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Auf nach Namibia: Abenteuerliche Geschichten einer Auswanderung
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eBook385 Seiten4 Stunden

Auf nach Namibia: Abenteuerliche Geschichten einer Auswanderung

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Über dieses E-Book

Auszuwandern in das Land seiner Träume bleibt für viele Menschen unerreichbar. Autobiografisch lasse ich den Leser eintauchen in die aufregende Welt meiner Auswanderung, die mich für beinahe 10 Jahre ins südliche Afrika nach Namibia entführte. Der Leser darf mit auf die spannende Reise durch einen Alltag, der zu keiner Zeit langweilig war. Vom Abflug in Frankfurt angefangen über die Hürden des Alltags bis hin zu den abenteuerlichsten Safaris in die älteste Wüste der Welt, die Namib. Vom Traum der beruflichen Selbstständigkeit und die damit verbundene Freiheit und Unabhängigkeit, bis hin zu dem Tag, an dem das Abenteuer Afrika ein unvorhersehbares Ende nahm.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum6. Nov. 2017
ISBN9783743911963
Auf nach Namibia: Abenteuerliche Geschichten einer Auswanderung

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    Buchvorschau

    Auf nach Namibia - Erhard Kaupp

    Los geht´s

    "Bist du ganz, ganz sicher, dass wir auch nichts vergessen haben?"

    So fragte mich meine Frau sichtlich nervös in ihrer eigenen kurzen Art noch ein allerletztes Mal, bevor wir am Frankfurter Flughafen durch die Sicherheitsschleuse mussten.

    Klar doch, aber bitte mach mich jetzt nicht auch noch völlig verrückt.

    Was ihr vermutlich sehr schwer gefallen wäre, denn bisher brachte mich eigentlich nichts aus meiner angeborenen Ruhe, an der sich manch einer so herrlich aufregen konnte. Doch heute war es bei mir auch etwas anders. Ein Gefühl was ich bis dahin noch nicht kannte. Beinahe könnte man sagen, einer Blockade gleich, welche sich mir spürbar in den Weg stellte. Auch meine Frau hatte sichtlich damit zu kämpfen, wagte dann aber den kleinen Schritt der unsere Zukunft total auf den Kopf stellen sollte. Ein Schritt, der viel mehr war als nur noch dieser einzige Meter bis hinein in die Sicherheitsschleuse. Früh hatte der Tag heut angefangen, unsanft hatte uns der Wecker aus den warmen Federn geworfen. Es war fast wie an einem ganz normalen Arbeitstag. Und doch war dieser Tag völlig anders. In meiner Bauchzone herrschten seltsame Gefühle. Ich war aufgeregt, angespannt, hypernervös, alles gleichzeitig bei einem Adrenalinspiegel in einer bis dahin nicht gekannten Dimension. Ich war traurig, obwohl ich vor Freude alle Menschen hätte umarmen können, die mir entgegenkamen. Ich hatte Angst vor dem Unbekannten, was vor mir lag und weil ich alles Vertraute hinter mir lassend in ein anders Land auswandere. Und doch war ich glücklich darüber, spannungsvoll in eine neue und unbekannte Zukunft zu blicken. Mit Sack und Pack auszuwandern macht man schließlich nicht alle Tage. Und genau heute war der Tag gekommen, auf den wir so darauf hin fieberten. Der Tag der großen Abreise, der akribisch bis ins letzte Detail vorbereitet wurde. Man macht schließlich nicht jeden Tag eine Auswanderung. Dazu noch in ein völlig fremdes und ebenso unbekanntes Land. Irgendwo in Afrika. Fremd? Nein, nicht ganz! Immerhin verbrachte zuvor nicht nur ich schon drei ganze Wochen dort meinen Urlaub. Auch meine Frau und meine Mama waren ebenfalls ganze drei Wochen dort. Eigentlich ganz schön bescheuert nachdem wir das Land nur drei Wochen kannten. Werden jetzt viele denken, aber hinter diesem Vorhaben steckten immerhin schon drei intensive Jahre der Planung. Eigentlich noch viel mehr, wenn ich bis dahin zurückdenke, als wir uns zum ersten Mal über eine Auswanderung Gedanken gemacht hatten.

    Das lag allerdings schon mehr als nur ein paar Jahre zurück. Schon im Alter von 25 Jahren beschäftigte mich dieser Gedanke. In mitten meiner Sturm- und Drangzeit. Ich hatte einen guten Beruf, wenn nicht sogar einer der Besten! Ich war schließlich Beamter - zwar nur bei der Post, aber immerhin. Ein kleiner Briefträger nur und mein Beruf war für mich mehr Sport als Arbeit. Morgens um sechs ging es mit der Arbeit los und spätestens so um zwei Uhr nachmittags war ich wieder zu Hause. Freizeit ohne Ende, welch ein Spaß! Im Sommer lockte das Freibad. Und im Winter gab es damals noch so viel Schnee, dass die Skier Ende November ausgepackt werden konnten. Noch gut kann ich mich daran erinnern, wie es mit dem Schlitten bergab zur Schule ganz schön flott ging. Aber der Nachhauseweg war meist fürchterlich und zog sich ganz schön in die Länge. Das hielt damals auch eine Weile an. Noch bis Ende Februar gab es ausreichend Schnee in meiner alten Heimat. Das nur so am Rande erwähnt. Ein Job in unkündbarer Anstellung, etwas Besseres hätte es zu dieser Zeit eigentlich gar nicht geben können. Und trotzdem spürte ich in mir diesen Drang, etwas Neues zu erleben. Den Drang nach Freiheit und ungebunden zu sein. Etwas Unbekanntes zu erforschen. Schon in meiner Schulzeit gab es nichts Schöneres für mich, den Wald, die Felder und die Umgebung zu durchstreifen. Selbstverständlich erst nach der Schule und den damit verbundenen Hausaufgaben. Und jetzt stehen wir hier am Flughafen und wagen den Schritt ins Ungewisse. Den Schritt in eine neue unbekannte Welt, ja sogar auf einen anderen Kontinent.

    Das unüberhörbare laute Piepen vom Scanner in der Sicherheitsschleuse riss mich aus meinen Gedanken. Von vorne rein war mir schon klar, dass nicht alles gut gehen konnte. Das wäre ja viel zu einfach gewesen. In allen meinen verfügbaren und vollgestopften Taschen in Jacke und Hose befand sich irgendein Gegenstand, der unbedingt mit auf die Reise musste. Wegen eines Gepäcklimits von 30 kg pro Person musste diese eben noch irgendwie anderweitig verstaut werden.

    „Ziehen Sie doch bitte mal Ihre Schuhe aus", wurde ich aufgefordert.

    Wegen einer Blase am linken Fuß stand ich wohl etwas komisch da, deshalb bat mich der Kontrolleur auch noch um meine Socken, um dort einen kurzen Blick hinein zu wagen. Von mir aus, wenn es ihm Spaß macht! Natürlich hatte er nichts gefunden. Trotzdem beäugte der Sicherheitsbeamte äußerst argwöhnisch meine robusten Treter, die auffallend neu waren. Und sehr stabil, eben genau so wie richtige Wanderschuhe sein müssen. Schnell stellte sich aber heraus, dass es nur die Messingösen waren, die mit reißfesten Schnürsenkeln zusammengehalten wurden. Diese kleinen runden Dinger lösten sie den Alarm aus. Erleichtert atmete ich auf.

    „Eine gute Reise wünsche ich Ihnen und viel Erfolg in der neuen Heimat", sagte der Zollbeamte dann bemerkenswert freundlich, als er mit uns fertig war.

    Dabei gab er uns die von ihm gesichteten Pässe wieder in die Hand. Durch unsere mitgeführte Dokumentation ist ihm nicht entgangen, dass wir nur ein Einwegticket besaßen. Eine Reise ohne Rückkehr. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Die zwei Stunden Wartezeit am Flughafen bis zum Check-In zogen sich endlos in die Länge. Wir nutzten diese Zeit und beschäftigten uns auf geistiger Ebene. Wir sortierten unsere Gedanken. Alles wurde noch einmal im Schnelldurchgang durchgedacht. Doch für ein Zurück war es nun zu spät. Die Koffer waren gepackt und unsere Möbel samt restlichem Hab und Gut waren in einem 20 Fuß Container schon seit ein paar Tagen unterwegs. Die Uhr am Flughafen tickte unabänderlich dem Countdown zum Abflug entgegen.

    Schon Wochen vorher hatten wir uns nach einem Überseecontainer umgesehen. Auf einer Börse für gebrauchte Container hatten wir ihn bei einer Spedition für einen guten Preis erstanden. Kaufen war für uns viel kostengünstiger als einen Container zu mieten. Der Vorteil lag klar auf der Hand. Wir hatten ohne einen Termin einhalten zu müssen unbegrenzt Zeit, um ihn zu beladen. Und letztendlich gehörte er uns. Denn wer weiß, für was man ihn später noch gebrauchen könnte. Davon abgesehen, kann man in Afrika alles irgendwann und irgendwie noch einmal gebrauchen. Natürlich hatte ich mich vorher ausreichend erkundigt, und ich wusste auch schon etwas damit anzufangen. Dieser Container sollte einmal eine kleine Werkstatt für mich werden. Hatten wir nicht doch noch etwas vergessen? Dieser Gedanke lag permanent in meinem Hinterkopf. Obwohl es jetzt eigentlich schon zu spät war.

    „Hey, was machst denn du hier?"

    So riss mich eine tiefe Männerstimme aus meinen Gedanken. Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich nicht bemerkte, wie Gerhard uns anscheinend schon die ganze Zeit beobachtet hatte. Auf meinem vorangegangenen Besuch in Namibia hatte ich ihn kennengelernt. Völlig überrascht ihn hier am Flughafen zu treffen, stellte ich ihm meine Frau vor. Wir sollten noch öfter feststellen, wie klein die Welt zwischen zwei Kontinenten sein kann, und dass man dabei immer wieder auf bekannte Gesichter stößt.

    Ja, stell dir vor, es ist so weit. Als ich das letzte Mal bei euch unten war, habe ich noch auf den letzten Drücker alle Papiere unter Dach und Fach bekommen. sagte ich zu ihm.

    „Das heißt du bist jetzt einer von den unseren?"

    Dabei grinste er in seiner sympathischen, offenen Art über alle Backen. Dabei ließ er die komplette Galerie an weißen Zähnen aus seinem sonnengegerbten Gesicht strahlen.

    „Dann mal herzlich willkommen, wir können jede Verstärkung in unserer Deutschen Partei gebrauchen. Das ist ja der Hammer, ich glaube es nicht! Was ist es nur, was euch Jerries ¹ bei uns an diesem heißen Land so gefällt? Bei uns gibt ja nicht mal ausreichend Regen. Geschweige denn Schnee oder gar einen grünen Wald!"

    Er lachte noch breiter und schüttelte den Kopf, um das eben gesagte noch zu unterstreichen. Natürlich hatte er recht damit. Aber vielleicht war es ja genau das, was uns dorthin lockte. Ein trockenes Wüstenklima. Genau das war es, was uns vom Arzt empfohlen wurde. Meine Frau hatte nach einem schweren Bandscheibenvorfall immer wieder Probleme mit ihrer Hüfte. Auch ich kämpfte schon seit ein paar Jahren mit meiner Arthrose, die sich bei mir durch einseitige Belastung im Beruf immer stärker bemerkbar machte. Briefträger bei der Post zu sein bedeutete: Immer zack, zack und schnell, schnell von Haus zu Haus und von Briefkasten zu Briefkasten. Völlig bequem mit dem Auto, so könnte man meinen.

    „Du fährst doch eh nur den halben Tag spazieren", hörte ich damals fast täglich. Niemand hatte aber gesehen, dass ich jeden Tag zwischen zwei- und dreihundert Mal in einen alten Volkswagen Käfer ein- und aussteigen musste. Das wurde etwas später im neuen VW Golf auch nicht besser, im Gegenteil! In dieser Kiste saß man sogar noch etwas tiefer. Da war der Verschleiß an meinem linken Hüftgelenk programmiert! Aus unseren vorangegangenen Urlauben, meist in den wärmeren Ländern am Mittelmeer, durften wir glücklicherweise erfahren welche Auswirkung ein trockenes Klima für uns hatte. Also diesbezüglich war es für uns ein Schritt in genau die richtige Richtung.

    „Ach weißt du, wir haben das von unserem Hausarzt verschrieben bekommen. Und die Krankenkasse bezahlt das alles". So sagte ich scherzend zu Gerhard.

    Inzwischen war auch meine Frau wieder von der Toilette zurück, sie konnte sich vor Aufregung nicht zwischen Klo und Wartehalle entscheiden. Während wir uns so unterhielten, verging die Wartezeit wie im Flug. Der große Moment nahte als ein blecherner Aufruf ertönte:

    „Die Passagiere nach Windhuk bitte zum Boarding an Schalter C. Kurze Pause, dann kam noch ein Nachtrag aus der Blechdose an der Decke. „Zuerst bitte die Passagiere der Sitzreihen 1 bis 16. Den Zusatz mit den Sitzreihen hätte es nicht mehr bedurft, denn schon drängten sich alle Mit-Passagiere gleichzeitig nach vorne zum Ausgang. Wir natürlich mitten drin. Endlich kam der große Augenblick. Meine Frau und ich schauten uns noch einmal an. Den Rucksack geschultert, noch einmal tief Luft geholt und dann ging es hinein in die Maschine. Wieso mussten wir ausgerechnet einen Platz in den hinteren Reihen bekommen? Noch dazu genau die Reihe vor den ersten Raucherbänken. Ja, damals durfte noch im hinteren Teil des Flugzeuges geraucht werden. Unsere Rucksäcke waren nicht ganz so den Bordmaßen entsprechend, zumindest nicht mehr, nachdem wir sie nach der Kontrolle neu gepackt hatten. Dementsprechend hatten wir uns nun zwischen den Sitzreihen hin durchzukämpfen. Auf einer einfachen Urlaubsreise wäre die Fluggesellschaft wohl nicht so tolerant gewesen, aber bei unserem Flug ohne Rückflugticket schien sie recht großzügig gewesen zu sein. Oder wir hatten einfach nur Glück, und die freundliche Dame am Check-In Schalter hatte an diesem Tage schon ein schönes Erlebnis und war deshalb noch so gut drauf. Obwohl sie uns von oben bis unten gemustert hatte, musste sie genau gesehen haben, wie schwer wir bis auf die letzte Hosentasche bepackt waren. „Ein freundliches Kind, ich werde sie dafür in mein Nachtgebet mit einschließen".

    So dachte ich mir noch und verabschiedete mich freundlich von der jungen Beamtin.

    Guten Flug

    Unser großes Gepäck war also verstaut und die Leute saßen alle, mehr und auch weniger aufgeregt tief in ihren Sitzen. Die den Bedürfnissen nach in dieser Boeing 747 doch recht komfortabel waren. Jeder machte es sich so bequem wie es eben ging, in dieser fliegenden, zugegebenermaßen recht großen und imposanten Sardinenbüchse. Gerhard, unser Mitflieger aus Windhuk, musste seiner Sitzplatznummer nach irgendwo in den Reihen vor uns sitzen. Für uns unsichtbar, denn der Flieger schien recht voll zu sein. Vor Aufregung hatten wir ihn aus den Augen verloren. Aber wir hatten ja fast zehn Stunden Zeit vor uns, um ihn wiederzufinden. Somit auch sicherlich Zeit genug für Gespräche. Wir saßen also im Flieger und warteten auf die Startfreigabe. Eine viertel Stunde, noch eine viertel Stunde und noch eine. Endlich nach fast 40 Minuten unruhigem Herumrutschen auf dem Sitz kam eine Mitteilung über den Bordlautsprecher, die uns überhaupt nicht gefiel.

    „Sehr geehrte Fluggäste, aufgrund einer technischen Störung muss der Abflug leider auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Bitte bleiben sie vorerst auf ihren Plätzen und bla - bla – bla."

    Das konnte ja heiter werden, mit so einem Start hatten wir nicht gerechnet. Um es kurz zu machen, wir durften erst nach zwei Stunden den Flieger wieder verlassen und wurden zu einem Hotel verfrachtet. Es hätte auch einfach alles ganz glatt laufen können, aber anscheinend nicht für uns. Dafür aber war das Hotel erste Sahne, alle Achtung! Da hatte sich die Fluggesellschaft nicht lumpen lassen und ganz schön tief in die Tasche gegriffen, wie wir beim Betreten des Hotels an der Preisliste für eine Übernachtung erkennen konnten.

    Unser Zimmer entpuppte sich als wahres Luxuszimmer. Schwülstiger roter Teppich, Stofftapeten, schwere Vorhänge und Klimaanlage. Ein mächtiges Doppelbett mit Zierkissen. Und wie gesagt - kein Schnäppchen! Über dem Bett lag eine Tagesdecke und nochmal ein Deckchen und noch mehr so ‘nen Deko-Tüddelkram. Das Bad war komplett in weißem Marmor Gehalten und die Dusche glänzte mit Klarsichtverglasung. Oh-lala, das könnte unter normalen Umständen die Fantasie anregen. Sogar eine gutbestückte Minibar war vorhanden! Aber hallo! So ein Zimmer hätte nie unserer Preiskategorie entsprochen. Auf alle Fälle saßen wir nach einer schlecht durchschlafenen Nacht bei einem opulenten Frühstück zwischen all den anderen Gästen. Darunter auch die Mitflieger. Keiner von denen wusste etwas Genaues über unseren Abflug. So blieb uns nichts anders übrig, als wie alle anderen zu warten. Und zu warten. Einen ganzen Tag lang saßen wir wie auf heißen Kohlen, bis dann endlich am frühen Abend die Abflugzeit mit 21:40 Uhr bekannt gegeben wurde. Genau 24 Stunden später. Noch eine Nacht hatten wir vor uns, in der an richtigen Schlaf sicher nicht zu denken war. Aufgeregt und zum Teil sehr aufgebracht, machten sich rund 300 Menschen im Hotel auf die Abfahrt zum Flughafen bereit. Der lag nur ein paar Busminuten entfernt. Es ging alles recht flott von statten. Die Flugfreigabe kam pünktlich. Komischerweise waren wir bis jetzt überhaupt nicht mehr aufgeregt, aber plötzlich war es wieder da. Schlagartig wurde uns bewusst, wir lassen endgültig die alte Heimat hinter uns.

    „Unsere Freunde und Bekannten werden wir wohl so schnell nicht mehr Wiedersehen." So ging es mir durch den Kopf.

    „Wie wird wohl unser neues Zuhause aussehen? Das leere Haus, das seit unserem letzten Besuch inzwischen nicht mehr bewohnt wurde. Wie überstehen unsere Möbel und das restliche Umzugsgut den Transport im Container?"

    Dieser befand sich gepackt auf irgendeinem unbekannten Containerfrachter, bereits unterwegs im atlantischen Ozean auf dem Weg nach Walvis Bay, dem einzigen Tiefseehafen in Namibia. Und unser schwergewichtiges „Baby", ein Wohnmobil mit knapp acht Tonnen Gesamtgewicht, welches ich zusammen mit einer ehemaligen Arbeitskollegin, schon vor Wochen nach Hamburg gefahren hatte, schwamm auch noch irgendwo unterwegs im Weltmeer. Sein Ziel war Kapstadt. Wenn ich mir genau überlegte, wir zogen um mit Hilfe eines Flugzeuges und zwei Ozeandampfer. Nicht schlecht, das machte was her! Von Kapstadt aus wollten wir erst einmal ein paar Tage Urlaub machen. Wenigsten so lange, bis der Möbelcontainer vom Zoll freigegeben wurde. All diese Gedanken beschäftigten nicht nur mich, sondern auch offensichtlich meine Frau, die sich auf ihrem Platz so bequem wie nur möglich eingerichtet hatte. Wir saßen schweigend nebeneinander. Wir mussten uns anschauen und konnten nicht verhindern, dass Tränen unsere Augen überströmten. Dabei hätten wir eigentlich lachen sollen und fröhlich sein. Wir hatten uns doch so lange darauf gefreut. Und wir beide konnten es beinahe nicht abwarten in den großen Vogel, der uns in eine neue Zukunft ins südliche Afrika bringt, zu steigen. Ich hatte irgendwie ein mulmiges Gefühl im Bauch.

    „Haben wir alles richtiggemacht?"

    „Ihr seid mir zwei so Oukie's", hörten wir eine abgrundtiefe Bassstimme aus dem Hintergrund, die uns wieder aus unseren Gedanken zurückholte.

    „Ich dachte ihr freut euch darauf, zu uns in den wilden Westen zu kommen. Das sieht mir aber noch gar nicht danach aus."

    Es war Gerhards Stimme, die uns aus den Gedanken riss. Er saß wohl inzwischen ganz hinten im Flugzeug. Von uns völlig unbemerkt, wechselte er seinen Platz. Denn hinten durfte geraucht werden. Wie gesagt, damals noch! Und Gerhard rauchte wie ein Schlot. Oukie ist übrigens Afrikaans und bedeutet wörtlich übersetzt eigentlich so viel wie Schmarotzer. Allerdings bedeutet es im Südwester-Deutschen Sprachgebrauch eher so was wie „Kumpel oder „Kamerad. Es sollte also durchaus nicht so negativ angesehen werden. Denn kurz vor unserer Einreise noch war Namibia nicht nur umgangssprachlich Deutsch-Südwest Afrika. Und von jetzt an mussten die Südwester-Deutschen sich an den neuen Namen gewöhnen. Das Land war mitten im Umbruch. Und wir nun mittendrin. Irgendwie seltsam, dass die Unabhängigkeitserklärung Namibias auf das gleiche Datum wie der Fall unserer Mauer fiel. War das politisch etwa so abgesprochen? Ich enthalte mich besser jeden weiteren Kommentares, was die Politik anbetrifft. Im Laufe der Jahre hatte sich ein herrlicher, sprachlicher Mischmasch aus Afrikaans, Englisch und Deutsch entwickelt. Es finden sich auch einige Brocken von anderen ethnischen Völkergruppen darin. Also spricht man in Namibia nämlisch, oder auch denglisch genannt. Das war eine sprachliche Mischung mit der man ernsthafte Gegebenheiten beinahe gleich einer Karikatur beschreiben konnte. Und es auch heute noch immer kann. Wie ein Blick in die wöchentliche Glosse der einzig deutschen Tageszeitung in Namibia uns zeigt, der Allgemeine Zeitung. Mit Gerhard ins Gespräch vertieft, verlief unser Flug recht kurzweilig. Nachdem wir bereits sieben Stunden Flugzeit hinter uns hatten, wurde es draußen schon etwas heller. Vor allem auf der linken Seite der Kabine wurden vereinzelt die Schiebvorhänge geöffnet. Ich musste schmunzeln über ein paar Japaner. Vorhang auf, schnell ein Foto gemacht, Vorhang wieder zu und weitergeschlafen, denn dort draußen vor den Fenstern, weit hinten am Horizont, fand das alltägliche Farbspektakel des Sonnenaufgangs über den Wolken statt.

    Öfters habe ich bei solch einem Flug schon erlebt, dass der Pilot die Maschine in eine leichte Schräglage versetzte, um auch die Passagiere in den mittleren und rechten Sitzreihen an diesem Schauspiel teilhaben zu lassen. Sofern es zwischen all den Köpfen der Passagiere, die auf der linken Seite in dieser fliegenden Zigarre saßen, hindurch möglich war. Kurze Zeit später konnte ich bei meinem Blick durch das Fenster die ersten zum Teil kreisrunden, ausgetrockneten Seen in der Kalahari deutlich erkennen. Die Erde färbte sich langsam ins Rötliche. Kerzengerade verlief die Grenze zwischen Angola und Namibia unter uns. Riesengroß und reich an Einzelheiten war rechter Hand der Etosha Nationalpark auszumachen, mit 22 270 km², eines der wirklich großen Wildschutzgebiete der Welt. Der größtenteils ausgetrocknete See war selbst aus dem Flugzeug nicht zu übersehen. Eine riesige ebene Salzfläche mit an die 6 000 km². Kurz danach ließ der Flugkapitän bereits die Maschine in einen langsamen Sinkflug übergehen.

    Im Gespräch mit Gerhard konnten wir einige sehr interessante Dinge in Erfahrung bringen, die sich für uns als sehr nützlich herausstellen sollten. Gerhard war in dritter Generation in Namibia geboren, seine Eltern besaßen eine große Farm mit Rinderzucht, und er selbst war als Reiseleiter tätig. Welch hilfreicher Zufall, ihn am Flughafen getroffen zu haben. Zumal wir im Laufe der Jahre ebenfalls Touren für Gäste anbieten wollten, während wir unser Gästehaus betreiben.

    „Ich gebe euch noch ein paar Adressen von wichtigen Leuten, die euch unter Umständen helfen könnten," sagte Gerhard noch, während die Maschine dem Erdboden immer näherkam.

    „Und ihr dürft euch natürlich auch gerne auf mich berufen."

    Sogleich kritzelte ich ein paar Namen in mein kleines Notizheft, was ich beständig mit mir führte. Was ich übrigens noch heute so handhabe. Obwohl es in der heutigen Zeit von den elektronischen Helfern wie Smartphone und Tablet fast schon überall ersetzt wird. Nur mit dem kleinen Unterschied - bei meinem Papierblock war die Batterie noch nie leer.

    Über die Bordlautsprecher tönte die Ansage über die bevorstehende Einleitung des Landeanfluges. Brav begaben sich auch die letzten Passagiere auf ihre Plätze, darunter auch ich. Die meiste Zeit war ich im schmalen Gang unterwegs, oder hatte bei Gerhard hinten gestanden. Nachdem ich mir zwei Jahre zuvor eine tiefe Thrombose im Unterschenkel zugezogen hatte, wurde ich vorsichtig. Ich versuchte mich, so viel wie es nur möglich war, zu bewegen. Vor allem eben bei langen Flügen wie diesem. Auch trotz vorangegangener Heparin Spritze beim Abflug und den ärztlich verordneten Gummistrümpfen, die ganz schön lästig sein konnten. Vor allem, wenn sie an den schnell nachwachsenden Haaren an meinem Oberschenkel herumrissen!

    Vergessen waren die noch vor Stunden vergossenen Tränen. Unsere Traurigkeit hatte sich seit dem Abflug inzwischen in helle Freude verwandelt. Wir konnten kaum das Aufsetzen der Maschine erwarten. In meinen Gedanken war ich schon im Haus. Wohlwissend, dass noch eine dreiviertel Stunde Fahrzeit vor uns lag. Ohne die Zeit eingerechnet, die unser Gepäck durch den Zoll noch brauchen sollte. Die Maschine rollte noch übers Flugfeld als schon die ersten Sicherheitsgurte klickten. Eine butterweiche Traumlandung lag hinter uns. Wie üblich applaudierten die Fluggäste. Was so unnötig wie ein Kropf war. Ich glaube nicht, dass der Flugkapitän es hörte. Davon abgesehen, hatte dieser zusammen mit dem Co-Piloten in diesen Minuten, weiß Gott, was anderes zu tun. Es dauerte noch eine gefühlte Ewigkeit bis die Maschine endlich stand und die Anzeige für den Sicherheitsgurt erlosch. Ganz eilige Menschen standen natürlich schon fertig bepackt im Gang als ob sie nicht wüssten, dass ihr Gepäck ja auch noch ausgeladen werden muss. Ich gebe zu, wir mussten uns ja auch beherrschen nicht einfach zwischen die anderen Menschen in den schmalen Gang rein zu drücken. Denn es kostete uns enorm viel an Selbstdisziplin ganz ruhig sitzen zu bleiben. Nochmals eine Zeitschrift aufzuschlagen und sich mit einem erwartungsvollen und sehnsüchtigen Blick nach draußen durchs Fenster abzulenken. Wie fühlte sich wohl die Temperatur an? Der Kleidung des Bodenpersonals nach zu urteilen, schön warm. Zuhause vor dem Abflug froren wir uns noch den Hintern ab. Die Menschenmenge vor uns kämpfte sich durch den langen Gang, dem einzig offenen Ausgang der Boing 747 entgegen. Erst später erst erfuhren wir dann warum. Eine der fahrbaren Treppen, die zum Andocken an das Flugzeug diente, schien öfters kaputt zu sein. Deshalb war nur ein Ausgang offen. Oder das Bodenpersonal hatte an diesem Tag einfach keine Lust, sich mit mehr Arbeit zu belasten als notwendig. Wie wir aus zuverlässigen Quellen später erfuhren, kam das öfters vor. Viele Menschen in Afrika schienen eine andere Einstellung zur Arbeitsmoral zu haben, wie wir Europäer. Es war ein seltsames Gefühl, die Flughafenhalle zu betreten. Ohne ein Rückflugticket und zwischen all den schwarzen, farbigen und weißen Fluggästen, wovon überwiegend deutschen Touristen zu sein schienen. Unter denen sich offensichtlich auch Rückreisende befanden, wie wir unschwer erkennen konnten.

    Wir ignorierten stolz die lange Schlange der Otto-Normal-Touristen, die sich eben noch so ungeduldig durchs Flugzeug dem Ausgang entgegen schoben. Residents Only stand in großen Buchstaben über dem Schalter, vor dem nur eine Handvoll Menschen anstanden. Zum ersten Mal durften wir ihn nutzen. Die notwendige Dokumentation in Form der Permanent Residence hielt ich auf nur einem DIN-A4-Blatt schon in der Hand. Diese überreichte ich nun mit leicht zitternden Händen der jungen Dame am Schalter. Ob sie das bemerkte? Mein letzter Besuch nur acht Wochen vorher diente allein dazu, die schriftlichen Hürden zu nehmen. Für nur eine Unterschrift einen Flug von zwei Mal knapp 10 Stunden zu tätigen macht man nicht alle Tage. Aber für eine gute Vorbereitung war es eben unumgänglich und wie heißt es so schön:

    „Ja wenn’s denn hilft!"

    Die restlichen benötigten Einheitsformulare, die zur Einreise zuvor schon im Flugzeug ausgehändigt wurden, hatten wir wohl wissentlich gleich nach deren Verteilung ausgefüllt. Noch während sich die eiligen Fluggäste ihre Beine im Gang plattstanden.

    Die dunkelhäutige hübsche Beamtin vom Schalter musterte uns ausgiebig. Ihr Blick wechselte von den Pässen über die Dokumente zu unseren Gesichtern und wieder zurück. Das ging ein paar Mal so hin und her. Wir hatten extra zuvor noch unsere Pässe aktualisieren lassen, natürlich mit einem brandneuen Foto. Jetzt schien sie sich wohl nicht ganz sicher, ob diese Dokumente auch echt waren. So druckfrisch wie diese noch aussahen! Aber nach ein paar freundlichen Worten hin und her, über wie, was und wohin, donnerte sie mit Karacho die begehrten Stempel in unsere Reisepässe. Zusammen mit dem Permanent Residence Dokument schob sie diese über den Tresen und verabschiedete uns mit einem äußerst höflichen:

    „Welcome in Namibia".

    Ihre strahlend weißen Zähne, in Verbindung mit ihren riesigen, ebenso strahlenden Augen, hätten in der Dunkelheit als Notbeleuchtung gute Dienste geleistet. Mensch, wie waren wir erleichtert. Jetzt hieß es nur noch auf unser Gepäck zu warten. Zwei Mal je 30 kg voll ausgereizt, dazu noch unser Handgepäck. Ein paar Minuten später entdeckten wir es schon auf dem Förderband. Alle beiden Koffer direkt hintereinander, wir brauchten nur zuzugreifen. Der Flughafen Trolley war anschließend ganz schön schwer beladen. Jedoch wie aus dem Nichts tauchten ein paar junge Burschen auf, die beim Transport

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