Graf wider Willen: Der Bergpfarrer 254 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
»Nun mach' doch schon!«, drängte Felix, obwohl sein Vordermann ihn überhaupt nicht hören konnte. Indes wurde der Wagen vor ihm nicht schneller. Im nächsten Augenblick leuchteten sogar seine Bremslichter auf, und auf der Straße ging nichts mehr. Der übliche Feierabendstau war da! Felix Anders atmete auf, als er eine halbe Stunde später endlich vor dem Haus parkte, in dem er ein möbliertes Zimmer bewohnte. Der junge Student jobbte nebenbei in einer Fabrik, die Autozubehör herstellte, und an diesem Freitagabend wollte er sich nach der Arbeit eigentlich noch mit Freunden zum Tennis treffen. Doch irgendwie merkte Felix, dass er keine rechte Lust mehr hatte, als er aus dem kleinen Gebrauchtwagen stieg, den er für wenig Geld auf dem Schrottplatz gekauft und für viel Geld und viele Arbeitsstunden restauriert hatte. Zugegeben, schön war das Ergebnis nicht. Noch nicht, denn das Geld für die notwendige Lackierung musste erst noch verdient werden. und war sogar vom TÜV abgenommen. Der BWL-Student schloss die Haustür auf und ging in den zweiten Stock des Hauses in der Nürnberger Innenstadt hinauf. Die große Wohnung, im obersten Stockwerk, bot mehreren Burschen Platz. Insgesamt acht Zimmer waren möbliert vermietet, dazu gab es eine Gemeinschaftsküche sowie zwei großzügig ausgestattete Bäder. Indes waren es nicht alles Studenten, die hier wohnten. Außer Felix Anders fuhr noch Thorsten Bergmann jeden Morgen zur Uni – wenn er nicht, wie Felix auch, die eine oder andere Vorlesung sausen ließ, um sich ein bissel was dazuzuverdienen. Zwei Mitbewohner arbeiteten auf dem Bau, einer war Musiker am Theater und übte auf seiner Bratsche, wenn die anderen nicht da waren. Einer arbeitete als Lehrer, die letzten beiden waren Ingenieure auf Montage, die nur am Wochenende nach Hause kamen. Alles in allem war es eine bunt gemischte Truppe, und Felix hatte sich schon mehrmals gewundert, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere gut miteinander auskamen. Ihre Vermieterin war Ilse Sander, eine gut situierte Witwe, deren Mann zu Lebzeiten durch den Handel mit Altmetall ein Vermögen angehäuft und das große Haus gekauft hatte.
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Buchvorschau
Graf wider Willen - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 254 –
Graf wider Willen
Eine Zerreißprobe für Felix
Toni Waidacher
»Nun mach’ doch schon!«, drängte Felix, obwohl sein Vordermann ihn überhaupt nicht hören konnte.
Indes wurde der Wagen vor ihm nicht schneller. Im nächsten Augenblick leuchteten sogar seine Bremslichter auf, und auf der Straße ging nichts mehr.
Der übliche Feierabendstau war da!
Felix Anders atmete auf, als er eine halbe Stunde später endlich vor dem Haus parkte, in dem er ein möbliertes Zimmer bewohnte. Der junge Student jobbte nebenbei in einer Fabrik, die Autozubehör herstellte, und an diesem Freitagabend wollte er sich nach der Arbeit eigentlich noch mit Freunden zum Tennis treffen. Doch irgendwie merkte Felix, dass er keine rechte Lust mehr hatte, als er aus dem kleinen Gebrauchtwagen stieg, den er für wenig Geld auf dem Schrottplatz gekauft und für viel Geld und viele Arbeitsstunden restauriert hatte.
Zugegeben, schön war das Ergebnis nicht. Noch nicht, denn das Geld für die notwendige Lackierung musste erst noch verdient werden. Indes, der Wagen fuhr
und war sogar vom TÜV abgenommen.
Der BWL-Student schloss die Haustür auf und ging in den zweiten Stock des Hauses in der Nürnberger Innenstadt hinauf. Die große Wohnung, im obersten Stockwerk, bot mehreren Burschen Platz. Insgesamt acht Zimmer waren möbliert vermietet, dazu gab es eine Gemeinschaftsküche sowie zwei großzügig ausgestattete Bäder. Indes waren es nicht alles Studenten, die hier wohnten. Außer Felix Anders fuhr noch Thorsten Bergmann jeden Morgen zur Uni – wenn er nicht, wie Felix auch, die eine oder andere Vorlesung sausen ließ, um sich ein bissel was dazuzuverdienen. Zwei Mitbewohner arbeiteten auf dem Bau, einer war Musiker am Theater und übte auf seiner Bratsche, wenn die anderen nicht da waren. Einer arbeitete als Lehrer, die letzten beiden waren Ingenieure auf Montage, die nur am Wochenende nach Hause kamen. Alles in allem war es eine bunt gemischte Truppe, und Felix hatte sich schon mehrmals gewundert, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere gut miteinander auskamen.
Ihre Vermieterin war Ilse Sander, eine gut situierte Witwe, deren Mann zu Lebzeiten durch den Handel mit Altmetall ein Vermögen angehäuft und das große Haus gekauft hatte. Frau Sander residierte im Erdgeschoss. Sie war eine angenehme Person, die nicht gleich mit der Kündigung drohte, wenn sich die Mietzahlung einmal verzögerte, und all ihre Mieter ins Herz geschlossen hatte.
Felix hatte sich in seinem Zimmer auf das Bett geworfen. Es stand am Fenster, weiterhin gab es einen Kleiderschrank, einen Tisch, zwei Sessel, und in der anderen Ecke hatte der Student seinen Arbeitsplatz. Der Schreibtisch bestand aus einer schlichten Holzplatte aus dem Baumarkt, die auf zwei Sägeböcken lag. Darauf stand ein Computer, im Regal darüber hatten etliche Bücher ihren Platz gefunden. Felix war kein Streber, aber er nahm sein Studium ernst. Ein knappes Jahr noch, dann war er fertig, und schon jetzt studierte er die Stellenanzeigen, in großen Wirtschaftszeitungen, um zu sehen, in welchen Branchen Leute mit seinem Studium gesucht wurden.
Frau Sander brachte jeden Tag die Post herauf und legte sie in der Küche ab. Von dort hatte der Student zwei Briefe mit in sein Zimmer genommen, die an ihn gerichtet waren. Dem ersten sah man auf den ersten Blick an, dass es sich um einen Reklamebrief handelte. Felix fragte sich, woher die Leute bloß immer die Namen und Adressen derjenigen bekamen, die sie mit diesen Schreiben nervten.
Der zweite Brief hatte ein Anwaltsbüro als Absender. Felix’ Herz schlug unwillkürlich schneller. Es war dieselbe Reaktion, die man hatte, wenn beim Autofahren plötzlich hinter einem ein Polizeiwagen auftauchte.
Man wusste ganz genau, dass man sich richtig verhalten und nichts falsch gemacht hatte, und dennoch bekam man ein schlechtes Gewissen.
Was konnte ein Rechtsanwalt von ihm wollen?
Der Student riss den Umschlag auf.
Vielleicht hast du ja geerbt, schoss es ihm durch den Kopf.
Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass das ja völlig unmöglich war. Seit dem Tode der Mutter war er allein und ohne Verwandtschaft. Sein Vater war schon Jahre zuvor verstorben, aber weder er, noch die Mutter hatten dem Sohn etwas zu vererben gehabt, abgesehen von den persönlichen Dingen, die jeder Mensch zurücklässt, wenn er das Zeitliche segnet …
Also, das mit dem Erben war nichts, er hatte keine anderen Verwandten mehr!
Jedenfalls hatte er nie von solchen gehört, und es wäre sehr verwunderlich, wenn es doch welche geben sollte, und sie sich erst jetzt, zwei Jahre nach Mutters Tod, bei ihm meldeten.
Felix schüttelte den Gedanken an eine mögliche Erbschaft ab und konzentrierte sich auf den Inhalt des Schreibens.
Doch je mehr er las, umso größer wurden seine Augen. Sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen, und schließlich lachte er lauthals los.
»Das … das gibt’s ja gar nicht!«, japste er, nach Luft ringend.
Felix schaute auf den Absender. Doch, es schien sich tatsächlich um einen Rechtsanwalt und Notar zu handeln, wie im Briefkopf zu lesen war, und nicht um einen schlechten Scherz eines seiner Mitbewohner.
Noch einmal las er, ganz langsam und Wort für Wort.
»Entweder handelt es sich um eine Verwechslung, eine Namensgleichheit vielleicht«, sagte er zu sich selbst, »oder es ist der größte Schwachsinn, der mir je untergekommen ist.«
Lachend knüllte er den Brief zusammen und warf ihn in den Papierkorb unter dem Schreibtisch.
In dem Schreiben stand nicht mehr und nicht weniger, als dass er der Enkel des Grafen von Andersberg wäre, und dass sein Großvater den Wunsch habe, ihn kennen zu lernen!
*
Vierzehn Tage später dachte Felix längst nicht mehr an den Brief, der bereits im Altpapier gelandet war. Der Student hatte Besseres zu tun: nämlich mehrere Klausuren zu schreiben und nebenbei zu jobben.
»Hast du Lust, morgen mit ins Freibad zu fahren?«, fragte Thorsten Bergmann, als sie am Sonntagabend im Gemeinschaftsraum saßen und den Krimi im Fernsehen angeschaut hatten.
Damit hatte der Kommilitone indirekt gesagt, dass er am nächsten Tag die Vorlesung schwänzen wollte.
Felix Anders schüttelte den Kopf.
»Nee, lieber net«, antwortete er. »Ich geh’ morgen zwar auch net zur Uni, aber ich muss dringend an meiner Hausarbeit feilen. In drei Tagen ist Abgabetermin.«
Henrik Becker betrat das Zimmer und wedelte mit einem Briefumschlag.
»Der ist für dich«, sagte der Lehrer, an Felix gewandt. »Ich hab’ ihn eben aus dem Briefkasten geholt. Hat wohl in letzter Zeit niemand nach der Post geschaut, was?«
Er zuckte die Schultern und reichte dem Studenten den Brief.
»Der Absender ist übrigens ein Rechtsanwalt«, fügte Henrik hinzu und grinste. »Du hast doch wohl net was ausgefressen?«
»Felix doch nicht«, lachte Thorsten. »Der bekommt ja net einmal einen Strafzettel wegen Falschparkens.«
Felix hatte den Umschlag entgegengenommen und schaute auf den Absender. Tatsächlich – Dr. G. Wilde, Rechtsanwalt und Notar, stand dort, und wieder die Anschrift in München.
Komisch, was wollte der Typ bloß von ihm?
Das mit dem gräflichen Großvater hatte Felix nicht einen Moment geglaubt und auch jetzt schüttelte er ungläubig den Kopf.
Dr. Wilde kündigte seinen Besuch an, um mit ihm persönlich über die Angelegenheit zu sprechen. Schon am nächsten Tag, Felix solle sich ein, zwei Stunden am Vormittag freihalten. Falls der Termin nicht genehm wäre, bat man um Rückruf, die Telefonnummer stand im Briefkopf.
»Mensch,