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Kinderwunschkind: Roman
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eBook181 Seiten2 Stunden

Kinderwunschkind: Roman

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Über dieses E-Book

"Sandy bedauert, dass es ein Mädchen wird, weil es Mädchen immer scheiße im Leben haben, viel scheißer als Jungs." Drei Frauen suchen ihr persönliches Glück, doch der Versuch, eine Familie zu gründen, zeigt, dass nichts im Leben perfekt ist.

Annette Riemer, Feuilletonistin der jungen welt und Gastautorin der Séparée, legt ihren ersten Roman vor. In klarer, schnörkelloser Sprache beschreibt sie unbeschönigt die geheimen Ecken der weiblichen Seele.

"Ein Hochgenuss. Um ihre Fantasie ist die Dame zu beneiden." Wiglaf Droste (Häuptling eigener Herd, 51)
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum29. Okt. 2019
ISBN9783750209473
Kinderwunschkind: Roman

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    Buchvorschau

    Kinderwunschkind - Annette Riemer

    I. Hannes und Moni wollen ein Kind

    Hannes und Moni wollen ein Kind. Bislang waren sie sich nicht so sicher, aber jetzt sind sie Ende dreißig und schon seit einem Jahr zusammen und hören Uhren ticken und brauchen eh eine größere Wohnung wegen Monis Bastelzimmer. Also wollen sie jetzt ein Kind. Auch, weil sie sich lieben und das irgendwie dazugehört.

    Jedes Wochenende versuchen sie es. Hannes arbeitet außerhalb, deswegen geht es nur ab Donnerstag. Und eigentlich so richtig auch erst ab Freitag, weil Hannes am Donnerstag meistens ganz spät ankommt, wenn Moni schon schläft. Moni arbeitet in Schichten und deshalb bleibt bis Sonntag nicht gerade viel Zeit fürs Kindermachen. Mal kommt ihr eine Frühschicht dazwischen, mal eine Spätschicht. Und die Nachtschichten versauen ihr auch schon mal das ganze Wochenende, weil sie dann zuerst ab neun abends weg ist und nachher, am nächsten Vormittag, auch nicht mehr viel vom Tag hat. Und von Hannes.

    Also muss sich Hannes ranhalten und Moni muss sich zwingen, zu vergessen, dass sie hinterher noch schnell Schnitten für die Arbeit schmieren muss. Und dass der Knopf vom harten Sofakissen drückt. Und dass sie eigentlich viel zu müde ist.

    Moni hat nicht nur ein Zeitproblem, sondern zu allem Überfluss auch noch ein kleines Hormonproblem, was es ihr auch nicht gerade einfach macht, das mit dem Kinderkriegen. Gegen ihre Hormone nimmt sie andere Hormone, Kunsthormone, um doch irgendwie schwanger werden zu können. Aber das geht nur eine ganz kurze Weile gut, sagt der Arzt, dann ist der Ofen aus, weshalb Hannes noch weniger Wochenenden Zeit hat, um Moni zu schwängern. Dabei wollen Hannes und Moni so dringend und inzwischen auch unbedingt ein Kind! Lange reden sie nicht darüber, dass es nicht auf Anhieb klappt. Und auch später nicht. Sie streiten öfter und versuchen es trotzdem. Weil die Zeit so kostbar ist, zu kostbar auf jeden Fall, um sie zu zerstreiten. Und weil Moni gerade wieder mal Frühschicht hat und Hannes Sonntag wieder weg muss.

    Unter der Woche lässt sich Moni heimlich untersuchen. Seitdem weiß sie, dass es an Hannes liegen muss. Irgendwann rutscht ihr das im Streit wie nebenbei raus und Hannes schließt sich daraufhin im Badezimmer ein. Neulich sagten seine Eltern, dass es doch eigentlich schön wäre, jetzt Großeltern zu werden. Sie fühlten sich gerade so schön im richtigen Alter. Die Mutter jammerte auch etwas: „Später kann ich mein Enkelkind nicht mehr auf den Arm nehmen, was hab ich dann davon?" Hannes will ja seiner Mutter einen Enkel für den Arm schenken. Seinem Vater auch. Er will ja! Und ausgerechnet da soll es bei ihm nicht klappen?

    Zuerst denkt er so darüber: Jahrelang verhütest du und hoffst, dass nichts passiert – und dann war das vielleicht am Ende alles umsonst, weil es ja eh nicht geht! Weil du mit Platzpatronen schießt! Bald aber denkt er ganz anders, nämlich so: Wenn ich einen hochkriege, aber dann doch kein Kind machen kann – bin ich dann überhaupt ein richtiger Mann? Ein Erzeuger, der seine Gene weitergibt und damit den Bestand der Familie sichert – also den Familiennamen weiterreicht?

    Und bei diesem Gedanken fängt Hannes an, sich vor Moni zu schämen. Er kommt sich irgendwie defekt vor und deshalb läuft er jetzt morgens nicht mehr nackt vom Bett durch den Flur, zum Pinkelns ins Bad. Das kriegt er jetzt nicht mehr hin, seit er an sich zweifelt.

    Am nächsten Wochenende versucht Hannes es gar nicht erst. Und auch an dem Wochenende darauf nicht. Stattdessen rennt er mit einem Becher zum Facharzt und denkt auf dem Weg dorthin die ganze Zeit über, dass ihn gleich jemand auf der Straße erkennt und überhaupt alle wissen, was er da unter der Jacke mit sich trägt und wohin er damit will. Und sie alle grinsen sich einen ab, wie sie Hannes so geduckt durch die Straße rennen sehen.

    Der Arzt wiegt den Kopf so komisch. Nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut, soll das heißen. Und sagt das dann auch genau so gar nicht durch die Blumen zu Hannes. „Könnte besser sein, aber was heißt das schon? Ein Schulterzucken. „Irgendwie klappt das ja immer irgendwann.

    Hannes ist platt. So viel Zeit bis irgendwann haben Moni und er doch gar nicht. Wegen Monis Hormonproblem. Und wegen der Wochenenden. Und der Schichten – Und das, wo Moni und er doch so ganz gerne ein Kind wollen!

    Dann, eines schönen Tages und ehe sich Moni und Hannes versehen, ist die Zeit um: Jetzt weiß Hannes, dass es nicht so gut um ihn bestellt ist, wie er immer gedacht hatte. Und Moni hat wieder ihr Hormonproblem und kann die anderen Hormone aus den Kapseln nicht mehr nehmen. Und damit wissen sie nun endgültig und definitiv, dass sie wohl nie ein Kind haben werden. Hannes geht jetzt länger arbeiten, auch freitags, und Moni wieder in die Kirche. Wie damals, als ihr Bruder den Unfall hatte und so ewig im Wachkoma lag. Dann war der Bruder gestorben und die Kirche für Moni irgendwie auch. Jetzt aber geht sie wieder hin und erinnert sie sich wieder an die alten Lieder aus ihrer Kindheit und stellt beruhigt fest, dass sie das Ave-Maria beim Rosenkrankdrehen noch auswendig kann.

    Sie reden nicht über Kinder und auch nicht über Hormone, die Moni, und flotte Spermien, die Hannes fehlen. Und ihnen beiden. Und wenn sie jetzt miteinander schlafen, denkt Moni ganz ungezwungen an die Schnitten und schmiert sie schon mal in Gedanken. Wurst oder Käse, fragt sie ihren Bauch, während Hannes sich weiter unten an ihr zu schaffen macht. Und wenn ihr der Knopf vom harten Sofakissen drückt, rutscht sie nun einfach ein Stück weg und denkt: Sieh selber zu, Hannes, wie du jetzt mit mir klarkommst. Und manchmal sagt sie auch: „Warte mal eben und schüttelt kurzerhand das Kissen ein bisschen auf, bis es wieder weich ist. Dann probiert sie es mit dem Hinterkopf aus – ja, es ist tatsächlich nicht mehr so hart, viel besser jetzt – und dann schaut sie Hannes an, der endlich weitermachen will, und sagt ganz kalt: „Du, jetzt bin ich raus.

    Wenn Hannes dann komisch guckt, schaut sie weg. Und geht ihre Schnitten schmieren.

    Vor dem Urlaub, der ihnen bevorsteht, hatten Hannes und Moni beide etwas Angst, auch wenn sie es nie zugeben würden. Das war ein sehr schweres Jahr für sie, weil auch die künstliche Befruchtung nicht geklappt hat. Und die Kasse hat nicht gezahlt und nach zwei Versuchen hatten sie den Glauben daran und das Geld dafür verloren. Dank der modernen Medizin zweifelten sie nun nicht nur an den Hoden von Hannes, sondern auch noch an der Gebärmutter von Moni. Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr kommen, dachten sie beide, nur noch im Urlaub. Zwei Wochen sie ganz allein, immer nur Hannes und Moni und das große Nichts in Monis Bauch, wo sie doch schon längst das Kind wachsen wissen wollten.

    Und dann, im Urlaub, redeten sie doch darüber und machten sich erst gegenseitig Vorwürfe und dann gaben sie sich jeweils selbst die Schuld daran und schließlich rückten sie seufzend aneinander. Und sie fanden sich damit ab: Jaja, das wäre schön gewesen. Jaja, sie hatten da so ihre kleinen Defekte. Jaja, da war aber noch mehr zwischen ihnen als die Unfähigkeit, das Natürlichste der Welt zu machen: ein Kind.

    Nach dem Urlaub ist Moni schwanger. Blockade im Kopf weg, Blockade im Bauch weg, liest sie in einer Zeitschrift und findet das ganz passend.

    Wie überall steht es auch bei ihr in den ersten Wochen gleich fünfzig zu fünfzig, dass alles gut wird: Mal nistet sich die Eizelle ein und bleibt auch wirklich hängen und wächst sich zu einem Kind aus – und mal nicht. Daumendrücken, denkt Moni. Wird schon, denkt Hannes. Aber das Schicksal ist manchmal eine hundsgemeine Drecksau und grinst sich eins und sagt sich: Wenn es bei jemandem schief geht, dann ausgerechnet bei solchen wie Hannes und Moni.

    II. Karin und Stefan wollen ein Kind

    Karin und Stefan wollen ein Kind. Sie haben schon eins, mit dem sind sie sehr zufrieden, aber sie wollten von Anfang an drei Kinder haben. Vor allem Karin. Das ist der Plan. Und alles läuft so schön nach Plan in ihrem Leben, denkt sich Karin manchmal, wenn sie die Hecken zum Nachbargrundstück stutzt, und freut sich darüber. Eigentlich geht es uns ganz gut, weiß auch Stefan, wenn er mal über den Rand von seinem Computer sieht und weiter denkt. Eigentlich könnten wir ruhig weiter expandieren. Es ist gerade die richtige Zeit dafür.

    Also setzt Karin die Pille ab und zieht neue Laken auf. Wie das mit dem Windeln war, hat sie schon längst vergessen. Und die Koliken, die Max in den ersten drei Monaten hatte, sind auch nicht mehr in Karins Kopf. Und das Geheule, als die ersten Zähne kamen, auch nicht. Zwei Jahre Abstand, denkt Karin, sind perfekt. Und es muss doch schön sein, einen großen Bruder zu haben. Sie hätte sich so einen damals für sich gewünscht und nun wünscht sie so einen für ihr zweites Kind. Den großen Bruder hat sie schon, nun fehlt nur noch das zweite, das neue Kind – das wird es gut haben bei uns, ist sich Karin sicher.

    Nur manchmal, wenn sie Stefan reitet und er ihr wie immer so ein bisschen unbeholfen die Vorderfront abtastet, dann denkt sie an ihr Bindegewebe, das nicht mehr so straff ist wie früher. Um den Bauch rum wird es trotz zwei Mal die Woche Fitnessstudio nie mehr wieder so sein, wie es mal war. Und der Beckenboden wird auch nicht besser von noch einer Geburt. Und die Brüste erst … Stefan sieht das nicht so, weil er nichts sieht, aber Karin sieht alles. Auch das, was gar nicht da ist. Und dann fragt sich Karin, ob es das wirklich wert ist. Körper gegen Kind – in Karins Kopf führen sie einen harten Kampf. Aber dann sieht sie Stefan an, der neuerdings dabei immer so sehr ins Schwitzen kommt. Wenn er sie hält, muss er ab und zu eine Pause machen. Oder er lehnt sie an die Tür, die kalt ist und ihr die Stimmung versaut. Oder er setzt sie mal kurz auf dem Fensterbrett ab, was auch nicht viel besser ist. Erst denkt Stefan, dass Karin das nicht mitbekommt: dass er nicht mehr so fit ist in letzter Zeit. Bürojob eben, denkt er sich, und so schlimm ist das ja nun auch wieder nicht. Das Wesentliche klappt ja schließlich. Und ab Mai, wenn es wärmer draußen ist, will er sowieso wieder joggen gehen, dann regelt sich das alles wieder von alleine. Aber auch im Juli wird es nicht besser von den zwei, drei Mal, die Stefan bis dahin joggen war. Und dann bemerkt er, wie Karin ein mitleidiges Lächeln nicht weglächeln kann und er vermutet, dass sie denkt, er müsse doch mal wieder mehr Sport treiben, also wirklich mal Sport treiben, so wie sie. Aber Stefan, der an seinem kleinen Bauchansatz eigentlich nichts auszusetzen hat, vermutet da völlig falsch.

    Denn Karin denkt nicht an Stefans Sport, sondern an Stefans Vater, der ein Herzproblem hatte und schon gestorben ist, und sie fragt sich, ob das vererbbar ist und bekommt Angst. Nicht, weil sie Stefan so sehr liebt. Das schon. Aber dann wäre sie ja alleine, so wie Stefans Mutter jetzt in ihrem großen Haus, und das wäre noch viel gruseliger. Das brächte ihren ganzen Plan vom Leben durcheinander, in den Stefan als Vater-Verdiener-Tanzpartner ganz unabdingbar reingehört und in dem kein neuer Vater-Verdiener-Tanzpartner vorgesehen ist. Weil ein zweiter Vater-Verdiener-Tanzpartner so ein bisschen danach klingt, als wäre Karin zweite Wahl. Findet sie. Außerdem würde das Haus vielleicht nicht so gut zu dem zweiten Mann passen. Oder die Kinder, von denen sie aber derzeit erst Max hat.

    Also vergisst Karin ihr Bindegewebe auch gleich wieder und pfeift auf Beckenboden und Brust und konzentriert sich ganz auf Stefans mögliches Herzproblem und zieht ihn noch fester in sich hinein und saugt alles von ihm gedanklich in sich auf und legt schon währenddessen die Beine hoch und denkt ganz fest an das weiße Zeug, das bitte, bitte, bitte in die richtige Richtung fließen und ein Kind werden soll. Noch ein Kind, dann noch ein Kind. Drei Kinder sind geplant. Drei Kinder kann sich Karin gerade so vorstellen. Zwei Jungs und ein Mädchen sollen es sein, wenn es geht. Aber Karin nimmt auch andere. Nur drei müssen es sein, drei Kinder. Genauso viele kann sie bewältigen und großziehen und lieb haben, glaubt sie. Mehr nicht, leider. Die wüchsen ihr über den Kopf, glaubt sie. Aber weniger dürfen es auf keinen Fall sein, weil Karin sonst zu oft an all das denken würde, was passieren kann, wenn man nicht aufpasst. Und auch, wenn man aufpasst. Und an die Einsamkeit, die so ganz gegen den Plan wäre. Mit drei Kindern ist sie gegen jegliches Alleinsein abgesichert, sollte Stefan nicht mehr da sein. Nur bis die alle da sind, soll er doch wenigstens durchhalten, denkt sich Karin und vermutet so für sich: Wenn er mich liebt, dann macht er das auch mir zuliebe. Jetzt das zweite Kind und dann, in zwei Jahren, das nächste. So lange muss Stefan noch mitmachen. Dann ist alles gut.

    Karin hat mit ihrem Psychologen darüber gesprochen und der sagt: „Das kommt daher, dass Sie ein Einzelkind sind." Das findet Karin blöd, weil es so wie ein Vorwurf an ihre fortpflanzungsfaulen, übervorsichtigen, egoistischen Eltern klingt. Und noch verbissener reitet sie Stefan das weiße Zeug aus dem Hirn, denn auf keinen Fall möchte sie so sein wie ihre Eltern. Und auch will sie nicht, dass ihre Tochter – die noch zu zeugen sein wird – einmal genauso schlecht von ihr denken wird. Nein, Karin will nicht fortpflanzungsfaul und übervorsichtig und egoistisch sein. Sie will nur nicht einsam sein! Und sie nickt immer fleißig mit dem Kopf, wenn Stefan meint, dass es jetzt eigentlich die richtige Zeit für noch ein Kind wäre, und zieht ihn gleich wieder mit hoch ins Schlafzimmer. Und bekommt schon Lust, wenn er nur so komisch guckt. Und auch, wenn er gar nicht guckt.

    Und hinterher liegt Stefan neben ihr und sagt: „Schon allein dafür lohnt es sich" – weil er es nicht besser weiß, weiß Karin, die gerade an Eizellen und Spermien denkt und daran, dass sie das jetzige Arbeits- und künftige Kinderzimmer gelb streichen werden. Weil das neutral ist. Junge, Mädchen. Komme, was wolle. Und Stefan, der Depp, sieht nur den geilen Sex und kapiert nicht, dass Karin

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