Die Kraft, der Mut und das Leben an sich: Eine fantastische Geschichte
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Buchvorschau
Die Kraft, der Mut und das Leben an sich - Lisa Hofmann-Felbermayr
Prolog
Also eines, lieber Leser, musst du wissen über mich: Ich habe eine ausgesprochen gute Fantasie. Hatte ich schon immer.
Als meine Mutter kurz aus dem Zimmer geht, da bin ich plötzlich selbst Mutter. Ich wechsle die Rollen, wie andere die Glühbirne wechseln. Mein Baby bekommt frische Windeln. Da muss die Puppe dran glauben. Und demnach auch das Ehebett meiner Eltern, auf dem des Babys Hinterteil gepudert wird. Ich bin weiß. Das Bett ist weiß. Die Puppe ist weiß. Und ich weiß auch, was Mutter gleich machen wird. Nämlich gar fürchterlich mit mir schimpfen. Ich bin schon über ein Jahr alt. Und habe immer ein gutes Gefühl, was die Emotionen anderer angeht. Doch hier liege ich falsch.
Meine Mutter öffnet die Tür und sie – lacht. Sie findet mich süß, was ich gemacht habe, ist noch süßer und auf einem Foto macht sich das alles sehr gut. Ja, darüber kann ich noch gut berichten. Ich bin verewigt worden – als junge Mutter. Von meiner Mutter.
Ich widme dieses Buch meiner Familie, insbesondere meiner Mutter, die leider viel zu früh und unerwartet gestorben ist. Sie hat zu mir gesagt, ich solle einmal ein Kinderbuch schreiben. Dieses Buch ist für jung gebliebene Erwachsene mit der Gabe, die Welt mit der Neugierde und Fantasie von Kindern zu betrachten. Nicht zuletzt ist es eine Hommage an das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Doch vor allem ist es ein Geschenk für dich, Mama! Hab dich lieb!
Zu den Charakteren und Handlungen in diesem Buch: Diese sind frei erfunden. Sollte sich doch jemand in diesem Buch wiedererkennen, so nehme er es mit Humor. Denn die Ich-Perspektive, in der dieses Buch geschrieben ist, ist sehr subjektiv. Und eindeutig irgendwo zwischen Fiktion und Wirklichkeit angesiedelt. Nun lieber Leser, viel Freude damit!
*
Verrückte Kindheit
Meine beste Babyfreundin ist die Magdalena. Sie ist etwas älter als ich, aber nicht weniger quirlig. Doch wenn wir schlafen, dann schlafen wir. Und das nebeneinander im Rhythmus. Ich schnarche. Sie schnarcht. So geht das eine Weile. Ich im rosaroten Strampler. Magda im gelben Kapuzenstrampler. Wir sehen so süß aus – nebeneinander. So gleich. Und trotzdem – eine von uns wird es einmal sehr schwer haben im Leben. „Das Schicksal ist eben ein Luder", wie meine Oma zu sagen pflegt.
Ich erinnere mich noch gut. Ein Ausflug mit Magda und ihren Eltern nach Italien. Ich war knapp zwei Jahre alt. Wir entdecken einen Jahrmarkt und fahren Karussell. Ich nehme den italienischen Eiswagen. Magdalena sitzt auf einem Esel. Ich bin die Diva. Sie ist meine Freundin. Man nehme eine Brise Unbeschwertheit und eine Brise Leichtigkeit. Das ergibt eine schöne Kindheit. Heidi konnte es nicht besser haben auf ihrer Alm. Und doch – so wird es nicht bleiben. Das Leben ist eben kein Kinderspiel.
Das muss ich zum ersten Mal erfahren, als meine Katze stirbt. Mein Hauffi. Sie ist mein ein und alles. Macht Häufchen mal hier und mal da – und ihrem Namen daher aller Ehre. Schönes, silbergraues Fell, meine kleine Shewa. Wenn ich im Garten Blumen gieße, dann wird auch das Hauffi gegossen, welches sich bereits vorausschauend in der Hecke versteckt. Das Hauffi schläft bei mir im Bett. Ich mit Schnuller, sie mit Ruhe. Wir spielen Katz und Maus. Ich bin die Katz und sie die Maus. Doch bald sind ihre Tage gezählt. Wir sind nämlich übersiedelt und unser Hauffi findet nicht mehr nach Hause. Sie läuft in unser altes Heim. Beim Spazieren gehen sehe ich plötzlich Hauffi und fange im Kinderwagen zu weinen an. „Miau", sage ich immer wieder.
Doch Papa sagt: „Das ist eine andere Katze, nicht unsere Hauffi." Wir gehen weiter. Heute bin ich mir sicher: Sie war es! Doch das ist eben das Ende einer Legende. Katze fort.
Ja, Kind müsste man bleiben. Als mein Hauffi weg ist, ist die Anna da. Meine beste Freundin. Ich kann mich noch gut erinnern an die Krabbelstube. Ein ekelhafter Raum. In der Mitte eine Spieleinsel, rundherum ein enger Schlurf. Ein Krabbelgang. Und ein Haufen kleiner Biester, die mir mein Spielzeug stehlen. Nicht fein. Wenn die Anna nicht in der Krabbelgruppe ist, gehe ich auch nicht hin. Nun, ich bin schon dort, geht halt nicht anders. Aber ich bin mehr schreiend anwesend als sonst etwas. Und wenn es nach mir geht, bin ich gar nicht dort. Aber das ist halt der Nachteil am Kindsein. Du darfst nicht selbst entscheiden.
Ja, die Anna. Wir gehen natürlich auch gemeinsam in den Kindergarten. In die Schildkrötengruppe. Bei uns geht es überhaupt oft tierisch zu im Kindergarten. Besonders im Fasching. Während die Anna die feine Prinzessin oder einer der Wilden Kerle mit rosaroter Punkfrisur ist, bin ich ein kleiner Hase mit Häschenohren und Haarreifen. Oder Indianer. So oder so, ich fühle mich weder als Karnickel noch als Wilder (ohne Kerl) richtig wohl.
Unwohl fühle ich mich auch in dem weißen Sommerkleid mit den großen bunten Blumen. Das habe ich von Tante Trude geschenkt bekommen. Und weil es eben ein Geschenk ist, muss ich es auch anziehen, als die Tante Trude mit mir in eine afrikanische Tanzshow geht. Wir sitzen erste Reihe fußfrei. Und schon kommt der große schwarze Mann mit Bärenfell und überdimensionaler Rassel in der Hand auf mich zu. Er streckt mir die Hand hin und möchte mich auf die Bühne holen! Mich, das kleine Häschen, nicht den furchtlosen Indianer. Ich wehre mich mit aller Kraft. Doch die Tante Trude findet es toll und gibt mir einen Klaps. Es hilft alles nichts. Ich muss auf die Bühne.
„Come on, dance", ruft mir der Afrikaner zu.
Ich stehe nur da und schaue. Ich starre Löcher in den Boden, bis er mich endlich von der Peinlichkeit erlöst. Ganz zum Widerwillen der Tante Trude. „Trau dich doch endlich was", heißt es da.
Aber ich spiele lieber mit Barbiepuppen. Daheim. In meinem kleinen, stillen Kämmerlein. Allein. Ich habe verschiedene Puppen. Doch irgendwie sind sie alle gleich. Blond, groß, schlank, vollbusig. Und dumm. Denn wenn ich nicht für sie spreche, dann sprechen sie gar nicht.
Von meiner Mama habe ich ein Barbiepferd geschenkt bekommen. Ein weißer Schimmel mit rosarotem Sattel, der Pferdegeräusche von sich gibt, wenn man auf einen Knopf drückt. Dieses Pferdchen liegt unter dem Christbaum und Mama versucht, es mit einer Batterie zu aktivieren. Doch das geht nicht gut. Das Pferd kann nicht mehr wiehern. Und ich bin sauer auf die Mama. Derweil hat sie es doch nur gut gemeint. Noch heute singt mein Opa oft: „Mamatschi, schenk mir ein Pferdchen, ein Pferdchen wär mein Paradies." Das Lied verstehe ich jedoch erst heute. Es ist ein trauriges Lied. Die Mutter stirbt.
Auch wenn ich gerne alleine spiele, am liebsten spiele ich doch mit Anna im Garten. Dort gibt es einen Sandkasten, ein Kräuterbeet und viel zu entdecken. Wir sind sehr gute Köche. Bekannt für die Innviertler Knödelkost. Man nehme einen Gupf Sand, vermische alles mit etwas Erde und pansche ordentlich Wasser darüber. Und – tataaa – der erste Knödel ist fertig. Die Marktwirtschaft hätte ihre Freude mit uns – wir gehen nämlich bald in die Serienproduktion über. Arbeitsteilung ist bei uns wichtig. Ich sorge für das beste Mischverhältnis. Anna kümmert sich um die Gewürze. Das nennt man Teamwork!
Als wir etwas älter sind, mischen wir auch Seifenlauge. Ja, richtig, wir machen einen ganzen Kanister voll davon, um zu sehen, wer die größten Seifenblasen machen kann. Anna ist toll. Sie macht nicht nur die schönsten Seifenblasen, sondern spielt auch wunderschön Klavier. Am liebsten die Vier Jahreszeiten von Vivaldi. Und ich tanze dazu. Wie eine kleine Primaballerina vor ihrem großen Auftritt beim Neujahrskonzert. Manchmal tanzen wir auch zur Musik der Kelly Family. Ich möchte immer eine CD. Anna hat alle davon. Und auch eine Videokassette. Wir spielen sie rauf und runter. Und singen dazu.
Anna hat eine Halbschwester. Die lebt in Schweden. Und kauft Anna immer die tollsten Sachen. Sie bekommt kleine Sterne zum Ankleben an die Wand. Die leuchten im Dunkeln. Jeder möchte solch einen Sternenhimmel. Bei uns im Innviertel gibt es so etwas nicht zu kaufen. Ich bekomme auch solche Sterne. Weil ich auch cool sein will und Anna eben meine Freundin ist. Doch so cool wie Anna bin ich nie. Und auch nicht so mutig.
Eines Tages jagt sie mich im Garten einen Baum hinauf. Ich soll