Es reicht: Auf dem Weg zu einer neuen Kultur des Teilens
Von Burkhard Hose
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Über dieses E-Book
Auf den Spuren Jesu und in der franziskanischen Tradition zu teilen heißt hingegen: Statusunterschiede zwischen Menschen abbauen. Auf Macht und Privilegien verzichten - nicht um des Verzichts, sondern um der Gerechtigkeit willen. Allen Menschen die gleiche Würde zuerkennen und die Verhältnisse so ändern, dass Menschen ihre Würde auch leben können. Auf dem Weg des Teilens zu erleben, dass es für uns gemeinsam reicht, entfaltet der Autor in diesem Buch Schritt für Schritt.
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Buchvorschau
Es reicht - Burkhard Hose
1. Hürden auf dem Weg zu einer neuen Kultur des Teilens – von alten Ängsten und überholten Ordnungen
Woran liegt es, dass uns das Teilen so schwerfällt, obwohl uns das Leid so vieler Menschen vor Augen steht und obwohl uns sowohl die Vernunft als auch das Gewissen aufrufen, daran etwas zu ändern? Die Hürden, die es auf dem Weg zu einer neuen Kultur des Teilens zu nehmen gilt, sind nur in wenigen Fällen mit Logik oder vernünftigen Argumenten aus dem Weg zu räumen. Tiefsitzende Ängste und scheinbar nicht hinterfragbare Ordnungen stellen vielleicht die größten Hindernisse dar, mit denen auf diesem Weg zu rechnen ist.
Manchmal geht einem dabei an persönlichen Verhaltensweisen oder an Eigenheiten von Menschen im nahen Umfeld etwas auf, was fast wie ein Erklärungsmuster oder wie ein Abbild für größere Kontexte oder für gesellschaftliche Muster wirkt.
Der Weg zum Teilen führt über die Angst vor dem Teilen
Von der Angst, es könnte nicht reichen
Eigentlich sollte es nur eine Autofahrt von gut zwei Stunden sein, die vor uns lag. Als ich meine Tante zu Hause abholte, um gemeinsam zur Hochzeit meines Bruders und seiner Frau zu fahren, bot sich mir jedoch ein Bild, das eher an den Aufbruch zu einer mehrwöchigen Treckingtour erinnerte. Meine Tante stand reisebereit vor ihrer Haustür. Vor ihr aufgebaut begrüßten mich zwei große Kühlboxen voller Essen und eine weitere Tasche mit Getränken, Obst und Kuchen. Ich konnte mir meinen ironischen Kommentar nicht verkneifen. „Tante Inge, wir fahren als Gäste, nicht als Catering auf diese Hochzeit! Für einen Moment stutzte meine Tante, lachte kurz auf und begann damit, den Proviant griffbereit für die Fahrt im Auto zu verstauen. Erst als wir bereits losgefahren waren, erwiderte sie meinen Kommentar, zuerst beinahe entschuldigend: „Ich habe immer Angst, mir könnten die Vorräte ausgehen. Und ich bin mir ziemlich sicher, ich weiß auch selber die Erklärung für dieses Gefühl. Als wir im Februar 1945 aus Oberschlesien geflüchtet sind, habe ich unterwegs so viel Hunger gehabt. Das hat sich mir tief eingeprägt, so dass ich immer Angst habe, es könnte nicht reichen.
Die Angst, es könnte nicht reichen. Bei meiner Tante löste diese Angst ein Verhalten aus, mit dem sie in ihrer Generation nicht alleine war und das bei vielen Kriegskindern beinahe charakteristische Merkmale ausprägte. Dazu gehörte zum Beispiel eine stets gut gefüllte Speisekammer mit Einmachgläsern, die sorgfältig in Regalen aufgereiht wurden. Neben dem praktischen Nutzen hatte dies vielleicht auch noch einen psychologischen Effekt: Es war eine Art Behandlungsraum für die tiefsitzende Angst, die Vorräte könnten wieder einmal ausgehen. Diese Mangelerfahrung, die viele Menschen aus dem eigenen Kriegserleben an die nächste Generation gleichsam weitervererbt haben, konnte aber auch andere Symptome hervorbringen. Als ich während meines Studiums ein Praktikum in einer Pfarrei absolvierte und während dieser Zeit im Pfarrhaus untergebracht war, wurden wir von der Mutter des Pfarrers bekocht. Es verging kaum ein Mittagessen, das nicht von einem etwas merkwürdigen Ritual begleitet wurde. Erst wurde gebetet, dann eröffnete die Mutter des Pfarrers das Essen mit einem skeptischen Blick und mit der Bemerkung: „Ich glaube, das ist zu wenig." Anders als bei meiner Tante, die ihren eigenen Hunger auf andere Menschen projizierte und einen nach Besuchen nie ohne ein Glas Marmelade und Eingemachtes ziehen ließ, sorgte der Standardsatz der Pfarrersmutter bei jedem Essen eher für eine negative Grundstimmung. Egal wie viel auf dem Tisch stand, ich bekam als Gast immer das Gefühl, der behauptete Mangel hätte irgendwie mit meiner Anwesenheit zu