Der Millionenerbe: Sophienlust Extra 16 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
»Hier, Hans-Joachim, schau mal, deine Hausschuhe sind hin. Wir werden dir wohl ein Paar neue kaufen müssen«, sagte Andrea von Lehn zu ihrem Mann und hielt ihm die Überreste zweier Lederpantoffeln hin, die nur noch aus den Sohlen bestanden. Und selbst diese wiesen an allen Seiten verdächtige Bissspuren auf. »Ganz zu schweigen von der Jacke, die ich dir zu Weihnachten im Schweiße meines Angesichts gestrickt habe«, setzte Andrea ihr Klagelied fort. »Der linke Ellenbogen besteht nur noch aus einem Riesenloch. Ich glaube kaum, dass ich das stopfen kann.« »Dann setz' auf den linken Ellenbogen ein Lederherzchen«, schlug Hans-Joachim lächelnd vor, »und auf den rechten gleich auch eins. Aus Gründen der Symmetrie.« »Hans-Joachim, du nimmst meinen Kummer überhaupt nicht ernst«, beschwerte sich Andrea theatralisch. »Dabei werden wir beide bald nichts mehr anzuziehen haben, wenn Cora so weitermacht wie bisher. Ich kann sie keine Sekunde aus den Augen lassen.« Unvermittelt wurde der junge Tierarzt ernst. Er nahm seine Frau in die Arme, zog sie an sich und küsste sie zärtlich auf Wangen und Schläfe. »Ich weiß, mein Liebling, dass du in den letzten Tagen eine Menge Ärger mit dem Hund gehabt hast«, gab er zu. »Ich weiß auch, dass du Cora ganz entsetzlich hasst dafür!
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Buchvorschau
Der Millionenerbe - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 16 –
Der Millionenerbe
Gibt es doch noch Hoffnung für Christoph?
Gert Rothberg
»Hier, Hans-Joachim, schau mal, deine Hausschuhe sind hin. Wir werden dir wohl ein Paar neue kaufen müssen«, sagte Andrea von Lehn zu ihrem Mann und hielt ihm die Überreste zweier Lederpantoffeln hin, die nur noch aus den Sohlen bestanden. Und selbst diese wiesen an allen Seiten verdächtige Bissspuren auf. »Ganz zu schweigen von der Jacke, die ich dir zu Weihnachten im Schweiße meines Angesichts gestrickt habe«, setzte Andrea ihr Klagelied fort. »Der linke Ellenbogen besteht nur noch aus einem Riesenloch. Ich glaube kaum, dass ich das stopfen kann.«
»Dann setz’ auf den linken Ellenbogen ein Lederherzchen«, schlug Hans-Joachim lächelnd vor, »und auf den rechten gleich auch eins. Aus Gründen der Symmetrie.«
»Hans-Joachim, du nimmst meinen Kummer überhaupt nicht ernst«, beschwerte sich Andrea theatralisch. »Dabei werden wir beide bald nichts mehr anzuziehen haben, wenn Cora so weitermacht wie bisher. Ich kann sie keine Sekunde aus den Augen lassen.«
Unvermittelt wurde der junge Tierarzt ernst. Er nahm seine Frau in die Arme, zog sie an sich und küsste sie zärtlich auf Wangen und Schläfe. »Ich weiß, mein Liebling, dass du in den letzten Tagen eine Menge Ärger mit dem Hund gehabt hast«, gab er zu. »Ich weiß auch, dass du Cora ganz entsetzlich hasst dafür! So sehr, dass du sie, wenn du dich völlig unbeobachtet glaubst, auf deinen Schoß ziehst und zärtlich ihr verletztes Bein streichelst. Dabei redest du tröstend auf sie ein und versprichst ihr herrliche Zeiten, wenn sie erst wieder ganz gesund ist. Um ihr die lange Wartezeit bis dahin etwas zu verkürzen, steckst du ihr alle möglichen Leckerbissen zu. O ja, Andrea, ich weiß recht gut, wie wenig tierlieb du bist …«
»Hans-Joachim, du hast mich heimlich belauscht!«, rief Andrea empört, konnte sich aber nur noch mit Mühe ein lausbubenhaftes Grinsen verbeißen.
»Ich verspreche dir, mein Liebling, dass wir einen neuen Besitzer für Cora suchen, sobald ihr Bein verheilt ist«, sagte Hans-Joachim und streichelte die Schulter seiner Frau.
»So schnell?«, rief Andrea nun entsetzt und trat einen Schritt zurück. »So sehr eilt das nun auch wieder nicht. Ich meine, ganz gesund muss Cora selbstverständlich sein!«
Der junge Tierarzt lachte hellauf. »Andrea, du bist einfach unverbesserlich. Du schimpfst zwar über die viele Arbeit mit den Tieren, aber sollst du eines von ihnen wieder hergeben, dann blutet dir das Herz.«
»Cora ist aber auch wirklich ein sehr treues Tier«, verteidigte sich die junge Frau, »und wunderschön ist sie auch. Ich verstehe einfach nicht, dass sich ihr Besitzer nicht gemeldet hat. Wir hatten doch sogar in der Zeitung annonciert.«
»Auch mir ist dies absolut unverständlich«, murmelte der junge Tierarzt in Gedanken. »Eigentlich bleibt dafür nur die eine Erklärung: Der Tierhalter wollte den Schäferhund loswerden und stieß ihn auf der Landstraße aus dem Wagen. Dabei muss Cora sich die Verletzung an der Hinterhand zugezogen haben.«
»Ja, als wir sie fanden, humpelte sie am Rand der Landstraße dahin und winselte jämmerlich«, meinte Andrea.
»Ich kann Menschen, die so etwas fertigbringen, einfach nicht verstehen. Ich bin richtig stolz, wie gut sie schon auf ihren neuen Namen hört.« Dann hielt sie mitten im Satz inne und hob lauschend den Kopf. »Was war das eben, Hans-Joachim?«, rief sie. »Es hörte sich an wie … Natürlich, es sind zwei Ponys! Ich sehe Nick und Henrik!«
»Meine beiden Schwager«, antwortete Hans-Joachim schmunzelnd und ging hinter seiner Frau hinaus ins Freie, um die beiden Jungen zu begrüßen, die von Sophienlust herübergeritten waren.
Nachdem man sich einen »guten Tag« gewünscht hatte, erklärte Nick: »Mutti schickt uns. Wir sollen euch noch einmal daran erinnern, dass heute Abend in Schoeneich allgemeines Familientreffen ist.«
»Sascha kommt heute aus Heidelberg zurück«, ergänzte Henrik mit seiner hellen Stimme. »Die Semesterferien haben eben angefangen. Sascha wird den Sommer über bei uns bleiben und…«
»… und Michael Langenbach kommt auch«, unterbrach Nick den jüngeren Bruder. »Angelika und Vicky werden heute Abend ebenfalls in Schoeneich sein, um ihren Bruder zu begrüßen. Ihr seht also, es gibt ein ganz großes Familientreffen. Oder könnt ihr etwa nicht kommen?«
Schließlich erwiderte Andrea: »Natürlich kommen wir gerne – vorausgesetzt, euer Schwager wird nicht wieder im letzten Augenblick zu einer Kuh geholt, die sich gerade den unpassendsten Moment ausgesucht hat, um einem Kälbchen das Leben zu schenken. Und ich … Ich werde hoffentlich auch jemanden finden, der den Abend über auf Cora aufpasst, damit sie nicht den Rest unserer Kleidung in einzelne Bestandteile zerlegt. Dieser Hund …«
Die beiden Jungen, die sich sehr für Tiere interessierten, riefen wie aus einem Mund: »Was, ihr habt einen neuen Insassen im Tierheim Waldi & Co? Und davon hat uns noch keiner etwas erzählt? Das ist aber nicht nett von euch. Was ist es denn diesmal?«
»Ein junger Schäferhund«, antwortete Andrea. Dann erzählte sie ihren Brüdern die traurige Geschichte des herrenlosen Tieres.
Nachdem sie ihren Bericht beendet hatte, verlangten die beiden Jungen: »Du musst uns Cora unbedingt zeigen, Andrea. Und anschließend … Könnte Betti uns nicht inzwischen Kakao kochen? Draußen ist es so heiß, und wir hatten schon auf dem Herweg schrecklichen Durst.«
»Steht bereits im Kühlschrank, fix und fertig und eisgekühlt«, antwortete die große Schwester lachend. »Für den Fall, dass wieder einmal Besuch aus Sophienlust herüberkommt. Ich kenn’ doch meine Leckermäuler. So, und nun müsst ihr mir erzählen, was es bei euch drüben in Sophienlust Neues gibt.«
Während die beiden Jungen Cora streichelten und sie mit Hundekuchen fütterten, den ihnen Hans-Joachim gebracht hatte, berichtete Nick mit ungewohntem Ernst: »Etwas Neues gibt es bei uns tatsächlich. Eine recht ungewöhnliche Sache.«
»Du machst mich neugierig, Nick!«
»Heute nachmittag soll ein Junge ankommen, von dem uns Mutti erzählt hat, dass er nicht mehr lange leben wird.«
Nun wurde selbst Andreas stets fröhliches Gesicht ernst.
Alle Farbe war aus ihren Wangen gewichen, als sie betroffen fragte: »Aber wieso denn das?«
»Er soll schwer krank sein«, gab Nick Auskunft. »Mutti hat uns alle zusammengerufen und es uns erklärt: Christoph Messmann – so heißt der Junge – leidet an Leukämie. Das ist Blutkrebs, nicht wahr?«
Andrea und Hans-Joachim nickten.
Nick fuhr fort: »Christophs Großvater ist ein sehr reicher Mann, müsst ihr wissen. Als er erfuhr, dass sein Enkel schwer krank war, hat er ihn zu allen berühmten Ärzten in Europa geschleppt. Sogar in Amerika sollen sie gewesen sein. Aber keiner konnte Christoph helfen. Man sagte dem Großvater schließlich, da könne nur noch ein Wunder helfen. Ärztliche Kunst sei in diesem Falle machtlos.«
»Aber weshalb kommt das Kind denn nun nach Sophienlust?«, erkundigte sich Andrea verständnislos. »Das ist doch ein Kinderheim und kein Krankenhaus …«
»Das ist es ja gerade, was Mutti uns erklärt hat«, unterbrach Nick seine große Schwester, wobei er sie mit einem ungeduldigen Blick bedachte. Dass Frauen aber auch nie abwarten konnten, bis man zum Kern des Problems vorgedrungen war, dachte er. Dann erklärte er: »Christoph hat noch etwa ein Jahr zu leben. Vielleicht auch etwas länger. Aber sein Großvater möchte nicht, dass er dieses Jahr in Krankenhäusern und Sanatorien zubringt, unter lauter kranken Menschen. Er möchte vielmehr, dass Christoph unter Kindern seines Alters ist. Unter fröhlichen Kindern.«
»Das ist verständlich«, murmelte Hans-Joachim. »Der Kleine soll noch ein paar glückliche Monate verleben. Und welcher Ort wäre dafür geeigneter als Sophienlust?«
»Genau das sagt auch Christophs Großvater«, rief Nick eifrig. »Er hätte von dem ›Haus der glücklichen Kinder‹ gehört und möchte nun, dass Christoph zu uns kommt.«
»Aber wenn der Junge so schwer krank ist«, warf Andrea ein, »braucht er doch ärztliche Pflege.«
»Darüber hat sich Mutti zuerst auch große Sorgen gemacht«, bestätigte Nick. »Aber der Großvater sagte, Christoph brauche zur Zeit nur täglich eine Spritze und jeden Monat zwei Infusionen. Frau Dr. Frey hat sich sofort bereiterklärt, den Jungen zu behandeln, solange sie es vermag. Zum Schluss wird er allerdings doch in ein Krankenhaus müssen, wenn er … bevor er …« Nick begann zu stottern.
»Eine schwere Last, die sich Mutti da aufgeladen hat«, meinte Andrea nachdenklich. »Sich und euch allen.«
»Darüber hat sie sich ja auch große Sorgen gemacht«, erläuterte Nick weiter. »Sie weiß, welchen Kummer es für uns bedeutet, wenn dieser Christoph Messmann eines Tages weggebracht werden muss, um … nun ja, um zu sterben. Aber dann meinte sie, dies müssten wir auf uns nehmen. Denn Christoph soll noch eine recht schöne Zeit bei uns verleben, bevor seine Krankheit ganz schlimm wird und er nicht mehr mit anderen Kindern spielen kann.«
»Eure Mutter ist eine großartige Frau!«, sagte Hans-Joachim spontan. »Ich kenne niemanden, den man mit ihr vergleichen könnte. Ihr könnt stolz auf sie sein.«
»Sind wir ja auch!«, erklärte Nick in schöner Bescheidenheit.
»Na klar sind wir das!«, verkündete auch Henrik, der Cora eben noch einen letzten Hundekuchen verabreichen wollte, den diese jedoch beharrlich ablehnte. Sie war einfach schon zu satt dazu.
»So, und nun kommt herein und holt euch den Kakao«, meinte Andrea. Sie gab sich alle Mühe, ihre Stimme heiter und unbefangen wie immer klingen zu lassen. Es gelang ihr jedoch nicht ganz. Ständig musste sie an den armen kranken Jungen denken, der in Sophienlust erwartet wurde und der so bald schon sterben sollte. Wie grausam das Schicksal doch oft war. Wofür wurde dieser Christoph Messmann so schwer bestraft?
Nick und Henrik tranken ihren Kakao gleich in der Küche. »Wir dürfen