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eBook318 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Lurulu ist die unmittelbare Fortsetzung zu Kaleidoskop der Welten und Jack Vances Schwanengesang, wie er selbst gesagt hat.
Myron Tany ist weiterhin mit dem Trampfrachter Glicca unterwegs von einem Hafen zum anderen, auf der Suche nach Abenteuern und seiner Tante Hester, die ursprünglich mit ihm zusammen ausgezogen war, um den berühmten Jungbrunnen zu finden. Mit an Bord sind solche illustren Zeitgenossen wie eine Gruppe Priester, die auf dem Weg ist, eine Weltbegehung zu unternehmen, und die Schaustellertruppe um Moncrief dem Mausreiter, die auf ein besonders spektakuläres Engagement am Trevanian-Theater hofft.
Doch bevor er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern kann, hilft Myron Tany Kapitän Maloof bei dessen privaten Schwierigkeiten mit seiner Mutter – wie sich herausstellt ein hochgradig gefährliches Unterfangen.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum15. Apr. 2020
ISBN9781619473904
Lurulu
Autor

Jack Vance

Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren. Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht. Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.

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    Buchvorschau

    Lurulu - Jack Vance

    Jack Vance

    Lurulu

    Edition

    Andreas Irle

    Hunschlade 27

    51702 Bergneustadt

    2020

    Originaltitel: Lurulu

    Copyright © 2004, 2005 by Jack Vance

    Originalausgabe: Lurulu – Tor: New York, 2004

    Deutsche Erstausgabe: Lurulu – Irle: Bergneustadt, 2004

    Copyright © dieser Ausgabe 2020 by Spatterlight Press

    Titelbild: Joe Bergeron

    Satz: Andreas Irle

    Übersetzung: Andreas Irle

    Lektorat: Thorsten Grube, Gunther Barnewald

    ISBN 978-1-61947-390-4

    V01 2020-04-15

    spatterlight.de

    Management: John Vance, Koen Vyverman

    eBook Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Das Buch

    Lurulu ist die unmittelbare Fortsetzung zu Kaleidoskop der Welten und Jack Vances Schwanengesang, wie er selbst gesagt hat.

    Myron Tany ist weiterhin mit dem Trampfrachter Glicca unterwegs von einem Hafen zum anderen, auf der Suche nach Abenteuern und seiner Tante Hester, die ursprünglich mit ihm zusammen ausgezogen war, um den berühmten Jungbrunnen zu finden. Mit an Bord sind solche illustren Zeitgenossen wie eine Gruppe Priester, die auf dem Weg ist, eine Weltbegehung zu unternehmen, und die Schaustellertruppe um Moncrief dem Mausreiter, die auf ein besonders spektakuläres Engagement am Trevanian-Theater hofft.

    Doch bevor er sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern kann, hilft Myron Tany Kapitän Maloof bei dessen privaten Schwierigkeiten mit seiner Mutter – wie sich herausstellt ein hochgradig gefährliches Unterfangen.

    Der Autor

    Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren.

    Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht.

    Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.

    Informationen über ihn und sein Werk finden Sie hier:

    www.editionandreasirle.de

    Einführung

    oder, genauer gesagt, eine Zusammenfassung von Kaleidoskop der Welten

    Als Junge hatte sich Myron Tany auf die Lehre der Raumerforschung gestürzt. In seiner Vorstellung durchwanderte er die fernen Orte des Gaeanischen Reiches, war überwältigt von den Heldentaten der Sternabgraser und Lokatoren, den Piraten und Sklavenhändlern, der IPCC und ihren tapferen Agenten.

    Im Gegensatz dazu schien sein Zuhause im beschaulichen Dorf Lilling auf der angenehmen Welt Vermazen der Inbegriff von allem Bequemen, Friedlichen und Einschläfernden zu sein. Trotz Myrons Tagträumen betonten seine Eltern beharrlich die Sachlichkeiten. »Wenn du Finanzanalytiker werden willst, wie dein Vater, ist deine Ausbildung am wichtigsten«, wurde ihm gesagt. »Nachdem du deinen Kurs am Institut abgeschlossen hast, kannst du eine Weile mit den Flügeln flattern, bevor du eine Anstellung an der Börse annimmst.«

    Myron, vom Wesen her sanft und gehorsam, drängte die berauschenden Bilder in den Hinterkopf und schrieb sich am College der Definierbaren Qualitäten am Varley-Institut in Salou Sain ein, auf der anderen Seite des Kontinents. Seine Eltern, denen seine Wankelmütigkeit klar war, schickten ihn mit einer Reihe strenger Anordnungen los. Er müsse sich mit ganzem Fleiß auf seine Studien konzentrieren. Schulische Leistungen seien höchst wichtig, wenn man sich auf eine Karriere vorbereite.

    Myron stimmte zu, sein Bestes zu geben, fand sich jedoch von Unschlüssigkeit befallen als die Zeit gekommen war, einen Studienplan vorzuschlagen. Trotz bester Absichten konnte er die Bilder von majestätischen Raumern, die durch die Leere glitten, von Städten, die nach fremden Gerüchen dufteten, von warmen Winden durchströmten Tavernen, in denen barfüßige Mädchen Mango-Mix und Blauen Ruin servierten, nicht beiseiteschieben.

    Am Ende legte Myron eine Reihe von Kursen fest, die seiner Ansicht nach einen Kompromiss darstellten. Die Liste umfasste statistische Mathematik, Wirtschaftsmuster des Gaeanischen Reiches, allgemeine Kosmologie, die grundlegende Theorie des Raumantriebs, Gaeanische Anthropologie. Das Programm, so versicherte er seinen Eltern, war als »Ökonomische Fluxionen« bekannt und lieferte eine solide Grundlage, auf der eine gute Allgemeinbildung fußen mochte. Myrons Eltern waren nicht überzeugt. Sie wussten, dass Myrons geziemendes Verhalten, obgleich zuweilen etwas geistesabwesend, eine Spur Unnachgiebigkeit barg, gegen die sich kein Argument durchsetzen konnte. Sie würden nichts mehr sagen; Myron musste aus den eigenen Fehlern lernen.

    Myron konnte die Vorzeichen, welche durch die bedrückenden Prophezeiungen seines Vaters herbeigeführt worden waren, nicht abtun. Als Konsequenz nahm er seine Arbeit noch energischer in Angriff denn je, und bald darauf wurde er mit hohen Ehren exmatrikuliert und ihm stand eine Anstellung an der Börse offen. Nun aber störte ein unvorhergesehener Faktor den Fluss seines Lebens. Der störende Einfluss war Myrons Großtante, Dame Hester Lajoie, die von ihrem ersten Gatten großen Wohlstand geerbt hatte. Dame Hester unterhielt ihre großartige Residenz, Sarbiter-Haus, an der Dingle-Terrasse, am südlichen Rand von Salou Sain. Dame Hester bemerkte während Myrons letztem Semester am Varley-Institut, dass dieser nicht länger ein schlanker Grünschnabel mit einem vagen und – wie sie es nannte – verträumten Ausdruck war, sondern zu einem ausgesprochen gut aussehenden jungen Mann geworden war, immer noch schlank, aber von guten körperlichen Proportionen, mit glattem blondem Haar und meerblauen Augen. Dame Hester genoss die Gegenwart von nett aussehenden Männern: Sie stellte sich vor, sie wirkten wie Spiegelfolie oder, vielleicht besser gesagt, wie ein Rahmen für das kostbare Prachtstück, welches sie selbst war. Wie dem auch sei, während Myrons letztem Semester wohnte er zusammen mit seiner Großtante im Sarbiter-Haus: eine Bildung als solches.

    Dame Hester passte in keine der bekannten Muster oder Kategorien des gaeanischen Frauenbildes. Sie war groß und hager, obgleich sie auf dem Wort »schlank« beharrte. Sie ging mit raumgreifenden Schritten, mit vorwärts geschobenem Kopf, wie ein raubgieriges Tier auf Beutezug. Eine wilde Masse mahagoniroten Haars umrahmte ihr hohlwangiges Gesicht. Die schwarzen Augen waren von kleinen Hautfalten und -runzeln umgeben, wie Papageienaugen, und die lange hohe Sattelnase endete in einem bemerkenswerten Haken. Es war ein eindrucksvolles Gesicht, mit zuckendem und sich verziehendem Mund, blitzenden Papageienaugen und einem Ausdruck, der im Fluss der Gefühle wechselte. Ihre ungestümen Stimmungen, Launen, Schrullen und Marotten waren berüchtigt. Eines Tages, bei einem Gartenfest, drängte ein Herr Dame Hester unschuldig dazu, ihre Memoiren zu schreiben. Die Inbrunst ihrer Entgegnung schockierte und bestürzte ihn. »Grotesk! Ungehobelt! Dumm! Eine garstige Vorstellung! Wie kann ich meine Memoiren schreiben, wenn ich kaum angefangen habe, zu leben?«

    Tatsächlich war Dame Hester nicht immer dezent. Sie hielt sich für ein Geschöpf von sinnlichem Charme, für das die Zeit keine Bedeutung hatte. Unleugbar bot sie, gekleidet in einer bemerkenswerten Garderobe in Magenta, Pflaumenblau, Lindgrün, Zinnoberrot und Schwarz, einen hinreißenden Anblick, wenn sie die Haut Monde aufmischte.

    Dame Hester hatte neulich einen Richtspruch wegen Verleumdung gegen Gower Hatchkey, ein wohlhabendes Mitglied der Gadroon Gesellschaft, gewonnen. Als Satisfaktion infolge des Richtspruchs hatte sie die Raumyacht Glodwyn akzeptiert.

    Zu Anfang dachte Dame Hester von der Glodwyn lediglich als Beweis, dass jeder, der beliebte, sie als »kahlen alten Drachen mit der roten Perücke einer Vogelscheuche« zu bezeichnen, ordentlich für dieses Privileg bezahlen musste. Zu Myrons Erstaunen zeigte sie keinerlei Interesse an dem Schiff. Schroff sagte sie ihm: »Ich für meinen Teil habe nun wirklich keine Neigung, in einem übergroßen Sarg durch den Weltraum zu rasen. Das ist reiner Wahnsinn und eine Demütigung von Körper und Seele. Wahrscheinlich sollte ich das Schiff zum Kauf anbieten.«

    Myron stöhnte nur und raufte sich die glatten blonden Haare, war jedoch zu schockiert, um zu protestieren.

    Dame Hester musterte ihn genau, Papageienaugen blitzten. »Ich sehe, dass du perplex bist; du hältst mich für ängstlich und orthodox. Das ist unzutreffend! Ich achte nicht auf Konventionen, und weshalb? Weil mein jugendlicher Geist den Jahren trotzt! Also tust du mich als exzentrischen Wildfang ab! Na und? Es ist der Preis, den ich für den Elan der Jugend zahle und für das Geheimnis meiner blühenden Schönheit!«

    »Ah ja, natürlich!«, entgegnete Myron. Gedankenvoll fügte er hinzu: »Dennoch ist es eine traurige Verschwendung eines schönen Schiffes.«

    Die Bemerkung verwirrte Dame Hester. »Myron, sei praktisch! Weshalb sollte ich durch den leeren Weltraum ziehen oder durch schmutzige Hintergassen stapfen, um fremde Gerüche zu riechen? Absurd!«

    Wie betäubt machte Myron sich davon, um Überweltliches Leben: Die Lokatoren und ihre Modell 11-B-Kisten zu lesen.

    * * *

    Während einer der seltenen Momente der Ruhe stieß Dame Hester zufällig auf einen Artikel, der von einer gewissen »Serena« verfasst war, die über ihre Erfahrungen auf der Welt Kodaira erzählte, wo sie sich einem erstaunlich wirksamen Programm der Wiederverjüngung unterzogen hatte. Dame Hester war von dem Artikel begeistert. Nachdem sie Erkundigungen eingezogen hatte, änderte sie ihre Ansichten in Bezug auf die Raumfahrt und beschloss, Kodaira an Bord der Glodwyn einen Besuch abzustatten.

    Für Dame Hester war Denken gleich Handeln. Sie rief Myron und wies ihn an, die genaue Position von Kodaira zu ermitteln. Sie ernannte ihren teuren und vertrauten Freund Dauncy Covarth zum Kapitän der Glodwyn, doch dieser brachte sich in Misskredit und die Stellung wurde, mangels eines anderen Kandidaten, Myron anvertraut.

    Die Glodwyn verließ den Raumhafen von Salou Sain, und Myron setzte einen Kurs nach Naharius, wie der richtige Name von Kodaira lautete. Für eine Weile verlief die Reise reibungslos. Dame Hester aalte sich in der Ruhe, im Mangel an Stress, in der absoluten Anspruchslosigkeit an ihre Zeit. Sie schlief lange, bummelte beim Essen und las etliche Bücher. »Die Reise«, sagte sie zu Myron, »ist als solches schon eine Verjüngungskur.«

    Mit der Zeit schwand Dame Hesters Begeisterung. Sie wurde immer rastloser, und schließlich rief sie Myron.

    »Ja, Tante Hester?«

    »Wie weit sind wir bisher gekommen?«

    »Wir haben etwa die Hälfte geschafft, schätze ich.«

    »So wenig? Ich fühle mich, als wären wir schon ewig unterwegs!«

    »Naharius ist tatsächlich sehr weit entfernt«, gab Myron zu. »Dennoch, es gibt auf dem Weg viel, an dem man sich erfreuen kann: ungestörte Ruhe, Entspannung und tiefe Meditation, die pure Freude, sich mühelos an den Sternen vorüberzubewegen.«

    »Bah!«, schnappte Dame Hester.

    Myron deutete zum Beobachtungs-Bullauge. »Beobachte, wie die Sterne vorüberziehen. Es ist das romantischste aller Schauspiele!«

    »Mein Wunsch wäre, Zwischenstation auf einer angenehmen Welt einzulegen, wo wir neue Luft atmen und den Reiz fremder Landschaften und malerischer Dörfer genießen können, wo die Leute immer noch ihren alten Sitten nachgehen.«

    »Alles schön und gut«, sagte Myron. »Ohne Zweifel gibt es diese malerischen Orte, aber wenn wir von unserer geplanten Route abweichen, kommen wir womöglich nicht so leicht zurück in die Nähe unseres Bestimmungsortes, Naharius.«

    Dame Hester schien es nicht zu hören. »Ich habe von einheimischen Märkten gelesen, wo man einzigartige Waren erstehen kann: Fetische und Masken, Fruchtbarkeitsembleme, exotische Stoffe. Man kann günstige Geschäfte abschließen, sofern man darauf vorbereitet ist, ein wenig zu feilschen.«

    »Ja, ja, natürlich! Nichtsdestotrotz sind solche Welten nicht überall zu finden.«

    Dame Hester sprang vom Sofa auf. »Bitte! Myron! Ich habe meine Bedürfnisse geäußert! Sei so gut und stille sie.«

    Myron sprach mit gezwungener Geduld. »Meine liebe Tante Hester, falls ich zu deiner Freude eine Welt von solch großartiger Romantik aus dem Ärmel schütteln könnte, würde ich es auf der Stelle tun. Aber ich müsste dafür ein Wunder vollbringen!«

    Dame Hester sprach eisig: »Wenn das so ist, dann vollbringe ein Wunder. Bist du dir jetzt endlich meiner Stimmung bewusst?«

    »Ja«, sagte Myron. »Schon klar.«

    »Gut.« Dame Hester nahm wieder ihre träge Position auf dem Sofa ein.

    Myron verbeugte sich und machte sich auf den Weg, um seine Auskunftswerke zurate zu ziehen.

    Bald darauf kehrte er in den Salon zurück. »Ich habe ausgiebig das Handbuch der Planeten studiert«, informierte er Dame Hester. »Die am leichtesten zu erreichende Welt ist Dimmick, in der Umlaufbahn um Maudwells Stern, einem weißen Zwerg. Sie erscheint seltsam genug und sonderbar genug, um sogar den gierigsten Geschmack zu befriedigen. Die Auskünfte sind etwas vieldeutig, aber keine betont nachdrücklich den Reiz dieser Welt. Ich zitiere aus dem Handbuch: Dimmick ist keine Welt des friedlichen Charmes, obgleich die Topografie häufig eine zerklüftete Erhabenheit aufweist. Die Oberfläche ist zum überwiegenden Teil von schroffen felsigen Bergen und Gletschern bedeckt. Eine Anzahl kleiner runder Ebenen, eingedrückt in die Oberfläche, sind Meteorkrater. In diesen Gebieten ist die Lufttemperatur, reguliert von der Bodenhitze, an der Schwelle des Erträglichen. Die Stadt Flajaret und der Raumhafen befinden sich in einem dieser Krater. Dimmick und seine Einwohner sind, um es vorsichtig auszudrücken, ungewöhnlich, obgleich feinfühlige Besucher davon nicht erfreut sein dürften. Der Ausfluss heißer Quellen bahnt Tunnel durch die Gletscher und bietet einer heruntergekommenen Kaste von Hundezüchtern, auch bekannt als ›Spockows‹, Unterschlupf. Die oberen Kasten halten ihre Hunde in ihren Häusern und kleiden sie in ausgefallene Anzüge. Es herrscht eine unterschwellige Feindschaft zwischen den Kasten, da eine von ihnen die Geschöpfe isst, während die andere die Tiere verhätschelt und sie mit Leckerbissen von ihren Tischen füttert. Die Hauptsportart ist der Hundekampf, der bedeutsam ist, da er den Takt der Gesellschaft vorgibt. Das Wetten ist zwanghaft. Selbst kleine Kinder krabbeln zur Arena, um Münzen auf ihr Lieblingstier zu setzen. Eine weitere Grundlage für das Wetten ist das Strafrecht. In der Nähe von Flajaret gibt es einen großen See, der mit getrockneten Algen bedeckt ist. Auf dieser prekären Fläche wird die Vollstreckung der Strafen durchgeführt, zum großen Interesse der breiten Öffentlichkeit. Dimmick ist nicht gerade bekannt für eine kultivierte Küche, da, wenn überhaupt, nur wenige natürliche Nahrungsmittel gegessen werden. Gewöhnliche Lebensmittel bestehen aus synthetischem Schleim, der, angereichert mit künstlichen Aromen, gebraten, gebacken, gekocht oder gegart wird, was am Ende auf das Gleiche herauskommt.

    Myron hielt inne. »Soll ich fortfahren? Das Handbuch führt einige Rezepte für gekochten Hund auf, die dich vielleicht interessieren.«

    »Nein danke!«

    Myron blickte Dame Hester von der Seite an, versuchte ihre Stimmung einzuschätzen. Häufig gab sie sich verdreht, einfach um etwas Dramatik in eine Situation zu bringen. Er riskierte es, eine Meinung zu äußern: »Ich schlage vor, wir fliegen an Dimmick vorbei. Wir nähern uns Port Tanjee auf Taubry, was sicherlich weitaus unterhaltsamer sein wird.«

    Dame Hester sprach entschieden: »Wir werden in Flajaret landen und diese gottverlassene Welt kurz erkunden. Dann machen wir in Port Tanjee ebenfalls Halt. Auf diese Weise sind wir in der Lage, das Gute mit dem Schlechten zu vergleichen.«

    Myron vollführte eine knappe Verbeugung. »Wie du willst.«

    In Flajaret begegnete Dame Hester einem Außerweltler namens Marko Fassig, einen einnehmenden jungen Taugenichts mit kräftigen Schultern, einem buschigen Schnurrbart und ruhigen braunen Augen. Sein Witz und seine Galanterie im Allgemeinen beeindruckten Dame Hester in solchem Maße, dass sie ihn, trotz Myrons starker Einwände, als Zahlmeister an Bord der Glodwyn anheuerte.

    Als die Glodwyn in Port Tanjee landete, machte Myron von seiner Autorität Gebrauch und entließ Fassig von seinem Posten. Er befahl ihm, binnen Stundenfrist von Bord zu gehen, doch eine halbe Stunde später war es Myron selbst, der das Schiff in mürrischer Stimmung mit seinem Koffer verlassen musste, wobei ihm die letzten Bemerkungen von Dame Hester immer noch in den Ohren klangen.

    * * *

    Myron ging in die Stadt und nahm für die Nacht Unterkunft im Logierhaus Wanderers Rast. Abends suchte er das Gasthaus Eulenwyck auf, wo er die Crew des Frachters Glicca traf, die aus Kapitän Adair Maloof, Chefsteward Isel Wingo, Chefingenieur Fay Schwatzendale und Hilmar Krim, dem Frachtaufseher, bestand. Die Schiffskameraden unterschieden sich ausgesprochen voneinander, Krim allerdings am meisten. Er war groß und hager, besaß eine hohe Stirn, ein komisches Gewirr schwarzer Haare, ein langes Kinn und schwarze Augen mit schweren Lidern. Krim hatte sich dogmatischen Ansichten verschrieben, die zu widerlegen seine Kameraden sich keine Mühe gaben. Myron erfuhr, dass Krim ein hingebungsvoller Gelehrter der Jurisprudenz war und eine drei Bände umfassende Analyse des Gaeanischen Rechts verfasste.

    An diesem besonderen Abend war Krim guter Laune und trank einige Humpen vom Alten Gaboon. Als der Tanz begann, sprang er auf die Tanzfläche und vollführte einen schwungvollen, beweglichen Tanzschritt. Ein stattlicher, gut gekleideter Herr mit einem vornehmen kupferroten Schnurrbart trat ebenfalls auf die Tanzfläche, um einen Tanz aufzuführen, der als »Hühnerdieb-Trott« bekannt war – ein langer, hüpfender Schritt mit weit nach hinten gebeugtem Körper, wobei die Beine hoch nach vorne austraten. Die zwei berührten einander; während der anschließenden Auseinandersetzung beging Krim einige Vergehen gegen die örtlichen Gesetze. Als der diensthabende Konstabler versuchte, ihn zu mäßigen, verschlimmerte Krim seine Vergehen noch, indem er dem Mann mit dem kupferroten Bart gegen die Schienbeine trat. Der Herr indes war zufälligerweise der Distrikt-Magistrat.

    Der Magistrat humpelte zu einem Stuhl auf dem Podium und setzte sich, während der Polizeimeister der Wache vortrat und die gesamte Liste von Krims Fehltritten vortrug. Törichterweise versuchte Krim, gegen die Gerichtsbarkeit vorzugehen, indem er Begriffe wie »fetter Trottel« und »Dummerjan« verwendete: ein erneuter Verstoß gegen den örtlichen Anti-Diffamierungs-Kodex. Es wurde sofort Anklage gegen ihn erhoben. Der Magistrat setzte seine Richtermütze auf und befasste sich mit Krims Fall. Nun wirkte er kühl und unvoreingenommen, wie es der Position geziemte, und verkündete Krims Urteil in gemessenem Ton: »Mein Herr, Sie haben einige interessante rechtliche Punkte angeführt, aber sie sind etwas weit hergeholt. Meine Pflicht ist es, Ihr rechtliches Verständnis zu verbessern und das unschuldige Volk dieser Stadt vor Handlungen geistloser Gewalt zu schützen. Deshalb verurteile ich Sie zu vier Monaten, elf Tagen und neunzehn Stunden erzieherischer Maßnahmen im Steinbruch.«

    Krim versuchte, weitere Gesetzmäßigkeiten anzuführen und passende Präzedenzfälle für den Fall zu nennen, wurde aber aus der Herberge geschafft und zum Steinbruch geführt.

    Nach einer schicklichen Weile bewarb Myron sich bei Kapitän Maloof um Krims Position auf der Glicca. Kapitän Maloof grübelte einen Augenblick. Er sagte: »Die Aufgabe ist nicht einfach und verlangt einem kompetenten Mann alles ab.«

    »Ich glaube, ich bin dieser Mann«, erklärte Myron kühn.

    »Wir werden sehen«, entgegnete Kapitän Maloof. »Zunächst lassen Sie mich Folgendes fragen: Sind Ihnen die zehn wesentlichen Ziffern des Zahlensystems bekannt?«

    »Jawohl. Das sind sie!«

    »Und Sie kennen ihre übliche Anwendung?«

    »Jawohl.«

    »Sie sind in der Lage, geschriebene Dokumente zu lesen und sie in gesprochene Sprache zu übersetzen?«

    »Jawohl.«

    »Falls Sie angeheuert werden, hätten Sie Einwände dagegen die Geschäftsbücher mehr oder weniger akkurat zu führen?«

    »Nein, keineswegs.«

    Kapitän Maloof seufzte erleichtert. »Ihre Qualifikationen scheinen vorzüglich zu sein. Sie sind angeheuert.«

    »Vielen Dank!«

    »Ganz und gar nicht«, sagte Kapitän Maloof. »Ich möchte zwar keinen unnötigen Kummer über den armen Krim bringen, aber es ist eher eine Erleichterung, dass er große Felsen schleppt, statt in den Büchern herumzutun. Die größte Herausforderung für Sie, glaube ich, wird es sein, sich Krims intuitiven Methoden der Buchführung anzupassen. Sie dürfen sich morgen Früh an Bord der Glicca melden.«

    Am nächsten Morgen verließ Myron das Wanderers Rast und frühstückte in einem Straßencafé am Rande der Plaza. Dann ging er unter den Wolkenbäumen entlang zum Raumhafen, durch den Terminal und fand die Glicca hundert Meter weit draußen auf dem Landefeld. Sie war ein unansehnlicher alter Klotz, hatte drei Ladebuchten für Fracht und konnte eine schwankende Anzahl an Passagieren aufnehmen. Der Rumpf, der einst blaugrau mit dunkelrotem Trimm emailliert gewesen war, zeigte nun das glanzlose Grauweiß der Grundierung mit verschmierter Grundierfarbe in Orange, wo man für nötig gehalten hatte, Schrammen, Abrieb und Meteorschäden zu versiegeln. Myron näherte sich ihr, stieg die kurze Laufbrücke hinauf und ging durch das offene Luk in den Hauptsalon. Hier fand er Kapitän Maloof und Schwatzendale, die gerade frühstückten.

    »Setzen Sie sich«, sagte Kapitän Maloof. »Haben Sie schon gefrühstückt?«

    »Ich hatte zwei Stücke Fischgebäck in roter Soße und eine Kanne Pfeffertee«, erwiderte Myron. »In gewisser Hinsicht war es ein Frühstück.«

    Wingo, in der Kombüse, hatte den Wortwechsel gehört und brachte Myron sofort eine Schüssel Bohnen mit Speck und zwei aufgebackene Brötchen. »Das Essen, das man an entfernten Orten findet, ist häufig minderwertig«, erklärte Wingo ernst. »An Bord der Glicca gibt es keine Feinschmecker, aber auch keine Sonderlinge; wir verspüren nicht den Drang, jede Feinheit der lokalen Küche zu erforschen.«

    »Wingo agiert in diesen Angelegenheiten als unser Gebieter«, klärte Schwatzendale Myron auf. »Wenn er auf dem Markt Sachen findet, die ihn neugierig machen, wird es uns beim Abendessen vorgesetzt. Er beobachtet genau, und wenn wir den Anschein erwecken, das Gericht zu

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