Lutz und Fridolin: Kreuzrittererzählung
Von Margarete Lenk
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Buchvorschau
Lutz und Fridolin - Margarete Lenk
Auf dem Bärenstein
Zu der Zeit, da der große Kaiser Friedrich Barbarossa über das deutsche Land herrschte, hauste am Strande der Donau der tapfere Ritter Hermann von Bärenstein auf seiner Burg, die wie ein Adlernest auf steilem Felsen thronte.
So rau wie seine Wohnung war auch der Ritter selbst; er begnügte sich nicht, im Dienste des Kaisers ehrlichen Krieg zu führen und in Friedenszeiten der Jagd obzuliegen oder im Turnier die Lanze zu brechen, sondern lag auch immer mit seinen Nachbarn in Fehde, überfiel Reisende und Kaufleute und war der Schrecken der ganzen Umgegend. Viel unschuldig Blut klebte an seiner Hand. Da er aber seine Freveltaten immer mit geschlossenem Visier und unter allerhand Vermummung vollbrachte, konnte ihm niemand etwas anhaben.
Ganz anders gesinnt war seine Gemahlin, die sanfte, freundliche Mathilde. Stille waltete sie im Burgfrieden, sorgte für Kinder und Gesinde und betete fleißig in der kleinen Burgkapelle, die der wilde Ritter niemals betrat.
Wenn sie einmal den mühsamen, steilen Waldpfad hinab ins Tal stieg, so geschah es nur, um armen, kranken Landleuten zu Hilfe zu kommen oder einige Mal im Jahre in dem Kloster am Flussufer zu beichten und ein Heiligenfest mitzufeiern.
Schon oft hatten des Ritters Blicke lüstern auf den stattlichen Klostermauern geruht; er hätte gar zu gern einmal die wohlgefüllte Schatzkammer des Abtes ausgeräumt und die schönen Kühe, die auf den Klosterwiesen weideten, in seine Ställe getrieben. Aber trotz seiner Wildheit hatte er eine große Liebe und Verehrung für seine fromme Gemahlin und scheute sich, so nahe vor ihren Augen eine Gewalttat zu begehen. Dazu kam, dass der Abt ein ritterlicher Herr war, der das Schwert ebenso gut zu führen wusste wie den Abtstab; auch unter den Mönchen waren tapfere Gesellen, wohl imstande, ihren Besitz zu verteidigen.
Vier Kinder hatte Gott dem ungleichen Ehepaar auf dem Bärenstein gegeben. Bernhard, der Älteste, ritt schon mit Schwert und Schild an des Vaters Seite und war ihm in allem ähnlich.
Zwei Töchterlein wuchsen unter der Zucht der Mutter heran, aber das Licht ihrer Augen war Fridolin, der Jüngste. Dieser liebliche Knabe zeigte zum großen Verdruss des Vaters von klein auf ein stilles, sanftes, träumerisches Wesen und hatte mit den blauen Augen und blonden locken der Mutter auch ihr frommes Gemüt geerbt.
Nur im Gehorsam gegen den Vater übte er sich in ritterlichen Künsten; er wäre gar zu gern in die Schule des Klosters gegangen, um sich später ganz dem Dienste des Gottes zu weihen.
Aber davon wollte der Vater nichts wissen.
„Nimmermehr soll einer vom Bärenstein ein Kuttenträger werden", sagte er und hielt den Knaben in der kurzen Zeit, die er daheim verlebte, immer strenger zum Waffenwerk an.
Bis vor Kurzem hatte Fridolin bei allen seinen Spielen und Übungen einen treuen Gefährten gehabt, das verwaiste Söhnlein eines ritterlichen Dienstmannen. Frau Mathilde hatte es aus der Taufe gehoben und zog es gesondert von den wilden Trosskindern mit ihrem Knaben auf. Der kleine Lutz war ein hübscher, lustiger Junge, legte zeitig kecken Mut und ritterlichen Sinn an den Tag und war dem etwas älteren Herrensohn in treuer Liebe ergeben.
Aber Lutz war von seiner sterbenden Mutter dem Kloster abgelobt worden, und als er zehn Jahre alt war, kam ein ernster Mönch in langem, grauem Gewand und führte den munteren Knaben fort aus der unbeschränkten Freiheit des Burgfriedens in die strenge Zucht der Klosterschule.
Während er nun dort mühsam die lateinische Sprache lesen und schreiben lernte und die Rute des lehrenden Bruders oft genug auf seinem Rücken tanzte, ward Fridolin immer ernster und nachdenklicher. Das wilde Treiben der Knechte und Buben auf dem Burghofe verletzte sein zartes Gemüt. Mehr und mehr zog er sich davon zurück und schloss sich der Mutter und den Schwestern an.
Die Mutter war in einem Kloster sorgfältig erzogen worden und wusste gar innig und lebhaft zu erzählen von Adam und Eva im Paradiese, vom frommen Joseph und dem königlichen Hirtenknaben David.
Am meisten aber sprach sie zu den Kindern von Jesu, dem Sohne Gottes, und den großen Wundertaten, die er in der Zeit seines Erdenlebens vollbracht.
Sie erzählte auch von der frommen Kaiserin Helena, welche die heiligen Stätten, da Jesu Fuß gewandelt und sein Leib im Grabe gelegen, so ehrfurchtsvoll bewahrt und köstlich geziert hatte. Dann waren die ungläubigen Türken gekommen und hatten das Heilige Land erobert, ihren Halbmond überall aufgerichtet und die frommen Pilger geängstigt und gequält, bis Gott durch den edlen Ritter Gottfried von Bouillon den Christen wieder den Sieg gegeben hatte und das Kreuz von Neuem auf der Zionsburg und der Grabeskirche funkelte.
Die beiden Mädchen, Hildegard und Anna, hörten der Mutter gerne zu, während die Spinnrädchen sich lustig drehten; war aber die Arbeitszeit vorbei, so liefen sie leichtherzig davon, um zu spielen.
Fridolin dagegen bewegte das Gehörte still und ausdauernd in seinem Herzen. Oft schlich er sich in die Burgkapelle, kniete unter der silbernen Lampe, die die Mutter täglich selbst mit Öl füllte, vor dem Altar nieder und betete inbrünstig, das Gott ihm die Gnade verleihen möge, die Stätten zu betreten, wo der Herr sein Erdenleben verbracht und sein Blut zum Heil der Welt vergossen hatte.
Gern nahm er in der Abendkühle Hildegards Harfe in die Hand, auf der er schon lieblich zu spielen wusste. Dann setzte er sich auf die Steinbank unter der Linde neben dem Burgbrunnen, griff in die Saiten und