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Junge Mutter Randi
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eBook245 Seiten3 Stunden

Junge Mutter Randi

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Über dieses E-Book

Randi ist eine liebevolle Hausfrau und Mutter, die sich mit viel Hingabe, Geduld und Wärme um ihre sechs Kinder, den Ehemann Michael, ihren Bruder Ralph sowie um die beiden Familienfreunde Lutz und "den Doktor" kümmert. Obwohl Randi über eine unglaubliche Lebenskraft verfügt und eine unschlagbare Optimistin ist, gelangt auch sie ab und zu an ihre Grenzen und erlebt Tiefpunkte. Doch zum Glück lässt sich die tapfere junge Frau nicht unterkriegen und weiss sich auch in schwierigen Situationen zu helfen. – Eine wunderschöne, mit viel Humor und Lebensklugheit erzählte Alltagsgeschichte über das Leben einer Familie. Lesenswert! -
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum1. Jan. 2017
ISBN9788711509654
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    Buchvorschau

    Junge Mutter Randi - Lise Gast

    www.egmont.com

    Randi hatte sich gerade hingelegt, da hörte sie das Auto den kleinen Berg hinaufsummen. Im ersten Augenblick seufzte sie – eine Stunde Ruhe wäre so schön gewesen. Die Kinder fuhren spazieren, das Einpacken allein hatte eine halbe Stunde gedauert bei den Quecksilbern, und sonst war alles fertig, sonnabendsblank und sauber. Sie schlug ihr Buch zu und warf es auf den Tisch. Also nicht.

    Aber schon, als sie die Beine anzog und sich aufrichtete, fühlte sie, wie ihr Unmut verflog, ja, wie geradezu Freude daraus wurde. Sicher brachten sie auch Lutz mit, der hielt es ja sonnabends in seiner Bude nicht aus. Armer Lutz, er müßte eine Frau haben! Beim Doktor war das nicht nötig, der war der geborene Junggeselle. Und Ralph – nun, Ralph hatte ja Michael und sie. Sie rückte noch schnell den Wasserkessel aufs Feuerloch und stocherte in der Glut. Gleich würde es kochen.

    Als sie vor die Tür trat, kamen die drei eben angestampft, lachend und rufend. Natürlich ohne Michael, sie hatte es sich schon gedacht.

    »Dein Teuerer kommt später«, rief der Doktor schon von weitem, er zog gerade den Kühlerschutz herauf. Es schneite jetzt dicht und gleichmäßig, schön war die Luft. Randi schnupperte gewohnheitsmäßig – o ja, das gab den richtigen Wochenendpulver.

    »Fahrt ihr nicht los?« fragte sie, während sich die drei Männer aus den Mänteln schälten. »Ich wünschte, ich könnte mit. Oben sind es sicher zwanzig Zentimeter Neuschnee.«

    »Heute nicht mehr«, sagte Ralph aufatmend, »vielleicht morgen. Ah – hier ist’s warm. Micha kommt sicher bald!«

    Randi schloß die Küchentür hinter ihnen und ging zum Herd: »Setzt euch, es gibt gleich Kaffee. Was Neues, Ralph? Nein? Auch gut.«

    »Wo ist denn Munne?« fragte Ralph, der etwas enttäuscht vor dem leeren Ställchen stand. Er hob einen Bären auf und setzte ihn auf den Tisch.

    »Ich bin froh, daß ich sie einmal los bin«, sagte Randi lachend, »sie fahren beide mit Hanna spazieren. Die Luft ist doch herrlichbloß ihr seid solche Stubenhocker. Mach mal den Schrank auf, Lutz, da, rechts unten, den Kuchenkasten. So, danke. Ich wollte ja eigentlich vor morgen früh nichts spendieren –«

    Der Doktor holte schon die Tassen vom Bord, Zucker und Milch – er fand alles mühelos. Ralph saß rittlings auf der Bank und spielte mit Munnes Bären, versuchte ihn aufzustellen und knurrte ärgerlich, daß er immer wieder umfiel. Randi holte die blaukarierte Tischdecke aus dem Schubkasten; jetzt, wo die Kinder nicht da waren, konnte man sich die leisten.

    »Hebt die Tassen noch mal hoch – so. Und macht Licht, Lutz. Ach, muß denn das Ding immerfort dudeln –«

    »’türlich«, sagte der Doktor und drehte weiter am Radio. Der große Tisch stand in der Ecke der geräumigen und niedrigen Küche, die nach zwei Seiten Fenster hatte. Randi zog die Vorhänge vor, selbstgenähte, blaukarierte, wie das Tischtuch. Auf den Fensterbrettern standen Hyazinthengläser und Topfpflanzen, und die Zinnteller auf den Borden glänzten. Sie sah sich befriedigt um, es war so gemütlich, kein Wunder, daß die drei Freunde gern kamen. Schade nur, daß Michael noch nicht da war. Sie schnitt Kuchen auf und holte den Kaffee.

    »Na, wie geht’s in der Welt draußen?«

    »Welt! Wenn du unser Nest Welt nennst«, brummte Ralph. Er hatte anscheinend schlechte Laune. Randi beobachtete ihn heimlich, sie kannte ihn gut genug. Es war nicht nur, weil Munne nicht da war...

    Ralph war nur zwei und ein halbes Jahr älter als sie, und sie waren ohne weitere Geschwister aufgewachsen, ganz aufeinander angewiesen. Getrennt hatten sie sich eigentlich nur, als er studierte; dann war er zu aller Erstaunen wiedergekommen in die kleine, mitteldeutsche Stadt, über deren Engigkeit er oft schimpfte, genau wie Lutz, der Apotheker, Michael und der Doktor. Die vier waren Klassenkameraden, und Randi war in dieselbe Schule gegangen. Man kannte sich also von klein auf, und in der allgemeinen Kameradschaft änderte sich nicht viel, als Michael und Randi heirateten. Der Doktor und Lutz betrachteten sich ohne weiteres als familienzugehörig, und Ralph wohnte sogar bei ihnen, seit er in Michaels Rechtsanwaltsbüro Teilhaber geworden war. Er bewohnte das einzige kleine Zimmer, das sie außer der Küche und dem Schlafzimmer gemietet hatten, einen schmalen Raum, der eigentlich Michaels Arbeitszimmer hatte werden sollen. Dort schlief er auf der Couch, und weder Michael noch Randi empfanden es irgendwie als störend, daß er ihr Leben gänzlich teilte. Es hieß zwar immer »vorläufig«, aber Randi kannte ihren Herrn Bruder. Der war wie Lutz ohne Familie verloren. Nun, ihr war es lieb so, sie hing an ihm, und sie freute sich, daß er und Michael sich gut vertrugen. Außerdem hatte Ralphs Liebe zu den Kindern, vor allem zu Munne, etwas wahrhaft Rührendes.

    Richtig, die Kinder. Gerade hatte Rani ihr Strickzeug geholt, da ging die Haustür, und schon war Ralph draußen. Er hob mit Hanna zusammen den Schlitten die zwei Stufen am Eingang herauf und schloß dann die Tür, es wehte jetzt kalt herein, wenn man aus der warmen Küche kam. Munne war so dick verpackt, daß Ralph sie gar nicht losbekam von ihrem Sitz, er zerrte und schimpfte. Randi hörte es von drinnen und stand lachend auf.

    »Laß nur, Ralph«, sagte sie herauskommend, »du bekommst sie gleich. Ich muß nur erst sehen, ob sie noch salonfähig ist.«

    Sie trug Munne in die Küche und setzte sie auf die Wickelkommode, die in der dem Tisch entgegengesetzten Ecke stand. Eva kam hinterhergetrabt und fing an, ihre Fäustlinge selbst auszuziehen, eine Kunst, auf die sie sehr stolz war. Ralph wich nicht von Randis Seite, während sie das Kind auswickelte und zurechtmachte. Munnes Gesicht war so winterfrisch und rotbäckig, es war ein Genuß, es an der eigenen Wange zu fühlen. Aber sie strebte von der Mutter fort, streckte die Arme aus und wollte zwischen jedem Kleidungsstück, das sie aus- oder anziehen sollte, zu Onkel Ralph. Es war ein tüchtiges Stück Arbeit, bis sie soweit gediehen war, daß sie ohne Befürchtung eines Unfalls dieser oder jener Art in männliche Arme weitergegeben werden konnte. Hochbefriedigt zog Ralph mit ihr ab, während Randi Eva das Mäntelchen auszog und ihr ein Stück Kuchen gab. Dann kam sie wieder an den Tisch. Der Doktor erzählte gerade aus seiner Praxis.

    »Aber das ist doch Aberglaube«, rief Lutz dazwischen, er schien ordentlich ergrimmt. Randi wollte wissen, worum es sich handelte.

    »Ich sage eben, daß so etwas erstaunlich oft vorkommt. Man kann es statistisch ohne weiteres belegen«, sagte der Doktor.

    »Statistik! Damit kannst du alles belegen, was du willst«, ereiferte sich Lutz, aber der Doktor ließ sich nicht irremachen. Er hatte die Behauptung aufgestellt, daß es sozusagen familientypische Todesursachen gäbe, sei es nun Blutvergiftung, Venenentzündung, Herzschlag oder auch Selbstmord.

    »Selbstmord fällt überhaupt aus als natürliche Todesursache«, fand Lutz, »und das andere – es mag Veranlagungen geben, die sich vererben. Aber sonst –«

    »Veranlagungen zu Blutvergiftung? Oder zu rein äußerlichen Unglücken, meinetwegen Verkehrsunfällen? Das wirst du doch nicht behaupten wollen –«

    »Warum nicht? In Familien, wo es niemals auf Autos oder Motorräder reicht, ist doch jedenfalls die Möglichkeit sehr viel geringer als in solchen, wo die sechzehnjährigen Kerls schon fahren wie die Wilden –«

    »Angefahren kannst du immer werden«, sagte Randi, »ich jedenfalls könnte mir denken, daß der Doktor recht hat. Zum Beispiel in einer mir bekannten Familie kommen fast alle männlichen Mitglieder durch Pferde um. Ich dachte immer, das wäre ein Zufall, aber –. Der Großvater ist beim Reiten gestürzt, dem Vater gingen die Pferde durch, und er kam unter den Wagen, und bei dem einen Sohn – es ist direkt schauerlich –, da kam es so, daß ihn ein Pferd biß. Ganz leicht nur, aber es wurde eine Blutvergiftung draus. Ich habe mir schon manchmal Gedanken darüber gemacht.«

    »Zufall. Nichts als Zufall!« protestierte Lutz, aber der Doktor sah Randi nachdenklich an.

    »Das ist so ein Fall, wie ich ihn meine. Rein äußerliche Ursachen – und doch ein Zusammenhang. Es gibt da Sachen –«

    »Eigentlich müßtet ihr doch da auch Erfahrung haben, ihr Juristen«, sagte Randi zu Ralph. »Durch Unfallversicherungen und so – ist euch da nie etwas aufgefallen?«

    »Mußt du Micha fragen, das ist sein Bereich«, sagte Ralph, »aber nur Aberglaube braucht es nicht zu sein. Aberglaube ist überhaupt solch ein Wort, das man nicht so ohne weiteres hinwerfen soll –«

    »Ach ihr, ihr Hansens! Ihr seid ja überhaupt entsetzlich abergläubisch«, rief Lutz jetzt fast wütend, »du als Jurist – und Randi, na, du guckst ja bei allem, was du unternimmst, nur nach dem Mond. Ob der zunimmt –«

    »Und das mit Recht!« rief Randi lachend, »wenn ich im Garten was pflanze –«

    »Das ist doch Huckauf!« Lutz wurde ganz aufgebracht. In dieser Gemütsverfassung wirkte er unwiderstehlich komisch, deshalb neckten ihn vielleicht die andern so gern. »Denkst du, Gärtnereien richten sich nach dem Mond?«

    »Und denkst du, die Bauern, die es ja schließlich auch wissen müssen, richten sich nicht nach dem Mond in vielem?«

    »Ja, die Bauern! Die sind abergläubisch, und wie! Wenn du die anführst –«

    »Das ist eben dann kein Aberglaube, sondern Erfahrung. Jahrhundertealte Erfahrung –«

    Lutz haute sich an die Stirn, daß seine Brille verrutschte. Randi und Ralph lachten, so drollig sah das aus, und entfachten dadurch seine Wut noch mehr. Aus der Debatte wurde ein wildes Hin und Her mit Auf-den-Tisch-Schlagen und heftigen Gesten, auch an Beleidigungen fehlte es nicht, wie Ralph als Jurist belustigt feststellte. Munne, die auf seinem Schoß saß, guckte aufmerksam von einem zum andern und versuchte, die Bewegungen der Großen nachzuahmen. Randi sah es und mußte so lachen, daß sie nicht weitersprechen konnte. Gerade kam Michael.

    »Hier geht’s ja lustig zu«, sagte er in seiner trockenen Art, »man hört euch einen halben Kilometer weit. Gut, daß wir nicht in der Stadt wohnen –«

    »Ach, Lutz ist zu blöd«, sagte Randi und holte eine Tasse für Michael, »stell dir vor, er behauptet –«

    »Ihr seid blöd!« rief Lutz, und damit kamen sie wieder so richtig in Feuer. Es war wie immer, wenn sie zusammensaßen – wildwütig nach außen hin und voller aufeinanderprallender Meinungen, und im Grunde einfach nur lustig, anregend und furchtbar gemütlich. Erst vorm Einschlafen kam Randi dazu, mit Michael ernsthaft über die Frage zu sprechen.

    Michael war der sachlichste und ruhigste Mensch, den sie kannte, aber es war keine kühle Sachlichkeit, die ihn umgab. Randi, selbst so anders, impulsiv und voll wechselnder Stimmungen, fühlte sich wohl und geborgen bei ihm, ohne sich deshalb zu ändern oder auch nur den Versuch zu machen, sich ihm anzugleichen. Michael war so gerecht, sie fand das wundervoll.

    »Ich halte es schon für möglich, daß der Doktor recht hat«, sagte er, »und es braucht durchaus nichts Übernatürliches oder Gespenstisches dabei zu sein. Ähnliche Charaktere haben ähnliche Schicksale, das ist doch sehr einfach. Ich selbst kenne mehrere Fälle –«

    »Und welcher Art zu sterben bevorzugt man in eurer Familie? Bei mir leben ja die Eltern noch, und weiter zurück als bis zum Großvater weiß ich nicht Bescheid. Aber bei euch? Ihr habt doch alles aufgeschrieben.«

    »Kannst ja mal nachlesen in der Chronik«, sagte Michael halb lachend, halb ungeduldig. Er drehte sich auf die andere Seite, wahrscheinlich war er müde. Randi seufzte. Sie war noch so munter von all dem Übermut und dem Gehänsele vorhin, das war immer so bei ihr. Aber Michael hatte einen langen Arbeitstag hinter sich.

    Sie horchte auf die Atemzüge der Kinder und legte die Hand auf das ungestüme kleine Leben, das wieder ans Licht drängte, wild und lebhaft. Vielleicht war es diesmal wirklich ein Junge, munter genug benahm es sich. Ach, Eva war genauso gewesen, und Munne erst! Mädels sind geradeso süß wie Jungen, sie konnte sich gar nicht mehr vorstellen, daß sie sich früher nur Jungen gewünscht hatte. Lächelnd schlief sie ein.

    Es war nicht immer so blank und gemütlich in der großen Wohnküche von Rechtsanwalt Peters wie an einem Sonnabendnachmittag, wenn alle Arbeit ruhte; das ergab sich von selbst. Michael kam eines Tages überraschenderweise vormittags nach Hause und war unleugbar etwas entsetzt. Randi machte alles selbst, ließ sich nur nachmittags manchmal von Hanna etwas helfen. Und es gab trotz der kleinen Wohnung genug zu tun.

    Als Michael kam, war sie gerade beim Baden, Munne saß krähend und spritzend in der Wanne, und Eva, hinter den Waschvorhang auf ihr Thrönchen verbannt, heulte laut, weil sie nicht mitpantschen durfte. Auf dem Herd stand der schwere Wäschetopf, der Kessel zischte, und der große Vormittagsaufwasch wartete auch noch auf seine Erledigung. Randi richtete es immer so ein, daß sie möglichst alle grobe Arbeit bewältigte, wenn die Männer nicht da waren. Sie konnte natürlich nicht ahnen, daß Michael gerade jetzt auftauchen würde.

    »Ist was los, daß du kommst?« fragte sie und war beruhigt, als er verneinte. »Setz dich, es wird gleich besser. Eva, halt doch den Schnabel – sei so gut, Micha, und gib ihr den Zwieback, ja? So.«

    »Ist das vormittags immer so hier?« fragte Michael.

    »Meistens«, sagte Randi unbefangen, »wenigstens um diese Zeit. Bis Munne schläft, dann wird Luft. Weißt du, selbst merkt man das nicht so, wenn man mitten drin ist und schuftet. Wenn jemand von draußen hereinplatzt, ist das ganz etwas anderes. Genauso wie beim großen Hausputz daheim – scheußlich fand ich das immer, wenn ich aus der Schule kam. Aber als ich dann selber mitmachte, war es herrlich, wenn die Wogen so richtig hochgingen. Komm her, du Marzipanschweinchen, zeig dich einmal deinem Herrn Vater in voller Schönheit!«

    Sie hob Munne aus dem Wasser und hielt sie Michael hin. »Hast du schon einmal so etwas Süßes gesehen?«

    »Ja, du, Randi, ich wollte dich nämlich etwas fragen«, sagte Michael später, »deshalb kam ich. Es soll oben ein Pfundsschnee sein, und gerade jetzt könnten wir einmal beide weg, Ralph und ich, wenigstens für zwei Tage. Der Doktor will auch mit, und Lutz bekommen wir vielleicht auch noch herum, er hat natürlich wieder Angst, sein Saftladen ginge zugrunde, wenn er nicht da ist. Was meinst du dazu, wenn wir nun gleich morgen führen?«

    »Fabelhaft«, sagte Randi begeistert, »tut das nur ja! Hab’ ich auch Ferien und brauche nicht zu kochen. Aber bring noch etwas mit aus der Stadt, damit ich euch Brote machen kann. Magst du eine Tasse Fleischbrühe? Ich habe gerade welche da, richtige, echte. Komm, hier, die schmeckt immer.«

    Sie hatte den Wäschetopf vor die Tür geschoben, den Aufwasch zusammengesetzt und die Pfützen, die rings um die Badewanne standen, aufgewischt. Gleich hatte die Küche wieder ein gemütliches Aussehen, und die Brühe duftete verheißend. Michael war glücklicherweise auch ein Mensch, der sich nicht allzusehr an Äußerlichkeiten stieß. Denn Randi war das, was man bei einer Hausfrau wohlwollend mit großzügig bezeichnet – nicht gerade liederlich, aber sie konnte auch fünf gerade sein lassen. Dafür war sie immer vergnügt und zufrieden, kochte und buk gern und gut und sorgte nach Kräften für die Männer und ihre Behaglichkeit. Michael hätte ihr gern eine Hilfe gehalten, aber sie behauptete immer, sie schaffe es noch. Dabei gab es Arbeit von früh bis spät, und die beiden fast allzu munteren Kinder hielten sie stets in Atem. Dazu die beschränkte Wohnung, weit draußen vor der Stadt. Im Sommer war es ja herrlich, der große Garten schloß gleich an den Wald an, und die Autostraße lag ein Stück entfernt. Randi hatte selbst vorgeschlagen, hierher zu ziehen, als sie heirateten, und er war einverstanden gewesen; sie liebten beide die Enge der Kleinstadt nicht, zumal sie hier aufgewachsen waren und fast jeden Menschen kannten. Da war es besser, etwas Abstand zwischen sich und die lieben Mitbürger zu legen. Leider konnten die Leute, denen das Haus gehörte, nicht mehr abgeben als die drei Räume, sie waren selbst allzu viele. Nun, Küche und Schlafzimmer waren wenigstens groß, und das Arbeitszimmer reichte für Ralph auch gerade. Billig wohnte man hier, eine große Hauptsache, und doch auch sehr gemütlich. Auch das dritte Kind würde Platz finden, die »Großen« waren gerade soweit, daß sie sich nachts nicht mehr gegenseitig störten, und das Kleine würde man dann einfach in die Küche schieben, die ersten Nächte, wenn es mal schrie. –

    Die zwei Tage ohne Männer taten Randi richtig wohl, man konnte dann so viel vereinfachen. Das Kochen machte ja wenig aus, aber Abwasch, Tischdecken, Kaffee – nun, alles, was so drum und dran hängt. Randi ging den ganzen Vormittag mit Eva hinaus, Munne schlief sowieso noch im Wagen in der Sonne, von zehn Uhr an bis über Mittag. Nachmittags nahm ihr Hanna, eine der Schurigschen Töchter, die Kinder ab; sie war mit ihren dreizehn Jahren schon eine richtige kleine Mutter. Dann legte sich Randi hin, sie war jetzt manchmal sehr müde. Es war schön, auf der Eckbank in der Küche zu liegen, ganz still, und mit dem Kleinen stumme Zwiesprache zu halten. Manchmal schlief sie auch eine Weile, und wenn sie erwachte, war es dämmerig, der Feuerschein aus dem Herd malte ein paar rötliche Lichter an die Decke, und der Kessel summte. Von drüben, aus Schurigs Küche, hörte man ab und zu Stimmen oder Topfgeklapper, und dann fing man an, auf die Kinder zu horchen, die nun bald heimkommen mußten. Es tat wohl, sie für eine Weile loszusein, aber dann konnte man es schon nicht mehr erwarten, bis sie wiederkamen, sich die krebsroten Pfötchen wärmen ließen und die Schnäbel so gierig aufsperrten, wenn der Abendbrei erschien.

    Es war ein strahlend sonniger, schneereicher Februar, so recht etwas für die Skiläufer. Bei Randi war es nun der dritte Winter, in dem sie nicht auf Bretter kam, aber sie vermißte es nicht. Winterwald und Sonne hatte sie auch hier, aus allererster Hand sogar, und es war so wunderschön, Kinder zu bekommen – das Allerschönste auf der Welt. Immer hatte sie sich Kinder gewünscht, seit sie bewußt gelebt hatte, stets waren Kinder ihr Ziel und ihr Traum gewesen. Manchmal begriff sie noch immer nicht, daß es nun Wahrheit war, daß es wirklich ihre, ihre Kinder waren, die da so warm und weich, so süß und hilflos oder auch eigenwillig und wild ihren Lebensweg begannen. Damals, als sie Eva bekommen hatte – sie besann sich noch genau –, da mußte sie immer und immer wieder ihre Hand um die Rundung des kleinen Kopfes legen, mußte die Wärme fühlen, die von ihm ausging, und wenn das Kind einmal eine halbe Stunde ganz still lag, war sofort eine dumme, ihr ganz unähnliche Angst in ihrem Herzen – lebte es denn noch?

    Randi lachte, wenn sie daran dachte. Bei Munne hatte sie diese Angst nicht mehr gespürt, da war eine ganz überirdische, reine und schwebende Glückseligkeit in ihr gewesen. Und diesmal? Ach, wenn es ein Junge war, vielleicht war sie dann doch noch ein klein wenig glücklicher; sie konnte es sich nur nicht vorstellen. Solch ein fertiges, lebendiges, rosiges Menschlein – es wurde ihr heiß, wenn sie daran dachte, jedesmal von neuem. Wenn man es erst in den Händen hielt!

    Aber es war seltsam, den Wunsch, es bald, bald im Arm zu haben, der beim ersten Kind so ungestüm und stark zu sein pflegt, den fühlte sie eigentlich jedesmal etwas weniger. Gewiß, die letzte Zeit war schwer, man mußte sich manchmal recht plagen, besonders mit den beiden Quecksilbern, die einen dauernd in Trab hielten – man mußte sich bücken, mußte nachts aufstehen, mußte die Kleinen heben und tragen und auf dem Schoß halten – dies alles war nicht so einfach. Und man verfügte einfach nicht über die sonstige Arbeitskraft, das war ja klar. Aber es war etwas so unbeschreiblich Süßes, zu wissen, daß man es bei sich hatte, immer, immer, beim Schlafen und Wachen, das geliebteste kleine Wesen –. Zwiesprache mit ihm zu halten und ihm hundert und tausend heimliche, süße Namen zu geben. Es war eine Adventszeit für sich, eine Zeit seligster Erwartung, tiefsten Glückes. Und solange es noch in diesem Zwischenlande lebte, fast greifbar nahe und doch so traumhaft entrückt, solange konnte man ihm alle herrlichsten Eigenschaften andichten,

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