Deutsche Spitze: (Nicht ganz) vergessen und doch geliebt
Von A. Ketschau
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Buchvorschau
Deutsche Spitze - A. Ketschau
INHALT
Die Geschichte
Wesen und Erscheinung
Wolfsspitz/ Keeshond
Großspitz
Mittelspitz
Kleinspitz
Zwergspitz
Japan Spitz, Volpino Italiano und Seidenspitz
Der FCI-Rassestandard
Genetik
Vereine
Überlegungen vor der Anschaffung eines Spitzes
Hundekauf
Eingewöhnung
Der wohlerzogene Hausgenosse
Weiterführende Prüfungen, Ausbildung und Hundesport
Gesundheit und Pflege
Fütterung
Unser Spitz wird alt
Literatur
Großspitz
Die Geschichte
Der Deutsche Spitz war seit jeher der Wachhund schlechthin. Auf dem Land besaß so ziemlich jeder Bauernhof einen oder mehrere Spitze. Seit Beginn der Zucht verteidigte der Spitz das Hab und Gut seiner Menschen gegen Langfinger. An einem Deutschen Spitz kommt keiner so leicht vorbei! Sein Heim ist dem Spitz enorm wichtig. Dem Spitz war es immer schon gleichgültig, ob dieses Heim ein Stadtoder Landhaus war, ein Bauernhof, eine einfache Hütte (Kate) oder ob es gar als Fuhrwerk über die pommer’schen Straßen rollte. Man nannte den Spitz früher auch Köter, was aber nicht abfällig gemeint war, sondern sich auf das Bewachen einer Kate bezog. Leider wurden Spitze auch viel in den Zwinger oder auf den Hof gesperrt, wo sie ihrer Aufgabe nachgehen sollten, sämtliche Fremde durch ihr durchdringendes Gebell zu verscheuchen bzw ihre Menschen auf die Fremden aufmerksam zu machen. Von seiner lebhaften Stimme macht der Spitz auch heute noch gerne Gebrauch, und der Ruf als Kläffer hängt ihm noch heute an. Man kann einem Deutschen Spitz sein Gebell nicht verbieten, aber man kann es durch entsprechende Erziehung und Auslastung in erträglichen Rahmen lenken. Spitze sind intelligente und anpassungsfähige Hunde, die das schnell lernen. Ein gut erzogener Spitz meldet jeden Fremden kurz, der sich dem Revier nähert, aber er verfällt nicht in Dauerkläffen. Spitze gibt es in jeder Größe von Zwerg bis mittelgroß. Das sprichwörtliche „Wadenbeißen" hat seinen Ursprung in der Körpergröße des Spitzes. Da der Spitz – auch der Wolfs- und Großspitz – nicht mit übermäßiger Körpergröße einschüchtern kann, braucht er eine effiziente Methode, um Angreifer und andere zwielichtige Gestalten unschädlich zu machen. Das Beißen und Zwicken in die Waden kann dabei vor Verletzungen schützen. Spitze sind unberechenbare Gegner, die geradezu listig kämpfen, besonders wenn sie zu mehreren auftreten. Lernt der Spitz jedoch von Anfang an, dass er keine Bewacherfunktion ausüben soll, kann man dieses Verhalten unterdrücken oder abgewöhnen. Der Spitz ist ein bildschöner, intelligenter, anpassungsfähiger und vielseitiger Familien- und Begleithund. Und er ist für viele Ausbildungen und Sportarten geeignet. Der Spitz ist äußerst anpassungsfähig. Er kann sich so ziemlich überall wohlfühlen, wenn seine Menschen sich auf ihn einlassen. Mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von ca. 14-18 Jahren sind Spitze sehr langlebige Hunde. Man nimmt an, dass der Deutsche Spitz vom Torfspitz (auch Torfhund oder Pfahlbauspitz) abstammt, obwohl einige Experten dies anzweifeln. Der Deutsche Spitz gehört zu den ältesten Hunderassen. Spitzartige Hunde gibt es seit mindestens 4000 Jahren. Die Hunde stammen wahrscheinlich aus der Bronze- und Jungsteinzeit. Es wurden Hundeknochen gefunden, die wohl aus dieser Zeit stammen und den spitzartigen Hunden zuzuordnen sind. Die Bindung zwischen Mensch und Hund war seit jeher sehr eng. Abbildungen aus Grabbeigaben aus der Zeit um 400 v. Chr. zeigen spitzartige Hunde. Auch eine ca. 4000 Jahre alte ägyptische Hundefigur zeigt einen spitzartigen Hund; ebenfalls sind spitzartige Hunde auf Vasen zu sehen, die aus der selben Zeit stammen.
Wie der Spitz zu seinem Namen kam, ist nicht genau geklärt. Eine Erklärung wäre sein Aussehen, denn er besitzt spitze Stehohren und einen spitzen Fang. Vielleicht hängt die Rassebezeichnung aber auch mit seinem Charakter zusammen. Der ursprüngliche Rassename war „Spitzer, was wohl „Aufpasser
, „Wächter oder ähnliches bedeutet. Der Spitz wurde seit jeher als Wachhund geschätzt – diese Bedeutung seines Namens würde also passen. Die charakterlichen Merkmale des Deutschen Spitzes sind so in der Rasse fixiert, dass es für die Züchter schwer wäre, das Wesen wieder in eine andere Richtung zu bringen. Das würden die Spitzfreunde wahrscheinlich auch gar nicht wollen, denn neben seiner wunderschönen Erscheinung macht ja auch für viele Besitzer der einzigartige Charakter die Faszination aus. Der Spitz ist intelligent, anpassungsfähig, aufmerksam, meistens misstrauisch zu Fremden, reviertreu, robust, genügsam und liebt seine Menschen über alles. Ideale Voraussetzungen für einen Wachhund, der Haus, Hof und das gesamte Hab und Gut seiner Menschen gegen Langfinger verteidigt. Der Spitz war bei Bauern beliebt, aber er thronte auch auf dem Kutschbock und bewachte das Fuhrwerk seines Herrn. Auf dem warmen Misthaufen saß er, von wo aus er alles genau beobachten konnte. Näherten sich Fremde, machte der Spitz mit Bellen darauf aufmerksam. Das brachte ihm den Beinamen „Mistbella
oder „Mistbeller ein. Auch auf Schiffskähnen fand man ihn häufig, weshalb man ihn auch „Schifferspitz
nannte (nicht zu verwechseln mit dem Schipperke, einem belgischen kleinen Schäferhund vom Spitztyp). Der Spitz ist ein idealer Wachhund: lässt ein Eindringling sich nicht durch warnendes Gebell vertreiben, verteidigt der Spitz sein Heim und seine Menschen bis zum bitteren Ende. Der weiße Großspitz war aufgrund seiner edlen Erscheinung bei der High Society beliebt. Queen Victoria von Großbritannien und Irland züchtete Spitze. Mozart besaß den Spitz „Pimperl". Der Spitz war nie ein Modehund, wahrscheinlich hat ihn das vor größeren Erbgesundheitsschäden und wesensschwachen Nachkommen bewahrt.
Anfang des 18. Jahrhunderts wurden bereits Spitze in verschiedenen Farb- und Größenschlägen gezüchtet, so waren es weiße Spitze in Pommern und schwarze in Württemberg. In Schwaben und am unteren Neckar waren die kleineren Spitze beliebt. Ende des 19. Jahrhunderts waren die meisten spitze wolfsgrau gefärbt. Aber auch damals gab es schon andere Farben beim Spitz, die auch gezüchtet wurden, wie weiße, schwarze und orange Spitze. 1879, also bereits 20 Jahre vor der Gründung des Vereins für Deutsche Spitze, gab es Zuchtschauen, auf denen schon Spitze gezeigt wurden. Damals waren es 8, aber die Zahl stieg rasch an. Fast jedes Jahr gab es Schauen, auf denen auch Spitze vertreten waren. 1910 waren 619 Spitze auf Schauen gemeldet. Der Deutsche Spitz wurde anfangs vom Verein für Deutsche Schäferhunde und Spitze Phylax betreut, da man die Spitze aufgrund ihrer Verwendung auf den Bauernhöfen den Schäferhunden zuordnete. Natürlich wollte man die charakterlichen und äußeren Erscheinungsmerkmale festigen und auch teilweise verbessern, und so wurde 1899 ein eigener Verein gegründet, der Österreicher Charles Kammerer rief den Verein für Deutsche Spitze ins Leben, der die Merkmale des Spitzes festigte. Anfangs unterschied man nur zwischen kleinen und großen Spitzen. Zu den großen zählten die Wolfsspitze, die als einzige nur in einem Farbschlag anerkannt waren. Damals gab es auch große gescheckte Spitze. Diese kommen auch heute noch gelegentlich vor, werden aber bisher nicht anerkannt. 1969 wurde der Mittelspitz, 1970 der Zwergspitz in den Standard aufgenommen. Der Standard, der heute bekannt ist, entstand ebenfalls in dieser Zeit; 1998 wurde der Standard, der heute bei der FCI (Fédération Cynoloquiqe Internationale, Weltdachverband der Hundezucht) hinterlegt ist, herausgegeben. Übrigens: die Liste der berühmten Persönlichkeiten, die Spitze liebten, ist lang: Martin Luther (1483-1546) besaß den Spitz „Belferlein; Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) „Pimperl
, Georg IV (1762-1830) den schwarzen großen Spitz „Fino, Jean Paul (1763-1825) besaß ebenfalls einen schwarzen Spitz, der auf den Namen „Spitzus Hofmann
hörte, auch Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) hatte einen weißen Spitz, und König Wilhelm II. von Württemberg hatte weiße Mittelspitze. Marie von Eber-Eschenbach (1830-1916), österreichische Dichterin, schrieb Erzählungen, die vom Spitz handelten: „Der Fink und „Die Spitzin
. Der Maler Adrian Ludwig Richter (1803-1908) verewigte in seinen Bildern, die oft Landschaften zeigten, den Spitz als treuen Begleiter. Wilhelm Busch, humoristischer Maler, Zeichner und Dichter, bedachte den Spitz ebenfalls in seinen Werken, so in „Hans Huckebein und „Die fromme Helene
. In „Max und Moritz dachte er wohl, dass „Spitz
und „Spitzbube das gleiche ist. Als Witwe Bolte nach ihren in der Pfanne schmorenden Hühnern sehen wollte und diese verschwunden waren, hieß es „Alle Hühner waren fort, ‚Spitz!‘, das war ihr erstes Wort.
Dem süßen Spitz ging es an den Kragen. Max und Moritz hatten die gebratenen Hühner entwendet, und der Spitz, der die beiden dabei ertappt hatte, wollte sein Frauchen Witwe Bolte durch Gebell auf die Hühnerdiebe aufmerksam machen: es kam jedoch zu einem Missverständnis, und der süße, kleine, treuherzige Spitz wurde fälschlicherweise für das Verschwinden der gebratenen Hühner verantwortlich gemacht.
Der einst beliebte Bauernhund ist heute leider eine seltene Rasse geworden. In den 1950er Jahren gab es bei uns noch viele Spitze, und vor allem auf dem Land waren sie beliebt. Seit einigen Jahrzehnten gehen die Welpenzahlen stetig zurück. Der Deutsche Mittel- und Großspitz werden inzwischen auf der Roten Liste als stark gefährdete Rassen geführt. Sie gelten als vom Aussterben bedroht. Der Verein für Deutsche Spitze hat es sich inzwischen zur Aufgabe gesetzt, den Deutschen Spitz als Kulturerbe zu erhalten. Derzeit will der Verein die Rasse vor dem Aussterben bewahren. Der Spitz ist ein wunderschöner Hund, den es in vielen Farben und Größen gibt. Da sollte doch für viele Hundefreunde eine Varietät dabei sein, die als Begleiter in Frage kommen könnte. Viele Rassen haben den Spitzen den Rang abgelaufen. Dabei ist der Spitz ein vielseitiger Begleiter, der sich gerne seinen Menschen anpasst. Er ist ein idealer Wach-, Begleit-, Familien- und Sporthund gleichermaßen. Er kann „alles" sein, er ist nicht auf eine Sparte festgelegt. Zudem werden auch im Rettungs-, Besuchs- und Therapiebegleitdienst Spitze mit Erfolg geführt. Ein ausgewachsener Groß- oder Wolfsspitz macht schon was her, aber auch die kleineren Spitze sind liebenswerte Begleiter. Wollen wir hoffen, dass die Spitze eines Tages wieder die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen! Es wäre sehr schade, wenn diese wunderbaren Hunde verschwinden würden. Dabei gingen nicht nur wertvolles Kulturgut und ein Stück Geschichte verloren. Die Hundewelt wäre um eine wunderbare Hunderasse ärmer. Wollen wir hoffen, dass die Bemühungen der Vereine, Züchter und auch einiger Besitzer dem Spitz wieder zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen und seine Zahlen sich wieder erholen.
Wesen und Erscheinung
Der Spitz hat einen keilförmigen Kopf mit mäßig ausgeprägtem Stopp (Stirnabsatz), der Fang ist spitz zulaufend, nicht zu kurz und nicht zu lang. Die Ohren sind klein, dreieckig, aufrecht stehend, hoch angesetzt und spitz zulaufend. Die Augen sind mandelförmig, leicht schräg eingesetzt und dunkelbraun. Die Lidränder, Nasen, Lefzen und Ballen sind bei allen Farbschlägen schwarz, außer bei braunen und braungescheckten Hunden, wo sind braun sind. Der Spitz hat ein Scherengebiss (die Schneidezähne des Oberkiefers greifen beim Schließen des Kiefers geringfügig oder die Schneidezähne des Unterkiefers) oder auch ein Zangengebiss (die Schneidezähne des Oberkiefers stehen beim Schließen des Kiefers genau auf den Schneidezähnen des Unterkiefers). Bei Klein- und Zwergspitzen wird das Fehlen von Prämolaren (vordere Backenzähne) toleriert. Der Nasenschwamm ist klein und rund, bei allen Spitzen schwarz gefärbt; bei brauen und braun gescheckten Spitzen ist er braun. Der Hals ist breit aufgesetzt und ohne Wammenbildung, er verläuft leicht gewölbt über den Nacken und geht dann in den Rücken über. Der Rücken ist gerade und recht kurz, der Spitz hat einen quadratischen Körperbau, d.h. Körperlänge und Widerristhöhe sind etwa gleich lang. Der Brustkorb ist gut gewölbt, reicht weit nach hinten, der Bauch ist nur leicht aufgezogen, es darf nie aussehen wie bei einem Windhund. Die Kruppe ist breit und gerade, also nicht abfallend. Die Rute ist mittellang und wird fest nach vorne gerollt