Das Erbe des Kreuzritters
Von Josef Hahn
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Buchvorschau
Das Erbe des Kreuzritters - Josef Hahn
Die Heimkehr
anno Domini 1102
im Donau Gau
der Babenberger
Auf der kleinen Burg Rattenberg im gleichnamigen Weiler, tief in der Urlandschaft des Waldviertels herrschte festliche Stimmung. Die Burg lag auf einer kleinen abgeholzten Anhöhe, um Besucher oder allfällige Feinde rechtzeitig zu bemerken. Eine etwa drei Meter hohe Burgmauer mit Wachtürmen an allen vier Ecken und ein davorliegender breiter Wassergraben mit einer Zugbrücke gewährleisteten dem Burgherren und seiner Familie, sowie dem in der Burg tätigen Gesinde entsprechenden Schutz.
Am Fuße des Hügels, auf dem die Burg derer von Rattenberg stand, lag zu der Zeit unserer Geschichte noch eine weit ausgedehnte Urlandschaft im nordwestlichen Waldviertel.
Der Wildreichtum des Waldes und ein fischreicher Fluss in der Nähe garantierten, dass auf Burg Rattenberg nie ein Mangel an frischem Fleisch und Fisch bestand. Andere benötigte Lebensmittel lieferten die etwa hundert leibeigenen Bauern im Austausch gegen die Reste des erlegten Wildes. Alles in allem war es kein schlechter Platz zum Leben. Weder für den Burgherren noch für die Bauern. Die Herrschaften waren, wie man so sagt, durchaus kommode Herrschaften.
Für heute hatte Ritter Gerfried von Rattenberg durch einen Boten seine langerwartete Rückkehr aus dem Kreuzzug gegen die Ungläubigen¹ angekündigt. Er kam als ein Held zurück. Den christlichen Rittern war es gelungen, die Ungläubigen aus dem Heiligen Land zu vertreiben. Sie hatten Sieg um Sieg errungen, Jerusalem erobert, dafür aber auch fast unmenschliche Strapazen erdulden müssen.
Ritter Gerfried war nicht mit allzugrosser Begeisterung dem Appell des Heiligen Vaters Urban gefolgt. Eigentlich war ihm das sogenannte Heilige Land völlig egal. Sollte doch dort herrschen, wer immer es wollte. Es tat seiner Frömmigkeit und seinem Glauben an Christus keinerlei Abbruch, wenn irgendein Dämonenfürst über Jerusalem und das umliegende Land bestimmte.
Aber um die europäische Militärmacht und die Kirche zu mobilisieren, übertrieben und dramatisierten die Boten des oströmischen Kaisers in ihren Berichten die Entweihung der heiligen Stätten und die Lage der im Heiligen Land lebenden Christen. Tatsächlich aber konnten die Christen unter muslimischer Herrschaft ihre Religion weiterhin ohne Zwang ausüben, die Stadt betreten und ihre Gebete verrichten, wo immer sie wollten. Also wozu Krieg führen?
Ritter Gerfried konnte sich aber der allgemeinen Stimmung und der Parole >Gott will es< nicht entziehen, ohne als Feigling angesehen und vielleicht sogar geächtet zu werden.
Ritter Gerfried war groß gewachsen. Größer als der Durchschnitt der Männer in diesen Tagen. Sein blonder Bart, die langen blonden Haare und ein kräftiger, muskulöser Körperbau wiesen ihn fast als Idealbild eines Ritters aus. Auch als Kämpfer war er wohlbekannt. Auf manchen Tjosten² hatten dies seine Gegner leidvoll erfahren müssen. Er zählte bei der Heimkehr so um die vierzig Jahre herum. Genau wusste er das aber nicht. Aber das war ihm egal. Solang er sich gut bewegen konnte und alle die Verrichtungen ausführen, die man von einem Ritter erwartet wurden, zählten die Jahre nicht wirklich.
Sein ältester Sohn Hubert war fast eine Kopie seines Vaters. Auch er war groß, blond und zeigte Ansätze von Muskeln. Mit seinen siebzehn Jahren war er einer der Jüngsten aus dem Ritterstand, die am Kreuzzug teilgenommen hatten.
Sie schlossen sich also - insgeheim seufzend - mit einer kleinen Gefolgschaft dem Heer der Kreuzritter an. Später erfuhr Gerfried, dass es im Land der Heiden eventuell zahlreiche Beute zu gewinnen gab, die auch seine immer schmale Schatztruhe etwas vergrößern könnte. Eine Aussicht, die ihn etwas erfreute.
Noch mehr freute ihn, dass er als geadelter Ritter, als Freiherr von Rattenberg, in die Heimat zurückkehrte. Er hatte nämlich dem neuen Fürsten von Antiochia, Bohemund von Tarent der einen der vier neuen Kreuzfahrerstaaten gründete, bei einem Attentatsversuch das Leben gerettet, weil er dem Attentäter, einen jungen Mauren, mit seinem Schwert den Kopf gespalten hatte, noch bevor dieser seinen Krummdolch im Leib Bohemunds versenken konnte. Der Fürst hatte ihm dafür den Titel eines Freiherrn verliehen.
Von seiner Gefolgschaft war die Hälfte entweder vor Hunger krepiert oder von den Heiden erschlagen worden. Das tangierte den neuen Freiherrn allerdings wenig. Hauptsache, er und sein Sohn waren wohlauf. Er würde den Familien der Toten eben eine kleine Unterstützung zukommen lassen und auch einige Messen für ihre Seelen stiften.
Zwei mitgeführte Packpferde trugen insgesamt vier gutgefüllte Kisten mit erbeutetem Gold- und Silberschmuck, feinen Stoffen und seltenen Gewürzen. Zusammengezählt würden das alles seiner Familie zumindest für die nächsten zehn Jahre ein sorgenfreies Leben garantieren. Was danach kam? Wer konnte das wissen? Gottes Wege waren immer schon unergründlich.
Der Freiherr wollte auch die gräulichen Erlebnisse während des Kreuzzuges möglichst schnell vergessen. Er wollte vergessen, dass im Namen des Christengottes eine Unzahl Juden, samt ihren Frauen und auch den Kindern bereits während des Marsches ins Heilige Land von den Rittern massakriert worden waren.
Er wollte vergessen, dass die Kreuzfahrer nach der Eroberung der Stadt Maarat an-Numan (1098) die getöteten Heiden in Kesseln kochten und fraßen. Auch die Kinder der Heiden wurden Opfer der frommen Kannibalen. Man zog sie auf Spieße wie junge Schweine und aß sie geröstet.
Auch der Freiherr und sein Sohn schlossen sich den christlichen Kannibalen an. Sie schworen sich aber gegenseitig, davon nie etwas preiszugeben. Beiden ekelte noch jetzt davon. Menschenfleisch! Aber der Hunger war eben stärker gewesen…! Gott würde ihnen das sicher verzeihen. Es waren doch nur Ungläubige. So hatte es zumindest einer der Priester bestätigt, der ebenfalls an dem kannibalischen Mahl teilgenommen hatte.
Bei der Eroberung von