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100% Down Under: Ein Rucksack voller Australiengeschichten
100% Down Under: Ein Rucksack voller Australiengeschichten
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eBook300 Seiten4 Stunden

100% Down Under: Ein Rucksack voller Australiengeschichten

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Über dieses E-Book

Auf den scheinbar endlosen Straßen des australischen Outbacks gibt es vor allem zwei Dinge, welche die ruhige Fahrt des gemütlich vor sich hin Reisenden jäh unterbrechen können: Lebensmüde Kängurus, die, sobald sie vom herannahenden Fahrzeug Wind bekommen, ihren Kopf heben, dem Fahrer verdutzt in die Augen schauen und dann, anstatt einfach wegzuhüpfen, direkt und ohne Umweg vor das Auto springen - und es gibt die Road Trains, schwere, 50 Meter lange Monster, deren Fahrer zwei im Straßenverkehr durchaus wichtige Begriffe komplett aus ihrem Vokabular gestrichen haben: Ausweichen und Bremsen! Dieses Buch ist die Geschichte zweier junger Menschen, die auszogen, das ferne Australien zu erkunden. 100% Down Under wollten sie erleben und mit einem prall gefüllten Rucksack voller Australiengeschichten wieder zurückkehren. Beides ist ihnen gelungen - trotz lebensmüder Kängurus und monströser Road Trains! Witzig, lehrreich und unterhaltsam geht es kreuz und quer, durch dick und dünn und einmal ringsherum. Das perfekte Buch für alle, die Australien bereits lieben, das Land erst noch kennen lernen wollen oder sich einfach nur aus dem Alltag ans andere Ende der Welt entführen lassen möchten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum11. Mai 2014
ISBN9783847656494
100% Down Under: Ein Rucksack voller Australiengeschichten

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    Buchvorschau

    100% Down Under - Wolf Stein

    Vorwort

    Dieses Buch erzählt die Geschichte zweier junger Menschen, die auszogen, das ferne Australien zu erkunden. Das erste große Abenteuer ihres Lebens - spontan entschieden und durchgeführt. Es ist die Geschichte von Anne und mir, Woody. Ohne große Planung packten wir unsere Rucksäcke und erfüllten uns einen unserer größten Träume: ein Jahr Australien - ein Jahr Abenteuer pur und nach uns die Sintflut ...

    Und ein Abenteuer war es wirklich - großartig, wunderschön, anstrengend, lustig und vor allem einmalig.

    100% Down Under wollten wir erleben und mit einem Rucksack voller Australiengeschichten wieder zurückkehren.

    Die folgenden Seiten sind eine unterhaltsame und heitere Beschreibung unserer außergewöhnlichen Reise. Sie soll all jenen Mut machen, die schon immer etwas wagen wollten, sich aber bisher nicht trauten, den letzten und entscheidenden Schritt zu gehen. Und sie soll zeigen, wie man mit etwas Selbstvertrauen, Glück und Menschenverstand fernab des Alltags die schönste und unbeschwerteste Zeit seines Lebens verbringen kann.

    Auf nach Queensland

    Wir saßen in einem Café in Magdeburg und sinnierten darüber, wie schön es doch wäre, den Alltag hinter sich zu lassen, einfach zu sagen: »Ihr könnt uns doch alle mal!«, und für längere Zeit allem, was uns auf den Keks ging, den Rücken zu zukehren. Schließlich waren wir jung, uns stand die ganze Welt offen. Und wenn nicht jetzt, wann denn dann? Die Welt sehen, neue Menschen kennenlernen, raus hier und so richtig leben.

    Es brauchte nicht viele dieser Abende, bis Anne und ich endgültig beschlossen, unseren Job zu kündigen, die nötigen Formulare zu besorgen und uns kurzfristig, das heißt innerhalb von zwei Monaten, auf ein Jahr Down Under vorzubereiten.

    Doch wieso gerade Australien?

    Zum einen schien es uns weit genug weg, zum anderen genau das Richtige für Abenteurer wie uns zu sein.

    Bei Bekanntgabe unseres Vorhabens stießen wir auf die unterschiedlichsten Reaktionen unserer Freunde und Verwandten. Die einen zeigten sich hellauf begeistert, andere erklärten uns für verrückt und wiederum andere wussten nicht so richtig, was sie von der ganzen Sache halten sollten.

    Viele meinten: »Mensch, das würde ich auch zu gerne machen! Aber ich traue mich nicht. Ich habe viel zu viel Angst davor.«

    Hätten wir damals so gedacht, wären uns eine atemberaubende Zeit und jede Menge prägender Erfahrungen durch die Lappen gegangen. Am schwierigsten gestaltete sich jedoch, den eigenen Eltern und natürlich der Oma die plötzlich erwachte Lust am Reisen nahezubringen. Der Grat zwischen Begeisterung und der Angst davor, der eigene Enkel könne im australischen Busch irgendeiner nur auf ihn lauernden Giftschlange zum Opfer fallen, war, wie man sich denken kann, äußerst schmal.

    »Mensch, mein Junge«, schrie die Oma, »ich werde dich wohl nie mehr wiedersehen! Das Flugzeug wird abstürzen, irgendwelche Verrückten werden euch entführen, die Aborigines werden euch auffressen, ihr werdet verdursten, verhungern, an Einsamkeit sterben, von Krokodilen oder Haien verspeist werden ...«

    … und, wenn das nicht passiert, letzten Endes doch noch von der bereits erwähnten Schlange literweise mit Gift vollgepumpt werden.

    Gut, die Darstellung der Ereignisse klingt ein bisschen übertrieben, aber so ähnlich war es schon. Die Liste der Gegenargumente schien endlos. Gleichzeitig empfanden wir sie als sehr amüsant. Doch ich kann es nur zu gut nachvollziehen, dass sich die eigenen Verwandten die größten Sorgen machen. Bei Annes Familie sah es nicht viel anders aus.

    Allen vorherbeschworenen Horrorszenarien zum Trotz, gedanklich saßen wir längst im Flugzeug. Aber wo wollten wir landen? Australien ist riesig und beheimatet die verschiedensten Klimazonen.

    Eines stand fest: Wir sehnten uns nach Wärme! Es war kalt in Deutschland. Der Februar präsentierte sich in einem eisig weißen Kleid. Also besorgten wir uns ein schlaues Buch über den fernen Kontinent mit einer guten Landkarte und entschieden uns nach genauestem Studieren der australischen Geographie und Wetterlage für Cairns als Landungsziel. Das kleine Küstenstädtchen liegt im tropischen Nordosten Australiens im Bundesstaat Queensland. Da wir Ende Mai losfliegen wollten, erschien uns Cairns als ideale Wahl, denn dort ist es im Mai - also im australischen Herbst - angenehm warm. Die Jahreszeiten in Australien verlaufen genau entgegengesetzt zu den europäischen - zu Weihnachten herrscht der Sommer und im Juli regiert der Winter. Allerdings sind die Temperaturunterschiede bei weitem nicht so stark wie bei uns. Mitten in die Regenzeit, zwischen Januar und Anfang Mai im nördlichen Australien, sollte man trotzdem nicht unbedingt geraten.

    Nun stand also fest, wohin es gehen würde. Die Tickets wurden gebucht, der Job gekündigt, die Sparkonten geplündert und entsprechende Ausrüstung besorgt: Rucksäcke, Schuhe, Taschenlampen, Messer und andere nützliche Dinge, die den harten Überlebenskampf im australischen Busch erleichtern sollten. Jedenfalls war dies meine Vorstellung unserer Tour. Anne sah das zu diesem Zeitpunkt noch leicht differenziert.

    Während ich die meiste Zeit auf Entdeckungsreise gehen wollte, dachte sich Anne: »Na ja, einen oder zwei Monate mache ich das mit und dann suche ich mir in irgendeiner Stadt einen Job, um mir eine internationale Karriere als erfolgreiche Geschäftsfrau aufzubauen.«

    Natürlich war auch mir klar, dass unsere gesparten paar tausend Euro nicht das ganze Jahr reichen würden. Früher oder später stünde sicher die Arbeit auf einer Farm im Outback an oder - mit viel Glück - ein Job beim australischen Radio. Doch kommt Zeit, kommt Rat. Anne und ich arbeiteten seit mehreren Jahren als befreundete Kollegen bei einem landesweiten Radiosender und wir hätten gerne auch in dieser Hinsicht unseren Horizont erweitert. Eine Arbeitserlaubnis, das Working Holiday Visa, hatten wir unkompliziert im Internet beantragt. Dieses Visum berechtigte uns, ab Einreisedatum ein Jahr lang für jeweils drei Monate bei einem Arbeitgeber überall in Australien zu arbeiten. Für mich stand dies jedoch, wie gesagt, im Hintergrund, denn zunächst ging es mir um die Befriedigung der puren Reiselust. Völlig im Unklaren wandelten wir bezüglich der Frage, wie und womit wir die endlosen australischen Weiten überhaupt durchqueren wollten. Auf Schienen mit dem berühmten Ghan einmal von oben nach unten, kreuz und quer mit dem Bus oder trampend? Wir beschlossen, uns überraschen zu lassen.

    In den letzten Wochen vor unserer Abreise stieg die Aufregung beständig an - einerseits aus Vorfreude, andererseits aus Ungewissheit. War das wirklich eine gute Entscheidung? Wir würden es bald erfahren.

    Nachdem alle Formalitäten erledigt und die Abschiedspartys gelaufen waren, wir allen Verwandten und Bekannten auf Wiedersehen gesagt und den prall gefüllten Rucksäcken den Befehl zum Aufsatteln gegeben hatten, standen wir am 25. Mai 2004 freudig erregt auf dem Magdeburger Hauptbahnhof. Einige Freunde waren gekommen, um uns Lebewohl zu sagen. Als sich die Räder des Zuges langsam in Richtung Frankfurter Flughafen in Gang setzten, wurde uns klar: Jetzt gibt es kein Zurück mehr, jetzt gehen wir zwei uns vielleicht ein Jahr lang auf die Nerven. Na, wenn das mal gut geht!

    Die lange Zugfahrt verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle, wie auch das Einchecken auf dem Flughafen. Nach einem dreizehnstündigen Aufenthalt in luftiger Höhe, landeten wir mit einem Flieger der australischen Fluglinie Quantas in Singapur. Dort verbrachten wir einen dreitägigen Zwischenstopp. Der reichte völlig aus, um sich die pulsierende Metropole anzusehen, gut essen zu gehen, einmal auf das Dach eines Wolkenkratzers zu steigen, eine Bootstour durch den Hafen zu drehen, die Botanischen Gärten zu besuchen, sich zu aklimatisieren und zu testen, ob man in der Ferne klarkommt - vor allem, ob man mit seiner Reisebegleitung klarkommt. Die erste Hürde bewältigten wir ohne Probleme und hatten richtig Spaß in der feuchtheißen, von Menschen nur so wimmelnden Stadt. Diesen Umstand nutzten wir sogleich, um die ersten digitalen Schnappschüsse per E-Mail nach Hause zu schicken. Sie sollten all den Zurückgelassenen zeigen, wie gut es uns ging.

    In Singapur kam es zu ersten Kontakten mit anderen Backpackern, die das gleiche Hostel wie Anne und ich zur Übernachtung gebucht hatten. Von überall her wollten sie überall hin, genau wie wir.

    Ein paar schwüle Nächte später und nach erneuten acht Stunden über den Wolken, landeten wir um 5 Uhr früh auf der Landebahn des Flughafens von Cairns. Der Einreisemarathon begann und es dauerte eine Weile, bis alle Gepäckstücke kontrolliert und alle Stempel im Pass waren. Endlich konnten wir aus der Halle ins Freie. Dort hieß es dann: Warten auf den Abholdienst! Bereits im Voraus hatten wir ein Hostel gebucht, welches, wie viele andere Hostels auch, einen solchen Service inklusive hatte. Bevor wir chauffiert werden konnten, mussten wir jedoch mit den Abholern telefonieren und die eigene Ankunft bekanntgeben.

    »Wer ruft an? Du oder ich? Na gut ... ich.«

    Zunächst musste ich überlegen, was ich sagen wolle und dann meinem Gehirn die dafür nötigen englischen Worte entlocken. Nachdem ich mir zehnmal selbst alles vorgesprochen und auch gleich noch alle möglichen Antworten auf eventuell auftretende Fragen parat gelegt hatte, griff ich zum Hörer und wählte die kostenlose Nummer.

    Es klingelte und klingelte und klingelte und plötzlich ... klingelte es noch mal ... und noch mal ... und noch mal. Wollte uns niemand haben? Was war los? Schlafmützen! Ich versuchte es im Abstand von jeweils zehn Minuten immer wieder - doch vergeblich. Wir saßen auf dem Flughafen fest. Das fing ja bestens an!

    Ein Gutes hatte die Warterei jedoch, denn sie bescherte uns unseren ersten australischen Sonnenaufgang. Und als ich kurz nach 9 Uhr erneut den Hörer in die Hand nahm, wurde mein Anruf letztlich doch noch erhört. Ich erklärte dem jugendlich klingenden Typen am anderen Ende, dass ich schon seit früh um fünf versuchen würde, jemanden zu erreichen.

    »So früh steht hier niemand auf«, antwortete der ganz cool. »Doch keine Sorge, ich hole euch gleich ab.«

    Wenige Minuten später brauste ein Kleinbus um die Ecke und hielt vor uns an. Die Tür ging auf und heraus spazierte ein braungebrannter Surferboy ohne Schuhe. Er begrüßte uns, lud alles ein und wir fuhren ins `Pete’s´. Dort wartete ein Doppelzimmer auf uns. An der Rezeption erfuhren wir, wie alles läuft - außerdem, dass jeden Mittwoch ein großer Barbecueabend angesetzt sei, was mir, als leidenschaftlichem Esser, besonders gut gefiel. Wir packten unsere Sachen ins Zimmer und machten uns gleich auf zu einer Erkundungsrunde durch die Stadt.

    Hier fiel der Zeiger des Stimmungsbarometers zum ersten Mal leicht nach unten. Zum einen war Cairns an diesem Samstagmorgen wie ausgestorben, zum anderen sah es hier aus wie in einer alten amerikanischen Touristenkleinstadt. Entlang der Promenade gingen wir in Richtung Strand. Doch selbst nach langer Suche fanden wir diesen immer noch nicht. Das war auch unmöglich, da Cairns gar keinen richtigen Strand besaß. Durch die Abholzung großer Teile des heimischen Regenwaldes für die Bewirtschaftung mit Zuckerrohr hatten starke Regenfälle so viel Schlamm in das Meer gespült, dass man sich nun mit einem Freibad direkt neben dem moderigen Küstenstreifen begnügen musste.

    Das war also Australien? Hier mussten wir jetzt ein Jahr rumkriegen? Na dann Prost Mahlzeit!

    »Hoffentlich sieht es nicht überall so aus«, dachte ich.

    Leicht enttäuscht schlenderten wir wieder ins Hostel zurück, wo wir müde vom langen Flug ins Bett fielen.

    Der Alltag der meisten Hostelbewohner bestand darin, draußen vor einem riesigen Fernseher zu sitzen und sich zu langweilen. Das war nicht unser Ziel. Stattdessen beschäftigten wir uns in den kommenden Tagen damit, die noch fehlenden Papiere zu besorgen, ein Bankkonto zu eröffnen, und alle benötigten Genehmigungen einzusammeln.

    Wochentags präsentierte sich die Stadt rammelvoll - voll mit Backpackern, mit Touristen, die am Great Barrier Reef tauchen gehen wollten und voll mit denen, die sich um das Wohl der Leute kümmerten. Cairns entpuppte sich als regelrechter Touristenmagnet. Nichts für uns. Wir überlegten, wie wir am besten hier weg kommen würden. Einen Wagen zu mieten oder Busfahrkarten zu kaufen, erschien uns auf Dauer zu teuer. Doch es zog uns raus aus Cairns, denn es wurde Tag für Tag langweiliger. Als dann noch leichter Regen einsetzte, trübten sich unsere Gesichter mehr und mehr. Dieser Umstand wiederum führte nicht gerade zu angeregten Konversationen zwischen Anne und mir. Hatten wir wirklich eine gute Entscheidung getroffen? Erste Zweifel kamen auf.

    Eines Morgens hörte ich auf dem benachbarten Grundstück jemanden telefonieren, auf Deutsch!

    Aufhorchend dachte ich: »Das gibt es doch nicht, wohnen gleich nebenan etwa Deutsche?«

    Ich berichtete Anne von meiner Entdeckung und meinte, dass ich unbedingt rüber gehen müsse, um die Lage zu erkunden. Anne war davon nicht begeistert. Ich marschierte trotzdem los.

    Es stellte sich heraus, dass nebenan seit dreißig Jahren ein älteres Ehepaar aus Deutschland lebte, das uns sogleich auf einen gemütlichen Abend am Folgetag einlud. Nun handelte es sich dabei jedoch ausgerechnet um einen Mittwoch, also um den Tag des großen Grillabends im Hostel, auf den sich mein Magen schon so gefreut hatte. Nichtsdestotrotz sagten wir zu.

    »Gehen wir eben früh genug hin, erzählen ein bisschen und hauen pünktlich zur großen Fresserei wieder ab«, meinte ich.

    Guter Plan! Doch die Durchführung gestaltete sich etwas schwieriger als gedacht. Um 20 Uhr sollte der Grill im `Pete’s´ auf Hochtouren laufen und die köstlichen Steaks danach schreien, genüsslich verschlungen zu werden. Gegen 18 Uhr läuteten wir bei Familie Schneider. Sogleich saßen wir in ihrem Garten, erzählten über Gott und die Welt, tranken ein wenig und ehe wir uns versahen, stand der Zeiger bereits kurz vor 20 Uhr. Der Hunger meldete sich und so langsam wollte ich das Gespräch in Richtung Verabschiedung lenken. Was mir auch gelang, dachte ich zumindest.

    Familie Schneider brachte uns zur Gartentür. Als wir uns zum bestimmt fünften Mal verabschiedet hatten, sagten sie plötzlich: »Ach, wollt ihr nicht noch mal mit rein kommen? Es war doch so schön.«

    Der Grillabend war dahin.

    »Macht’s gut ihr Würstchen, Steaks und was sonst noch alles auf dem heißen Rost brutzelt.«

    Wir gingen wieder hinein und setzten uns an den gleichen Platz wie zuvor. Und was soll ich sagen, es war sehr schön, sich bis spät in die Nacht mit dem Ehepaar zu unterhalten und ihnen Geschichten aus der alten Heimat zu erzählen. Die beiden freuten sich so darüber, Neuigkeiten aus Deutschland zu erfahren, dass sie uns gar nicht wieder losließen. Irgendwann schafften Anne und ich es jedoch, uns loszureißen. Und siehe da, im Hostel warteten tatsächlich noch ein paar Grillreste auf uns.

    Nachdem unser Hunger gestillt war, diskutierten wir mit einer jungen deutschen Backpackerin über unsere mehr oder minder ausgereiften Reisepläne. Sie überzeugte uns, dass wir schön blöd wären, wenn wir uns kein eigenes Auto kaufen würden. Schließlich hätten wir im Moment noch ausreichend Geld und könnten hinfahren, wo wir wollen. Das leuchtete uns ein. Des Weiteren brachte sie uns auch von der Idee ab, zuerst die Ostküste in Richtung Sydney zu bereisen. Wir sollten lieber in Richtung Westküste und dann - entgegengesetzt der Uhr - praktisch einmal ringsherum fahren.

    »Guter Ratschlag«, dachten wir uns, »so werden wir es machen.«

    Die nächste Herausforderung stand somit fest und lautete: Ein zuverlässiges Fahrzeug käuflich erwerben!

    Wenn Backpacker in Australien ein Auto kaufen wollen, gehen sie zum Car Market. Dort versammeln sich alle, die zurück nach Hause fliegen wollen beziehungsweise müssen und versuchen, ihr Auto an den Mann oder die Frau zu bringen. Anne und ich hatten es auf einen Kleinbus für 3.000,- Dollar, also ungefähr 1.800,- Euro, abgesehen, den ein junges dänisches Pärchen anbot. Wir nahmen das Angebot unter die Lupe - Bett, Kocher, Tisch, Stühle, alles dabei.

    »Nicht schlecht«, dachte ich, »den könnte man nehmen.«

    Wir vereinbarten ein erneutes Treffen und wollten den sympathischen Dänen am Nachmittag unsere Entscheidung mitteilen. Vorher hatten wir noch eine Verabredung mit Herrn Schneider, der uns die Umgebung zeigen wollte. Er fuhr mit uns ein paar Kilometer gen Norden und zeigte uns einige schöne Stellen. Diese Tour offenbarte, dass es in Queensland mehr zu sehen gab, als Cairns vermuten ließ.

    Zurück auf dem Parkdeck des Geschäftshauses, auf dem sich der Car Market befand, suchten wir unseren zukünftigen Kleinbus. Doch alles, was wir vorfanden, war das dänische Pärchen, das uns mit traurigen Augen mitteilte, wir seien zu spät. Ihr Gefährt wäre vor zwanzig Minuten über den Ladentisch gegangen. Sie hätten auf uns gewartet, aber dann gedacht, wir hätten uns anders entschieden. Schöner Mist! Unsere mobile Behausung für die nächsten Monate wurde uns quasi direkt unterm Allerwertesten weggekauft, und das nur, weil wir zwanzig Minuten zu spät kamen.

    »Jetzt sitzen wir hier noch länger fest! Das gibt’s doch nicht!«

    Doch Rettung lag in greifbarer Nähe.

    Plötzlich sprach uns ein junger Mann vom Nachbarparkplatz an und meinte: »Keine Sorge, ich hab eine viel bessere Kiste im Angebot. Sogar für 500,- Dollar weniger!«

    Matthias war sein Name, was darauf schließen ließ, dass wir uns mit ihm auf Deutsch unterhalten konnten. Wir folgten ihm zu seinem Auto, einem 89er Ford Falcon Stationwagon, dem Backpackerauto schlechthin. Ein paar Minuten Überzeugungsarbeit und wir beide waren der Meinung: »Ja, das ist ein Auto, mit dem man gut und gemütlich das Land erkunden kann.«

    Matthias nahm uns mit in ein Café, in dem wir den Schriftkram erledigten, den Kaufvertrag unterzeichneten und einen Übergabetermin für den Falcon ausmachten. Den Vertrag unterschrieb Anne mit ihrem Namen, da ich noch auf die Ankunft meines internationalen Führerscheins warten musste. Der sollte mir aus Deutschland nachgeschickt werden. Die zuständige Stelle hatte es nicht mehr rechtzeitig hinbekommen, mir das Papier auszustellen. Kennt man ja - Behörden eben.

    Bei einer gemütlichen Tasse Kaffee zum Besiegeln des Kaufes, erzählte uns Matthias eine angsteinflößende Geschichte. Bevor Anne und ich den Bus der Dänen fanden, unterhielten wir uns mit einem Kanadier, der uns ebenfalls seinen Camper zum Kauf angeboten hatte. Dessen Heckscheibe zierte ein ziemlich großes Loch, was laut seiner Aussage von einem Steinschlag herrührte.

    Im Café sagte Matthias jedoch zu uns: »Habt ihr den Bus mit dem Loch in der Scheibe gesehen?«

    »Ja, haben wir.«

    »Wollt ihr wissen, wie das wirklich passiert ist?«

    »Ja, wollen wir.«

    Es stellte sich heraus, dass der Kanadier zusammen mit seiner schwangeren Freundin gereist und sie mitten im Nirgendwo mit ihrem Fahrzeug stehengeblieben waren. Erst sei nichts weiter passiert, bis plötzlich ein Auto an ihnen vorbeifuhr und anhielt. Jemand stieg aus und fragte, ob er helfen könne.

    »Nein danke, das kriegen wir schon wieder hin«, lautete die Antwort der beiden.

    Der Fremde fuhr weg. Kurze Zeit später kehrte er jedoch zurück. Mit einer Axt bewaffnet sprang er aus dem Wagen und schlug sinnlos auf den Bus ein. Dann setzte sich der Irre wieder in sein Auto und brauste davon. Die Freundin bekam einen solchen Schreck, dass sie sofort das Land verließ. Sie hatte sogar Angst, durch den Schock ihr Kind zu verlieren. Ihr Partner versuchte nun schon seit Tagen verzweifelt, die Karre zu verscherbeln, um auch nach Hause fliegen zu können.

    Das klang nach keinem schönen Erlebnis. Wir sahen uns mit großen Augen an. Ob es tatsächlich so war, oder ob Matthias uns nur Angst machen wollte, wissen wir bis heute nicht.

    Als alles gesagt war, machte sich Matthias auf. Er wollte Bier holen. Jeder, der sein Auto verkauft hatte, gab der gesamten Car-Market-Runde einen aus. Die Fahrzeugübergabe setzten wir auf den übernächsten Tag fest. Der Wagen sollte noch mal fachgerecht durchgecheckt werden.

    Nun ließ der Tag der Freiheit nicht mehr lange auf sich warten.

    Anne und ich starteten eine Wanderung durch den tropischen Regenwald, die uns Herr Schneider empfohlen hatte. Sie führte zu einem Aussichtspunkt mit Blick auf die Stadt. Riesige Spinnen kreuzten unseren Weg - nichts für Arachnophobiker. Ständig waren wir auf der Hut vor giftigen Schlangen. Man könnte es auch so beschreiben: Ich hielt die Augen offen, weil ich unbedingt eine Schlange sehen wollte, Anne hielt sich die Augen zu. Sie betete, dass ja keines dieser Biester in unsere Nähe kommen möge.

    Es ging ziemlich lange bergauf. Als wir ganz oben am Lookout ankamen, saß dort ein Mann in kurzer Uniform. Nicht weit von ihm entfernt stand ein kleiner Hubschrauber, der sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Wir unterhielten uns mit dem Piloten. Er kam aus Neuseeland und arbeitete in Australien für einen Telekommunikationsanbieter. Sein Job war es, die höher gelegenen Sendemasten zu warten. Dazu benötigte er den Hubschrauber. Ich fragte ihn, ob ich mich reinsetzen dürfe. Er bejahte und schwuppdiwupp saß ich drin. Doch dabei blieb es leider auch. Ich wollte ihn die ganze Zeit fragen, ob er eine Runde mit uns fliegen würde, tat es aber nicht. Dies ärgerte mich im Nachhinein tierisch. Ich heulte Anne noch lange die Ohren voll.

    »Ach, hätte ich ihn doch gefragt.«

    »Mach dir nichts draus Woody, das hätte er sowieso nicht gedurft.«

    »Na ja, stimmt wahrscheinlich.«

    Ein nächtlicher Bummel durch die Stadt beendete jenen Tag. Wir guckten mal hier, mal da und packten uns im Food Court, der zu jeder größeren australischen Stadt gehört, die Teller mit verschiedensten asiatischen Gerichten voll. Wir futterten und tranken und freuten uns auf die baldige Übergabe des Fords. In einem kleinen Zeitungsladen kauften Anne und ich neue Karten für unsere Handys. Von nun an waren wir erreichbar und konnten auch untereinander telefonieren, falls einer von uns verloren gehen sollte.

    Zurück im Hostel setzten wir uns vor den großen Fernseher. Es lief bestimmt schon zum zehnten Mal seit unserer Anreise der Film `Tatsächlich Liebe´, der auf Dauer ziemlich nervig sein konnte. Die Dauergucker schienen ihn zu lieben.

    Der mit Spannung erwartete Morgen brach an. Wir frühstückten und machten uns auf, unser zukünftiges Zuhause in Empfang zu nehmen. Matthias war da, das Auto war da, wir waren da. Alles paletti! Nun hatten wir endlich einen fahrbaren Untersatz. Doch nur nicht zu früh gefreut, wir mussten ihn ja noch bei den Behörden ummelden. Und dieses Vorhaben geriet zu einer kleinen Odyssee. Da in Australien jeder Staat seine eigenen Gesetze und Regeln hat, war es nicht leicht, unseren Ford Falcon mit dem Kennzeichen 1AUP-650 auf Annes Namen anzumelden und alle nötigen Plaketten zu erhalten. Wir befanden uns in Queensland, unser Auto kam aus Western Australia. Somit fühlte sich niemand so richtig dafür zuständig.

    Alle sagten nur: »Nee, das geht hier nicht, da müsst ihr da- und dorthin.«

    Da und dort angekommen, erzählte man uns wieder das gleiche. Anne platzte der Kragen.

    »Ich drehe durch! Das kann doch nicht so schwer sein, ein blödes Auto registrieren zu lassen«, stöhnte sie entnervt.

    Es dauerte eine Weile, sie zu beruhigen. Nach langem Hin und Her schafften wir es, alles unter Dach und Fach zu bringen. Eigentlich konnten wir los. Aber halt! Nicht ohne meinen Führerschein.

    »Hoffentlich kommt der morgen. So lange fahre ich einfach schwarz«, meinte ich zu

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