitet hatten weglaufen. Der Hamburger war ein Jahr zuvor ab Saint-Jean-Pied-de-Port gelaufen. Er wäre süchtig geworden und wird ab Burgos beginnen. Er hatte seinen Rucksack auch mit einem Plastiksack vor Verschmutzung gesichert. Er arbeitet bei der Lufthansa. Wir verabschiedeten uns mit einem ¡Buen camino! – sehr sympathisch.

    Die Busfahrt nach Pamplona verlief sehr geruhsam, wir waren beide eingenickt. Pamplona ist größer, als ich erwartet hatte. Auf unserem Miniplan von Outdoor brauchten wir nur über den Rio Arga einer Brücke folgen, schon sind wir am Hotel. Theoretisch, praktisch liefen wir in die falsche Richtung. Klar, weil wir den Rio Arga gar nicht sehen konnten. Also fragen. Nun konnte ich schon mal feststellen, dass ich überhaupt kein Spanisch kann. Ich verstand mal nix, zum Glück gibt es ja noch Handzeichen. An der Stadtmauer angekommen sehen wir ganz – ganz weit unten den Rio Arga. Beim Hinuntertapern der Treppen graute mir schon vor dem Morgen. Überall wo man hinunter geht, muss man ja auch wieder hinauf. Gedankenächs.

    Nach überqueren der Brücke beginnt ein neuerer Stadtteil. Oft hatten wir nach dem Hotel gefragt. Margie hatte wieder nichts verstanden – Dialekt? Lass ich jetzt mal so stehen. Nach gefühlt gelaufenen 5 km hatten wir endlich unser Hotel erreicht. Unsere erste Unterkunft war in Ordnung – vale. Sind noch wieder zurück in die Stadt gelaufen, wollten etwas essen. Gegenüber der Brücke standen viele Leute. Komisch, nachsehen, aha, mitten in der Stadtmauer fährt ein Seil-Lift in die Altstadt. Leckere Tapas gegessen und ab in Bett.

    Wir waren schon schön eingeduselt, saßen plötzlich wie auf Kommando aufrecht im Bett. Es kruschelte an der Tür und sie wurde aufgeschlossen, geöffnet und wieder geschlossen. (Ich klau dem Schei… vom Bauhof gleich die nervige Säge) Wolfgang sprang auf und steckte den Schlüssel ins Schloss. Was war das denn. Fühlte mich gerade sehr – sehr sicher.

    Pamplona – Puente la Reina

    Es war Sonntag der 15.05.2011, nach dem Frühstück ohne mantequilla (Butter), die hatten sie vergessen, ging es los. Deckten uns noch mit Brötchen und Wasser ein. Pilgerten durch Pamplona. Ich wollte unbedingt noch einen Pilgerstab haben. An der Universität of Navarra, Universität päpstlichen Rechts, Opus Dei, trafen wir einen Geistlichen, Wolfgang unterhielt sich mit ihm auf Englisch.

    Heute Morgen sah ich auf den Wecker, es war 10.30 Uhr, mensch, hab ich aber gut und lange geschlafen. Stimmt nicht, es war erst 6.50 Uhr. Während unserer Abwesenheit gab es einen Stromausfall und ich hatte den elektrischen Wecker noch nicht wieder richtig eingestellt. Fühle mich gleich unausgeschlafen. Reibe mir die Augen und weiter geht es.

    Wir umkreisten, ich lief im würdigen Abstand von zwei Metern hinter den Männern, das gesamte Gelände der Universität. Der Geistliche sieht sehr gut aus, wieder ein Fall von Verschwendung, nix zu holen für Mädels. Seinen Gang kenn ich von meinem jungen Chef. Ja genau, dieses leichte Nachhüpfen mit der Ferse. Wolfgang teilte mir mit, dass sie zwar keine Pilgerstäbe hätten, aber wir könnten Stempel in unseren Pilgerpass bekommen. Ich wollte keinen Stempel, ich wollte einen Stab. Wir warteten vor einem vergitterten Fenster, nix tat sich. Wollten schon von dannen ziehen. Plötzlich ging das Fenster im Hochparterre auf. Ein Mann mit grimmigem Gesicht wedelte mit seinem behaarten Arm herum. Hätte Wolfgang nicht ganz schnell seinen Pilgerpass hingereicht, wäre das Fenster zugeknallt worden. Opus Dei eben.

    Nun waren wir einen km extra gelaufen, Wolfgang hatte einen schönen Stempel von der Uni und ich immer noch keine Wanderhilfe. Es war ja Sonntag, alle Geschäfte, außer Panderien (Bäckereien) und Bars, waren natürlich geschlossen. Später, wenn wir in unsere Pässe geschaut hatten, ärgerte ich mich schon ein büsschen, dass ich ausgerechnet diesen besonders schönen Stempel nicht habe. Hatte mir aber vorgenommen nur in den Orten, wo ich meine Tagesetappen beende, meinen Pass abstempeln zu lassen.

    Vorher liefen wir durch die Straßen von Pamplona, immer die Augen konzentriert auf die Muschel in den Fußwegplatten oder den gelben Pfeilen an den Hauswänden geheftet. Bloß nicht verlieren - den Weg. Auf der anderen Straßenseite lief ein anderes Pilgerpaar. Er schreitet gleichmäßig gehend, natürlich mit einem Pilgerstab ausgerüstet. Seine Frau wirkte lebendiger, quirliger, sie benutzte einen Stick. Also wir sind nicht alleine auf dem Camino. Wechselseitig schaute man hinüber.

    Wir liefen locker durch die Stadt, dann durch die Vororte. Echt locker. Es ist Sonntag und was machen die Spanier? Es werden keine Stiere getrieben, sondern die Menschen folgen ihrem Bewegungstrieb. Es wird voller auf dem Camino. Fahrradfahrer, Jogger (Mädels immer mit Handtäschchen – immer!!!) Und ganz viele Sonntagspilger.

    Es wurde voll. Vor uns läuft eine Gruppe Franzosen. Ohne schweres Gepäck, Luxuspilger, mit gebuchten Hotels, Transportservice. Alle mit Sticks. Grummel!! Eine Frau, in pinkem Shirt, von der Gruppe sabbelte die ganze Zeit. Immer wenn uns Fahrradfahrer, Jogger oder Pilger überholten, oder entgegenkamen, wurde uns ein freundliches ¡Hola! - ¡Buenos días! - ¡Buen camino! Zugerufen. Entsprechend wurde von uns geantwortet. Es sind viele an uns vorbeigezogen. In Cizur Menor gibt es zum Glück eine Bar und wir machten unsere erste Pause. Es ist wirklich Zeit für einen Cafe und na? Klar es ist Smokytime.

    Auch ein anderes Paar steuerte die Bar an. In hightech Ausrüstung. Sie rotbackig, immer grinsend mit einer Bauchtasche, in der Größe eines zweiten Rucksackes. Klimatisierte Getränkeflaschen baumeln daneben, auf dem Kopf eine Kappe. Er hat ein Melonengesicht, ein GPS-Gerät hängt an seinem Hals. Seine Getränkeflaschen hängen auch vor seinem nicht unüppigem Bauch. Wahrscheinlich zieht er sie wie Pistolen aus dem Halfter. Hey – ich habe Durst – peng – peng. Und – und jeder hat zwei Sticks – zwei!!! Jeder!!! Ich hatte immer noch keinen Stab oder Stick. Hightech Holländer eben. Wir redeten ein büsschen und zogen dann weiter.

    Im Outdoor Reiseführer stand für Radfahrer: Die Fahrt auf die Passhöhe des Puerto del Perdón ist sehr anstrengend, die daran anschließende Abfahrt dann wahrhaft halsbrecherisch. Ach ja, und was ist mit Pilgern, die zu Fuß gehen? Haben wir Flügel? Segeln wir eben mal auf den Pass und mit zwei Flügelschlägen sind wir auch schon wieder unten?

    Nö, wir liefen nur bergauf, die sabbelnden Franzosen vor uns. Immer bergauf. Ich krallte meine Hände in die Trageriemen meines Rucksackes (wo sollte ich auch sonst mit ihnen hin – jammer – wo ist mein Stöckchen) zählte immer 10 Schritte – schnaufen – 20 Schritte – schnaufen. An der Wegstrecke standen alle Marlboro´s meines Lebens. Sie bogen sich vor Lachen, ätzend. Ich sah vor mir immer Wolfgangs Po-Bäckchen, sind gar nicht so groß – oder machte das die Entfernung?

    Mit uns hüselten zwei Spanier eine Karre bergauf. Ständig fielen ihnen Stangen – Zeltstangen? - von der Karre. Endlich jemand der langsamer war als wir. Irgendwann nahm ich ihnen zwei Stangen ab. Zwar keine Sticks aber ich hatte etwas in den Händen. Ihnen trullerten immer wieder Gegenstände von der Karre.

    Wir hatten den Puerto del Perdón Höhe 734 m erreicht. Auf dem Bergrücken wo der Weg der Winde mit dem Weg der Sterne zusammentrifft stehen 40 Windräder. Ich sah auch Sterne, die Luft war voller Tröpfchen, sie flogen auf mich zu. Oben auf dem Pass sich umdrehen, zurückblicken, feststellen, was für eine Strecke man gegangen war. Das kann man nicht erklären, nur fühlen. Holland war auch schon da. Ließen sich von Wolfgang fotografieren. Ob wir auch zusammen ein Foto haben möchten. Ich verneinte und stellte klar, dass ich gestelzte Fotos hasse. Hatte dann von Wolfgang zwei Stelzfotos gemacht.

    Es ging bergab, meine Zeit war gekommen. Das Becken nach vorne gekippt, leicht in den Knien eingesunken, tippelte ich den Abhang hinunter. Grinsend drehte ich mich um. Hinter mir stakste Frau Holland mit ihren Sticks vorsichtig den Boden ab, um dann bedächtig einen Schritt vor den anderen zu setzen. Sie sah sehr kopflastig dabei aus. Pah! Diesmal war Wolfgang hinter mir. Der Abgang war auch sehr gerölllastig. Eigentlich wie alle Wege. Wer Sandwege erwartete, war hier falsch. Ja – ja, der Jakobsweg ist ein sehr steiniger Weg, in welcher Beziehung auch immer. Nachdem wir noch einen Iren kennengelernt hatten, die Orte Uterga – Eunate – Obanos durchquerten, landeten wir in Puente la Reina. Als wir Obanos durchliefen, fiel mir ein Hostal auf. Es wirkte so ruhig, beschaulich. Sind aber noch die restlichen 3,1 km gelaufen.

    Nach sieben Stunden hatten wir Puente la Reina erreicht. Wir fragten beim Hotel Jakue nach: „Un habitacion doble con baño." Ich verstand nur, es gibt ein Vierbettzimmer ohne Bad und kostet 36,00 €. Mir war das zu teuer. Wir liefen weiter zum nächsten Hostal, hier kostete das Zimmer 50,00 €. War mir auch zu teuer. Wir liefen bis in die Altstadt. Entdeckten ein 3-Sterne Hotel. Fragten nach einem Zimmer. Sie hatten nur noch einen Single-Room, würden sie uns aber für einen Preisnachlass von 82,00 € statt der 87,50 € geben. Ich nickte nur noch müde. Wolfgang sagte lieber nichts, er war auch müde.

    Das Zimmer ist wie ein übliches Einzelzimmer, alles auf engstem Raum. Aber nett eingerichtet, hat eine Dusche und ist blitzesauber. Wolfgang packte seinen Rucksack ganz aus. Verteilte seine Sachen im Zimmer, sortierte sozusagen. Ja, er ist diesmal für seinen Kram selber verantwortlich. Nachdem wir geduscht und unsere Höschen gewaschen hatten, streiften wir noch durch den Ort, um Sticks oder Wanderstäbe kaufen. Wir nahmen jeder einen Stick. Die Wanderstäbe waren mir einfach zu glatt.

    Im Hotel gab es erst um 20.00 Uhr das Pilgermenu. Übrigens das Essen und das Frühstück waren im Preis enthalten. Wir trafen den Iren wieder, er wanderte zurzeit allein. Seine Frau kommt in Burgos nach und läuft dann mit ihm bis Leon. Er suchte dann eine Bar, eine richtige Bar auf. Ich glaube, Iren trinken ganz gern mal.

    Es dauerte, bis es endlich 20.00 Uhr war, wir hatten tierischen Hunger. Übrigens die Franzosen, die Luxuspilger, waren in dem gleichen Hotel. Super angezogen, geschminkt, die Haare gedresst, saßen sie im Speiseraum und schnatterten. Das Pilgerpärchen, das wir zuerst in Pamplona gesehen hatten, saß auch an einem der Tische. Es gab ein leckeres Menue. Vorspeise, Hauptgericht, Dessert, Wasser und Wein von bester Qualität.

    Ab in Bett. Es war 21.30 Uhr, nach den ca. 26,5 km (man muss ja die Extrakilometer innerhalb Pamplonas zurechnen)lag ich todmüde im Bett. Wolfgang schnorchelte schon selig. Und dann, und dann ging es los. Die Kirchenglocke erinnerte mich viertel-, halbstündlich und stündlich daran wie spät es schon ist. Viertelstündlich mit einem, halbstündlich mit drei Glockenschlägen (wieso eigentlich drei? Hatte gerade keinen zum Fragen)und stündlich gaben die Glocken dann alles. Zu meinem Trost wurden die Glockenschläge nach Mitternacht weniger.

    Puente la Reina - Estella

    Leider gab es erst um 8.00 Uhr Frühstück. Wir betraten den Raum, alle Tische waren besetzt, nur ein Tisch war nicht abgeräumt aber wohl frei. Abräumen war wohl nicht geplant. Wir schoben alles an die Seite und frühstückten. Ich holte mir noch einen Cafe con Leche, Wolfgang war auch nicht am Platz. Da räumte doch tatsächlich eine junge Frau alles von einem anderen Tisch, stellte das schmutzige Geschirr bei uns mit drauf, um mit ihrem Sohn zu frühstücken. Ich schaute sie mit offenem Mund an, man sah, dass der Tisch noch belebt war. Nun war er überbelebt. Tellerberge. Es war eine Deutsche, sie entschuldigte sich halbherzig, ließ aber die Tellerberge stehen.

    Von Puente la Reina geht es natürlich steil bergauf. Was denn auch sonst. Wir liefen an den leuchtendgrünen Getreidefeldern vorbei. Hier wird noch Essbares angebaut, nicht nur Biogas und E 10 (Mais + Raps). In den Feldern blinkerte der knallrote Mohn - so als wolle er uns Mut machen. Die Kornblumen halten sich etwas zurück, Raps ist nur am Feldrand zu sehen. Wenn man hechelnd stehen bleibt, zurückblickt, möchte man sich in die Felder legen. Es soll bei dieser Etappe bis nach Estella (22,2 km) gehen – oder laufen. Es war 10º wärmer als am Vortag, das Laufen blieb mühsam.

    In Cirauqui die erste Rast. Der Ire nahm auch einen Café con Leche und ich fragte mich, wie schaffte er es, dass sein Café größer war und irgendwie leckerer aussah, als meiner. Obwohl der Café bisher immer gut war. Ich kannte von früheren Urlauben auf den spanischen Inseln nur Plörre. Den machen die dort mit Absicht so. Holland stickerte auch um die Ecke. Er hatte ein schneeweißes T-Shirt an, hallo – schneeweiß – geht’s noch? Ja, sie hätten auch in Puente la Reina genächtigt, im Hotel Jakue für 36,00 € ein Vierbettzimmer für sich alleine, alles ganz – ganz toll. Wieso mag ich die nicht.

    Wir liefen auf einer alten Römerstraße. Sie ist gebaut aus Steinen, die mit dem Buckel nach oben liegen, blöde Römer, wenn sie die Steine anders gelegt hätten, wäre die Piste vielleicht glatter gewesen. Man kennt das aus Büchern: Nach der langen Kutschfahrt schmerzten Madame alle Knochen im Leib. Jetzt verstehe ich Madame besser.

    Holland stöckelte hinter uns. Wir müssten mal ein büsschen schneller laufen. Aber da musste Frau Holland auch schon wieder in die Büsche. Hätte mit unserer iPOOD-Schaufel wedeln können. Auf dem Wege neben der Römerstraße winkte uns ein Spanier im Blaumann. Ich dachte nur, na? Will er uns locken und dann überfallen? Er ruderte weiter mit den Armen, wir sollten ihm folgen. Wir sahen uns kurz an, verließen die Straße und folgten dem Spanier auf dem kleinen Weg. Und siehe da, der Zugang zur Römerbrücke war zerfallen.

    Unter einer Brücke fließt der Salado, er ist flach und voller Steine. Eine Gruppe Koreaner amüsierte sich im und am Wasser. Wanderstiefel hatte keiner, dafür Badelatschen, dünne Turnschuhe und sonstiges Schuhzeug. Es ging weiter bergan, wir waren kurz vor Lorca. Eine junge Pilgerin stand am Weg, bat uns, durch den Weinberg zu laufen. Vor einer Stunde hatte ein Pilger einen Herzinfarkt erlitten, er lag noch zugedeckt auf der Straße. Später erfuhren wir, er war Däne und hätte noch vor vier Tagen seinen 76. Geburtstag gefeiert. Wir liefen betroffen und schweigend durch den Weinberg, bis wir wieder auf den Weg stießen. Wolfgangs Traurigkeit wird uns noch eine Weile begleiten. Es ist die Befürchtung auch so zu enden – einfach Schluss.

    In Lorca gab es in einer wunderschönen Albergue, endlich einen Café und Bocadillo con jamón. Wolfgang füllte unsere fast leeren Getränkeflaschen am Brunnen auf. Herr Holland, inzwischen auch hier gelandet, stellte nur fest, sie würden das Brunnenwasser nicht nehmen. Seine Frau verträgt das Brunnenwasser nicht, es wäre zu stark gechlort. Hm -, wir zogen weiter.

    Wir liefen von Lorca auf einem Weg neben der Landstraße entlang. Nachdem man schon mehrere Kilometer (13,2 km)hinter sich hat und eine längere Pause einlegte, fällt der Rest der Strecke besonders schwer. Meine Augen richteten sich ständig nach Lorca zurück. Ich wartete auf ein Fahrzeug, irgendeins, das war mir so egal, hätte mich davor geworfen, den Fahrer so gezwungen uns mitzunehmen. Es kam keins. Bei mir keimte der Verdacht auf, dass die Strecken nur nach Luftlinie berechnet wurden. Bei uns sind 4 km = 4 km, hier ist es anders. Auf dem Jakobsweg sind 4 km gefühlte oder tatsächliche 7 km.

    In Villatuerta sah ich eine Bushaltestelle, versuchte aus dem Fahrplan schlau zu werden, seufzte, wechselte die Fahrbahn, wo Wolfgang etwas entfernt wartete. Ha! Da kam ein Bus. Woher nahm ich bloß diese Kraftreserven, im Sprint zurück zur Haltestelle. Fragte den Busfahrer, ob der Bus nach Estella fährt, er nickte mit mitleidigem Blick. Hoffend, Wolfgang begriff, dass es mit dem Bus weitergeht, ich hätte den Bus nicht wieder verlassen. Aber da kam er schon angezuckelt.

    In Estella angekommen, hielt der Bus irgendwo in der Stadt. Die Stadt ist größer als erwartet. Wir suchten den Jakobsweg, über einige Brücken gelangten wir auf die alte Pilgerstraße, nach längerem Suchen natürlich. Neben der letzten Brücke stand, an ein Auto gelehnt, eine junge Frau und warb für eine Appartement-Anlage. Gab uns ein Prospektblatt und wollte uns auch gleich den Schlüssel mitgeben. Wir Doofi´s hatten ihn nicht genommen. Wir irrten durch die romanische Altstadt, kein Hostal, kein Hotel. Wieder über die Brücken zurück. Dort gesucht, nur komplette (volle) gefunden. Dem Hinweisschild Informatión del peregrino nachgegangen. Zurück über die Brücken, Stadtplan geholt und schon wieder ging es über die Brücken zurück.

    Auf dem Stadtplan war auch die Appartement-Anlage gekennzeichnet. Hin, geklingelt, nix – aber auch gar nix tat sich. Tja, wenn man einen Schlüssel gehabt hätte!! Das nächste Hostal angesteuert. Davor zwei Deutsche, sie hatten hässlich blaue T-Shirts mit einer gelben Jakobsmuschel an. Meinten nur, wir sollten dort klingeln. Es war ein Mehrfamilienhaus. Unser Klingeln wurde nicht beachtet. Ein Paar schloss die Tür auf. Wir huschten einfach mit hinein. In der zweiten Etage endlich ein Schild Hostal Christina. Diesmal Reaktion auf die Klingel. Eine freundliche Frau öffnete, nickte zum Glück auf die Frage nach einem Doppelzimmer mit dem Kopf.

    Yippie, wir hatten endlich eine Unterkunft. Wer glaubt, dass wir durch unsere Kurzbusfahrt weniger gelaufen waren, der irrt sich gewaltig. Schön geduscht, was kann ein am Körper klebender Duschvorhang doch so was von egal sein. Die Laufsachen ausgewaschen, den Minibalkon mit der Wäsche verziert, Pilgermenu und Eis gegessen, ab in Bett. Eis ist in Spanien sehr teuer 2,00 € eine Kugel, geschmeckt hatte es auch nicht.

    Schlafen – nur schlafen. Köstlich!! Äh – bis sich das Paar (Ehepaar?) im Nebenzimmer in die Wolle kriegte. Gut, dass wir nicht versucht hatten mit dem Finger durch die Wände zu bohren, es wäre uns bestimmt gelungen. Papier? Er regte sich barsch über das Zimmer, den Preis und was einen überhaupt nicht interessierte auf, lange und immer wieder. Als er fertig war, konnte auch ich endlich schlafen.

    Estella – Torres del Rio

    Wolfgang hatte den Outdoor Reiseführer intensiv studiert. Die Strecke nach Villamayor de Monjardín ging 9 km immer bergauf und weiter nach Los Arcos 12,9 km ohne Wasserstelle, auf dieser Strecke würden die ersten fetten Blasen entstehen. Hieß natürlich auch ohne Bar - Käffchen für mich. Am Vortag hatten wir eine Bushaltestelle entdeckt und beschlossen einen Faul–, Bus-, Relax-, Fußschontag einzulegen. Pause – erst mal Pause – die ersten fetten Blasen wollten wir mal nicht.

    Frühstückten in einer Bar. Leider gab es nur besonders süße Croissant, Wolfgang schüttelte sich, Jamòn (Schinken) schmeckte eben anders. Kauften Bustickets für unglaubliche 1,81 € pro Person. Der Bus fuhr erst um 10.45 Uhr. Gegenüber der Bushaltestelle gab es einen Park, wo wir uns auf eine Bank setzten und unsere Notizbücher (ich mit den ersten und letzten Zeilen) bearbeiteten. Die Sonne schien, eine gute Gelegenheit unsere noch nassen Bekleidungsstücke(außer den Höschen, die waren zum Glück trocken) auf der Bank auszubreiten, um sie vielleicht doch noch trocken zu bekommen. Der Weg kann ja so entspannend sein!

    Zwei Bänke neben uns las eine ältere Frau ein Buch, durch Drehen in alle Richtungen bot sie Ihren Körper den Sonnenstrahlen zum Wärmen an. Man spürte den Genuss, den sie dabei empfand. Ihr Mann dachte bestimmt, sie ist nur einkaufen gegangen.

    Es ist kaum möglich, hier in den falschen Bus einzusteigen. Jedes Ticket wird beim Einsteigen kontrolliert. Auf dem Ticket stehen der Zielort, die Busnummer, die Abfahrtszeit und auch eine Platznummer. Das hatten wir nach einer halben Stunde im Bus von Bilbao – Pamplona entdeckt. Wir wunderten uns, wieso schauten alle beim Einsteigen so intensiv erst auf ihr Ticket, betrachteten das Fenster und setzten sich erst dann? Na suppa, auf dem Ticket waren die Platznummern, die auch am Fenster angeschlagen waren. Ganz leise nahmen wir dann unsere richtigen Plätze ein.

    In Los Arcos angekommen, klar, rein in die erste Bar. Wolfgang und ich aßen ein Bocadillo con jamón und tranken Café. Kauften uns noch Bananen und eine Orange auf dem kleinen Markt vor der Bar und mit frischem Mineralwasser naturell füllten wir unsere Getränkeflaschen. Wollten doch noch die 8 km nach Torres del Rio laufen. Es war ca. 12.00 Uhr, als zwei Pilger stöckelnd um die Ecke der Bar kamen. Holland. Sie hätten in der Albergue in Lorca geschlafen, seien am Morgen um 6.00 Uhr losgezogen und bereits 28 km gelaufen. Alles ganz – ganz toll. Sie waren überhaupt nicht verschwitzt und rechnen kann ich auch. Ich beschloss, kein Wort zu glauben, der Bus fuhr wohl stündlich.

    Wir laufen gelassen bergauf an Sansol vorbei, beim Anblick des Dorfes war ich schon der irrigen Meinung, wir hätten unser Ziel erreicht. Nein, der Weg knickte ab und hatte noch einige kleine Wegspäßchen für uns in Petto. Extrem abschüssige Wege, wo ich noch dachte – für die nächsten Fahrradfahrer war´s das wohl – aber dann tauchten sie schon vor uns bei der nächsten Steigung wieder auf. Respekt.

    Am Ortseingang prangt ein Werbeschild der Albergue Casa Mariela – es wurde auch Massage angeboten. Wir stiegen die Straßen des Dorfes Torres del Rio hinauf.

    Unsere übliche Frage nach einem Doppelzimmer wurde verneint. Aber zwei Betten á 7,00 € wären noch frei. Mit Desayuno Frühstück? ja, 3,00 € pro Person, mit Menu? ja, 10,00 €. Also unsere Ernährung war schon mal abgesichert. Wanderschuhe ausziehen, ab nach oben. Uns wurden zwei Betten in einem 10-Bettzimmer (5 x 2 Etagenbetten)zugewiesen. In unserem Raum, er hatte eine Größe von ca. 18 qm, waren außer mir nur Männer, Spanier. Neben unserem Zimmer gab es noch einen 10-Bettraum. Das Stockwerk darüber war wohl identisch. Es gab eine Dusche, ein WC, davor zwei Waschbecken. Ich knotete zuerst unsere Wandersocken an die Wäscheleine vorm Fenster. Geduscht und Wäsche ausgewaschen. Upps, wo waren denn die Socken, die hingen vor dem anderen Raum, die Wäscheleine konnte man ziehen und war jetzt vollgehängt.

    Wir sind durch den Ort gelaufen, denn es dauerte noch, bis es endlich 19.00 Uhr war und wir zum Essen gehen konnten. Fanden noch eine andere Albergue, sah viel netter aus. Mit Mini Pool, Terrasse und einer aus groben Steinen gebauten Bar. In der Bar, hinter der Theke stehend, erzählte uns eine junge Frau (Polin?) ihre Camino-Geschichte. Sie sei Studentin, wollte für ein Filmprojekt Material sammeln und hätte hier ihre Liebe gefunden. An der Wand über einer Tür hingen Wappen, ein Wappen wäre mit ihrem Ketten-Anhänger identisch, so war sie mit dem Besitzer der Bar ins Gespräch gekommen und wäre nicht weitergelaufen. Ich schaute ihn mir an, stellte fest, ich wäre weitergelaufen.

    Auf dem Rückweg begegnet uns Paula, ooh, my name is Paula. Sie käme aus San Francisco. Paula ist sehr groß und schlank, hat blondes, gelocktes, halblanges Haar.

    Ich schätzte sie auf ca. 45 Jahre. Sie hinterließ einen fröhlichen Eindruck bei uns, sie zog mit wehendem langen Rock weiter. Vor unserer Albergue kamen wir mit einer jungen Französin ins Gespräch. Nein, sie wohne nicht in der Albergue, sie würde hier nur ihre Wäsche waschen. Sie hätte kein Geld, würde nur draußen schlafen. Die ganze Wäsche auf dem Wäscheständer gehörte ihr. An Betracht der Masse, Schlafsack etc. kommen ja noch dazu, muss sie mit einem Handkarren durchs Land ziehen.

    Oben im Raum pflegten die Spanier ihre von Blasen betroffenen Füße, es wurden Tape aufgeklebt, Blasen durchstochen, gecremt und natürlich gegenseitig massiert. Was die angebotene Massage auf dem Werbeplakat am Ortseingang betraf, war ernüchternd. Es handelte sich um einen Elektrischen Stuhl dabei wurden die Füße, nur die Füße, 10 Minuten in einer wabbelnden Plastik-Manschette hin und her bewegt. Paula tauchte auf, angelockt vom Massageangebot, das Wabbelgerät war bereits besetzt. Sie konnte in unser Zimmer sehen, schaute den Männern beim Durchwalken der Füße zu. Ooh yeah, das wolle sie auch. Zack, lag Paula auch schon auf einem der unteren Betten und hatte für jeden Fuß einen Spanier. Man sah, es war der pure Genuss.

    Ab zum Restaurant Marie, setzten uns zu dem Schweizer aus unserer Albergue. Im März war er in der Schweiz losgegangen, laufe täglich 30 km und hatte so schon eine Strecke von 1.700 km hinter sich. Diese flachen Strecken mag er nicht so gerne. Suchte in meinem Gedächtnis, überlegte, welche flachen Wege meinte er eigentlich?

    Na gut, ein Schweizer!! Seine Frau wollte auch etwas unternehmen und wäre für drei Monate zum Spanisch Kurs in Sevilla. Er meinte gegen Schlafstörungen helfe nur genügend Rotwein am Abend. Der sympathische Schweizer wird keine Probleme beim Einschlafen haben. Der Rotwein war alle. Von uns bekommt er noch ein ¡Buen camino! mit, wir wussten, dass wir ihn nicht wieder sehen.

    Zurück in der Albergue nahmen wir unsere trockene Wäsche von der Leine. Ich kann sogar unsere Socken wieder an Land ziehen. Wolfgangs linkes Knie schmerzte, er bekam von mir Tanjas Wundermittel 5 Globuli Rhus toxicodendron verpasst. Schrieb noch schnell SMS an die Kinder, breitete meinen Schlafsack im oberen Bett aus, legte mein Seideninlett darauf, stopfte die Schachtel mit Ohrenstöpsel unter das Kopfkissen und hüselte mich über die Leiter in das obere Bett. Schlüpfte in das Inlett, gar nicht so einfach, schlafbereit. Es war 21.00 Uhr und wir waren todmüde.

    Es begann die Pilgernacht. Ein Pilger nach dem anderen öffnete die Tür, holte etwas und ging wieder hinaus, kam wieder und legte sich ins Bett. Dies wiederholte sich 1/2–stündlich bis alle 10 Betten belegt waren. Der letzte Spanier machte etwas, was ich überhaupt nicht ab kann, er schloss die beiden Fenster. Einer schnarchte laut – sehr laut. Ich beugte mich zu Wolfgang hinunter: „Hey bist du das? Von unten kam nur: „Nein, ich bin das nicht! Es war der Spanier, der die Fenster geschlossen hatte. Na klasse, ich grabbelte nach meiner Packung Ohrenstöpsel, sie rutschte mir aus den Fingern und fiel hinab. Mist!! Oft hörte man, dass die Tür auf und zu ging. Pilger müssen auch in der Nacht auf die Toilette. Ich auch. Ich lag eingedrechselt in meinem Inlett und traute mich nicht, in dem stockdunklen Raum, das Bett über die Leiter zu verlassen. Irgendwann schlief auch ich ein.

    Es war immer noch dunkel und es kam leise Leben in die Bude. Hier wurde gekruschelt, dort wurde gekruschelt. Ich pellte mich aus meinem Inlett, schnappte mir meinen bereitgelegten Wasch- und Zahnputzbeutel. Endlich auf die Toilette. Die Lichtquellen in der Dusche und dem WC gingen automatisch aus. Auf der Toilette musste man von dem Lichtschalter bis zur Toilettenschüssel 3 m gehen. Man war fast am WC, da ging das Licht aus. Dieses Spiel wiederholte man, bis man Toilettenpapier in der Hand hatte und sich gemerkt hatte, wo das WC stand. Oder natürlich feststellte, dass das Papier alle war. Es war keins da.

    Ich war entnervt, unausgeschlafen raffte ich meinen Rucksack, Inlett und Schlafsack zusammen. Schmiss alles auf den Folterstuhl und packte ein. Wolfgang fragte mich, was den los wäre. Ich grummelte nur: „Fenster geschlossen, Schnarcher, Erstickungsanfall, ich will hier raus." Wolfgang sammelte seine Sachen auch ein, runter zum Frühstück.

    Es gab ein halb volles Glas Orangensaft, einen plörrigen Kaffee, drei Zwieback und drei trockene Kekschen, Minibutter, Marmelade. Das machte mich auch nicht gelassener. Wolfgang trank nur Kaffee und Saft. Ich war immer noch auf 100+, schnallte mir den Rucksack auf. Wieso ist denn mein Gürtelfach offen? Fasste hinein, mein Handy ist weg. Na, das passte ja prima, nun hatte ich aber die 200+ erreicht.

    Der Albergue Vater suchte mit mir verzweifelt das Zimmer ab. Nix. Er ließ sich meine Rufnummer geben und rief an. Nix. Bemerkte nur, es wäre eh ausgeschaltet. Gut das ich die Prepaid-Guthaben noch nicht aufgeladen hatte.

    Torres del Rio - Logroño

    Wir stiefelten am 18.05.2011 in Richtung Logroño los, zu laufende 21 km. Wolfgangs Knie war wieder friedlich. Es ging durch Weinberge über die üblichen Schotterpisten, immer schön rauf und runter. Ein kleiner verwilderter Park an einer Kirche mit Sitzgruppen aus Stein lud uns regelrecht zur Pause ein. Etwas entfernt saßen – ich nenn sie jetzt mal meine Chevaliers, – zwei Franzosen. Der Größere hatte volles weißes Haar und einen weißen Seidenschal um. Sein Compañero (Gefährte)ist etwas pummelig und hatte kaum Haare. Sie hatten nicht nur ihr Frühstück, sondern auch ihre Füße ausgepackt. Beim Anblick der mit Pflaster und Watte bestückten Füße wedelte ich mit der Hand und schickte ein internationales – oh haua haua ha – hinüber. Sie lachten uns an und wirkten sehr zufrieden. Wir stärkten uns mit Energiestangen (Bananen) und Wasser. Ein Ort zum Innehalten. Mit gegenseitig zugerufenem ¡Buen camino! verabschiedeten wir uns.

    Weiter ging es zum belebten Ort Viana, endlich einen Café con leche und Bocadillo. Wir trafen Paula wieder, sie hatte ihre Sticks verloren und kaufte sich neue Stöcker. Wolfgangs Rucksack stand vor mir, komisch, was hatte er denn da in der vorderen Tasche? Ich tippte vorsichtig mit dem Finger auf die Tasche – ich glaubte es ja nicht – öffnete die Tasche und? - da war mein Handy. Manchmal bin ich eine ganz schön blöde Else.

    Wolfgang ging noch Wasser besorgen. Mich lockte die gegenüber der Bar stehende Kirche Santa Maria an. Ich wollte für unsere Kinder drei Kerzen anzünden. Diese Kirche war so, wie ich sie mag, bescheiden, nicht wie sonst üblich mit Gold überladen. Neben dem Altar stand eine ca. 80 cm kleine Marienfigur, sie war angestrahlt. Von irgendwoher erklang leise klassische Musik. Ich setzte mich, schaute die Marienfigur an und hatte das Gefühl sie sah mich auch an. Ich schämte mich für meine schlechten Gedanken (Diebstahl?) am Morgen. Tränen liefen mir über die Wangen. Blieb noch einige Zeit in der Kirche, wollte auch noch niemanden sehen.

    Wir füllten unsere Flaschen auf, den Rest nahmen wir in den Gekauften mit. Holland kam, es war Zeit zum Gehen. Schnell wurde es wärmer, kaum schattenspendende Bäume oder Sträucher. Auf einmal knallte es an meinem rechten Ohr. Erschrocken schaute ich mich um, was war das denn? Da war keiner. Nahm meinen Rucksack ab – aha – von meiner Trinkflasche war das obere Teil abgeflogen. Suchte noch eine Weile im Gras nach dem Verschluss. Ursachenforschung, das besorgte Wasser entpuppte sich als Energie-Limonade. Die Energie hatte sich schon mal entladen, das Zeug schmeckte fürchterlich. Bei jedem Pausentrank schüttelten wir uns – bäh!

    Unter einer Brücke machten wir einen Schüttelstopp, da das einer der wenigen schattigen Stellen war, lagerten dort vier Frauen. Es waren Amerikanerinnen, zwei Junge und zwei Ältere. Sie schmierten sich mit einem Spork (vorne Löffel, hinten Gabel, an der Seite Messer) Brötchen mit in Tomatensoße eingelegtem Fisch.

    Komisch, nur der Anblick der Brötchen signalisierte dem Magen: Ich will das auch. Viel schlimmer war der Durst. Unser Getränk klebte den ganzen Rachen zu. In der Ferne war Logroño schon zu sehen. Liefen dann noch über lange Teerwege bis wir endlich Maria unter dem Feigenbaum erreichten. Bei ihr holten wir uns schön gekühltes Wasser und den besonderen Stempel. Wasser, Genuss pur. Beidseitig der Teerpiste vor Logroño waren Wiesen, die fast nur aus leuchtend rotem Mohn bestanden.

    Gleich auf der Brücke über dem Rio Ebro war die Informatión del peregrino. Da auch wir lernfähig waren, holten wir uns einen Stadtplan. Ich suchte nach Hostal**, wir hatten tatsächlich gleich das Hostal gefunden. Es war das La Numantina und ein Doppelzimmer war auch noch frei. Man das war ja diesmal ganz einfach. In einem gemütlichen, großzügigen Raum standen zwei große Betten. Ich schaute mir das Bad an, die grünen Kacheln kannte ich doch. Ich hatte dieses Hostal bereits zu Hause im Internet angeschaut. Wir fühlten uns auf Anhieb wohl.

    Wolfgang packte mal wieder seinen ganzen Rucksack aus und verteilte überall seine Tütchen und Bekleidungsstücke. Ich suchte immer nur die Dinge aus dem Rucksack, die ich benötigte und packte den Rest gleich wieder ein. Auf dem Stadtplan stand, dass es in der Straße eine Markthalle gibt. Frisch geduscht erkundeten wir die Stadt. Schauten uns die Öffnungszeiten der Markthalle an, prima, sie öffnete um 7.30 Uhr. Wir wollten uns am nächsten Tag etwas zum Frühstücken für unterwegs besorgen.

    Der Hunger trieb uns durch die Straßen. In Spanien wird aber erst ab ca. 20.00 Uhr gegessen. Endlich in einer kleinen Gasse entdeckten wir ein Restaurant, vor dem einige Spanier saßen. Altes Gesetz im Ausland, suche dir ein Restaurant, wo Einheimische essen. Diese Spanier hatten aber nur getrunken, das merkten wir aber zu spät. Wir setzten uns und wollten das Pilgermenu essen. Der Camarero (Kellner) trug ein helles Hemd und eine schwarze Hose an seinem dürren Körper. Seine Kleidung hatte sehr lange kein Wasser außer dem Schwitzwasser seiner Poren gesehen. Halblange Haare konnten sein gelangweiltes Gesicht nicht umwehen, denn sie waren fettig. Wieso hatten wir uns nicht einfach ein Getränk bestellt und sind wieder gegangen? Wir fragten nach dem Pilgermenu. Unfreundlich antwortete er gequält - Schneidezähne hatte er auch nicht - es würde erst ab 19.00 Uhr Essen geben. Es war 18.30 Uhr und wir blieben ungerührt sitzen. Wieder hatten wir den Moment verpasst, um zu gehen. Wütend stapfte er ins Lokal, kam wieder – ja, wir könnten essen. Das perlte so an uns ab. Das Essen war wie der Camarero, schlecht! Schon wieder etwas gelernt, wenn Spanier nur trinken, sollte man auch nur trinken.

    Zurück im Zimmer schlüpften wir frühzeitig ins Bett. Es war kuschelig und bequem. Auch hier war eine Kirche in der Nähe, aber die Glocken klangen eher sanft wie Klangschalen und lullten mich in einen seligen Schlaf. Bei geöffnetem Fenster natürlich. Was für eine schöne Nacht.

    Logroño - Nájera

    Am 19.05.2011 hatten wir uns eine Strecke von Logroño bis Ventosa 19,2 km vorgenommen. Es war Zeit, gleich sollte die Markthalle öffnen. Wolfgang packte alles wieder in den Rucksack. Wir stiefelten über die Straße zur Markthalle.

    Was versteht man unter einer Markthalle? Lebensmittel aller Art: Wurst, Käse, Obst, Gemüse, Brot frisch und dekorativ ausgelegt. Bei uns sind die Großmarkthändler Frühaufsteher, hier war es anders, die schliefen wohl noch. Außer einem Fleisch- und Wurstwarenstand gab es nur Kräuter. Also wieder raus, umkreisten die Halle und fanden einen Laden in dem wir uns Brot, Schinken und Wasser kauften. Nur ganz Mutige treiben mich ohne Kaffee, etwas Essbarem und Smoke durch die Stadt. Wolfgang wollte heute sehr - sehr mutig sein. Nach einem Kilometer gab er entnervt auf.

    Trotz der gekauften Brote kehrten wir in das nächstbeste Café ein. Nachdem meine Mindestbedürfnisse gestillt waren, konnte es von mir aus losgehen.

    Was ist das denn? Von rechter Seite kommend scherten Spanier, ganz – ganz viele Spanier, in den Weg ein. Nach Logroño folgt eine 2,8 km lange Parkanlage, die zum Naherholungsgebiet der Logroňer gehört. Das ist auch den Spaniern bekannt. Urplötzlich waren wir von über 100 Menschen umgeben. Schnatternd belegten sie, Junge und Ältere, in Fünfer- oder Sechserreihen den Weg. Wir versuchten mit ständigem ¡Hola! - ¡Buen camino! - ¡Buenos dias! - uns einen Weg durch die Massen zu bahnen. Vergiss es, sie waren eindeutig in der Überzahl. Wir machten ein Päuschen.

    Es wurde ruhiger und wir konnten in dem uns angewöhntem Gleichschritt laufen, es war schon fast wie Paarlauf. Kamen an dem Stausee Pantano de la Grajera vorbei. Schon hatten wir einen Teil der Gruppe eingeholt. Inzwischen waren auch die Fahrradfahrer aufgewacht. Oder hatten sie sich auf der Tour de France verfahren? In kurzen Abständen rief immer einer der Fußgänger von hinten – Bici –, man ging einen Schritt nach rechts und schon flogen drei oder vier Fahrradfahrer mit einem fröhlichen ¡Hola! – ¡Buen camino! – an einem vorbei. Ich möchte hier aber nicht den Eindruck erwecken, dass die Bicis rücksichtslos waren, das stimmt definitiv nicht.

    Am Ende des Naherholungsgebietes unter einem Unterstand sitzt Marcelino, er trägt langes Rauschegrauhaar und ebensolchen Bart, der Wanderstäbe, Früchte und Wasser verschenkt. Bei ihm holten wir uns den besonderen Stempel, nun zieren Teodoro (sein Esel), Moru (sein Hund) und Marcelino unseren Pilgerpass. Wir liefen weiter bergauf, der Weg führt jetzt an der Autobahn lang. Unter einer Straßenüberführung knieten vier Fahrradfahrer um ein Bici. Schwitzend versuchten sie achthändig das Gefährt wieder fahrbereit zu machen. Ist doch auch mal nett Bicis zu überholen.

    Der grobe Maschendrahtzaun an der Autobahn ist bestückt mit Kreuzen aus Holz, Blumen, Ästen, Tauen und Bändern. Den Grund weiß keiner, könnte mir aber vorstellen, dass es ein Ausdruck von Abschied – loslassen ist. Wir machten kein Kreuz, sondern gingen weiter und erreichten Navarrete.

    Im unweigerlich angesteuertem Café, die übliche Bestellung und wir lernten ein Osnabrücker Paar kennen. Sie trägt immer um den Kopf geschlungene Tücher und ist eine der wenigen Frauen, die im kurzen Rock laufen. 2004 begannen sie von ihrem Heimatort aus mit dem Jakobsweg. Jedes Jahr laufen sie zwei bis drei Wochen. Innerhalb Deutschlands war es sehr schwer, eine Pilgerunterkunft zu bekommen. Sie würden nur in Herbergen übernachten. Ich denke nur - ach nö – ich lieber nicht!

    An der Bushaltestelle am Ortsausgang stand ein junger Mann. Er trug Flip-Flops an den mit Blasen verzierten großen Füßen, die Blasen waren sichtbar entzündet. Nicht nur seine Füße sind groß, er klingelt bestimmt an der Zweimetermarke. Um seiner Größe noch mehr Ausdruck zu verleihen, trug er einen ledernen Stetson. Bekleidet war er mit einem ärmellosen Heavy Metal Shirt. Vom Ansehen würde man ihn eher in der Prärie vermuten und nicht auf dem Jakobsweg. Der junge Mann kam aus Hamburg, man riecht es, wenn jemand aus dem Norden kommt. Nein, er könnte nicht mehr laufen und würde sich vorerst mit den Bussen fortbewegen (oder weiterreiten?). Ob er denn keine Wanderstiefel habe. Doch – doch, er zeigte auf seine am Rucksack hängenden Stiefel. Eingelaufen? Ja, so 60 km. Und die Socken auch eingelaufen? Nein. Wir erklärten ihm, er müsse die Strümpfe erst tragen – waschen - tragen – waschen und so weiter. Meine Güte, was sind wir bloß für Wanderklugscheißer geworden!!

    In Richtung Ventosa geht es weiter. Wir schottern bergauf und beginnen Wanderlieder zu singen. Bei: „Froh zu sein, bedarf es wenig, hörte Wolfgang auf zu singen. Auf meine Frage, wieso er nicht weiter singt, meinte er nur: „Mensch das ist doch ein Canon. Na ja, mit zwei Personen. Überlegte noch krampfhaft, wo hatte ich die kopierten Liedertexte hingesteckt. Ach ja, sie lagen in dem ebenfalls ungenutztem Sprachführer. Immer wenn ich mich auf Spanisch verständigen musste, hatte ich keine Lust erst noch das Buch rauszukramen.

    Die Schotterpiste führte lange an der Autobahn entlang. Schließlich erreichen wir unser gedachtes Etappenziel. Wir gingen an den auf der Straße sitzen- und liegenden Pilgern vorbei. Die Albergue öffnete erst um 13.00 Uhr und wir wollten dort ja sowieso nicht nächtigen. Wir schauten links, wir schauten rechts, es gab nichts außer dieser einen Herberge. Wir zuckelten zurück, just in diesem Moment war es 13.00 Uhr und die Herberge öffnete. Bekamen mit, dass die 42 Betten der Albergue schnell belegt waren. Gingen in die einzige Bar. Schauten in unserem Oberschlauführer, wie weit der nächste Ort entfernt sei. 10,3 km! Meine Füße quakten – nicht mit mir – Streik – nicht ein Schottersteinchen kommt uns heute noch unter die Sohle – ich stimmte ihnen zu.

    An einem der Tische saß ein Hamburger, der Zweite heute. Nein, das war nicht nur ein Hamburger, er war die Personifizierung eines Hanseaten. Gepflegtes Aussehen, unterstrichen, durch ein locker um den Hals geschlungenes Paisley Tuch, sehr gerade Haltung, fleckenloses Shirt. Gesprächsmäßig kamen wir auch auf das Gewicht unserer Rucksäcke, seiner wiege 13 kg, er möchte schließlich ordentlich aussehen. Ja, so kann man das mal stehen lassen. Wir hatten weniger Gepäck, Wolfgang wollte sich auf der Tour nicht rasieren. Um Mund und Kinn breitete sich ein grauer Igel aus. Auf meinem Shirt, genau da!!zwischen prangte ein trotz Mühen nicht zu entfernender Fettfleck. Wieso eigentlich bei mir? Sonst hat Wolfgang immer diese sogenannten Fressflecken. Seine T-Shirts waren immer noch ohne Makel – beide T-Shirts – meine nicht – beide.

    Der ältere Hamburger wartete auf ein Taxi das ihn in den nächsten Ort, Nájera, bringt sollte. Kurzer Blickkontakt unter Ehepartnern, leichtes Nicken, wir boten ihm die Teilung der Kosten durch drei an. Glücklich über diese Lösung tranken wir unseren Café. Wobei, Wolfgang jetzt immer öfter Coca Cola trank seitdem er bei Herrn Holland die Cola-Flaschen in dem Patronengurt gesehen hatte. Schlechter Einfluss. Vor der Bar saßen noch viele Pilger, die keine Übernachtungsmöglichkeit bekommen hatten.

    Mit dem Taxi ging es nach Nájera, 10 km für 20,00 €. Der Fahrer hielt direkt vor einem Hotel. Zum Hotel gehörten eine Bar und ein Restaurant. Zimmer waren noch zu haben und angesichts der Bar gab es hier auch Frühstück. Na, geht doch. Wir hatten ein Zimmer mit drei Betten. Wolfgang packte mal wieder alles aus, stellte dabei fest, dass sein ganzer Rucksack voller Krümelchen war. Ich kluge Frau hatte das Brot - wieso hatten wir das nicht gegessen - in seinen Rucksack gepackt. Diesmal musste er auspacken.

    Geduscht ließen wir uns auf der Wiese am Rio Najerilla nieder, wir mussten nur eine Straße überqueren, um diese Parkanlage zu erreichen. So richtig schön langmachen am Wasser, herrlich. Man sollte immer hinschauen, wo man sich niederlegt. Es war Frühling und die Wiese mit Blütenkerzen übersät. Nun sahen wir aus wie gefedert.

    Es wurde Zeit, sich um die Ernährung zu kümmern. Vor einer Brücke,die über den Fluss führte, trafen wir die vier Amerikanerinnen wieder, eine der Jüngeren kam gerade im lockeren Jogger Stil - mit Rucksack – angelaufen. Sie waren auf Quartiersuche, ein Vierbettzimmer sollte es sein. Wolfgang erzählte von unserem Dreibettzimmer und dem Preis. Schon lief das Mädel wieder los, als wäre sie noch keinen Schritt gewandert, um in einem anderen Hotel Nachverhandlungen zu führen. Staunend folgte ich ihr, aber nur mit den Augen – och – meinte eine der Mädels, sie wär immer so.

    Wir gingen über eine Brücke in das Viertel, wo ein Lokal neben dem anderen lag. Natürlich nahm ich das Restaurant, das draußen bestuhlt war. Der adrette Hamburger war gerade am Gehen. Essen ginge so, meinte er zu uns. Wind kam auf, viel Wind kam auf. Von einem Nachbartisch wehten schon Gläser herunter. Der Camarero schaute schon leicht verstimmt. Ich blieb so was von ungerührt sitzen, schließlich möchte ich zu meinem Käffchen nachher eine schmöken. Ich schaute in den Himmel, Vogelschwärme ließen sich vom Wind treiben. Wir rätselten, um was für große Vögel es sich handelte, Reiher? Kraniche?. Wolfgang meinte Störche, ich war der Überzeugung, es könnten keine Störche sein, die haben viel längere Beine. Es waren Störche, beschließe das Thema mit: „Spanische Störche haben eben kürzere Beine." Ach, sieh mal einer an, unsere ersten Pilger aus Pamplona saßen im Innenraum des Restaurants.

    Zurück im Hotel möchte ich noch einen Café, Wolfgang verschwand nach oben. Beim Schlendern durch das Hotel entdeckte ich Zeitschriften, mal sehen, ob etwas Lesenswertes vorhanden ist. Nö, schaute hoch, dort hing ein kräftig gebauter Mann im Sessel, die Beine ausgestreckt, fast so als würde er gleich von der Sitzfläche fallen.

    Ich rief dem Mann ein fröhliches Hola zu, er antwortete mit – Hallo -. Aha, ein Deutscher. Wir plauderten. Nachdem mein Mann sich genug gewundert hatte, wo ich denn bliebe, kam er auch in die Halle zurück. Marcus kam aus Essen und war alleine unterwegs. Er gehörte der Fraktion der Bicis an, würde auch zu Hause fast täglich große Strecken mit dem Mountainbike fahren. Aber das hier, diese Anstiege gingen über seine Kräfte. Ständig hätte er das Empfinden, als wenn es immer nur steil bergauf gehe. Seine Beine brennen und der Po schmerze entsetzlich. Daher wohl die etwas unwürdige Sitzhaltung. Er würde auch fast nur noch Landstraße fahren, die Schotterpisten sind ihm zu gefährlich. Marcus wird wohl mal nicht an uns vorbei fliegen.

    Ich musste unbedingt noch einmal vor die Tür, traf dort auf den Hanseaten. Sein Hinweis, dass der Wein köstlich sei und nur 0,70 € koste animierte mich zur Überprüfung. Es war wie auf der Mönckebergstraße im Straßenkaffee. Diverse Pilger flanierten umher, die Beiden aus Estella, man sollte sie ja an den hässlich blauen T-Shirts mit der gelben Muschel wiedererkennen, auch. Es waren diesmal nicht zwei Männer, sondern zwei Ehepaare. Alle trugen als Gruppenzeichen dieses Shirt. Einer ist der Wortführer, sie würden jeden Tag 30 km laufen – ohne Probleme. Ganz weit hinten in meinem Kopf schrillte eine Glocke, die Stimme kenn ich doch! Ja aber sicher doch, es musste der Zimmernachbar aus Estella, der die halbe Nacht mit meckern verbrachte, sein. Der Hanseat und ich überprüfen noch einmal den Preis und die Qualität des Weins.

    Ab in Bett. Wir schliefen sehr gut.

    Nájera – Santo Domingo de la Calzada

    Am Freitag den 20.05.2011 ging es nun von Nájera bis nach Santo Domingo de la Calzada 22,8 km. Ohne Frühstück geht aber erst mal nix. Wir nahmen das Angebot des Hotels an, Wolfgang wollte ein kontinentales und ich ein kleines Frühstück. Das Kleine entpuppte sich als Kaffee und Croissant, ein französisches Croissant, zum Eindippen. Ich mag sie lieber luftig leicht und natürlich frisch. Das Kontinentale beinhaltete einen großen Teller mit zwei Wurst-und zwei Käsescheiben. Der Teller war wirklich groß, man konnte sogar durch die Wurst und den Käse den großen Teller sehen. Als Blinder hätte man durchaus Schwierigkeiten, den Unterschied zwischen Teller und Belagscheiben zu ertasten.

    Wolfgang liest viel im Outdoor und teilte mir abends schon gerne mit, was den Böses auf mich zukäme, es gehe steil bergauf. Am Morgen um 8.00 Uhr war es noch angenehm kühl. Wir liefen durch die Weinberge und ich hielt mich an den Tipp von einem Bayer. Schön langsam laufen, nicht stehen bleiben, um Atem zu holen, lieber noch langsamer gehen. Der Hanseat, er hat eine ballonartige, schneeweiße Mütze auf, rauschte an mir vorbei, war mir völlig schnuppe, ich blieb im Schleichkatzenniveau. Das war schon viel besser. Wenn ich auf dem Wege einen Käfer oder sonstiges Getier sah, setzte ich meine Schritte immer so, dass ich auf keinen Fall auf das Tier trat. Ist ja ihr Weg und ich bin nur der Gast.

    Lange noch konnte ich die weiße Mütze des Hamburgers verfolgen, es war wie ein kurzes Aufblinken zwischen den saftig grünen Getreidefeldern und Weinbergen. Er wirkte so beschwingt, als schwebe er. Ich beneidete ihn – oder lag es an mehr Wein.

    Wir erreichten Azofra und waren froh endlich in einer Bar frühstücken zu können. Die Bocadillos waren so groß, dass wir uns eins teilten und die andere Hälfte einpackten. In der Bar sah ich eine junge Frau, die mir schon öfter auffiel. Sie hatte eine grüne - hellgrüne - keine froschgrüne - Jacke an und eine passende Mütze zierte ihren Kopf. Sie wirkte immer so alleine, so schüchtern, also steuerte ich sie an. Die junge Frau kam aus der Schweiz, hätte Probleme mit dem Knie und könne einfach nicht mehr. Sie wollte versuchen, mit dem Bus etwas weiter zu kommen. Ich verpasste ihr noch die Wunderkügelchen, wir lächelten uns zu. Gut das ich mal nicht sooo schüchtern bin. Die Osnabrücker trafen wir auch wieder an, so konnte man immer ein büsschen rumflachsen. Gut gestärkt zogen wir weiter.

    Die Sonne stieg, damit auch die Temperatur. Kurz vor Ciruena erreichten wir auf der Anhöhe einen hübschen Rastplatz. Neben gegossenen Betonliegen gab es auch Holzbänke und einen Brunnen. Holland sei Dank trank ich immer lieber das gekaufte Wasser. Unsere Erstpilger nickten uns lächelnd zu. Es wurde Zeit für den Energiestangenschub, die unumgängliche Banane und die Köstlichkeit eines halben Apfels folgte. Auf diesem Rastplatz tummelten sich auch meine Chevaliers, froh gelaunt wie immer. Ein älteres Ehepaar, was heißt älter – hö – hö, wahrscheinlich steckte man sie mit uns in einen Sack, machten sich zum Aufbruch bereit. Er, ein Hüne von Mann, stakte mit den Sticks weit nach vorne ausholend los. Sie, war sehr schlank und mindestens 30 cm kleiner als er, trippelte nebenher. Beide hatten nur Tagesrucksäcke dabei. Ich fand seine Art zu laufen ungerecht. Für mich war klar, das können nur Deutsche sein.

    Wir wanderten hinunter – mag ich auch lieber – nach Ciruena. Die gelben Pfeile verwirrten mich, hier zeigte Einer nach rechts, darüber ein Barschild. Mein Kopf klingelte – Café con leche – Café con leche – aber Wolfgang wollte es wohl nicht hören. Er musste unbedingt dort langlaufen wo auch unsere Erstpilger zu sehen waren. Ach man! War aber richtig.

    Wir kamen durch eine Neubausiedlung, aber so was von neu. Alle Häuser wirkten so kalt, jeder Vorgarten sah gleich aus, was heißt Vorgarten - alles. Wie aus einem Science-Fiction Film, menschenleer, ich glaube, hier gab es auch keinen Vogel oder eine aufmüpfige Ameise oder irgendein Lebewesen – nix. Dafür einen großen Spielplatz und ein Schwimmbad. Leer, bei an die 30º, keine spielenden Kinder, kein Gejauchze, kein Planschen – nix. Hatte man sich das in der Hamburger HafenCity abgeschaut? Gruselig.

    Von Weitem können wir endlich Santo Domingo de la Calzada sehen, aber nur von Weitem. Die letzten Kilometer der Strecke zogen sich wieder wie Brei, die Sonne hatte ihre unbarmherzigste Hitze ausgepackt. Im Ortseingang schwächelte vor uns eine Koreanerin, setzte sich in einen Hauseingang, stand wieder auf, lief einige gequälte Schritte, setzte sich wieder hin. Auch wir waren am Ende mit unseren Kräften. Nun ging es wieder auf Unterkunftssuche. Hatte mal wieder von Wolfgang ein: „Es wird schwer, hier etwas zu bekommen, gehört". Innerlich fing ich dann immer an zu brodeln – kochen - oder bis zum fast Überkochen. Auch Organisatoren sind mal müde!

    Um seinem Fragezeichenblick zu entkommen, ging ich gleich in das erste ***Hotel, um nach einem Doppelzimmer zu fragen. Komplete! Das Fragezeichengesicht änderte sich auf, ich habe es geahnt. Ab zur Informatión del peregrino. Alle Gedanken sind dann nur noch auf die Suche gerichtet. Suche mir wieder ein **Hostal aus. Auf dem Weg dorthin laufen wir direkt auf das *Hostal Peedro zu. Bei dem Anblick bekam ich das Grausen, alles hing schief und krumm am Haus und in den Fenstern, verlottert eben. Ach nö, dann doch eventuell lieber eine Albergue.

    Wir landeten im Hospederia Cistersiense. Man spürte dieses himmlische Willkommen, diese Herzenswärme, als wäre es wirklich das Haus des Herrn und die Engelchen könnten gleich ihre lieblichen Stimmen erklingen lassen. Vergiss es, wir sind hier auf der Erde. Die Kargheit eines Klosters war übernommen worden. In einem Glaskasten – Pförtnerloge bzw. Empfang - saß eine dickliche Nonne. Mit schnarrender Stimme – für den grimmigen Blick sollte sie am Abend ordentlich den Rosenkranz schwingen – wurde uns auf die Frage nach einem Habitatión doble ein sí mit dem Preis entgegen gebellt. Unsere Pilgerpässe bekamen ihre Stempel, wobei ich nur dachte – hey, die brauchen wir noch. So hatte ich mir die himmlische Betreuung nicht vorgestellt.

    Das Zimmer war im sechziger Jahre Stil gehalten. Hauptsache eigene Dusche mit WC, zwei Einzelbetten, das war in Ordnung. Wolfgang packte mal wieder alles aus – oh, wir hatten ja immer noch unsere Einkäufe, die Brote und den Schinken, von vorgestern. Nach dem Reinigen von Körper und Klamotten zogen wir wieder los.

    Auf einer mit Bäumen umsäumten Rasenfläche, vor einer Albergue, hatte es sich eine Gruppe junger Leute, ein Hund gehörte dazu, gemütlich gemacht. Der Hamburger Stetsonträger war auch dabei. Sie würden mit dem Hund keine Unterkunft bekommen und wüssten noch nicht, wo sie schlafen könnten. Es ist allgemein bekannt, dass Hunde in den Alberguen verboten sind. Wir eroberten uns eine der Steinbänke und verzehrten die selbst gemachten Bocadillo con jamón. Dafür, dass die Esswaren zwei Tage in der Sonne mit uns unterwegs waren, schmeckten sie nicht schlecht.

    Kathedralen sind eine Einladung zum Kerzen anzünden, wurde auch wieder Zeit. Die Kathedrale von Domingo de la Calzada ist voller goldener Altarbilder, Sarkophage und sonstiger Kunstwerke. Ich suchte Kerzen, es gab aber nur Kästen mit elektrischen Kerzen. Man steckte Geld in den Schlitz und es leuchteten dann zwei Birnen auf. Hm – da kann ich ja auch zum Lichtschalter gehen, dreimal an- und ausschalten – fertig. Ich fand es blöd. Neben uns tauchte das Osnabrücker Paar auf. Wow – sie hatte ein schwarz-weiß gemustertes, eng anliegendes Kleid an, dazu ein passendes Tuch um die Haare drapiert. Es sah richtig gut aus, aber für mich wär das noch lange nix, eng anliegend – noch nicht, kam mir aber sehr schäbig vor.

    In der Kathedrale in einem erhöhten Käfig werden ein weißer Hahn und weiße Hennen gehalten. Die längere Legende dazu schenke ich mir. Es heißt aber, wenn der Hahn einen Laut gibt, kommt man in Santiago an. Hätte ich das zu diesem Zeitpunkt gewusst, wär mein Aufenthalt in der Kirche länger ausgefallen. Bei uns machte der Hahn noch nicht mal piep.

    Hatten uns noch den Museumsteil der Kathedrale angesehen und trafen am Ausgang die Osnabrücker wieder. Wir Mädels stellten übereinstimmend fest, dass wir diese pompöse Art der Kirchen nicht mögen, lieber klein und schlicht. Auch ein christliches Leben hat doch nichts mehr mit der Kirche gemein. Kinderquälende Kirchenmänner empfinden wir als Schande der Menschlichkeit.

    In einem Café treffen wir erstaunlicherweise den Marcus wieder. Er war mit dem Fahrrad 10 Kilometer in die falsche Richtung gefahren und nun auch in diesem Ort gelandet. Manchmal kommen Bicis auch nicht schneller voran. Nach der Klönrunde wollten wir noch Wasser und Bananen besorgen. Mit einer großen Tüte beladen begegnete uns schon wieder der Osnabrücker. In der vorigen Herberge hätte einer Frikadellen gebraten und nicht eine Einzige abgegeben, das hatte ihn sehr geärgert. Nun wollte er selber Frikadellen machen. Ich spürte, wie mein Mann unter erhöhtem Speichelfluss

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