Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Alles außer Q: Das ABC der systemischen Beratung
Alles außer Q: Das ABC der systemischen Beratung
Alles außer Q: Das ABC der systemischen Beratung
eBook395 Seiten6 Stunden

Alles außer Q: Das ABC der systemischen Beratung

Von Corlin

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Systemisch Weiterwissen in Management und Beratung: 100 Begriffe von Profis erklärt!
Der systemische Ansatz hat in den vergangenen Jahrzehnten eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben. Längst ist er zu einem Schlüsselkonzept in Beratung, Management und Führung geworden. Das systemische Denken bietet passende Antworten für das Leben und Arbeiten in unserer beschleunigten Zeit und prägt daher mehr und mehr auch unser Alltagswissen.
Dieses vorliegende Nachschlagewerk ist als Begleiter von Lern- und Reflexionsprozessen angelegt: In 100 Artikeln stellen versierte Beraterinnen und Berater der Hamburger coachingakademie die wichtigsten Begriffe des systemischen Denkens und Handelns dar. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrung beschreiben sie Anwendungsfelder im Coaching ebenso wie in der Teamentwicklung und Organisationsberatung.
SpracheDeutsch
HerausgeberCorlin
Erscheinungsdatum29. Nov. 2018
ISBN9783981815658
Alles außer Q: Das ABC der systemischen Beratung

Ähnlich wie Alles außer Q

Ähnliche E-Books

Kunst für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Alles außer Q

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Alles außer Q - Corlin

    Inhalt

    Danksagung

    Vorwort

    Die Artikel

    Achtsamkeit

    Agilität

    Aufmerksamkeit

    Aufstellungsarbeit

    Auftrag, Auftragsklärung

    Ausspeichern

    Autopoiese

    Beobachtung

    Beratung

    Besucher

    Black Box

    Buddhismus

    Coaching

    Demut

    Emergenz

    Entscheidung

    Erwartung

    Erzählen

    Feedback

    Fragen

    Führung

    Glaubenssätze

    Glück

    Haltung

    Humanistische Psychologie

    Hypnose-Coaching

    Hypothese

    Innere Landkarte

    Interaktion

    Interne und externe Positionierung

    Intervention

    Interview

    Ironie

    Irritation

    Kommunikation

    Komplementärberatung

    Komplexität, Komplexitätsreduktion

    Konflikt, Konfliktmoderation

    Konstruktivismus

    Kontingenz

    Kultur

    Kybernetik

    Lernen

    Lernende Organisation

    Liebe

    Macht

    Management

    Mediation

    Meditieren

    Metaebene, Metakommunikation

    Motivation

    Muster

    Nichtwissen

    Objektivität

    Operationale Geschlossenheit

    Organisation

    Organisationsentwicklung, Organisationsberatung

    Persönlichkeit, Persönlichkeitsentwicklung

    Problem

    Projekt, Projektmanagement

    Psychisches System

    Psychodrama

    Psychotherapie

    Rätsel

    Ratschlag

    Reflexion, Selbstreflexion

    Rekursivität

    Risiko

    Rolle

    Scheitern

    Schweigen

    Selbstberatung

    Selbstorganisation

    Selbstreferentialität

    Sinn

    Soziales System

    Störung

    Strukturelle Kopplung

    Supervision

    System

    Systemtheorie

    Team-Coaching, Teamentwicklung

    Theorie U

    Training

    Unsicherheit, Unsicherheitsabsorption

    Veränderung

    Verstehen

    Vertrauen

    Vertraulichkeit

    Viabilität

    VUCA-Welt

    Wahrheit

    Wahrnehmung

    Werte

    Wertschätzung

    Wirklichkeit

    Zeit

    Ziel, Zielfilm

    Zirkularität

    Zukunft

    Literaturhinweise

    Über die Herausgeber

    DANKSAGUNG

    In unserem täglichen Tun gestalten wir Lernprozesse für Kunden, deren Ziel ein erfolgreicher Umgang mit Veränderung ist. Umgekehrt sind aber auch sie es, die für unser eigenes Lernen sorgen: Ohne ihre Bereitschaft, komplexe Fragestellungen mit uns zu teilen, fehlte uns die Praxiserfahrung, die dieses Buch trägt, und ohne ihre Einlassung fehlten uns die Impulse für einen prüfenden Blick auf die Konzepte und Prämissen unseres Handelns. Unseren Kundinnen und Kunden gebührt daher unser herzlicher Dank.

    Nicht weniger dankbar sind wir den Menschen, die uns ausgebildet oder mit ihren Büchern und Vorträgen dazu inspiriert haben, das innere Feuer des systemischen Denkens und Beratens zu entfachen. Lernen braucht einen kontinuierlichen Raum der angeleiteten Reflexion, den wir besonders bei Ulrich Wilken am ISS Hamburg über viele Jahre gefunden haben. Seine Geduld, sein subtiler Humor, aber auch sein klarer Blick auf unsere blinden Flecken hat uns aus mancher Sackgasse herausgeführt. Das erfüllt uns mit Dankbarkeit.

    Die Freude am gemeinsamen Schreibprozess mit unseren Kolleginnen und Kollegen, die in ihren Artikeln stets auch ihre eigenen Sichtweisen zu diesem Buch beigesteuert haben, hat unsere Verbundenheit auf ganz neue Weise gestärkt. Daher möchten wir den Autorinnen und Autoren auch an dieser Stelle noch einmal unseren herzlichen Dank aussprechen.

    Julius Seyfarth hat über die eigenen Beiträge hinaus durch seine redaktionelle Mitarbeit entscheidend zum Entstehen dieses Buches beigetragen. Sein besonderes Augenmerk lag dabei stets auf der sprachlichen Eleganz und lesefreundlichen Dramaturgie der Artikel. Für seine kreativen Impulse gebührt ihm unser besonderer Dank.

    Dankbar sind wir auch unserem Illustrator, Mario Mensch, der zugleich unser erster Leser war, für die begeisterte und schnelle Auffassung unserer Inhalte und ihre anschauliche Visualisierung. Mit ihm teilten wir den Anspruch, dass es nicht nur ein nützliches, sondern auch ein schönes Buch werden sollte.

    Für Lesefreundlichkeit hat am Ende auch Katrin Schaar gesorgt. Ihren Korrekturen verdanken wir das gute Gefühl, mit dem wir diese Seiten nun unseren Leserinnen und Lesern überlassen.

    Hamburg, im Oktober 2018

    Bettina Schubert-Golinski und Haiko Wandhoff

    VORWORT

    „Ohne zu schreiben, kann man nicht denken; jedenfalls nicht in anspruchsvoller, anschlussfähiger Weise."*

    Das hat Niklas Luhmann schön formuliert, fanden wir, als wir vor einiger Zeit darüber nachdachten, die Grundideen des systemischen Beratens in einem handlichen Buch zusammenzustellen. Ein leicht zugängliches Nachschlagewerk haben sich auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer systemischen Ausbildungen gewünscht. Doch wie schreibt man so ein Buch, dass es wirklich anschlussfähig ist? Wie schafft man es am besten, die sperrigen systemtheoretischen Begriffe auch für Einsteigerinnen und Interessierte auf ein verständliches Niveau herunterzubrechen, ohne dabei dem Systemischen seinen Zauber auszutreiben? Das war die große Herausforderung, die am Anfang dieses Buchprojekts stand.

    Das Ergebnis halten Sie in Händen: Wir haben uns für ein Glossar entschieden, das die zentralen Konzepte des systemisch-konstruktivistischen Denkens und Beratens prägnant und anschaulich in alphabetisch geordneten Einzelartikeln erklärt. Es bietet Ihnen eine erste, belastbare Orientierung im Feld des systemischen Beratens. Als Beratende, Führungskräfte oder Experten haben Sie Anlass genug, dazuzulernen und neue Antworten für aktuelle Herausforderungen zu finden. Wir verstehen aber, dass Ihnen in Ihren dynamischen Umfeldern meist wenig Zeit bleibt, sich mit dicken Fachbüchern zu beschäftigen. Für Sie haben wir dieses Buch geschrieben, das anders ist – und im Übrigen auch Spaß machen soll.

    Sie kennen den systemischen Ansatz schon? Auch dann können Sie von der Lektüre unserer Artikelsammlung profitieren: Sie hilft Ihnen dabei, sich immer wieder neu mit Ihrer systemischen Haltung zu verbinden, denn die kann einem während des Arbeitens in Kontexten, die nach wie vor von kausallogischen und linearen Vorstellungen geprägt sind, ja durchaus mal abhandenkommen.

    Im Vordergrund steht auf den folgenden Seiten immer das, was sich für uns in der täglichen Arbeit mit Menschen als hilfreich erwiesen hat. Gleichwohl werden Sie bemerken, dass die soziologische Systemtheorie Niklas Luhmanns als Referenzmodell auch in diesem Buch – natürlich, möchte man sagen – eine herausragende Rolle spielt. Mit Hilfe der angefügten Literaturhinweise können Sie bei Bedarf tiefer einsteigen und die behandelten Gegenstände mit, aber auch über Luhmann hinaus weiter ergründen.

    Die hier vorgelegten 100 Artikel sind allesamt von Mitgliedern aus dem Beratungs- und Weiterbildungsnetzwerk die coachingakademie ver-fasst, also von langjährigen Profis, die ihr Handwerk verstehen. Kreative, ressourcenorientierte und kollaborative Prozesse sind in der Beratungs- und Weiterbildungspraxis die Motoren unserer Wirksamkeit und unseres Erfolges. Umso mehr freut es uns, dass wir nun mit diesem Buch ein schriftliches Gemeinschaftswerk vorlegen können, dessen lesenswerte Inhalte auf freudvoll geteilten Erfahrungen mit über 1000 Beratungs- und Weiterbildungskunden basieren.

    Dieses Buch versteht sich als Begleiter von Lern- und Reflexionsprozessen. Als Nachschlagewerk lädt es eher zum Stöbern als zur kontinuierlichen Lektüre ein. Durch seine alphabetische Ordnung und die Vielzahl an internen Querverweisen inspiriert es dazu, tiefer oder breiter in seine Inhalte einzusteigen. Fangen Sie irgendwo an, blättern Sie und lassen Sie sich durch die Themen treiben. Wer weiß, vielleicht bringen Sie auch die Abbildungen auf neue Ideen? Es gibt ja viele Anlässe und Wege, sich durch die Kernfelder des systemischen Denkens zu bewegen – mit immer neuen Einsichten und überraschenden Impulsen für die eigene Praxis.

    Tatsächlich, so würden wir Niklas Luhmann gern zurückmelden, hat uns das Schreiben angeregt, über unser theoretisches Wissen und unsere beraterische Erfahrung neu nachzudenken. Wie anschlussfähig wir mit diesen Überlegungen am Ende sind, darüber entscheiden Sie, unsere Leserinnen und Leser!

    Den Aufmerksamen unter Ihnen wird übrigens nicht verborgen bleiben, dass diesem Buch, auch wenn wir uns aufrichtig bemüht haben, womöglich noch mehr fehlt als nur das Q. Für derartige Versäumnisse bitten wir um Nachsicht.

    Hamburg, im Oktober 2018

    Bettina Schubert-Golinski und Haiko Wandhoff

    * Niklas Luhmann, „Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht", in: Universität als Milieu. Kleine Schriften, hrsg. von André Kieserling, Bielefeld (Haux) 1992, S. 53.

    DIE ARTIKEL

    Achtsamkeit

    In Deutschland geben Tausende von Achtsamkeitslehrern Achtsamkeitskurse, es gibt Achtsamkeitsinstitute und sogar einen Achtsamkeitsverband. Auch im Buchhandel begegnet uns das Thema Achtsamkeit in Form von Ratgebern geradezu inflationär. Was hat es also damit auf sich? Achtsam zu sein bedeutet zunächst einmal, →Aufmerksamkeit und →Wertschätzung für sich und andere aufzubringen, und das ist keineswegs neu. So heißt es bereits im Talmud, einem der wichtigsten Schriftwerke des Judentums:

    Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.

    Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.

    Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.

    Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.

    Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

    In systemischen →Beratungsprozessen kann Achtsamkeit ein elementarer Bestandteil von professioneller →Haltung sein, nämlich als freischwebende und wertfreie Aufmerksamkeit all dem gegenüber, was gerade passiert. Denn das ist es, was Achtsamkeit auch im Kontext des Buddhismus meint: aufmerksam sein, ohne zu bewerten, und respektvoll beobachten, was im gegenwärtigen Augenblick vorhanden ist. Ohne diese grundlegende Form der Achtsamkeit würden wir beziehungslos an unseren Klienten und ihren Anliegen vorbei arbeiten.

    Dies kommt beispielsweise im →Coaching zum Tragen, und zwar als reflexive Wachheit uns selbst gegenüber und als interessierte Hinwendung zu unseren Klienten. Wir machen uns bewusst, welche Gefühle und Gedanken im Verlauf des Coaching-Prozesses in uns aufsteigen, an welche Personen oder Situationen aus unserem Leben uns die Coachees vielleicht erinnern oder welche Affekte und inneren Bilder sie in uns antriggern. Andererseits richten wir unser Augenmerk umsichtig, konzentriert und interessiert auf unsere Klienten und beobachten, wie sie ihr Bild von der Welt (und von ihrem →Problem) selbst konstruieren und ständig aktualisieren. Aus den Grundhaltungen der Akzeptanz, Empathie und Kongruenz heraus erstellen wir laufend unsere eigenen →Hypothesen und bieten sie den Coachees in Form von →Interventionen an, um sie bei der Klärung ihrer Anliegen hilfreich zu unterstützen. Durch unser Paraphrasieren und Spiegeln wird ihnen ihre eigene →innere Landkarte bewusster und sie können Strategien für neue →Wahrnehmungs- und Verhaltensoptionen entwickeln.

    Was wir als Beratende im systemischen Coaching also vorrangig tun, ist beobachten, wahrnehmen und wertschätzen. Wir akzeptieren unsere Coachees mit ihrem Weltbild und stülpen ihnen keine Lösung über. Daran zeigt sich, was auch in anderen Zusammenhängen bereits beobachtet worden ist: dass das wertfreie →Beobachten der Achtsamkeitspraxis verblüffende Ähnlichkeiten mit dem systemisch-konstruktivistischen Beobachten hat, wie wir es aus der →Kybernetik zweiter Ordnung kennen. Wir beobachten uns selbst beim Beobachten unserer Coachees, und wir beobachten unsere Coachees beim Beobachten ihrer Welt. Beidem gegenüber gilt es achtsam zu sein, um eine gute Beziehung aufzubauen, mögliche Ressourcen zu entdecken und →Störungen rechtzeitig zu bemerken.

    Die Harvard-Psychologin Ellen J. Langer hat ein Achtsamkeitskonzept entwickelt, das sich wie eine Synthese aus systemischer Haltung und buddhistischer Anthropologie liest. Es dreht sich um eine bewusste Wahrnehmung, die darauf zielt, in dem, was wir zu kennen glauben, durch einen Perspektivwechsel neue Bedeutungen zu entdecken. Dazu übt sie in ihren Kursen das Reframing und rät →Führungskräften, sich zunächst einmal ihr grundsätzliches →Nichtwissen einzugestehen, um dadurch achtsamer mit Mitarbeitern, Ressourcen und Zielen umgehen zu können.

    In drei Punkten kann die Praxis der Achtsamkeit eine Grundlage für unsere Haltung in der systemischen Beratung bieten: im Hinblick auf die stetige, wache Aufmerksamkeit, die zugrunde liegende Nicht-Bewertung und den Gegenwartsbezug. Diese Haltung strahlt auf unsere Klienten ab und hilft ihnen, gar nicht erst in negative Gedankenspiralen hineinzugeraten bzw. aus solchen wieder auszusteigen. Wir erlernen und festigen unsere achtsame Haltung als Beratende durch kontinuierliche Praxis und Übung, aber auch durch fortwährende →Selbstreflexion und regelmäßige professionelle →Supervision. Kurzum: indem wie achtsam gegenüber uns selbst sind.

    Sabine Vesper

    Zum Weiterlesen:

    Liz Hall, Mindful Coaching. How Mindfulness Can Transform Coaching Practice, London (Kogan Page) 2013.

    Ellen J. Langer, Mindfulness: Das Prinzip Achtsamkeit. Die Anti-Burnout-Strategie, München (Vahlen) 2015.

    Stefan Schmidt, „Eine systemische Perspektive auf die Praxis der Achtsamkeit", in: Kontext 47 (2016), Heft 4, S. 335-353.

    Agilität

    Agilität ist ein geflügelter Begriff in der Welt der Wirtschaft und Beratung, der in verschiedenen Geschmacksrichtungen vorkommt. Im Kern geht es um die Fähigkeit einer →Organisation, sich kontinuierlich einer turbulenten, unsicheren Umwelt anzupassen, wie sie für die →VUCA-Welt charakteristisch ist. Agilität fördert hier ein lernendes Vorgehen in kurzen Zyklen, so dass Arbeitsergebnisse und Erkenntnisse schnell validiert werden können. Organisationen sollen also ‘flink, beweglich und wendig’ werden, wenn man die Bedeutung des englischen agile zugrunde legt.

    Doch der Begriff AGIL taucht bereits in den 1950er Jahren bei dem amerikanischen Soziologen Talcott Parsons auf. Parsons, der auch Niklas Luhmann bei der Entwicklung seiner Theorie →sozialer Systeme stark beeinflusste, hatte in einem →systemtheoretischen Modell die vier Grundfunktionen zusammengestellt, die ein →System zu seiner Selbsterhaltung erfüllen müsse:

    Adaption

    (die Fähigkeit, auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren); Goal Attainment

    (die Fähigkeit, →Ziele zu setzen, zu überprüfen und zu erreichen); Integration

    (die Fähigkeit, Zusammenhalt zu schaffen); Latent Pattern Maintenance

    (die Fähigkeit, grundlegende Strukturen aufrechtzuerhalten).

    Dass ein systemtheoretisches Modell, das seit den 1950er Jahren existiert, heute wieder verstärkt rezipiert wird, hängt sicher mit einer Radikalisierung der VUCA-Welt zusammen. Besonders durch die hohe, ständig wachsende Dynamik, die von der fortschreitenden Digitalisierung und Globalisierung angetrieben wird, entsteht in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen eine Flüchtigkeit der Phänomene, die es schwer macht, überhaupt noch längerfristige Planungsprozesse anzustoßen. Man sucht daher heute nach Theorien, die Antworten auf die Frage geben, wie sich Systeme fit machen können für den permanenten Wandel, in dem flexibles Reagieren auf Umweltveränderungen zur obersten Maßgabe wird.

    Weitere Impulse zur Agilität kamen aus der IT-Branche, in der die →Veränderungsgeschwindigkeit schon immer sehr hoch war und früh nach unorthodoxen Lösungen verlangte. In einem Agilen Manifest zur Software-Entwicklung wurde der Begriff agil im Jahr 2001 zu einem neuen Schlüsselterminus für Prozesse, die schlanker, flexibler und transparenter sein sollten als bis dahin übliche Standards. Zugleich formulierten die an dem Manifest Beteiligten eine Reihe von →Werten und Grundprinzipien, die heute zu allgemeinen Leitlinien agiler →Haltungen geworden sind:

    Menschen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen.

    Das Funktionieren (damals: der Software) steht über einer umfassenden Dokumentation.

    Die Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über Vertragsverhandlungen.

    Das Reagieren auf Veränderungen steht über dem Verfolgen eines Plans.

    Die heute gültigen Kernprinzipien agiler Arbeitsweisen sind hier schon gut zu erkennen: Zuerst kommen die Kunden, mit denen zusammen nach Möglichkeit die wichtigen →Entscheidungen getroffen werden; Abläufe und Prozesse sind möglichst für alle transparent zu gestalten, wobei →Management- und →Führungsaufgaben verteilt werden können, aber nicht müssen; es braucht eine Fehlerkultur, die zu mutigen Verbesserungs- und Innovationsexperimenten einlädt und gelegentliches →Scheitern nicht verdammt; und erforderlich ist die Bereitschaft zu laufendem →Training und kontinuierlichem →Lernen. Ohne Mut und Respekt, Fokussierung und Commitment, vor allem aber ohne ein Gefühl psychologischer Sicherheit bei allen Beteiligten kann das agile Vorgehen seine Kraft nicht entfalten. Denn allein der Verzicht auf Beschämung und Beschuldigung ermöglicht den Aufbau von →Vertrauen und den Zugang zu verborgenen Fähigkeiten und Ressourcen.

    Agilität ist auf drei Ebenen einer Organisation möglich – und auch nötig, wenn sie funktionieren soll: Zum einen in der Struktur und Ablauforganisation eines Unternehmens, mit flachen Hierarchien, cross-funktionalen Teams und einem intakten internen und externen Dialog; zum anderen in der fortlaufenden Arbeitsweise eines Unternehmens, wo agiles →Projektmanagement (z. B. SCRUM), agile Produktentwicklung (z. B. Design Thinking) und agiles Prozessmanagement (z. B. Kanban) ineinander greifen; und drittens schließlich in der Führung einer Organisation, wo weniger die Verteilung von Führungsaufgaben entscheidend ist als vielmehr das Selbstbild der Führungskräfte, die sich in den Dienst der Sache stellen und den Teams eine hohe →Selbstorganisation gewähren. Eine Hauptaufgabe agiler Führung besteht darin, Orientierung zu geben und dafür zu sorgen, dass sich alle ständig weiterentwickeln können. Menschliche Reife, erworben durch kontinuierliche →Reflexion, kann dabei von Vorteil sein, um eine Balance zwischen Beständigkeit und Anpassung zu sichern, so dass Systeme weder erstarren, noch überdrehen.

    Frauke Narjes

    Zum Weiterlesen:

    Amy Edmondson, Teaming. How Organizations Learn, Innovate, and Compete in the Knowledge Economy, Harvard (Havard Business School) 2012.

    André Häusling (Hrsg.), Agile Organisationen. Transformationen erfolgreich gestalten, Freiburg (Haufe) 2018.

    Siegfried Kaltenecker, Selbstorganisierte Unternehmen. Management und Coaching in der agilen Welt, Heidelberg (dpunkt.verlag) 2017.

    Aufmerksamkeit

    Aufmerksamkeit ist ein Geschenk. Einer Person oder einer Gruppe und ihrem Anliegen Aufmerksamkeit zu schenken, bedeutet, das eigene Bewusstsein auf diese Menschen und ihr Thema zu lenken und sich ihnen in →Wertschätzung ihres Soseins zuzuwenden.

    Dabei wirkt Aufmerksamkeit zunächst wie ein Filter: Aus dem unerschöpflichen Reizangebot der Umwelt nimmt sie manche Reize auf, andere blendet sie aus. Ihre Vorauswahl bestimmt, wofür wir uns näher interessieren, welche Zusammenhänge wir herstellen, zu welchen Deutungen wir gelangen und welche Urteile wir uns bilden. Und natürlich: was uns stattdessen alles entgeht, weil es sich jenseits unserer Aufmerksamkeit befindet.

    Aus Sicht des →Konstruktivismus stellt Aufmerksamkeit den ersten Schritt in einem mehrstufigen Prozess dar, bei dem →Wirklichkeiten außerhalb unseres Denkens im Bewusstsein nachgebaut werden. Bei dieser inneren Repräsentation der Außenwelt schließen sich sehr schnell die Schritte →Wahrnehmen, →Verstehen und Bewerten an. Wir können gar nicht anders, als in Sekundenbruchteilen ständig Urteile über das, was um uns herum geschieht, zu bilden. Das bewusste Verlagern der Aufmerksamkeit beschreibt dabei unsere Fähigkeit, bei der eigenen Wirklichkeitskonstruktion Prioritäten zu setzen.

    Mit der →Zeit und der Erfahrung bilden sich im Bewusstsein durch Wiederholung, Verknüpfung und Speicherung individuelle →Muster und Gewohnheiten, die die Aufmerksamkeit dosieren und ausrichten. Sie erschaffen Rahmungen, aus denen belastbare, als sinnvoll erlebte Konstruktionen entstehen. Gleichzeitig wächst beim →Beobachten der Welt der Wunsch, durch eigenes Handeln gestaltend Einfluss auf die wahrgenommenen Wirklichkeiten zu nehmen. So steuern Menschen, aber auch Teams und →Organisationen mithilfe der Fokussierung von Aufmerksamkeit genau die Wirklichkeiten an, in denen sie leben und handeln wollen. Es geschieht aber auch, dass sie ihre Aufmerksamkeit geradezu zwanghaft auf Sachverhalte und Situationen richten, die sie als →Problem oder gar als schweres Leid erfahren. Hier kann →Beratung eine wichtige Unterstützung dabei leisten, den Fokus der Aufmerksamkeit wieder neu und anders auszurichten.

    Im Prinzip läuft die →Kommunikation in Beratungsprozessen nicht anders ab als in anderen →sozialen Systemen: Wir verständigen uns mit unseren Klienten darüber, auf welche Phänomene wir gemeinsam unsere Aufmerksamkeit richten wollen (und welche anderen Aspekte dadurch eher unbeobachtet bleiben). Für diese Vorentscheidung nutzen wir zunächst die →Auftragsklärung. Aber auch danach können wir den Beratungsprozess immer wieder (um-)steuern, indem wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit verschieben. Dazu eignen sich angemessen ungewöhnliche →Fragen oder andere →Interventionen, die im Klientensystem für produktive →Irritationen sorgen. Im gemeinsamen Ausrichten der Aufmerksamkeit liegt der Schlüssel für die Selbststeuerung sozialer Systeme. „Jede Steuerung sozialer Prozesse, so Fritz B. Simon, erfolgt „über die Fokussierung der Aufmerksamkeit. Das gilt auch für den Beratungsprozess.

    Schließlich kann das Ausrichten der Aufmerksamkeit aber auch selbst zum Gegenstand des Beratungsprozesses werden. Worauf richtet sich meine Aufmerksamkeit gerade? Wo war sie vorher, und was war dadurch anders? Was rückt sie ins Blickfeld, und was entgeht ihr womöglich? Und welche Aspekte sollen in meinem Berufs- oder Privatleben künftig noch mehr Aufmerksamkeit bekommen? Gerade auch in der Arbeit mit Teams und Organisationen ist die Ausrichtung der Aufmerksamkeit ein Phänomen, das zu beleuchten produktiv sein kann. In der systemischen →Organisationsberatung gehören Leitfragen zur Dynamik der Aufmerksamkeit daher zum Standardrepertoire: Worauf richtet sich (gerade) die Aufmerksamkeit (in) einer Organisation? Was bindet die Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden und verhindert möglicherweise, dass andere, wichtige Prozesse vorangetrieben werden? Und was wäre nötig, um die Aufmerksamkeit wieder auf diese Felder zu lenken?

    Julius Seyfarth

    Zum Weiterlesen:

    Günther Mohr, Systemische Organisationsanalyse. Dynamiken und Grundlagen der Organisationsentwicklung, Bergisch Gladbach (EHP) 2006.

    Fritz B. Simon, Einführung in die (System-)Theorie der Beratung, Heidelberg (Carl-Auer) 2014.

    Aufstellungsarbeit

    Systemische Aufstellungsarbeit ist der Oberbegriff für eine Vorgehensweise, die neben der →Psychotherapie auch in der →Supervision und im →Coaching zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Grundidee ist, dass aus einer vorhandenen Gruppe einige Personen ausgewählt werden, um als Stellvertreter für Mitglieder eines →sozialen Systems zu fungieren. Dazu ‘stellt’ man sie in einem Raum so ‘auf’, dass sie eine vorhandene, problemhaft erfahrene Beziehung (und später auch deren Lösung) abbilden. Bekannt ist diese wirksame →Intervention vor allem aus den Familienaufstellungen, doch kommt sie mittlerweile auch im Einzel-Coaching sowie in Unternehmen und anderen →Organisationen zur Anwendung.

    Je nach dem →System, das (und in dem) aufgestellt wird, kann man zwischen Familienaufstellung, Organisationsaufstellung oder dem Aufstellen beruflicher Anliegen unterscheiden. Wird ein abstrakter Gegenstand, z. B. eine →Entscheidung, ein →Problem oder ein →Wertekonflikt aufgestellt, spricht man von einer Strukturaufstellung. Vorläufer der Aufstellungsarbeit kommen aus dem →Psychodrama nach Jakob Levy Moreno und aus den Familienskulpturen nach Virginia Satir, aber auch aus der →Hypnosetherapie Milton H. Ericksons.

    Die Aufstellungsarbeit ist eine ur-systemische Interventionsform, da hier grundsätzlich immer der Gesamtkontext berücksichtigt wird, in dem ein Problem auftritt. Durch die Aufstellung im Raum werden die Zusammenhänge eines bestimmten Systems, sei es einer Familie, eines Teams oder einer konkreten Situation mit mehreren Beteiligten in ein Bild gefasst und den Klienten sichtbar vor Augen gestellt. Das externalisierte Bild hat gegenüber dem inneren Bild den Vorteil, dass es leichter verändert werden kann. Oft fühlen die neu und anders aufgestellten Systemmitglieder schon nach kurzer Zeit Veränderungen, meist in eine positive Richtung. Auch lassen sich Problembeschreibungen wie deren Lösungsbilder schnell auf eine bildhafte →Metaebene bringen, die dem Blick auf System-Zusammenhänge etwas Spielerisches und gelegentlich auch Humorvolles verleiht. Verhaltensänderungen können in einer Sphäre des Als-ob ausprobiert und durchgespielt werden, ohne gleich der Gefahr unangenehmer Rückmeldungen ausgesetzt zu sein.

    Im Einzel-Coaching oder in der Therapie, wenn kein Team aus realen Menschen zur Verfügung steht, können anstelle von Personen auch Figuren, Klötze, Steine oder Karten ‘aufgestellt’ werden. Ausgangspunkt ist dabei stets die Sichtweise der Klientin, die die beteiligten Figuren wie auch die Perspektive auswählt, nach der das System aufgestellt wird. Sie kann dann ihr Bild der →Wirklichkeit mit Hilfe ihres Coachs oder ihrer Supervisorin betrachten, erklären und schließlich reorganisieren. Auf diese Weise gewinnt sie Klarheit über

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1