Weltraumoper
Von Jack Vance
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Über dieses E-Book
Ihr Neffe, Roger, hat natürlich ganz andere Gründe, mit ihr auf Tournee zu gehen – genauer gesagt, nur einen Grund: Madoc Roswyn. Diese wiederum hat eigene Vorstellungen, was die Reise betrifft, und besitzt Mittel, diese in die Tat umzusetzen.
Begleiten Sie das Ensemble des Opernschiffes Phoebus auf ihrer einzigartigen Reise im Weltraum, und erleben Sie schließlich mit, was auf der legendären Welt Rlaru, die auf dem Tourneeplan selbstverständlich nicht fehlen darf, sondern gar den Höhepunkt darstellen soll, geschieht ...
Mit »Weltraumoper« – »Space Opera« – nimmt Jack Vance die Bezeichnung dieser Spielart der Science Fiction augenzwinkernd wörtlich und die Leser mit auf eine Reise zu den Sternen und in die Welt der Großen Oper. So erleben wir mit, ob die werten Zuschauer, welche in den Genuss irdischer Musik kommen, diese auch zu goutieren verstehen.
Dame Isabel hat bereits Informationen über die Einheimischen von Zade erhalten und stellt die musikologische Gretchenfrage: »Und ich habe gehört, dass sie [die Einheimischen von Zade], in einem gewissen Sinne, Künstler sind. Das bedeutet, sie begreifen den kreativen Prozess, die Verfeinerung von Faktum zum Symbol und das Verwenden des Symbols, um Emotionen zum Ausdruck zu bringen?« Denn schließlich gibt es auch unter ihnen Künstler, die in der Lage sein sollten, den Schaffensprozess umzukehren und die den Werken zugrunde liegende Symbolik zu entschlüsseln – oder etwa nicht?
Jack Vance
Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren. Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht. Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.
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Buchvorschau
Weltraumoper - Jack Vance
Jack Vance
Weltraumoper
Edition
Andreas Irle
Hunschlade 27
51702 Bergneustadt
2020
Originaltitel: Space Opera
Copyright © 1965, 2013 by Jack Vance
Originalausgabe: Space Opera – New York: Pyramid Books, 1965
Deutsche Erstausgabe: Die Weltraumoper – München: Moewig, 1966
Copyright © dieser Ausgabe 2020 by Spatterlight Press
Titelbild: Ronald Marc
Satz: Andreas Irle
Übersetzung: Andreas Irle
Lektorat: Thorsten Grube, Gunther Barnewald
ISBN 978-1-61947-396-6
V01 2020-10-29
spatterlight.de
Management: John Vance, Koen Vyverman
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
Das Buch
Die Neunte Kompanie, eine Musikgruppe vom geheimnisumwitterten Planeten Rlaru, verschwindet während einer Gastspielreise auf merkwürdige Art und Weise spurlos von der Erde. Dame Isabel, Schatzmeisterin der Opernliga beschließt daraufhin, die Große Oper zwischen die Sterne zu tragen und den Einwohnern verschiedener Planeten die irdische Kunst nahe zu bringen. Die hervorragendsten Musiker und Sänger sind ihr dafür gerade gut genug.
Ihr Neffe, Roger, hat natürlich ganz andere Gründe, mit ihr auf Tournee zu gehen – genauer gesagt, nur einen Grund: Madoc Roswyn. Diese wiederum hat eigene Vorstellungen, was die Reise betrifft, und besitzt Mittel, diese in die Tat umzusetzen.
Begleiten Sie das Ensemble des Opernschiffes Phoebus auf ihrer einzigartigen Reise im Weltraum, und erleben Sie schließlich mit, was auf der legendären Welt Rlaru, die auf dem Tourneeplan selbstverständlich nicht fehlen darf, sondern gar den Höhepunkt darstellen soll, geschieht …
Mit »Weltraumoper« – »Space Opera« – nimmt Jack Vance die Bezeichnung dieser Spielart der Science Fiction augenzwinkernd wörtlich und die Leser mit auf eine Reise zu den Sternen und in die Welt der Großen Oper. So erleben wir mit, ob die werten Zuschauer, welche in den Genuss irdischer Musik kommen, diese auch zu goutieren verstehen.
Dame Isabel hat bereits Informationen über die Einheimischen von Zade erhalten und stellt die musikologische Gretchenfrage: »Und ich habe gehört, dass sie [die Einheimischen von Zade], in einem gewissen Sinne, Künstler sind. Das bedeutet, sie begreifen den kreativen Prozess, die Verfeinerung von Faktum zum Symbol und das Verwenden des Symbols, um Emotionen zum Ausdruck zu bringen?« Denn schließlich gibt es auch unter ihnen Künstler, die in der Lage sein sollten, den Schaffensprozess umzukehren und die den Werken zugrunde liegende Symbolik zu entschlüsseln – oder etwa nicht?
Der Autor
Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren.
Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht.
Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.
Informationen über ihn und sein Werk finden Sie hier:
www.editionandreasirle.de
Kapitel I
Roger Wool, der hinten in der Loge seiner Tante im Palladian-Theater saß, schenkte sich ein drittes Glas Champagner ein. Dame Isabel Grayce war mit ihren beiden Gästen beschäftigt und bemerkte es nicht. Roger lehnte sich mit dem angenehmen Gefühl zurück, eine Leistung vollbracht zu haben.
Noch fünf Minuten bis zum Vorhang! Der Saal war erfüllt von einem satten goldenen Licht und erwartungsvoller Vorfreude. Nach Triumphen überall auf der Welt war die Neunte Kompanie endlich auch im Palladian zu erleben. Jeder kannte ihr unverwechselbares Programm, das wie nichts war, was man zuvor auf der Erde gesehen hatte: einiges davon reizend und wehmütig; anderes strahlte beinahe schreckliche Empfindungen drohenden Unheils aus.
Das gesteigerte öffentliche Interesse an der Neunten Kompanie war auf eine Kontroverse zurückzuführen, die sie um die Welt begleitete: War die Truppe wirklich das Produkt eines fernen Planeten oder ein Schabernack, der von einer überaus cleveren Gruppe von Musikern getrieben wurde? Allenthalben schieden sich die Geister der Kritiker und Experten. Das Zeugnis der Musik selbst war mehrdeutig: In einer Hinsicht wirkte sie absolut fremd, in anderer meinte man eine gespenstische Ähnlichkeit mit bestimmten irdischen Musiken ausmachen zu können.
Roger Wool hatte sich kaum die Mühe gemacht, sich eine Meinung zu bilden, doch Dame Isabel Grayce, Schatzmeisterin der Opernliga, war tiefer involviert: Tatsächlich war es erst ihre Gönnerschaft gewesen, die Adolph Gondar den Einzug in die Theater und Opernhäuser der Welt ermöglicht hatte. Im Augenblick wurde Dame Isabels Aufmerksamkeit von einer steifen Konversation mit ihren beiden Gästen in Anspruch genommen. Es handelte sich um Joseph Lewis Thorpe, Musikkritiker der Transatlantischen Times, und Elgin Seaboro, Theaterredakteur der Galaktischen Rundschau. Beide hatten zynisch über die Neunte Kompanie geschrieben, ohne sich überhaupt die Mühe gemacht zu haben, eine Vorführung zu besuchen, und Dame Isabel hatte darauf beharrt, diesen Mangel zu beheben.
Der Vorhang teilte sich und offenbarte eine leere Bühne. Der Impresario, Adolph Gondar, trat vor: ein hochgewachsener dunkler Mann mit finsterer Stirn, grüblerischen schwarzen Augen und einer langgezogenen, melancholischen Kiefer- und Kinnpartie – kein Mann, der Vertrauen erweckte, doch ebenso niemand, dem eine groß angelegte Täuschung zuzutrauen wäre. Er sprach routiniert einige Worte und verließ die Bühne. Nach einigen elektrisierenden Augenblicken erschienen die Orchestermitglieder der Neunten Kompanie, begaben sich zum Podest an der Bühnenseite, ergriffen nahezu müßig die Instrumente und begannen zu spielen. Die Musik war leise und süß, und an diesem Abend wirkte sie nahezu heiter.
Kurz darauf traten andere Mitglieder der Truppe vor, um eine fröhliche kleine Operette zu präsentieren; diese wirkte so beiläufig, als sei sie improvisiert, gleichzeitig war sie zeitlich perfekt abgestimmt und vorzüglich in Bezug auf Schliff und Ausdruck. Die Handlung? Nicht in Worte zu fassen; möglicherweise gab es gar keine. Roger genoss die Präsentation und fragte sich, was das ganze Aufhebens darum sollte. Die Darsteller schienen nicht vollkommen menschlich zu sein, wenngleich gerade eben so sehr, um sich mit ihnen identifizieren zu können. Sie waren beweglich und zierlich, und irgendwie hatte man den Eindruck, ihre inneren Organe seien von der Ausformung und Anordnung her anders als die von Erdenmenschen. Die Männer waren aufrecht, sehnig, besaßen eine verblüffend weiße Hautfarbe, blitzende schwarze Augen und glattes schwarzes Haar. Die Frauen waren geschmeidiger, ansehnlich geformt und hatten pikante kleine Gesichter, die von Strähnen schwarzen Haars halb verdeckt wurden. Sie tänzelten fröhlich von einer Seite der Bühne zur anderen, sangen mit süßen traurigen Stimmen und wechselten mit erstaunlicher Geschwindigkeit die Kostüme, während die Männer streng und starr stehen blieben und in verschiedene Richtungen blickten oder in Übereinstimmung mit bestimmten, jedoch nicht nachvollziehbaren Grundregeln umherwirbelten. Währenddessen sorgten andere Mitglieder der Truppe für Musik – eine fragile Polyphonie, welche mitunter wie beiläufig erzeugte Geräusche wirkte, die sich dann, wenn der Verdacht an Gewissheit grenzte, zu einer Reihe hinreißender Akkorde auflösten, die alles, was vorher war, erklärten und in eine Ordnung brachten.
»Angenehm, wenn auch verwirrend«, dachte Roger Wool, der sich noch ein Glas Champagner einschenkte. Die Flasche knirschte im Eis; Dame Isabel schwang herum und bedachte ihn mit ihrem formidablen Blick. Roger stellte die Flasche mit übertriebener Vorsicht zurück.
Bald darauf wurde die Vorstellung durch eine Pause unterbrochen. Dame Isabel wandte sich mit ernstem und herausforderndem Gesichtsausdruck des Triumphs von Joseph Lewis Thorpe zu Elgin Seaboro. »Ich nehme doch an, Ihre Zweifel und Bedenken sind ausgeräumt?«
Der Erstgenannte räusperte sich und blickte den Letztgenannten an. »Virtuosität einer gewissen Art. Gewiss. Gewiss. Gewiss.«
Elgin Seaboro sagte: »Keine Frage, dass es sich hier um eine clevere und wagemutige Gruppe handelt, recht gut aufeinander abgestimmt. Frische neue Talente, würde ich sagen. Vollkommen frisch.«
»Das ist eine treffende Äußerung«, stellte Thorpe fest.
Dame Isabel zog die Brauen zusammen. »Dann geben Sie zu, dass Adolph Gondar und die Neunte Kompanie echt sind?«
Joseph Lewis Thorpe lachte unbehaglich. »Meine teure Dame, ich kann nur wiederholen, dass ich sein Verhalten alles andere als beruhigend finde. Weshalb gestattet er keine Presseinterviews? Warum hat kein Ethnologe von Rang und Namen diese Leute in Augenschein genommen? Diese Umstände ermutigen nicht gerade dazu, Herr Gondars Behauptungen für bare Münze zu nehmen.«
»Dann glauben Sie, Herr Gondar hat mich hintergangen? Letzten Endes hat die gesamte Tournee unter meiner Aufsicht gestanden. Ich kontrolliere sämtliche finanziellen Angelegenheiten, und ich bezweifle, dass Sie mich ernsthaft der Nachlässigkeit beschuldigen können.«
»Meine teure Dame, es gibt nicht die leiseste Andeutung von etwas Derartigem!«, erklärte Thorpe. »Sie sind auf nahezu berühmte Weise aufrichtig!«
»Adolph Gondar wäre ein vorzügliche Bursche«, ergriff Seaboro das Wort, »wenn er nicht versuchen würde, uns Sand in die Augen zu streuen.«
»Ja«, bestärkte Thorpe. »Wer genau ist dieser Gondar eigentlich?«
Dame Isabel presste die Lippen zusammen, und Roger sah fasziniert zu. »Herr Gondar«, erwiderte sie mit großer Deutlichkeit, »ist ein sensibler und weitsichtiger Mann. Von Beruf ist er Raumschiffkapitän. Er hat Dutzende von Welten besucht. Auf einer von ihnen, der Welt mit Namen Rlaru, konnte er die Neunte Kompanie dazu bewegen, auf eine Tournee zur Erde zu kommen. Das ist alles. Ich kann Ihre Skepsis nicht verstehen, insbesondere nicht nach meinen Versicherungen.«
Seaboro lachte herzhaft. »Es ist unser Geschäft, skeptisch zu sein. Wer hat schon jemals von einem gutgläubigen Kritiker gehört?«
»Meine Einwände«, erklärte Thorpe, »basieren teilweise auf der Musiktheorie und teilweise auf dem Wissen eines informierten Laien über die Galaxis. Ich finde es schwierig zu glauben, dass eine Fremdrasse ein verständliches musikalisches Idiom anwenden kann; außerdem habe ich noch niemals von einem Planeten ›Rlaru‹ gehört, welcher angeblich eine weit fortgeschrittene Zivilisation hervorgebracht hat.«
»Ah!«, meinte Dame Isabel mit halb geschlossenen Augen – ein Anzeichen, bei dem Roger unbehaglich zusammenzuckte. »Dann glauben Sie, diese Darsteller sind gewöhnliche Erdenmenschen, die sich als Fremde maskiert haben?«
Seaboro zuckte mit den Schultern. »Dazu kann ich mich nicht äußern. Wir alle haben bereits Vorstellungen gesehen, die wunderbar erschienen, von denen wir aber wussten, dass eine clevere Theaterleitung dahintersteckte. Diese Leute haben keine auffälligen nichtmenschlichen Charakteristika. Wenn Sie mir sagen würden, es handele sich um die Abschlussklasse der Golliwog Polonaise Akademie von Erddorf auf Procyon-Planet, würde ich Ihnen keinen Unglauben schenken.«
»Sie sind ein Narr!«, entgegnete Dame Isabel mit dem Ausdruck von jemandem, der ein wohl erwogenes und endgültiges Urteil fällt.
Seaboro rümpfte die Nase und drehte sich auf dem Platz um. Thorpe lachte nervös. »Unfair! Unfair! Wir alle sind lediglich Sterbliche, die sich durch ihre verschiedenen dunklen Dickichte schlagen! Bernard Bickel, der wahrscheinlich weiß …«
Dame Isabel stieß einen Laut der heftigen Verärgerung aus. »Erwähnen Sie mir gegenüber nicht diesen Namen!«, schnappte sie. »Er ist ein eingebildeter Poseur, absolut oberflächlich.«
»Er ist wahrscheinlich die auf der gesamten Welt führende Autorität auf dem Gebiet der vergleichenden Musikologie«, stellte Seaboro kalt fest. »Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als uns von seinen Ansichten beeinflussen zu lassen.«
Dame Isabel seufzte. »Ich hätte nichts anderes erwarten sollen.« Und nun ging auf der Bühne der Vorhang wieder auf.
Die Neunte Kompanie präsentierte eine fête champêtre. In rosafarbenen und blauen, grünen und blauen sowie gelben und blauen Wickelkleidern hatten sich die Akteure bei Mischwesen aus Feen und Harlekins eingehakt. Wie bereits zuvor schien es keine Handlung zu geben, schien kein erkennbares Bewegungsmuster zugrunde zu liegen. Die Musik war eine Mixtur aus Zirpen, Klimpern und Leiern, gelegentlich unterstrichen von einem heiseren Hupen, wie der Ton eines Nebelhorns oder das Tuten auf einer Muschel. Von einer Seite zur anderen bewegten sich die Darsteller, einmal hierher, dann dorthin: Eine Pavane? Eine beschauliche Feier? Die augenscheinlich ziellosen Bewegungen, die Knickse, die frivolen Kapriolen und Galoppsprünge wurden ohne Entwicklung oder Veränderung weitergeführt, doch unvermittelt bekam man die erstaunliche Ahnung, dass dies keine Farce war, keine leichte Unterhaltung, sondern eine düstere und schreckliche Präsentation: ein Heraufbeschwören herzerweichender Traurigkeit. Die Lichter erloschen, es wurde dunkel. Ein Blitz aus grellem blaugrünem Licht zeigte die Neunte Kompanie in Posen der Aufmerksamkeit und Ratlosigkeit, als sei sie von dem Problem verblüfft, welches sie selbst geschaffen hatte. Als die Zuschauer wieder alles sehen konnten, hatte sich der Vorhang gesenkt, und die Musik war verstummt.
»Gewitzt!«, murmelte Thorpe. »Aber unvollkommen.«
»Ich habe einen gewissen Mangel an Disziplin bemerkt«, berichtete Seaboro. »Eine lobenswerte Überschwänglichkeit, der Versuch, sich von traditionellen Formen zu lösen, allerdings, wie Sie bereits sagten, unvollkommen.«
»Guten Abend, Madame Grayce«, sagte Thorpe. »Vielen Dank für die Einladung! Guten Abend auch Ihnen, mein Herr.« Letzteres an Roger gerichtet.
Elgin Seaboro wiederholte die Bemerkungen seines Kollegen, und die zwei verschwanden.
Dame Isabel erhob sich. »Diese beiden Possenreißer! Komm, Roger!«
»Ich denke, ich werde dich jetzt verlassen«, meinte Roger. »Ich habe noch eine Verabredung …«
»Du hast nichts dergleichen. Du fährst mich zu Lillian Monteagles Abendgesellschaft.«
Roger Wool fügte sich. Er hing in hohem Maße von der Großzügigkeit seiner Tante ab und fand es angebracht, ihr in verschiedenerlei Kleinigkeiten zu willfahren. Sie verließen die Loge, stiegen zum Dach empor, und Rogers bescheidener, kleiner Herlingfoss-Luftwagen wurde von der Parkfläche herbeigebracht. Dame Isabel schlug Rogers helfende Hand aus und kletterte erhaben auf den Vordersitz.
Lillian Monteagle wohnte auf der anderen Seite des Flusses in einem uralten Palast, den sie mit allen gegenwärtigen Komfortstandards hatte ausstatten lassen. Sie war nahezu so wohlhabend wie Dame Isabel und berühmt für ihre ausgeklügelten Gesellschaften, obwohl der Anlass an diesem besonderen Abend ein vergleichsweise informelles Ereignis war. Ob nun in aller Unschuld oder aus unbeschwerter Boshaftigkeit – Lillian Monteagle hatte auch Bernard Bickel zu ihrem Abendessen eingeladen, den bedeutenden Musikologen, Raumreisenden, Redner und Bonvivant.
Dame Isabel nahm die Vorstellung mit einem kaum wahrnehmbaren Zusammenpressen der Lippen zur Kenntnis und erwähnte ihre Verbindung mit Adolph Gondar und der Neunten Kompanie von Rlaru mit keinem Wort.
Das Thema kam jedoch unvermeidlicherweise auf. Lillian Monteagle selbst war es, die sich, mit einem schalkhaften Seitenblick zu Dame Isabel, erkundigte, ob Herr Bickel bei der Vorstellung, die ein solches Aufsehen erregt hatte, zugegen gewesen sei.
Dieser schüttelte lächelnd den Kopf. Er war ein ansehnlicher Mann von frühem mittlerem Alter, besaß stahlgraues Haar, einen Schnurrbart und einen Ausdruck ungezwungenen Charmes. »Ich habe das ein oder andere im Fernsehen gesehen, aber nicht großartig darauf geachtet. Ich fürchte, die lieben Leute von der Erde sind nur allzu begierig auf Ablenkung, auf Neues, auf alles, was modisch und schrullig ist. So macht dieser Adolph Gondar ein Vermögen: Wenn müßige und törichte Leute gewillt sind, ihn zu bezahlen, weshalb sollte er das Geld nicht annehmen?«
»Mein lieber Herr Bickel«, protestierte Lillian Monteagle, »Sie klingen ja so, als würden Sie die Authentizität dieser Truppe anzweifeln!«
Bernard Bickel lächelte still. »Ich sage nur so viel: Ich habe noch nie von einem Planeten ›Rlaru‹, oder wie immer er auch ausgesprochen wird, gehört. Und wie Sie wissen, bin ich sehr weit im Weltraum herumgekommen.«
Eine junge Dame auf der anderen Seite des Tisches beugte sich vor. »Aber Herr Bickel! Ich glaube, Sie sind furchtbar ungerecht! Sie haben ja nicht einmal eine der Vorstellungen besucht! Ich schon, und ich war absolut begeistert.«
Bernard Bickel zuckte mit den Achseln. »Adolph Gondar, wer oder was auch immer er sein mag, ist zweifelsohne ein fantastisch guter Schausteller.«
Dame Isabel räusperte sich. Roger entspannte sich auf dem Stuhl: Warum sollte er der Anspannung oder Nervosität nachgeben? Was sein würde, würde sein; Dame Isabel trat gewöhnlich aufgrund ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer imposanten Präsenz mit intakter Würde aus einer solchen Situation hervor, und der Gegner war eingeschüchtert. Sie sprach: »Da kann ich Ihnen nicht beipflichten. Adolph Gondar ist als Schausteller absolut unfähig, obwohl er wahrscheinlich ein fähiger Raumschiffkapitän ist, denn das ist sein eigentliches Geschäft.«
»Ach?« Bernard Bickel verzog eine Braue zu einem fragenden Bogen. »Das würde seinen Behauptungen natürlich Farbe verleihen. Was mich angeht …«, er hob das Weinglas und inspizierte den scharlachroten Glanz,