Sagen und Geschichten aus Bremen: Ausgewählt und zum Teil nacherzählt von Hermann Gutmann
Von Hermann Gutmann und Peter Fischer
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Buchvorschau
Sagen und Geschichten aus Bremen - Hermann Gutmann
Sagen und Geschichten
aus Bremen
Ausgewählt und zum Teil nacherzählt
von
Hermann Gutmann
Titelabbildung: Peter Fischer
3. Auflage 2020
© 2001 Edition Temmen e.K.
28209 Bremen – Hohenlohestr. 21
Tel. 0421-34843-0 – Fax 0421-348094
info@edition-temmen.de
www.edition-temmen.de
Alle Rechte vorbehalten
Gesamtherstellung: Edition Temmen
Ebook ISBN 978-3-8378-8059-5
Print ISBN 978-3-86108-163-0
Die Bremer Gluckhenne
Der Himmel war, wie fast immer an der Weser, trübe und bewölkt. Regenschauer und heftige Böen machten jenen heimatlosen Menschen, die in uralter Zeit an einem ungemütlichen Tag die Weser in jämmer-
lichen Kähnen befuhren, das Leben richtig schwer.
Es waren Menschen, die sich schon in ihrer Heimat mühsam durchs Leben geschleppt hatten. Sie hatten dort von der Hand in den Mund gelebt. Doch das Leben wäre erträglich gewesen, wenn nicht Feinde das Land erobert und die Freiheit der Menschen bedroht hätten.
Hunger und Not konnten sie ertragen. Doch wie hätten sie leben sollen ohne Freiheit?
So hatten sie denn die Heimat in kleinen Kähnen verlassen und irrten durch die Welt, erreichten die Weser und ankerten, als sich der Tag dem Ende zu neigte, mitten im Fluß, denn sie sahen keine Möglichkeit das Ufer zu betreten.
Sie spähten umher, suchten einen Landeplatz. Doch es war vergeblich.
Plötzlich aber drang ein Strahl der sinkenden Sonne durch das Gewölk und erhellte die Landschaft mit einem wunderbaren Glanz.
Und so bemerkten die Flüchtlinge im letzten Schein der Sonne eine Henne, die sich mit ihren Küken einen sicheren Ruheplatz für die Nacht suchte.
Die Menschen folgten den Tieren, fanden Landeplätze für ihre Kähne, gingen an Land und erklommen eine Düne, wo sie die Henne und ihre Küken, verborgen im Heidekraut, fanden.
Die Flüchtlinge beschlossen daraufhin, auf der sicheren Düne ihre Hütten aufzuschlagen und sich dort für alle Zeiten niederzulassen.
Sie versprachen einander, daß dieser Platz für sie, die nun endlich ein Asyl gefunden hatten, ein Hort der Freiheit sein sollte.
So wurde der Grund für die Stadt Bremen gelegt.
Es war Friedrich Wagenfeld, der diese Sage Anfang des 19. Jahrhunderts der Vergessenheit entriß und mit anderen Bremer Volkssagen veröffentlichte.
Der Henne aber mit ihren Küken haben die Bremer ein Denkmal gesetzt. Man findet es über dem zweiten Rathausbogen – es ist ein Wahrzeichen der Stadt.
Wie der liebe Gott dem heiligen Willehad das Leben rettete
Als der heilige Willehad (um 735 bis 789) noch ein einfacher Priester war und noch gar nicht an Bremen dachte, wurde er von der Kirche aus seiner englischen Heimat Northumberland aufs Festland beordert. Er sollte den Friesen und Sachsen, die sich besonders hartnäckig gegen die neue Lehre stemmten, das Christentum predigen. Das hatte schon der heilige Bonifatius 20 Jahre vorher mit unterschiedlichem Erfolg aber meistens vergeblich versucht – die Friesen hatten ihn in Dokkum erschlagen.
Und nach Dokkum kam nun auch Willehad, mißtrauisch beäugt von den Friesen, von denen einige schon die Waffen zurecht legten. Andere allerdings meinten, so übel sei der neue Christenmensch gar nicht.
Es war vor allem in der Gegend von Groningen, wo Willehad keine Freunde fand, und einige Friesen beschlossen, den hartnäckigen Priester zu töten, wobei sie allerdings die Genehmigung ihrer Götter einholen wollten.
Sie nahmen eine Münze, warfen sie in die Luft, und eine bestimmte Art ihres Niederfallens sollte als göttlicher Wink verstanden werden.
Willehad beobachtete das Geschehen, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, doch vorsichtshalber sandte er ein Gebet zu seinem Gott.
Und dieser Gott ließ ihn nicht im Stich. Denn er erwies sich als stärker als alle Heidengötter. Und sicherlich war er auch geschickter. Er ließ die Münze so fallen, daß Willehad beruhigt aufatmen konnte.
Auf seinem weiteren Weg durch den Norden kam Willehad schließlich nach Bremen. Er erlebte hier den Aufstand der Sachsen im Jahre 782. Nur knapp und mit Gottes Hilfe konnte er rechtzeitig auf einen Weserkahn flüchten, kehrte dann nach einigen Umwegen nach Bremen zurück und wurde Missions-
bischof. Noch nach seinem Tode vollbrachte er viele Wunder und wurde von den Bremern jahrhun-
dertelang als Schutzpatron verehrt.
Der Traum des heiligen Ansgar
Der heilige Ansgar, der später einmal Erzbischof von Bremen und Hamburg werden sollte, war ein Kind von fünf Jahren, als er seine Mutter, eine fromme und gottesfürchtige Frau, verlor.
Sein Vater aber wußte nicht so recht, was er mit seinem Sohn anfangen sollte. Er schickte ihn zur wissenschaftlichen Erziehung in eine Schule, was ihm aber zunächst nicht gut bekam.
Denn der Junge kam in eine Klasse mit lauter Nichtsnutzen, die sich lieber mit bedeutungslosen Spielen und Streichen beschäftigten, als dem Unterricht zu folgen.
In dieser Zeit kindlicher Sorg- und Gedankenlosigkeit hatte Ansgar eines Nachts einen Traum: Er steckte in einem zähen Sumpf, aus dem er sich nicht befreien konnte, so daß er schon glaubte, der Sumpf werde ihn verschlingen.
Unmittelbar neben dem Sumpf verlief ein bequemer Weg, und auf diesem Weg sah er eine prächtig gekleidete, edle Dame näherkommen. Zu ihrem Gefolge gehörten mehrere weiß gekleidete Frauen, unter denen Ansgar seine Mutter erkannte.
Er streckte seine Arme aus und wollte zu ihr, aber der Schlamm des Sumpfes ließ ihn nicht los.
Als nun die Frauen den unglücklichen Knaben erreicht hatten, da sagte die edle Dame, in der er die heilige Maria erkannte: »Liebes Kind, du willst zu deiner Mutter?«
»O, ja!« sagte er flehentlich.
Doch sie fuhr fort: »Wenn dich nach unserer Gesellschaft verlangt, mußt du alle Eitelkeit meiden, von allen Kindereien und dummen Streichen lassen. Du mußt ernsthaft auf dich achten. Leichtsinn und Faulheit mögen wir nicht. Wer daran Freude hat, kann unter uns nicht weilen.«
Danach zogen die Frauen weiter und Ansgar erwachte.
Seit dieser Zeit zeigte er großen Ernst und sonderte sich von den anderen Kindern ab. Er kümmerte sich um die Wissenschaft und beschäftigte sich mit nützlichen Dingen, so daß seine Schulfreunde über diese veränderte Haltung sehr erstaunt waren und ihn damit aufzogen, was ihn aber nicht kümmerte.
Ansgar, der von 801 bis 865 lebte und häufig in Skandinavien war, um die dortigen Heiden zu bekehren, ist als »Apostel des Nordens« in die Kirchen-
geschichte eingegangen. Nach seinem Tode wurde er heilig gesprochen.
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