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Wolfgang und Edeltraut und andere Erzählungen
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eBook143 Seiten1 Stunde

Wolfgang und Edeltraut und andere Erzählungen

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Über dieses E-Book

In diesem Buch vereint finden Sie folgende drei Erzählungen der Schriftstellerin Margarete Lenk, die auch unter Mag. Lenk veröffentlichte: Swanwit. Lutz und Fridolin. Wolfgang und Edeltraut.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum25. Apr. 2019
ISBN9783730953822
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    Buchvorschau

    Wolfgang und Edeltraut und andere Erzählungen - Marg. Lenk

    Swanwit

    Fünfhundert Jahre waren vergangen, seit unser Heiland auf Erden wandelte. Seine Boten waren in alle Welt ausgegangen, um den Völkern das seligmachende Evangelium zu bringen, aber noch immer gab es im deutschen Lande viele Gegenden, wohin noch nie die Kunde von dem freundlichen Gottessohn gedrungen war.

     In einem fruchtbaren Tale des Thüringer Landes lagen zerstreut einige Höfe, zusammen eine Gemeinde bildend, deren Oberhaupt der tapfere Hugbald war.

    Sein Hof war der größte von allen. Stattlich ragte das hohe Dach des Hauses zwischen mächtigen, schattengebenden Linden empor, umgeben von den niederen Wohnungen der Knechte, die samt ihren Frauen und Kindern dem Hofherrn eigen waren.

    Wohlbestellt waren die Felder und zahlreich das Herdenvieh, das auf den frischen Wiesen am Bache weidete. Kräftige Knaben übten sich im Ringkampf und Speerwerfen, und fleißige Mägde liefen umher, des Viehes wartend und den Haushalt besorgend.

    Jetzt aber war Nacht. Auf weichem Bärenfell ruhte Hugbald, doch schlief er nicht, denn drinnen im Frauengemach lag sein Weib Liebtrut schwer krank danieder, und die Ahne war ängstlich um sie beschäftigt.

    Unverwandt war des Helden Auge auf den Vorhang gerichtet, der die Halle von der Kammer trennte.

    Da bewegte sich dieser leise, die Alte trat auf ihn zu und legte ein neugeborenes Mägdlein zu seinen Füßen nieder, das alsbald kläglich zu schreien begann.

    Schon beugte sich der Vater herab, um es zu betrachten, da tönte aus dem Nebenraum banger Angstruf der Mägde.

    Des Kindleins nicht achtend, eilte Hugbald hinaus, gefolgt von der Ahne.

    Einen Blick voll Liebe und Abschiedsschmerz warf die treue Liebtrut noch ihrem Manne zu, dann schloss sie die Augen und ging ins finstere Reich der Toten.

    Bald erfüllten die vier Söhne der Hingeschiedenen die weite Halle mit Klagegeschrei, in das die Mägde einstimmten, denen Liebtrut eine freundliche Herrin gewesen war.

    Als nun alle weinend das Lager umstanden, fehlte Hilde, das zwölfjährige Töchterlein.

    Der Vater meinte, es liege wohl in seinem Winkel in allzu festem Schlaf, und ging es zu holen. Da fand er es am Boden sitzend, das neugeborne Schwesterlein auf dem Schoße, zärtlich bemüht, ihm aus einer kleinen Schale etwas Milch einzuflößen.

    „Wie wagst du es, rief Hugbald, „das Kind zu tränken, das ich noch nicht angenommen habe?

    „Vergib mir, Vater, erwiderte das Mädchen; „ich wusste es nicht, denn ich erwachte erst von seinem Weinen.

    „Lege es auf die Bank, damit ich es ansehe; du aber geh hin und traure, denn du hast keine Mutter mehr."

    Mit lautem Aufschrei eilte das Kind in die Kammer, kehrte aber bald, wenn auch mit tränenvollem Antlitz, zurück, um nach dem Schwesterlein zu sehen.

    „Sehr töricht hast du gehandelt", rief ihm der Vater entgegen, „dass du dem Kinde Milch reichtest. Merktest du nicht, wie jämmerlich es ist? Wahrlich, doppelt so groß warst du, als du zuerst das Licht sahst; kräftig war deine Stimme und rund deine Gliederchen.

    Dieses aber piept wie ein krankes Vöglein, dürr sind seine Ärmchen, und ein Beinchen ist kürzer als das andere.

    Lahm und elend wird sich’s über die Erde schleppen, und daran bist du schuld! Hätte es noch nicht getrunken, ließe ich’s in den Wald legen. Da wäre es bald tot, und die freundliche Hertha nähme es in ihre Arme." (Sobald zu damaliger Zeit ein Kind getrunken hatte, durfte es nicht mehr ausgesetzt werden.)

    „O Vater, nimmermehr gönne ich der bleichen Göttin das Schwesterlein! Schon lange wünsch’ ich mir eins, denn ich bin allein unter den wilden Brüdern. Ich will es pflegen und warten; es soll mein Trost sein im bittren Schmerz um die Mutter. Vielleicht wird es doch noch schön und stark; auch das Beinchen kann noch wachsen."

    „So nimm es hin, sagte Hugbald finster, „aber klage nicht, wenn sein Gewimmer dich aus dem Schlafe weckt und wenn du es herumschleppen musst, während andere Mägdlein den Reigen tanzen. Damit wandte er sich ab, um zu der geliebten Leiche zurückzukehren.

    Hilde aber wickelte das Schwesterlein warm ein, wiegte es in den Armen und lächelte unter Tränen, als es bald ruhig ward und einschlief.

    Swanwit (Schwanweiß) ward das Kindlein genannt, denn seine Haut war zart und weiß und seine feinen Härchen beinahe so hell glänzend wie das Gefieder des schönen Wasservogels.

    Wohl war die Last, die Hilde auf sich genommen, im Anfang schwer, denn das schwache Kindlein schrie oft Tag und Nacht. Aber die Liebe ist stark, und so ward die Schwester nicht müde, es zu tragen und zu wiegen, zu tränken und in das stärkende Bad zu bringen, im Sommer draußen am Quell, im Winter drinnen am warmen Herd.

    Und siehe, der Lohn blieb nicht aus. Als Swanwit die ersten Schritte tat und lächelnd den Namen der treuen Schwester stammelte, war das Schwerste überstanden. Von nun an entwickelte es sich lieblich. Sein Haar fiel in seidenweichen, flachshellen Locken bis auf die Schultern, die Äuglein strahlten lichtblau und die Wangen überzog ein rosiger Hauch.

    Aber schwach und klein blieb es trotz aller Pflege, und das Beinchen blieb kurz, sodass der Gang des Kindes hinkend war.

    Dadurch war ihm manche Freude versagt, aber dennoch kam kein Neid in sein sanftes Gemüt, es war immer zufrieden und freundlich. Fröhlich lachte es mit, wenn es im Grase sitzend den wilden Spielen der Hofkinder zusah. Gern trugen sie ihm Blumen und Beeren zu, und es war glücklich, wenn es der geliebten Schwester ein Kränzchen winden und aufs goldige Haupt setzen konnte.

    Im Winter freilich kauerte es oft einsam am Herdfeuer, denn es fror leicht und konnte nicht auf dem Eise gleiten und sich im Schnee wälzen wie die andern. Seit ihm aber ein alter Knecht ein Püppchen geschnitzt, blieb es gern allein, um es zu liebkosen und leise mit ihm zu sprechen.

    Als es größer und kräftiger ward, fing es bald an, der Schwester und den Mägden zur Hand zu gehen: Es lernte die Spindel drehen, half das Mehl bereiten und bediente Vater und Brüder in Demut, sodass sie es gern um sich duldeten.

    Nur Theodulf, der älteste, war ihm nicht wohlgesinnt, denn sein Gemüt war stolz und hart. Es kränkte ihn, ein so gebrechliches Geschöpf im Hause zu sehen, doch hütete er sich, es zu beleidigen, solange Hildes Auge zärtlich wachte. So verfloss Swanwits Kindheit harmlos und friedlich, bis es zwölf Jahre alt war.

    Da ward einst am Tage der Sommersonnenwende auf dem Hofe ein Fest veranstaltet, zu dem viele Gäste von nah und fern kamen.

    Unter ihnen war Siegbert, ein herrlicher Jüngling, der sich eine Zeitlang in fremden Ländern aufgehalten hatte und jetzt im Begriff war, in die Heimat zurückzukehren.

    Wohlanständig waren seine Sitten und voll Weisheit seine Rede. Auch gewann er in allen Kampfspielen, verlangte aber keinen andern Preis dafür als einen freundlichen Blick von der schönen Hilde.

    Lange sprach er mit dem Vater; und als am Abend das große Feuer auf dem Hofe angezündet wurde, umfasste er die Jungfrau und sprang leichtfüßig mit ihr durch die lodernde Flamme, während Gäste und Gesinde in lauten Jubelruf ausbrachen.

    Swanwit aber entfloh ins Haus, verkroch sich in einem Winkel und weinte lange bitterlich, denn sie wusste schon, was der kühne Sprung bedeutete.

    Als es Herbst ward, kam Siegbert wieder, um Hilde als Ehegemahl mit sich fort, weit hinauf ins Gebirge, zu führen.

    Sanft und geduldig überwand Swanwit ihre Sehnsucht nach der Schwester, eifriger als je diente sie allen und bemühte sich, dem Vater die fortgezogene Tochter zu ersetzen. Glücklich war sie, wenn er sie zum Lohn freundlich anlachte und ihr über das Lockenhaar strich.

    So vergingen wieder drei Jahre; da zog Hugbald mit seinen Söhnen aus in den Kampf gegen die wilden Wenden.

    Siegreich und mit Beute beladen kehrten die Jünglinge zurück, aber der Vater kam nicht wieder. Mit der Todeswunde in der Brust lag er mit andern Gefallenen auf dem Kampfplatz begraben.

    Die Söhne priesen ihn glücklich, dass er nun in der Götterhalle sitzen durfte mit allen tapferen Helden; Swanwit aber wollte sich nicht trösten lassen.

    Das arme Kind hatte wohl Grund zu trauern, denn von dem Tage an, da Theodulf den Herrensitz einnahm, ward es nicht viel anders gehalten wie eine Magd. Am liebsten hätte es der Stolze ganz in die Wohnungen des Gesindes verwiesen, wenn nicht Hermann, der jüngste Bruder, ihm mit Eifer einen Platz am Herde bewahrt hätte.

    Aber es ward so oft unfreundlich angesehen und so hart gescholten, wenn es ein Versehen machte oder im Wege war, dass es scheu und ängstlich ward und gern Zuflucht suchte bei den Mägden und Kindern.

    Noch schlimmer ward es, als Theodulf nach Jahresfrist die schöne, reiche Gerlinde aus der Nachbarschaft als Hofherrin heimführte. Sie führte ein strenges Regiment und hatte keine Liebe zu dem zarten, träumerischen Mägdlein, das freilich gar sehr abstach gegen ihre hohe, herrliche Gestalt.

    Nun kam eine Zeit, da Swanwit oft recht traurig war und viel weinte, auch wenn sie niemand schalt oder beleidigte.

    Sie wuchs nun zur Jungfrau heran, hatte am Kinderspiel keine Freude mehr und lebte nicht mehr so harmlos von einem Tage zum andern. Oft schweifte ihr Blick in die Zukunft, und die war ja so trübe und freudenleer für das lahme, kränkliche Mägdlein.

    Kein anderes Glück kannte damals die deutsche Jungfrau, als von einem edlen Manne zur Gattin erwählt zu werden, ihm in Liebe und Treue zu dienen und blühende Kinder um sich emporwachsen zu sehen.

    Nun wusste Swanwit wohl, dass ihr solches Glück ganz versagt sei, denn wer würde die Gebrechliche begehren?

    Wohl gab es Jungfrauen, die, freiwillig auf Erdenglück verzichtend, sich den Göttern zum Dienste ergaben. Hochgeehrt als weise Frauen halfen sie den Kranken, gaben klugen Rat in allerlei Not, suchten sogar die Zukunft zu enthüllen und folgten dem Heere in die Schlacht, um die Verwundeten zu pflegen.

    Aber würden die Götter eine so mangelhafte und unvollkommene Gabe annehmen? Was ihnen geopfert ward, musste schön, stark und fehlerlos sein.

    Ach, Swanwit war unscheinbar, schwach und voller Gebrechen, das fühlte sie wohl und verhüllte seufzend ihr Antlitz, denn auch bei den Göttern war für sie kein Trost zu finden. Einsam und unwert musste sie durchs Leben gehen; wenn es aus war, musste sie unbeweint sterben und auch einsam und verachtet im Schattenreich wandeln.

    O, wie traurig war das!

    Seit Theodulf den Herrensitz einnahm, ging es viel lebhafter auf dem Hofe zu als ehemals und häufig kehrten Gäste

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