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Unbehauste Heimat: Von der Sehnsucht anzukommen
Unbehauste Heimat: Von der Sehnsucht anzukommen
Unbehauste Heimat: Von der Sehnsucht anzukommen
eBook108 Seiten1 Stunde

Unbehauste Heimat: Von der Sehnsucht anzukommen

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Über dieses E-Book

Heimat ist ein belastetes Wort geworden. Beladen mit Ideologien, die Heimat mit Nationalismus, Grund und Boden und einer abstrusen Idee von Volksein verbinden, steht es nicht mehr unschuldig da. Zugleich kennt vielleicht keine Zeit so sehr die Sehnsucht nach Heimat und Ankommen wie die unsere.
Dieser Band geht den Hoffnungen nach, die der Begriff Heimat weckt. Einerseits steht Heimat für die Sehnsucht nach Mensch-Sein, Ich-Sein und Geborgen-Sein. Andererseits ist Heimat eine Utopie, die vom Menschen nie eingelöst, aber von Gott erhofft werden kann. Davon zeugen auch biblische Erfahrungen, etwa wenn sie den Menschen zwischen Fremde und Heimat beschreiben oder Jesus die Unbehausheit als Zuhause wählt. In gleicher Weise gilt dies für Franziskus und Klara, so dass in der franziskanischen Spiritualität ein Modell erkennbar wird, wie sich in Zeiten von Mobilität und (erzwungener) Migration die Sehnsucht anzukommen und Heimat zu finden, leben lässt.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Sept. 2017
ISBN9783429063566
Unbehauste Heimat: Von der Sehnsucht anzukommen
Autor

Mirjam Schambeck

Prof. Dr. theol. habil. Mirjam Schambeck sf ist Inhaberin des Lehrstuhls für Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Forschungsschwerpunkte: Interreligiöses Lernen, die Gottesfrage in der Postmoderne kommunizieren, Biblisches Lernen, das Verhältnis von Religion und Bildung, Zukunftsfragen des Religionsunterrichts, Konfessionslosigkeit und Religionsunterricht, antisemitismuskritische Bildung.

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    Buchvorschau

    Unbehauste Heimat - Mirjam Schambeck

    1. Heimat – ein belastetes Wort

    Heimat ist ein belastetes Wort geworden. Während Jüngere wieder selbstverständlich über Heimat reden, wissen die Älteren um die verhängnisvolle Geschichte dieses Wortes. Befrachtet durch nationalsozialistische Propaganda, beladen mit Ideologien, die Heimat mit Nationalismus, dem richtigen Stammbaum, Grund und Boden und einer abstrusen Idee von Volk-Sein verbinden, steht das Wort Heimat nicht mehr unschuldig da.

    Das gilt heute umso mehr, als rechte Kreise mit ihren geschichtsvergessenen Agitator/-innen wieder anfangen, das Wort Heimat zu missbrauchen. Pegida- und AfD-Leute, Rechtspopulisten und Rechtsradikale wollen erneut und nicht weniger krass und dumm als damals verfügen, wer Heimat haben darf und wer nicht, wer dazugehört und wer nicht. Wer Heimat aber auf irgendwelche von außen definierten Kriterien wie Nation, Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Staatsbürger/ -innenschaft reduziert, der hat schon verloren; denn Heimat ist mehr und meint Existentielleres. Heimat und Zuhausesein sind etwas grundlegend Menschliches. Wer also Menschen die Heimat abspricht, der nimmt ihnen etwas von ihrem Menschsein. Auch deshalb muss dem alten und neuen rechtsradikalen Denken umso schärfer widersprochen werden. Heimat hat mit dem einzelnen Menschen, seiner Geschichte, seinem Empfinden, seinen Hoffnungen und seinen Bildern vom Glück zu tun.

    Das Buch spannt vor diesem Hintergrund den Bogen und lotet aus, was Heimat bedeutet und warum sie in unserer von Migration, Mobilität und Globalisierung geprägten Welt ein so sehr ersehntes Gut geworden ist. Dazu wird in einem ersten Teil die Sehnsucht nach Heimat in ihren vielfältigen Bildern in den Blick genommen, die wir alle zumindest irgendwie kennen, auch wenn Heimat eher zum unbehausten Ort geworden ist.

    Im zweiten Teil werden diese aufgedeckten Facetten von Heimat mit biblischen Figuren und Erfahrungen verbunden. Auch an ihnen wird einerseits deutlich, wie sehr das Ausschauhalten nach Heimat die Menschen seit Urzeiten begleitet. Andererseits machen sie erlebbar, wie Gott uns gerade in diesem Suchen nach Ankommen und einem Daheim selbst zur Heimat werden will, die nicht auf einen bestimmten Ort, eine ausgewählte Zeit oder Sprache begrenzt bleibt, sondern uns überall und ohne jede Vorleistung geschenkt ist.

    Die franziskanische Spiritualität wird am Ende als Modell einer Spiritualität entfaltet, die hilft, die eigene Unbehaustheit anzuerkennen, mit der Sehnsucht nach einem Zuhause behutsam und bedacht umzugehen und zugleich das eigene Engagement zu schärfen, auch anderen Heimat zu geben.

    2. Unbehauste Heimat – eine andere Anthropologie

    Wir Menschen sind Wesen in Raum und Zeit. Uns gibt es nicht abstrakt, im Irgendwo und Irgendwann, sondern nur konkret und geschichtlich, als Frau oder Mann, als diese oder jener. Von daher ist es nicht beliebig, an welchen Orten wir uns aufhalten, in welcher Kultur wir aufgewachsen sind, mit wem wir zusammenleben, welche Alltäglichkeiten wir pflegen und welche Feste wir feiern – kurz: wo wir zu Hause sind. Auch wenn wir nicht in der Vermessung unserer Lebensbedingungen und Lebensmöglichkeiten aufgehen, lässt ein genaueres Zusehen, was Heimat bedeutet, doch eine Ahnung darüber entstehen, wer wir Menschen sind, was uns antreibt und woraufhin wir angelegt sind. Über Heimat zu schreiben heißt also auf gewisse Weise, Anthropologie zu betreiben.

    Wenn im Folgenden Heimat in ihren vielfältigen Bildern aufgeschlüsselt und an unseren, nicht selten eingeschränkten Lebensrealitäten gespiegelt wird, dann ist dies auch ein Weg, dem Menschen, seinen Vorstellungen vom Glück und sich selbst mehr auf die Spur zu kommen.

    Heimat ist da, wo die Menschen sind, die ich liebe – Von der Sehnsucht nach Verlässlichkeit in zeiten zerbrechlicher Beziehungen

    Heimat ist untrennbar mit Menschen verbunden. Für viele gilt, dass sie dort zu Hause sind, wo Menschen auf sie warten, die ihnen wichtig sind. Das ist im Vergangenheitsmodus genauso richtig wie für die Gegenwart. Selbst wenn schon viele Jahre seit dem Auszug aus dem Elternhaus vergangen sind, ist dort immer noch ein Stück Heimat, wo die Eltern leben und die abgelegte Kindheit obendrein in den Wänden hängt. Bei heutigen Beziehungen verhält es sich nicht anders. Gesucht, ersehnt, für das Leben als unersetzbar wichtig erachtet, ist zugleich wohl nichts so unter Druck geraten wie gute und verlässliche Beziehungen.

    Mit „ungebügelter Bluse" willkommen sein

    Fragt man Menschen, was für sie Glück bedeutet, dann rangieren an oberster Stelle die Nennungen : Familie, Freund/-innen, Partnerschaft. Das ist bei Kindern und Jugendlichen nicht anders als bei Erwachsenen.¹ Noch vor so wichtigen Werten wie Autonomie und Freiheit gelten verlässliche Beziehungen als Inbegriffvon Glück. Das mag in Zeiten, in denen nur die etwas herzumachen scheinen, die jung sind, erfolgreich und über eine Menge Geld verfügen, beruhigen. Zugleich verwundert es, denn nichts ist heute so zerbrechlich geworden wie Beziehungen, Familie und Partnerschaft. Vielleicht liegen die Dinge aber doch näher beieinander.

    Immer wieder ist zu sehen, wie sehr gerade der Druck von außen nach einem Ausgleich im Privaten suchen lässt. Zu funktionieren, die To-do-Listen schnell und akribisch genau abzuarbeiten, in Meetings und Briefings mit aller Aufmerksamkeit und Freundlichkeit präsent zu sein kostet Kraft – auch wenn der Job eigentlich Spaß macht. Da braucht es Menschen, bei denen es nicht darauf ankommt, dass jedes Wort gewogen und gefeilt ist, und Freund/-innen, die jede/-n Einzelne/-n auch mit „ungebügelter Bluse" in ihrer Mitte willkommen heißen.

    Wie wichtig es ist, ungefragt, einfach so, sich einfinden zu dürfen, und zwar als eine, die man kennt, beschreibt Reiner Kunze schlicht, aber überaus treffend in einem seiner Gedichte:

    „Heimat ist für mich überall dort, / wo ein Mensch ist, / zu dem ich kommen kann, / ohne gefragt zu werden, / weshalb ich da bin. / Der mir einen Tee anbietet, / weil er weiß, daß ich Tee trinke, / und wo ich bei dieser Tasse Tee schweigen darf."²

    Dieses Gedicht ist nicht nur eine Einladung, keine Show abziehen zu müssen, um gern gesehen zu sein, und auch nicht nur ein Hinweis, dass wir da zu Hause sind, wo man weiß, was dem anderen wohl und wehe tut. Die ältere Version dieses Gedichts in „Jasmintee"³ galt in DDR-Zeiten als Erkennungszeichen für Leute, die sich dem Regime gegenüber kritisch verhielten. An die Eingangstür geheftet, wusste jeder sofort Bescheid, ob er drinnen reden und schweigen durfte, wie ihm zumute war, oder ob es sich um Stasi-Terrain handelte. Sich bei Menschen einzufinden, bei denen man sein kann, wie man ist, hatte hier nochmals eine andere Brisanz gewonnen. Es entschied, ob man weiterhin mehr oder weniger unbehelligt leben konnte oder doch irgendwann abgeführt, weggesperrt, eingeschüchtert oder sogar ausgeschaltet wurde.

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