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Trullion: Alastor 2262
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eBook318 Seiten4 Stunden

Trullion: Alastor 2262

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Über dieses E-Book

Als er die Nachricht vom Tod seines Vaters erhält, kehrt Glinnes Hulden nach zehn Jahren Dienst beim Whelm zurück nach Rabendary auf Trullion. Einiges hat sich gändert: Sein Bruder Shira wird vermisst, ist wahrscheinlich den Merlingen zum Opfer gefallen. Zu Glinnes’ Verdruss wurde Ambal, ein Stück Familienbesitz, verkauft. Glay, sein anderer Bruder ist zum Fanscher geworden. Er hat Ambal verkauft, um das Geld einem gewissen Junius Farfan zu geben und die Bewegung der Fanscherade zu fördern.
Zudem hat Glay einer Gruppe Trevanyi gestattet, ihr Lager auf Rabendary aufzuschlagen. Nun fangen die Trevanyi an, die alten Balkennussbäume zu fällen ...
Glinnes hat allerhand zu tun, um die Dinge zu Hause wieder in Ordnung zu bringen. Vor allem ist ihm jedoch daran gelegen, den Familienbesitz zurückzubekommen. Allerdings fehlt ihm dazu eine nicht unbeträchtliche Geldsumme. Er beginnt, professionell Hussade zu spielen, um in möglichst kurzer Zeit viel zu verdienen ...
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum16. Okt. 2019
ISBN9781619472990
Trullion: Alastor 2262
Autor

Jack Vance

Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren. Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht. Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.

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    Buchvorschau

    Trullion - Jack Vance

    Jack Vance

    Trullion: Alastor 2262

    Edition

    Andreas Irle

    Hunschlade 27

    51702 Bergneustadt

    2019

    Originaltitel: Trullion: Alastor 2262

    Copyright © 1973, 2002 by Jack Vance

    Originalausgabe: Trullion: Alastor 2262– Ballantine Books: New York, 1973

    Deutsche Erstausgabe: Trullion: Alastor 2262– Wilhelm Heyne Verlag, München, 1977

    Copyright © dieser Ausgabe 2019 by Spatterlight Press

    Titelbild: Konstantin Korobov

    Satz: Andreas Irle

    Übersetzung: Andreas Irle

    Lektorat: Thorsten Grube, Gunther Barnewald

    ISBN 978-1-61947-299-0

    V01 2019-10-15

    spatterlight.de

    Management: John Vance, Koen Vyverman

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Das Buch

    Als er die Nachricht vom Tod seines Vaters erhält, kehrt Glinnes Hulden nach zehn Jahren Dienst beim Whelm zurück nach Rabendary auf Trullion. Einiges hat sich gändert: Sein Bruder Shira wird vermisst, ist wahrscheinlich den Merlingen zum Opfer gefallen. Zu Glinnes’ Verdruss wurde Ambal, ein Stück Familienbesitz, verkauft. Glay, sein anderer Bruder ist zum Fanscher geworden. Er hat Ambal verkauft, um das Geld einem gewissen Junius Farfan zu geben und die Bewegung der Fanscherade zu fördern.

    Zudem hat Glay einer Gruppe Trevanyi gestattet, ihr Lager auf Rabendary aufzuschlagen. Nun fangen die Trevanyi an, die alten Balkennussbäume zu fällen …

    Glinnes hat allerhand zu tun, um die Dinge zu Hause wieder in Ordnung zu bringen. Vor allem ist ihm jedoch daran gelegen, den Familienbesitz zurückzubekommen. Allerdings fehlt ihm dazu eine nicht unbeträchtliche Geldsumme. Er beginnt, professionell Hussade zu spielen, um in möglichst kurzer Zeit viel zu verdienen …

    Der Autor

    Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren.

    Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht.

    Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.

    Informationen über ihn und sein Werk finden Sie hier:

    www.editionandreasirle.de

    Einführung

    Draußen, am Rande der Galaxis, hängt der Sternhaufen Alastor, ein Wirbel aus dreißigtausend lebendigen Sternen. Er nimmt einen unregelmäßigen Raum von zwanzig bis dreißig Lichtjahren Durchmesser ein. Die ihn umgebende Region ist dunkel und leer, bis auf einige wenige Einsiedlersterne. Von außen gesehen bietet Alastor ein farbenprächtiges Schauspiel aus Sternenströmen, leuchtenden Geweben, funkelnden Knoten. Staubwolken durchziehen den Glanz; die darin eingeschlossenen Sterne glühen rostfarben, rosarot oder rauchig-bernsteinfarben. Dunkelsterne wandern ungesehen zwischen subplanetaren Resten aus Eisen, Schlacke und Eis: die sogenannten »Starments«.

    Über den gesamten Sternhaufen verteilt gibt es dreitausend bewohnte Planeten mit einer Bevölkerung von ungefähr fünf Billionen Menschen. Die Einwohner sind so verschieden wie die Welten; nichtsdestotrotz haben sie eine gemeinsame Sprache, und alle unterliegen der Autorität des Connat, der vom Lusz aus, auf der Welt Numenes, regiert.

    Der amtierende Connat ist Oman Ursht, sechzehnter in der Erbfolge der Iditen: ein Mann von gewöhnlicher und durchschnittlicher Erscheinung. Auf Portraits und bei öffentlichen Anlässen trägt er eine strenge schwarze Uniform mit einem schwarzen Helm, um ein Bild unbeugsamer Autorität zu wahren, und so ist er dem Volk des Alastor-Sternhaufens bekannt.

    Privat ist Oman Ursht ein ruhiger und vernünftiger Mann, der eher zur Unter- als zur Überregulierung neigt. Er denkt über alle Aspekte seines Verhaltens nach, wohl wissend, dass die geringste seiner Handlungen – eine Gebärde, ein Wort, eine symbolische Nuance – eine Lawine unvorhersehbarer Konsequenzen nach sich ziehen könnte: Daher seine Bemühung, das Bild eines strengen, prägnanten und nüchternen Mannes zu vermitteln.

    Für den flüchtigen Betrachter ist der Alastor-Sternhaufen ein beschauliches und friedvolles System. Der Connat weiß es besser. Er erkennt, dass, wo immer menschliche Wesen nach Vorteilen streben, ein Ungleichgewicht herrscht; ohne Ausgleich spannt sich das soziale Gefüge, und es reißt mitunter entzwei. Der Connat begreift seine Funktion als Verkörperung und Entlastung dieser sozialen Spannungen. Mitunter bessert er aus, mitunter verwendet er Ablenkungstechniken. Ist Härte unvermeidbar, setzt er seine Militärmacht ein, den »Whelm«. Oman Ursht zuckt zusammen, wenn er sieht, dass ein Insekt verletzt wird; der Connat schickt ohne Gewissensbisse eine Million Menschen in ihr Verderben. Im Glauben, dass jeder Zustand einen Gegenzustand erzeugt, hält er sich in vielen Fällen in der Befürchtung abseits, einen Unordnung schaffenden dritten Faktor einzuführen. Im Zweifelsfall – tue nichts: Dies ist einer der beliebtesten Leitsätze des Connat.

    Nach uralter Tradition durchwandert er anonym den Sternhaufen. Gelegentlich stellt er sich als wichtiger Beamter vor, um ein Unrecht zu beheben; häufig belohnt er Güte und Selbstlosigkeit. Er ist fasziniert von dem gewöhnlichen Leben seiner Untertanen und lauscht aufmerksam Dialogen wie dem folgenden:

    Alter Mann (zu einem faulen Jugendlichen): Wenn jeder hätte, was er wollte, wer würde dann noch arbeiten? Keiner.

    Jugendlicher: Ich nicht, darauf kannst du dich verlassen.

    Alter Mann: Und du wärest der erste, der gequält aufschreit, denn die Arbeit ist es, die das Licht brennen lässt. Weiter jetzt; drück deine Schulter dagegen. Ich kann Faulheit nicht leiden.

    Jugendlicher (murrend): Wenn ich Connat wäre, würde ich es so einrichten, dass jeder seine Wünsche erfüllt bekommt. Keine Schufterei! Freie Sitze beim Hussade! Eine feine Raumjacht! Neue Kleidung jeden Tag! Diener, die die köstlichsten Speisen auftragen!

    Alter Mann: Der Connat müsste ein Genie sein, um sowohl dir als auch den Dienern gerecht zu werden. Die würden gerne dafür leben, dich zu ohrfeigen. Und jetzt weiter mit der Arbeit.

    Oder:

    Junger Mann: Geh niemals in die Nähe vom Lusz, ich flehe dich an! Der Connat würde dich für sich behalten!

    Mädchen (schelmisch): Was würdest du dann tun?

    Junger Mann: Ich würde Rebell werden! Ich würde der berüchtigtste Starmenter* werden, der jemals die Himmel in Schrecken versetzt hat! Schließlich würde ich die Mächte Alastors überwinden: Whelm, Connat und alles – und dich für mich ganz allein zurückgewinnen.

    * Starmenter: Piraten und Räuber, deren vorübergehende Zufluchtsorte die »Starments« sind.

    Mädchen: Du bist galant, aber der Connat würde nie, nie, nie ein gewöhnliches kleines Mädchen wie mich wählen; es sind schon die schönsten Frauen von Alastor bei ihm im Lusz.

    Junger Mann: Was für ein fröhliches Leben er führen muss! Connat sein: Das ist mein Traum!

    (Mädchen gibt einen quengeligen Laut von sich und wird kühl. Junger Mann ist verwirrt. Oman Ursht entfernt sich).

    Lusz, der Palast des Connat, ist in der Tat ein bemerkenswertes Bauwerk. Er erhebt sich auf drei großen Pylonen dreitausend Meter über der See. Besucher wandern über die unteren Promenaden; sie kommen von allen Welten des Alastor-Sternhaufens und von Orten jenseits davon: den Dunkelzonen, den Primerzen, dem Erdischen Sektor, dem Rubimar-Sternhaufen und all den anderen Teilen der Galaxis, welche die Menschen für sich in Anspruch nehmen.

    Über den öffentlichen Promenaden befinden sich die Regierungsbüros, Festsäle, ein Kommunikationskomplex und, etwas höher, der berühmte Ring der Welten mit einem Informationssaal für jede bewohnte Welt des Sternhaufens. Die höchsten Spitzen beherbergen die persönlichen Räumlichkeiten des Connat. Sie teilen die Wolken und stechen mitunter durch bis zu den oberen Schichten des Himmels. Wenn die Sonne auf den irisierenden Oberflächen glitzert, ist Lusz, der Palast des Connat, ein wunderbarer Anblick, der häufig als das inspirierendste Artefakt der menschlichen Rasse betrachtet wird.

    Kapitel I

    Saal 2262 im Ring der Welten gehört Trullion, dem einsamen Planeten eines weißen Sterns, einem Funken in einem Sprühnebel, der sich dem Rand des Sternhaufens entgegenkrümmt. Trullion ist eine kleine Welt, besteht zum größten Teil aus Wasser und besitzt einen einzigen schmalen Kontinent, Merlank*, in Höhe des Äquators. Große Bänke von Kumuluswolken driften von der See her landeinwärts und brechen sich am Zentralgebirge; Hunderte von Flüssen führen das Wasser zurück in die breiten Täler, in denen Früchte und Getreide in solchem Überfluss wachsen, dass sie über keinerlei Wert verfügen.

    * Merlank: eine Echsenart. Der Kontinent umfasst den Äquator wie eine Echse, die sich an eine blaue Glaskugel klammert.

    Die ursprünglichen Siedler führten jene Gewohnheiten von Sparsamkeit und Beflissenheit ein, die ihnen in ihrer früheren harten Umgebung das Überleben gesichert hatten. Das erste Zeitalter der Trill-Geschichte brachte ein Dutzend Kriege, Tausend Schicksalsschläge, eine Kaste des Erbadels und ein Nachlassen der anfänglichen Dynamik mit sich. Das gemeine Volk der Trill fragte sich: Weshalb arbeiten, weshalb Waffen tragen, wenn das Leben ebenso aus Feiern von Festen, singen, dem Begehen von Lustbarkeiten und anderen Annehmlichkeiten bestehen kann? In einem Zeitraum von drei Generationen wurde das alte Trullion zu einer Erinnerung. Die gewöhnlichen Trill arbeiteten jetzt wie es die Umstände von ihnen verlangten: um ein Fest vorzubereiten, um ihrer Vorliebe für Hussade zu frönen, um sich einen Pulsor für das Boot zu verdienen, einen Topf für die Küche oder ein Stück Stoff für den Paray, jenem bequemen, rockähnlichen Gewand, das von Männern und Frauen gleichermaßen getragen wurde. Gelegentlich bestellte der Trill seinen üppigen Acker, fischte im Meer, angelte im Fluss, erntete Wildfrüchte und grub, wenn ihn die Stimmung überkam, an den Berghängen nach Smaragden und Opalen oder sammelte Kausch*. Er arbeitete vielleicht eine Stunde am Tag oder gelegentlich zwei oder drei; er verbrachte beträchtlich mehr Zeit damit, auf der Veranda seines baufälligen Hauses vor sich hinzuträumen. Er misstraute den meisten technischen Geräten, fand sie unsympathisch, verwirrend und – noch wichtiger – zu teuer, obwohl er mit spitzen Fingern das Telefon verwendete, um gesellschaftliche Aktivitäten zu regeln, und den Pulsor seines Boots für selbstverständlich hielt.

    * Kausch: Ein aus den Sporen eines Bergschimmels gewonnenes Aphrodisiakum, das von den Trill hin und wieder eingenommen wird. Manche suchen derart in erotischen Fantasien Zuflucht, dass sie zügellos werden und damit zum Gegenstand von mildem Spott. Zügellosigkeit kann, im Zusammenhang mit den Lebensumständen der Trill, kaum als bedenkliches gesellschaftliches Problem betrachtet werden.

    Wie in den meisten idyllischen Gesellschaften kannte jeder Trill seinen genauen Platz in der Klassenhierarchie. An der Spitze, nahezu als eigene Rasse, war die Aristokratie; am Boden waren die nomadischen Trevanyi, eine ebenso unverkennbare Gruppe. Die Trill verschmähten unbekannte oder exotische Vorstellungen. Gewöhnlich waren sie ruhig und gesittet, nichtsdestotrotz konnten sie, wenn sie genügend provoziert wurden, wilden Zorn an den Tag legen, und gewisse ihrer Sitten – insbesondere das makabere Ritual auf dem Prutanshyr – waren nahezu barbarisch.

    Die Regierung Trullions war nur rudimentär vorhanden; es handelte sich um eine Einrichtung, die den durchschnittlichen Trill nur wenig interessierte. Merlank war in zwanzig Präfekturen unterteilt, jede verwaltet von nur wenigen Ämtern und kleinen Gruppen von Beamten, die eine den gewöhnlichen Trill überlegene Kaste bildeten, aber beträchtlich unter der Aristokratie standen. Der Handel mit dem übrigen Sternhaufen war unbedeutend; auf ganz Trullion gab es nur vier Raumhäfen: Port Gaw im Westen Merlanks, Port Kerubian an der Nordküste, Port Maheul an der Südküste und Vayamenda im Osten.

    Hundertfünfzig Kilometer östlich von Port Maheul befand sich die Marktstadt Welgen, berühmt für ihr schönes Hussadestadion; jenseits von Welgen lag das Fenn, eine Gegend von bemerkenswerter Schönheit. Tausende von Wasserwegen teilten das Gebiet in unzählige Inseln auf, einige von größeren Ausmaßen, andere so klein, dass nicht einmal eine Fischerhütte und ein Baum zum Festmachen des Bootes darauf Platz hatten.

    Allenthalben verschmolz ein hinreißender Anblick mit dem nächsten. Graugrüne Menanen, silbern-rostfarbene Pomandern, schwarze Jerdinen standen in stattlichen Reihen entlang der Wasserwege und verliehen jeder Insel ihre besondere Silhouette. Draußen auf den verfallenen Veranden saß das Landvolk, mit Krügen hausgemachten Weins in der Hand. Mitunter musizierten sie, spielten Konzertinas, kleine rundbauchige Gitarren, Mundorgeln, die heitere Triller und Glissandos hervorbrachten. Das Licht im Fenn war fahl und zart und schimmerte in Farben, die zu durchscheinend und subtil waren, um vom Auge wahrgenommen zu werden. Am Morgen verhinderte Nebel die Fernsicht; die Sonnenuntergänge waren Schauspiele in gedämpftem Limonengrün und Lavendelfarben. Skiffe und kleine Pulsorboote glitten über das Wasser; gelegentlich fuhr die Jacht eines Aristokraten vorüber oder die Fähre, die Welgen mit den Ortschaften im Fenn verband.

    Mitten im Fenn, ein paar Kilometer vom Dorf Saurkasch entfernt, lag die Insel Rabendary, auf der Jut Hulden mit seiner Frau Marucha und ihren drei Söhne lebte. Rabendary war etwa vierzig Hektar groß, wovon zwölf Hektar aus einem Wald mit Mena, Schwarzholz, Kerzenölbäumen und Semprissima bestanden. Im Süden erstreckte sich die große Fläche des Ambal Bruchs. Das Farwanwasser bildete die westliche Grenze von Rabendary, das Gilwegwasser die östliche, und entlang des Nordufers strömte träge der Saur. An der Westspitze der Insel befand sich das baufällige alte Zuhause der Huldens, zwischen zwei riesigen Mimosenbäumen. Rosaliareben rankten sich die Pfähle der Veranda hinauf, hingen über den Rand des Daches herunter und bildeten so einen duftenden Schatten zur Freude jener, die es sich in den alten Korbsesseln darunter gut gehen ließen. Im Süden bot sich der Anblick von Ambal Bruch und der Insel Ambal, einem Anwesen von etwas über einem Hektar Größe mit einer Reihe schöner Pomandern, silber-rostfarben vor dem Hintergrund erhabener Menanen und drei enormen Fanzanelen, die ihre großen zotteligen Pompons hoch in die Luft reckten. Durch das Laubwerk schimmerte die weiße Fassade des Herrenhauses, in dem Lord Ambal vor langer Zeit seine Mätressen unterhalten hatte. Das Anwesen war in den Besitz Jut Huldens gelangt, doch hatte er nicht die Neigung, im Herrenhaus zu wohnen; seine Freunde würden ihn für nicht recht bei Trost halten.

    In seiner Jugend hatte Jut Hulden bei den Saurkascher Schlangen Hussade gespielt. Seine Frau Marucha war Sheirl* bei den Welger Hexern gewesen; so waren sie sich begegnet, hatten geheiratet und drei Söhne zur Welt gebracht: Shira, die Zwillinge Glinnes und Glay und eine Tochter, Sharue, die ihnen von den Merlingen† genommen worden war.

    * Sheirl: Ein nicht übersetzbarer Begriff aus der Fachsprache des Hussade – eine ruhmreiche Nymphe, strahlend vor verzückter Vitalität, welche die Spieler ihrer Mannschaft zu unmöglichen Kraft- und Geschicklichkeitsleistungen antreibt. Die Sheirl ist eine Jungfrau, die vor der Schande der Niederlage bewahrt werden muss.

    † Merlinge: Amphibische, halb intelligente Ureinwohner von Trullion, die in Tunneln hausen, welche sie in die Flussufer graben. Merlinge und Menschen leben stets am Rande eines höchst heiklen Waffenstillstandes; sie hassen und jagen einander, allerdings unter für beide Seiten gerade noch erträglichen Bedingungen. Die Merlinge durchstreifen nachts das Land und suchen nach Aas, kleinen Tieren und Kindern. Sobald sie sich an Booten zu schaffen machen oder eine Wohnstätte betreten, üben die Menschen Vergeltung, indem sie Explosivstoffe ins Wasser werfen. Fällt ein Mensch ins Wasser oder versucht zu schwimmen, hat er die Domäne der Merlinge betreten und läuft Gefahr, in die Tiefe gezogen zu werden. Ähnlich ergeht es einem Merling, dem an Land keine Gnade gewährt wird.

    Kapitel II

    Glinnes Hulden erblickte schreiend und strampelnd das Licht der Welt; Glay folgte ihm eine Stunde später, in aufmerksamem Schweigen. Vom ersten Tag ihres Lebens an entwickelten sich die beiden verschieden: in ihrem Aussehen, ihrem Temperament, in allen Umständen ihres Lebens. Glinnes war, wie Jut und Shira, liebenswert, vertrauensvoll und von unbekümmerter Veranlagung; er wuchs zu einem ansehnlichen Burschen mit offenen Gesichtszügen, staubblonden Haaren und einem breiten, lächelnden Mund heran. Glinnes ging ganz in den Annehmlichkeiten des Fenn auf: den Festen, den amourösen Abenteuern, dem Sternenschauen und dem Segeln, Hussade, nächtlichen Merlingjagden, schlichtem Müßiggang. Glay mangelte es zunächst an strammer guter Gesundheit; die ersten sechs Lebensjahre war er mürrisch, nörglerisch und melancholisch. Dann genas er, überholte Glinnes rasch und war fortan der größere der beiden. Sein Haar war schwarz, seine Gesichtszüge straff und scharf, seine Augen aufmerksam. Glinnes nahm Ereignisse und Gedanken vorbehaltlos hin; Glay war zurückhaltend und finster. Glinnes war instinktiv geschickt beim Hussade; Glay weigerte sich, auch nur einen Fuß auf das Spielfeld zu setzen. Obwohl Jut ein gerechter Mann war, fand er es schwierig zu verbergen, dass er Glinnes vorzog. Marucha, selbst hochgewachsen, dunkelhaarig und zu romantischer Grübelei neigend, war mehr von Glay eingenommen, in dem sie poetisches Zartgefühl zu spüren vermeinte. Sie versuchte, Glay für Musik zu interessieren und erklärte ihm, wie er durch sie seine Gefühle ausdrücken könnte, um sie anderen zu vermitteln. Glay ließ der Gedanke kalt, und er brachte lediglich einige gleichgültige Missklänge auf ihrer Gitarre zustande.

    Glay war sogar sich selbst ein Rätsel. Selbstbetrachtung führte zu nichts; er fand sich selbst so verwirrend wie der Rest der Familie es tat. Als Jugendlicher hatten ihm seine strenge Erscheinung und seine recht hochmütige Selbstgenügsamkeit den Spitznamen »Lord Glay« eingebracht; das einzige Mitglied des Haushalts, das in das Herrenhaus auf Ambal ziehen wollte war, vielleicht aus Zufall, Glay; selbst Marucha hatte diesen Gedanken als einen törichten, wenn auch amüsanten Tagtraum abgetan.

    Glays einziger Vertrauter war Akadie der Mentor, der in einem bemerkenswerten Haus auf Sarpassante wohnte, einige Kilometer nördlich von Rabendary. Akadie, ein dürrer, langarmiger Mann mit ungleich angeordneten Gesichtszügen – einer große Nase, spärlichem, lockigem, schnupftabakbraunem Haar, glasigen blauen Augen, einem Mund, der sich fortwährend zitternd am Rande eines Lächelns befand – war, wie Glay, so etwas wie ein Einzelgänger. Anders als Glay hatte er seine persönlichen Eigenarten zu seinem Vorteil genutzt und zog sogar Kundschaft aus der Aristokratie an.

    Er war Epigrammverfasser, Poet, Kalligraf, Weiser, Begutachter von Anmut, professioneller Gast (Akadie als Zierde eines Fests anzuheuern, war eine Frage des Prestiges), Heiratsvermittler, Rechtsberater, Fundgrube örtlicher Traditionen und Quelle skandalösen Klatschs in einer Person. Akadies drolliges Gesicht, seine sanfte Stimme und seine feinsinnige Sprache verliehen dem Klatsch noch mehr Schärfe. Jut misstraute Akadie und wollte nichts mit ihm zu schaffen haben, zum Bedauern von Marucha, die ihre gesellschaftlichen Ambitionen nie aufgegeben hatte und im tiefsten Herzen glaubte, unter ihren Möglichkeiten geheiratet zu haben. Hussade-Sheirls ehelichten nicht selten Lords!

    Akadie war zu anderen Welten gereist. Nachts, während des Sternenschauens*, deutete er auf die Sterne, die er besucht hatte, dann erzählte er von ihrer Pracht und den wunderlichen Gewohnheiten ihrer Bewohner. Jut Hulden hielt nichts vom Reisen; sein Interesse an anderen Welten galt der Qualität ihrer Hussade-Mannschaften und der Ortsbestimmung der Sternhaufen-Meister.

    * Sternenschau: Nachts glitzern die Sterne des Alastor-Sternhaufens in überreicher Fülle. Die Atmosphäre bricht ihr Licht; der Himmel gleißt vor Strahlen, Funkeln und willkürlichen Blitzen. Die Trill gehen mit Weinkrügen hinaus in die Gärten, benennen die Sterne und reden über die entsprechenden Örtlichkeiten. Für die Trill, für nahezu jeden Alastorianer, ist das nächtliche Firmament kein abstrakter Lichthimmel, sondern ein Blick durch die erstaunliche Weite zu bekannten Orten: eine große beleuchtete Karte. Stets ist auch die Rede von Piraten – den sogenannten »Starmentern« – und ihren grässlichen Taten. Steht Numenes Stern am Himmel, drehen sich die Unterhaltungen um den Connat und den ruhmreichen Lusz, und stets sagt jemand: »Am besten, wir halten unsere Zunge im Zaum! Vielleicht sitzt er mitten unter uns, trinkt unseren Wein und merkt sich die Dissidenten!« – um damit nervöses Kichern zu ernten, denn die Angewohnheit des Connat, in aller Stille Welten zu besuchen, ist wohlbekannt. Dann äußert jemand die tapfere Bemerkung: »Hier sind wir – zehn (oder zwölf, sechzehn, zwanzig, was auch immer gerade zutrifft) von fünf Billionen! Der Connat – hier unter uns? Das Risiko gehe ich ein!«

    Bei einer solchen Sternenschau ging Sharue Hulden in die Dunkelheit. Bevor ihre Abwesenheit bemerkt wurde, hatten die Merlinge sie bereits gepackt und unter Wasser gezogen.

    Als Glinnes sechzehn war, sah er ein Starmenter-Schiff: Es fiel aus dem Himmel über Ambal Bruch und glitt mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf Welgen zu. Das Radio brachte minütlich Berichte über den Überfall. Die Starmenter landeten auf dem Stadtplatz, schwärmten aus und plünderten Banken, Juwelen-Kommissionäre und das Kausch-Lager – Kausch war die bei Weitem wertvollste Ware, welche auf Trullion produziert wurde. Außerdem ergriffen sie eine Reihe wichtiger Persönlichkeiten, um Lösegeld zu fordern. Der Überfall war kurz und gut durchgeführt; binnen zehn Minuten hatten die Starmenter ihr Schiff mit Beute und Gefangenen beladen. Unglücklicherweise für sie lief zufällig gerade ein Whelm-Kreuzer Port Maheul an, der lediglich den Kurs änderte, als der Alarm gesendet wurde, um stattdessen Welgen anzufliegen. Glinnes rannte hinaus auf die Veranda, um das Whelm-Schiff eintreffen zu sehen: ein schönes, stattliches Gefährt, beige, scharlachrot und schwarz emailliert. Das Schiff stürzte Welgen entgegen wie ein Adler und verschwand aus Glinnes’ Sichtbereich. Die Stimme aus dem Radio rief aufgeregt: »… sie steigen in die Luft auf, aber da kommt das Whelm-Schiff! Bei den neun Glorien, das Whelm-Schiff ist da! Die Starmenter können nicht in den Whisk* gehen; sie würden in der Reibungshitze verglühen! Sie müssen sich stellen!«

    * Whisk: Sternenantrieb.

    Der Sprecher konnte die Stimme vor Aufregung nicht mehr kontrollieren: »Das Whelm-Schiff greift an; das Schiff der Starmenter ist kampfunfähig! Hurra! Es fällt zurück auf den Platz. Nein, nein! Oh, was für ein Schrecken! Was für ein Schrecken! Es ist in den Markt gestürzt; Hundert Menschen werden zerquetscht! Achtung! Ruft die Krankenwagen, die Ärzte! Notfall in Welgen! Ich höre trauriges Weinen … das Starmenter-Schiff ist zerstört; doch sie kämpfen immer noch … ein blauer Strahl … noch einer … Das Whelm-Schiff erwidert den Beschuss. Die Starmenter sind still; ihr Schiff ist zerstört.« Der Sprecher verfiel in einen Augenblick des Schweigens, dann hatte er wieder Anlass

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