Die Herrin von Schlehdorn: Leni Behrendt Bestseller 22 – Liebesroman
Von Leni Behrendt
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Wohl selten ein Ort hat so viel Naturschönheiten aufzuweisen wie die mittelgroße Provinzstadt. Vor ihren Toren erstreckt sich ein riesiger See, dessen bewaldete Inseln beliebte Ausflugsplätze sind, zu denen die erholungsuchenden Menschen auf Dampfern, Segel- oder Ruderbooten gelangen. So weit das Auge reicht, umschließt das Gelände herrlicher Mischwald, Wasser, viel Wasser gibt es dort – im Land der dunklen Wälder, der kristallenen Seen. Wenn man nun außerhalb der Stadt die Asphaltchaussee erreicht hat, kommt man nach drei Kilometern an eine Weggabelung. Links führt der Weg in den Stadtwald, rechts, nach einem weiteren Kilometer, zu einer Buchenallee, die nach dem Gut Schlehdorn führt, das man mit einem kleinen Paradies bezeichnen kann, so romantisch liegt es da. Sozusagen vor der Haustür flutet der See. Hinter dem Park, eine Sehenswürdigkeit für sich mit seinem alten Baumbestand, mit dem Weiher, auf dem Schwäne in majestätischer Ruhe dahinrudern, schließt sich der Wald an. An seinem Rande wuchern Schlehdornbüsche, denen das Gut seinen Namen verdankt. Auf der Wiese zwischen Park und Wald hüpft ein geschwätziges Bächlein seine unruhige Bahn dahin. Das Gehöft ist besonders gut eingebaut. Selbst auf dem großen Hof gibt es uralte Bäume und einen Teich, auf dem sich Gänse und Enten munter tummeln. Vor dem schloßartigen Wohnhaus breiten sich Anlagen mit üppigen Ziersträuchern, ein prächtiger Springbrunnen plätschert auf dem Rasenrund. Wahrlich glückliche Menschen, die ein so wundervolles Fleckchen Erde ihr eigen nennen dürfen. Und doch waren sie es nicht. Wenigstens Edgar Gerholt nicht, der vor einundzwanzig Jahren dort eingeheiratet hatte. Das taten vor dem ersten Weltkrieg so manche Offiziere, die nach einem flotten Leben in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren. Also nicht lange gejammert, kurz entschlossen eine Gutstochter geheiratet, den geliebten bunten Rock ausgezogen und Landwirt gespielt. In manchen Fällen gereichte es den Herren zum Glück, in anderen zum Unglück, noch andere resignierten langsam. Zu den letzteren gehörte der Dragoneroberleutnant Edgar Gerholt. Mit sechsundzwanzig Jahren hatte er sein Vermögen, das ihm sein Vater, ein höherer Militär, hinterlassen, verjuxt.
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Die Herrin von Schlehdorn - Leni Behrendt
Leni Behrendt Bestseller
– 22 –
Die Herrin von Schlehdorn
Leni Behrendt
Wohl selten ein Ort hat so viel Naturschönheiten aufzuweisen wie die mittelgroße Provinzstadt. Vor ihren Toren erstreckt sich ein riesiger See, dessen bewaldete Inseln beliebte Ausflugsplätze sind, zu denen die erholungsuchenden Menschen auf Dampfern, Segel- oder Ruderbooten gelangen. So weit das Auge reicht, umschließt das Gelände herrlicher Mischwald, Wasser, viel Wasser gibt es dort – im Land der dunklen Wälder, der kristallenen Seen.
Wenn man nun außerhalb der Stadt die Asphaltchaussee erreicht hat, kommt man nach drei Kilometern an eine Weggabelung. Links führt der Weg in den Stadtwald, rechts, nach einem weiteren Kilometer, zu einer Buchenallee, die nach dem Gut Schlehdorn führt, das man mit einem kleinen Paradies bezeichnen kann, so romantisch liegt es da. Sozusagen vor der Haustür flutet der See. Hinter dem Park, eine Sehenswürdigkeit für sich mit seinem alten Baumbestand, mit dem Weiher, auf dem Schwäne in majestätischer Ruhe dahinrudern, schließt sich der Wald an. An seinem Rande wuchern Schlehdornbüsche, denen das Gut seinen Namen verdankt. Auf der Wiese zwischen Park und Wald hüpft ein geschwätziges Bächlein seine unruhige Bahn dahin.
Das Gehöft ist besonders gut eingebaut. Selbst auf dem großen Hof gibt es uralte Bäume und einen Teich, auf dem sich Gänse und Enten munter tummeln. Vor dem schloßartigen Wohnhaus breiten sich Anlagen mit üppigen Ziersträuchern, ein prächtiger Springbrunnen plätschert auf dem Rasenrund. Wahrlich glückliche Menschen, die ein so wundervolles Fleckchen Erde ihr eigen nennen dürfen.
Und doch waren sie es nicht. Wenigstens Edgar Gerholt nicht, der vor einundzwanzig Jahren dort eingeheiratet hatte. Das taten vor dem ersten Weltkrieg so manche Offiziere, die nach einem flotten Leben in finanzielle Schwierigkeiten geraten waren. Also nicht lange gejammert, kurz entschlossen eine Gutstochter geheiratet, den geliebten bunten Rock ausgezogen und Landwirt gespielt. In manchen Fällen gereichte es den Herren zum Glück, in anderen zum Unglück, noch andere resignierten langsam.
Zu den letzteren gehörte der Dragoneroberleutnant Edgar Gerholt. Mit sechsundzwanzig Jahren hatte er sein Vermögen, das ihm sein Vater, ein höherer Militär, hinterlassen, verjuxt. Sein Gehalt reichte nicht aus, um ihm ein sorgloses Leben zu ermöglichen – also griff er zu, als Fräulein Kunigunde Ansleit ihm diskret zu verstehen gab, daß er sich um sie bewerben könne, ohne mit einem Korb von dannen ziehen zu müssen. Zwar war sie nicht schön, dazu fünf Jahre älter als er, wurde jedoch nach dem Tode der Eltern Alleinbesitzerin des herrlichen Gutes Schlehdorn. Das lockte. Warum sollte er da nicht zugreifen? Einige Kameraden von ihm hatten ja auch die Gelegenheit beherzt beim Schopf gepackt, nach der Devise: Frisch gewagt, ist halb gewonnen! Also wagte auch er es. Ging mit den besten Vorsätzen in die Ehe, die ihm jedoch bald zerschlagen wurden, als die Gattin sich gleich nach den Flitterwochen als herrisch, kleinlich und beinahe boshaft entpuppte. Nach und nach kam er zu der Erkenntnis, warum er geheiratet worden war. Wahrscheinlich hatte es Fräulein Kunigunde an Freiern gefehlt, die ihr zusagten. Und da damals ein Mädchen noch als »sitzengeblieben« galt, wenn es unbemannt in die Grube fuhr, so wurde es für die einunddreißigjährige Maid langsam Zeit, zuzugreifen, wenn sie nicht den Anschluß verpassen wollte. Außerdem fand der schneidige Oberleutnant Gnade vor ihren Augen. War er doch eine Persönlichkeit, mit der man prahlen konnte.
So fiel Edgar Gerholt denn arglos auf Fräulein Kunigunde Ansleit herein, die sich vor der Ehe natürlich von ihrer besten Seite gezeigt hatte. Doch hinterher sollten ihm die Augen aufgehen.
Rechte besaß er in der Ehe keine. Seine Frau herrschte uneingeschränkt, ließ sich in nichts dreinreden, schon gar nicht, wenn es um die Bewirtschaftung des Gutes ging. Er wurde sozusagen der Handlanger der Herrin, der zu arbeiten und dabei nichts zu melden hatte.
Nach einem knappen Jahr wurde ein Töchterchen geboren, das die Mutter ganz in ihrem Sinne erzog. Kaum daß die Nase der kleinen Alheidis übern Tisch reichte, wurde ihr eingetrichtert, daß sie etwas Besonderes sei. Warum, ließ sich allerdings nicht ergründen. Weil sie ein bildhübsches Dirnlein war? Nun, davon gab es viele auf der Welt. Daß ihre Wiege in einem wohlhabenden oder gar reichen Hause stand? Auf einem solchen Fundament schaukelten noch andere. Allein dieses: Ich bin
Ich –!, das bei der Mutter so groß wie möglich geschrieben wurde, dehnte sich auch auf die Tochter aus. Kein Wunder, daß das also gedrillte Kind sich zu einem selbstherrlichen, hochmütigen Geschöpf auswuchs, das eigentlich nur sich selbst liebte. Die Mutter flößte ihr durch ihre ganze Art Bewunderung und Respekt ein, der Vater jedoch war etwas, auf das man ruhig herabschauen durfte. Sie mochte ihn ganz gern, weil er so gut aussah, viel besser als die Väter ihrer Freundinnen, aber das war auch alles.
Es berührte sie auch wenig, als er in den Krieg zog und nach vier Jahren wiederkehrte. Sie hatte ja die Mutter, die ihr immer mehr zum Vorbild wurde. Von den drauffolgenden schweren Jahren merkte sie nichts, da sie ihr gewohntes Leben fortsetzen konnte.
Allerdings nicht das der früheren höheren Töchter. Denn als sie das Pensionat hinter sich hatte und somit ihre Erziehung beendet war, hielt die Mutter es für notwendig, die Tochter mit der Bewirtschaftung des Gutes vertraut zu machen, damit sie als ihre spätere Erbin es selbständig verwalten konnte. Für Kaffeekränzchen, gesellschaftlichen Sport, Flirt mit jungen Herren und dergleichen Dinge mehr, mit denen sich die meisten Töchter wohlhabender Eltern ihre nutzlosen Tage vertrieben, blieb Alheidis keine Zeit. Die Mutter nahm sie tüchtig heran, so daß die Landwirtschaft allmählich das A und O des blutjungen Mädchens wurde. Arbeit und immer wieder Arbeit. Vergnügungen wurden von der Mutter als Luxus angesehen, Freundschaft mit gleichaltrigen Mädchen als kindisch erachtet. Was die Tochter sich in ihrer Freizeit leisten durfte, war ein wenig Musik und das Lesen landwirtschaftlicher Schriften. Wenn ihr Mann sie darauf aufmerksam machte, daß so ein Ding doch auch Zerstreuung haben müßte, wurde er schroff darauf hingewiesen, daß sie als Mutter am besten wüßte, was ihrem Kind frommte.
So hatte Alheidis sich bereits gute landwirtschaftliche Kenntnisse erworben, als eine tückische Krankheit die Mutter in wenigen Tagen dahinraffte. Das war genau vor einem Jahr gewesen.
*
Soeben kamen Vater und Tochter von dem Grab, auf das sie einen Kranz niedergelegt hatten, zurück. Es war so ein richtiges Novemberwetter, mit grauverhangenem Himmel, einem Gemisch von Schnee und Regen und einem Wind, der sozusagen bis auf die Knochen ging. Daher waren die beiden Menschen froh, als sie das Wohngemach erreicht hatten und sich am brennenden Kamin erwärmen konnten.
»Das ist so recht abscheulich draußen«, sagte Edgar Gerholt, indem er eine Zigarre in Brand steckte. Er war immer noch ein interessanter Mann mit seinen siebenundvierzig Jahren. So ein Held mit angegrauten Schläfen, wie sie sogar jungen Mädchen noch gefährlich werden können. Aber nach einem solchen stand gewiß nicht des Mannes Sinn, sein Herz ging ganz andere Wege.
Auf diesem befanden sich jetzt auch seine Gedanken. Keinen Blick hatte er für seine Tochter, die gleichfalls schweigend im Sessel lehnte. Ein junges Menschenkind, das die Natur gar reizvoll ausgestattet hatte. Über mittelgroß die Figur, dazu weich und biegsam wie eine Gerte. Das Gesicht fein geschnitten, die Augen groß und blau, mit einem leuchtendgrünen Schimmer. Einzig schön war das mittelblonde Haar, das den Anschein erweckte, als wäre Goldstaub darübergestreut. Ungeachtet der modischen Pagen- und Wuschelköpfe trug Alheidis es glatt und über den Nacken fallend. Über Scheitel und Hinterkopf hinweg eine tiefe Welle, unten leicht geringelt, fiel diese gleißende Pracht so, wie die Natur sie diesem eigenartigen und sinnverwirrend schönen Menschenkind mitgegeben hatte. Das ganze Äußere des Mädchens war dazu angetan, Männerherzen zu betören, wonach ihm jedoch absolut nicht der Sinn stand.
Äußerlich war Alheidis Gerholt ganz die Tochter ihres Vaters, während sie charakterlich der Mutter glich. Selbstherrlich und hochmütig, eigenwillig und unnachsichtig gegen die Fehler anderer. Kein gutes Erbteil, das sie da angetreten hatte. Und wenn sie auch einen Teil der guten Eigenschaften des Vaters mitbekommen haben sollte, so waren diese jedoch durch die falsche Erziehung so verschüttet, daß sie nicht durchzudringen vermochten.
Als der Fernsprecher anschlug, verharrte Alheidis gleichgültig in ihrer Stellung, horchte aber auf, als der Vater sprach. Wie frohbewegt seine Stimme klang, wie warm sein Lachen. Es mußte wohl ein lieber Sprecher am anderen Ende sein, der ihn aus seiner sonstigen Reserve herauslockte. Er sagte nur einige Worte, und das Auf Wiedersehen berührte wie ein zärtliches Streicheln.
»Mit wem sprachst du denn da?« fragte die Tochter verwundert, als er wieder Platz nahm.
»Mit Frau Lyth.«
»Wenn du doch endlich den Verkehr mit diesen Leuten lassen würdest«, entgegnete Alheidis verächtlich. »Seit drei Jahren bist du täglich mit ihnen zusammen. Du wirst dich nächstens bei der unmöglichen Familie, die tief unter uns steht, noch ganz einquartieren.«
Nur mit Aufbietung aller Energie zwang sich der Mann zur Ruhe. Er mußte an sich halten, damit er der Tochter nicht in das hochmütig lächelnde Gesicht schlug. Ein Entschluß stieg in ihm auf, den er gleich in Worte faßte:
»Hast recht«, sagte er gelassen. »Ich gedenke mich wirklich nächstens bei ›diesen Leuten‹ und bei dieser ›unmöglichen Familie‹ ganz und gar einzuquartieren. Zwar widerstrebt es mir, dir das, was ich dir zu sagen habe, am Todestag deiner Mutter zu tun, aber deine nichtachtenden Bemerkungen fordern mich direkt dazu heraus. Ich fühle mich nämlich noch nicht alt genug, um hier immer weiter zu resignieren, wie ich es einundzwanzig Jahre hindurch tat. Daher will ich noch ein Zipfelchen Glück erhaschen, worauf ja jeder Mensch ein Recht hat. Kurz und gut, ich möchte heiraten – und zwar die unmögliche Frau Lyth.«
Mit einer ungestümen Bewegung fuhr das Mädchen hoch.
»Das gestatte ich nicht, Papa!«
»Danach werde ich nun nicht gerade fragen«, entgegnete er mehr amüsiert als ärgerlich. »Wenn ich hier auch absolut nichts zu sagen habe, so bin ich dennoch freier Herr über meine Person – Gott sei Dank!«
»Du hast aber Pflichten gegen deine Tochter.«
»Ach, sieh mal an«, kniff er die Augen zusammen und betrachtete sie angelegentlich. »Wer kein Recht hat, der hat auch keine Pflichten. Und ersteres hast du mir nie eingeräumt. Es ist schon eines Mannes unwürdig, sich von seiner Frau schurigeln zu lassen, aber von der Tochter, das dürfte schon an Demütigung grenzen.«
»Dann wundere ich mich, daß du das Leben an Mutters Seite so lange ertragen hast«, lächelte sie verächtlich.
Ein finsterer Zug trat in sein Gesicht. Verbissen antwortete er:
»Ich mußte es, weil ich nach ihrer Ansicht ihr so viel Dank schuldete, den abzutragen mein ganzes Leben nicht einmal ausreichen würde. Das erklärte sie mir jedesmal mit hämischen Worten, wenn ich sie bat, uns in Güte zu trennen. Es kam dann zum erbitterten Streit, dem ich, wie ich ehrlich zugeben will, nicht gewachsen war. Langsam resignierte ich, bis – ja, bis die Frau frei wurde, der auch heute noch mein ganzes Herz gehört.«
»Sehr interessant. Dein Herz ging also andere Wege – aber das Geld deiner Frau war dir gut genug.«
»Erlaube mal!« fiel er ihr scharf ins Wort. »Du mit deinen zwanzig Jahren bist noch längst nicht reif genug, um eine so tiefgründige Angelegenheit richtig beurteilen zu können. Ich bin mit den besten Vorsätzen in die Ehe gegangen, habe deiner Mutter ehrliche Zuneigung entgegengebracht, die sie dann nach und nach in mir tötete. Denn sie – sowohl wie auch du – seid keine Frauen, mit denen ein Mann in Liebe und Eintracht leben kann. Solche Wesen lieben nämlich nur sich selbst.
Und von dem Geld deiner Mutter hatte ich nicht viel, weil sie mir ein Gehalt zahlte, wie es einem Inspektor zukommt. Nur daß ein solcher nicht der Sklave seiner Herrin ist, über den sie ganz nach Willkür herrschen kann.«
»Warum ließest du dir das bieten?«
»Weil ich Streitigkeiten wie die Sünde hasse. Und wie ich bereits vorhin erklärte, war ich deiner Mutter nicht gewachsen.«
»Nicht sehr rühmlich für einen Mann«, zogen sich ihre Mundwinkel verächtlich nach unten. Doch ehe er etwas erwidern konnte fragte sie: »Wann gedenkst du zu heiraten?«
»Möglichst bald«, gab er widerwillig zurück. »Wir brauchen den äußeren Schein nun nicht länger zu wahren, da heute das Trauerjahr um meine verstorbene Frau um ist, und Frau Lyth vor fast zwei Jahren Witwe geworden ist. Sie wird auch dir eine mütterliche Freundin und Beraterin sein, Alheidis.«
»Danke«, unterbrach sie ihn schroff. »Mit dem Moment, wo du dich zu der Frau bekennst, sind wir geschiedene Leute. Merke dir das, Papa.«
»Schön«, sah er ihr gelassen in die Augen hinein, die dunkel waren vor heftigem Zürnen. »Ich habe es von dir auch nicht anders erwartet. Wo solltest du in deiner Selbstherrlichkeit auch Verständnis für das Tun anderer Menschen hernehmen. Du sitzest auf einem gar hohen Roß, meine Tochter. Sieh nur zu, daß du eines Tages nicht von ihm herabstürzest.
Nichtsdestotrotz will ich dir zu verstehen geben, daß du stets Rat und Hilfe bei mir findest – wenn du sie bei mir suchst. Solltest du das nicht nötig haben, um so besser für dich und auch mich.«
Ein hochmütiges Lächeln umzuckte den Mädchenmund.
»Ein sonderbares Anerbieten – nach alledem. Du mußt ja wissen, was du tust. Ich werde dir das Geld auszahlen, das meine Mutter dir als Pflichterbteil hinterlassen hat. Damit dürfte dann alles zwischen uns geregelt sein, und wir haben nichts mehr miteinander zu schaffen.«
»Hm, was habe ich doch für eine liebevolle Tochter. Vielleicht dürfte ich dir den Vorschlag machen, das Geld als Hypothek auf Schlehdorn stehen zu lassen, weil ich es nicht dringend benötige, jedenfalls nicht so, wie das Gut. Ich habe mir nämlich von dem Gehalt, das deine Mutter mir zahlte – und das auch du mir nach ihrem Tode weiter bewilligtest«, setzte er voll Bitterkeit hinzu, »eine ganz nette Summe ersparen können und daher…«
»Nein!« schnitt sie ihm hart das Wort ab. »Du sollst haben, was dir zukommt. Ich arbeite nicht gern mit fremdem Geld.«
Augenblicklang hatte es den Anschein, als wolle der Mann seiner Empörung freien Lauf lassen. Doch dann besann er sich eines anderen, zuckte nur die Achseln und entgegnete kalt:
»Daß du nicht viel Herz besitzt, das weiß ich längst, Alheidis. Daß du aber so herzlos und zugleich so taktlos sein kannst, das erschüttert mich geradezu. Ich muß mich ja schämen, so etwas in die Welt gesetzt zu haben. Da ist wohl jeder weitere Kommentar überflüssig.«
Er erhob sich, ging hinaus, und seine Tochter starrte ihm erbittert nach. Dann legte sie den Kopf gegen die hohe Sessellehne, schloß die Augen und verharrte regungslos lange Zeit.
Unterdessen ritt Edgar Gerholt nach dem Ort, wohin seine Sehnsucht ihn zog. Ein mittelgroßes Gut nur, doch tadellos gehalten, war sein Ziel. Das Haus, schlicht von innen und außen, konnte sich an dem Schlehdorner nicht messen, an trauter Behaglichkeit jedoch war es ihm über. Wie eine warme Welle überflutete es das Herz des Mannes, der wie ein müder Wanderer