Calle Ohrchen - Geheimagent
Von Ana Voogd
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Über dieses E-Book
Ana Voogd wuchs in Düsseldorf auf. Das Studium der Romanistik und Germanistik führte sie nach Münster in Westfalen, wo sie bis heute mit Mann und Sohn ihre Wahlheimat hat. Durch ihre zahlreichen Work & Travel – Aufenthalte innerhalb Europas entdeckte sie ihre Liebe zur Gastronomie. Inzwischen betreibt sie mehrere Lokale, zwei Festivals und ein kleines Hostel im Münsteraner Stadtkern.
Als die Pandemie ausbrauch und ihre Betriebe im Lockdown schließen mussten, widmete sie sich ihrer Idee, ein Kinderbuch zu schreiben. Die Figur schwirrte ihr schon länger im Kopf herum. Im April dieses Jahres legte sie einen zweiten Band über den Helden Calle Öhrchen nach, der noch unveröffentlicht ist. Ihr neuestes Projekt und langjähriger Traum: An der Algarve hat sie ein idyllisches Gästehaus erworben.
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Buchvorschau
Calle Ohrchen - Geheimagent - Ana Voogd
Kapitel 1 Meine Familie & ich
Es war einmal ... so ein Quatsch: Ich bin ja noch! Hier im bezaubernden Münster, das kennt ihr sicher. Da wohnt noch ein anderer Hase. Der ist mir aber völlig schnuppe.
Schnuppe kommt bestimmt von schnuppern und das kann ich besonders gut. Ich bin nämlich ein reinrassiges Schnupperhäschen. Und noch etwas kann ich besser als andere Artgenossen, aber das habt ihr euch gewiss schon gedacht: Lauschen. Das hört man ja in meinem Namen. Gestatten Calle Öhrchen – Geheimagent.
Meine Ohren sind alles andere als normal. Ungelogen baumeln sie beinahe bis zum Boden. Sie sind verantwortlich für allerlei nützliche Geschicke. In den Wintermonaten wickle ich sie wie eine warme Mütze um den Kopf. Im Sommer halten sie mir die stechenden Sonnenstrahlen vom Leib. Und im Herbst falte ich sie zu einem Schirm, wenn es vom Himmel schüttet. Falls mir mal angst und bange wird, ziehe ich mir links und rechts eins vors Auge. Für Mama fege ich sogar ab und an Flusen auf, doch davon weiß sie nichts. Man kann sich mit ihnen bequem den Mund abputzen und die Nase schnäuzen oder heimlich Schokoflecken wegputzen. Gold wert ist die Fliegenklatsche, aber Tiere zu töten liegt mir generell nicht. An knallheißen Tagen wirbele ich meine Öhrchen durch die Luft wie ein elektrischer Ventilator. Das klappt erstaunlich gut. Alle freuen sich über die kühle Brise. Jedes Mal, wenn meine kleinen Freunde vor einem Hindernis zurückschrecken, baue ich eine trittfeste Räuberleiter für sie. Und das Allerbeste kommt zum Schluss: Ich richte sie auf wie zwei Antennen und lausche allem auf und höre jeden ab. Das ist mit Abstand das wichtigste Merkmal eines Geheimagenten.
Nur das Fliegen will mir nicht gelingen, also nicht so wie Dumbo, dem Elefanten ... höchstens mal hinfliegen, oder drüber stolpern beim Treppensteigen.
Die Ohren mal ausgenommen gehe ich als gewöhnlicher Hase durch. Wie alle anderen habe ich Vorder- und Hinterläufe, einen länglichen Rumpf, ein weiches Maul und eine kleine Blume. So heißt das Stummelschwänzchen vom Klopfer. Mein glänzendes Fell schimmert hellbraun. Ein paar weiße Tupfer habe ich noch verschwiegen. Die findet ihr in den Ohren, unter den Pfoten und geformt wie ein kleines Herz um die Schnute. Mein Puschel am Po ist ebenso hellhaarig. Jetzt erkennt ihr mich auf den ersten Blick, falls ich mal in eurer Nähe sein sollte.
Nun zurück zu den Treppen: Davon haben wir viele, hoch und runter, vorne und hinten, und dazwischen sind Flure und ein Doppelaufzug. Die Geheimagenten unter euch ahnen sicher schon, wo ich wohne. Genau, in einem waschechten Hotel. Unser Gästehaus steht mitten in der City, unweit vom berühmten Münsteraner Dom. Dort lebe ich mit Mama Constanze, Papa Fridolin und Paul, meinem Lieblingsmenschen. Popilein wird er von allen nur genannt. Wir sind Familie Prinz. Wie der Thronfolger im Märchen. Von außen ziert der Name in großen Lettern unser Hotel.
Meine zwei besten Kumpels habe ich vergessen vorzustellen. Bertil Bentheimer, ein dickes altes Schweinchen, das Paul zu seiner Geburt bekommen hat. Und Ferkelchen Frech, das Hals über Kopf aus einem Karton geschlüpft ist. Das war so ein orangefarbenes Paket vom Postboten, das falsch geliefert und niemals abgeholt worden ist. Eines Abends hat Popilein es dann geöffnet … und Ferkelchen Frech wohnt seitdem auch bei uns. Jetzt kennt ihr uns alle. Constanze, Fridolin, Popilein, Bertil, Frech und mich, Calle Öhrchen.
Ursprünglich stamme ich aus Oer-Erkenschwick. Da steht die Fabrik, die mich hergestellt hat. Von hier aus verlief meine Reise ins Centro Oberhausen, ein pompöses Kaufparadies. Lange nach Ostern lag ich noch im Kauffenster, wo ich vergessen worden bin. In der hintersten Ecke verdeckt von einer protzigen Ritterburg und überall jede Menge Legosteine, die nachts in den Füßen piksen, wenn man mal austreten muss. Bei einem Familienausflug der Prinzen hat Paul Popilein mich dann entdeckt und gerettet.
Meinen coolen Namen habe ich von Opa Karl-Heinz, kurz Kalle, der uns leider im letzten Jahr verlassen hat, um auf große Reise zu gehen. So sagen es Constanze und Fridolin immer, wenn jemand Geliebtes ohne Ankündigung verschwindet und nicht mehr wiederkommt. Popilein und ich wissen längst, dass er in Wahrheit auf dem Friedhof ruht. Ich bin schließlich Geheimagent und Paul schon zwölf. Aber wir spielen die Tirade gerne mit. Oft genug erkundigen wir uns, in welchem exotischen Land Opa Kalle gerade unterwegs sei?
Das C im Namen habe ich von Popilein, der verhindern wollte, dass man mich mit Opa verwechselt, weil wir ja beide gleich wichtig sind für Familie Prinz. Na ja, und den Nachnamen verdanke ich meinen überaus langen Ohren. Am Anfang war ich ein bisschen beleidigt, aber inzwischen gefällt es mir, wenn mich alle nur liebevoll Öhrchen rufen. Und sie rufen oft nach mir, denn ich bin gerne mal spurlos verschwunden. Von Berufswegen hopple ich alle naselang durch die vielen Flure und Zimmer.
Jetzt möchtet ihr zweifelsohne erfahren, warum der
Paul von allen nur Popilein genannt wird. Als er noch klein war, hat er zum Einschlafen – statt am Daumen zu lutschen – immer einen Finger in die Nase gesteckt. Das macht er inzwischen nicht mehr, aber sein lustiger Spitzname ist bis heute geblieben.
Tagsüber ist Popilein in der Schule. Er geht in die 7. Klasse des Schlaun-Gymnasiums, das fußläufig erreichbar ist. Ich glaube, er stellt sich im Unterricht recht geschickt an, zumindest gibt es beim Mittagessen nur selten Schimpfe von Mama Constanze. Manchmal erledigen wir zusammen Mathe. Es macht mir riesigen Spaß, durch seine Rechenhefte zu schnuppern und heimlich Zahlen auszuradieren, wenn er mal wieder von einem Podcast abgelenkt ist. Das merkt er aber fast immer. Dann pikst er mir mit seinem Füllfederhalter in den dicken Bauch. Das eine sage ich euch: So füllig ist der gar nicht. Durch meinen kurzen Oberkörper fällt die leichte Wölbung nur eben mehr auf. Zugegebenermaßen schlemme ich mich gelegentlich durch die ausgezeichnete Hotelküche. Aber das braucht außer euch niemanden zu interessieren.
Constanze und Fridolin sehen aus, wie alle Eltern aussehen. Zumindest in den Augen eines Häschens. Sie sind beide baumlang, haben vergleichsweise tiefe und ernste Stimmen und tragen Jeans, T-Shirt und Turnschuhe. Bei der Arbeit kleiden sie sich häufig ein wenig eleganter.
Die zwei sind uralt, aber nicht ganz so alt, wie Opa Kalle war. Papa trägt volles grau-blondes Haar und einen feschen Vollbart. Eigentlich sieht er fast aus wie Popilein nur eben in reif. Mama hat hinreißende, kastanienbraune Korkenzieherlocken, die man mit dem Finger aufrollen kann. Ich muss mich in ihrer Gegenwart immer ein bisschen bremsen. Und obwohl beide sehr gut und gerne essen, sind sie recht schlank geblieben. Papa hat weder einen klassischen Bierbauch noch so eine kleine Pocke wie ich. Und Mama hat wirklich überhaupt keinen dicken Hintern. Kurz gesagt, man kann sie vorzeigen, wenn es drauf ankommt.
Unser Schlafplatz ist bei Popilein. Mit meinen beiden besten Buddies - Bertil & Frech – liege ich dicht beisammen neben dem Kopfkissen. Constanze hat uns dreien kleine Decken gestrickt, jede in einer anderen Farbe.
Meine ist herrlich mintgrün. Manchmal gibt es mächtig Ärger, weil wir zum Schlafengehen erst die Strickdecken suchen müssen. Mama sieht es gar nicht gerne, wenn wir nachts frieren. Zudem schonen sie unseren samtweichen Balg. Damit ersparen wir uns das ständige Baden in der Waschmaschine. Es ist ein bisschen wie Wildwasserfahren… man hat ordentlich Spaß, aber hinterher ist man triefnass. Bei jedem Waschgang verliert das Fell bedauerlicherweise ein wenig von seinem Glanz.
Statt meiner handgemachten Überdecke hätte ich am liebsten eine blaue Latzhose. So eine wie Popilein sie früher gerne trug. Sie schützt genauso vor allerhand Dreck, stünde mir hervorragend, hat ein Haufen praktischer Taschen und gäbe mir den richtigen Schliff als Geheimagent. Bald ist Purzeltag – so nennen wir Geburtstage – und mit ein bisschen Glück bekomme ich diese schicke
Buxe samt Hosenträgern aus dem Kaufhaus um die Ecke.
Kapitel 2 Mein Zuhause
Wie ihr schon mitbekommen habt,