Miro Hetzel
Von Jack Vance
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Über dieses E-Book
„Das Touristenbüro von Hundsheim“
„Die Nächste bitte!“
Auszug aus einer der Geschichten:
Das Antlitz Conwit Clents erschien beinahe sofort auf dem Schirm: ein Gesicht, welches normalerweise unbekümmert und großzügig wirken musste, mit lockigem Blondhaar, einer wohlgeformten, wenn auch großen Nase und einem kantigen Klotz von Kinn. Die Züge waren nun ausgehärmt und verkniffen; die rötliche Haut besaß einen ungesunden grauen Unterton.
Hetzel stellte sich vor. »Bitte entschuldigen Sie den Verzug. Ich bin erst seit einer Stunde wieder in der Stadt.«
Clents Gesicht erschlaffte vor Erleichterung: »Ausgezeichnet! Könnten Sie hierherkommen, zu meinem Heim? Oder würden Sie es vorziehen, sich mit mir in der Stadt zu treffen?«
»Einen Augenblick, bitte«, entgegnete Hetzel. »Können Sie mir etwas mehr über den Fall sagen?«
Clent räusperte sich und blickte über die Schulter. Er murmelte unbehaglich: »Es handelt sich um etwas, was unter allen Umständen schwierig zu besprechen ist. Sie erinnern sich an Faurence Dacre?«
»Sicher.«
»Wussten Sie, dass er Chirurg geworden ist?«
»Ich habe ihn weder gesehen noch von ihm gehört, seit er die Schule verlassen hat.«
»Dann kennen Sie nicht seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort?«
»Nein.«
Clent seufzte unglücklich, nicht so sehr als Reaktion auf Hetzels Bemerkung, sondern eher, als ob sich gewisse eigene düstere Vermutungen in vollem Umfang bestätig hätten. »Wenn Sie hierher zur Villa Dandyl kommen wollen, erkläre ich alles im Detail, und Sie werden die Gründe für meinen Anruf zu würdigen wissen.«
Jack Vance
Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren. Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht. Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.
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Buchvorschau
Miro Hetzel - Jack Vance
Jack Vance
Miro Hetzel
Edition
Andreas Irle
Hunschlade 27
51702 Bergneustadt
2021
Originaltitel: Galactic Effectuator
Copyright © 1980, 2013 by Jack Vance
Originalausgabe: Galactic Effectuator – Underwood-Miller: San Francisco, CA; Columbia, PA, 1980
Deutsche Erstausgabe: Der galaktische Spürhund – München: Knaur, 1983
Copyright © dieser Ausgabe 2021 by Spatterlight Press
Titelbild: Jared Pullen
Satz: Andreas Irle
Übersetzung: Andreas Irle
Lektorat: Thorsten Grube, Gunther Barnewald
ISBN 978-1-61947-400-0
V01 2021-03-26
spatterlight.de
Management: John Vance, Koen Vyverman
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
logo_xinxiiDas Buch
In Miro Hetzel finden sich zwei Geschichten um den galaktischen Effektuator Miro Hetzel:
„Das Touristenbüro von Hundsheim"
Sir Ivon und Hetzel nahmen wieder Platz. Ersterer fuhr mit seiner Darlegung fort. »Also dann – die Istagam-Sendungen stammen offenbar von Maz, was höchst bemerkenswert erscheint.«
»Daran besteht kein Zweifel. Was genau wollen Sie, dass ich unternehme?«
Sir Ivon warf Hetzel einen verwirrten Seitenblick zu, als wundere er sich über dessen Naivität. »Unser vorrangiges Ziel sind Informationen. Versuchen die Liss oder die Olefrakt geschäftlich in das Gaeanische Reich vorzudringen? Falls ja, werden sie es umgekehrt auch gestatten? Falls nein, wer oder was ist Istagam? Wie schaffen sie es, derart bemerkenswerte Einsparungen umzusetzen?«
»Das erscheint mir nicht kompliziert.«
Sir Ivon faltete die Hände über dem Bauch und blickte fort ins Leere. »Ich muss wohl kaum darauf hinweisen, dass Istagam eine Beeinträchtigung darstellt, welche letztendlich abgestellt werden muss. Natürlich spreche ich mich nicht für Sabotage oder Mord aus, das versteht sich von selbst. Dennoch, Sie haben Ihre eigenen Methoden, die Ihnen Ihren beneidenswerten Ruf eingebracht haben.«
Hetzel kniff die Brauen zusammen. »Damit scheinen Sie zu sagen, dass ich mir einen Ruf für Mord und Zerstörung erworben habe, den Sie beneiden.«
Sir Ivon warf Hetzel einen scharfen Blick zu und zog es vor, den taktlosen Witz zu ignorieren. »Noch etwas anderes, was mit Istagam verknüpft sein mag oder auch nicht. Zuweilen behalte ich gewisse wichtige Dokumente einen oder zwei Tage oder bis hin zu einer Woche hier in Harth, um sie zu studieren, sobald ich dazu die Muße habe. Vor etwa drei Monaten wurde ein Portfolio mit wertvollen Marketinginformationen vom Anwesen gestohlen. Diese Papiere würden meinen Wettbewerbern beträchtlichen Nutzen bringen; für Istagam wären sie von unschätzbarem Wert. Der Diebstahl wurde mit Finesse begangen; niemand hat den Übeltäter gesehen; er hat keine Spuren hinterlassen, und ich habe den Verlust erst bemerkt, als ich das Portfolio öffnete. Ich erwähne diese Angelegenheit, damit Sie vor Istagam auf der Hut sind. Die darin verwickelten Leute sind offenbar skrupellos.«
»Ich werde mir Ihre Warnung gewiss zu Herzen nehmen«, versicherte Hetzel, »vorausgesetzt, Sie entschließen sich, mir diese gefährliche und schwierige Angelegenheit anzuvertrauen.«
Sir Ivon hob die Augen zum Himmel, als suche er nach einem göttlichen Verbot vor Hetzels Habgier. Er langte in die Tasche und zog eine Broschüre hervor, die er dem Effektuator reichte. »Hier habe ich eine Karte von Axistil, veröffentlicht vom örtlichen Touristenverband auf Maz. Axistil ist, wie Sie sehen, eine sehr kleine Gemeinde. Die Plaza und das Triskelion stehen unter triarchischer Gerichtbarkeit. Der gaeanische Sektor ist grün gefärbt und umfasst den gaeanischen Raumhafen, das Hotel Beyranion, wo Sie untergebracht sein werden, und einen Teil der Siedlung, die als Hundsheim bekannt ist. Fern-Hundsheim, auf Gomaz-Territorium, befindet sich jenseits der gaeanischen Autorität und ist eine Zuflucht für Verbrecher und Gesindel. Der Liss-Sektor wird durch die purpurne Schattierung angezeigt und umfasst den Raumhafen der Liss. Der Olefrakt-Sektor ist mit den orangefarbenen Tupfen dargestellt.« Sir Ivon wurde ernst und leutselig. »Eine faszinierende Stadt, habe ich gehört. Ein Ort, der möglicherweise einzigartig in der Galaxis ist: ein Knotenpunkt dreier interstellarer Reiche! Stellen Sie sich das vor!«
„Die Nächste bitte!"
Die letzte Nachricht des Gedächtnissystems war nahezu auf die Minute genau vor drei Tagen empfangen worden, und diese Nachricht war es auch, die Hetzels stärkstes Interesse weckte. Er lauschte ihr ein zweites Mal: »Sie kennen mich nicht; ich heiße Clent – Conwit Clent. Meine Adresse lautet Villa Dandyl, Tangentstraße, Junis. Ich stehe einem höchst lästigen Problem gegenüber – zumindest erscheint es mir lästig. Ich hätte Sie auch nicht angerufen, nur dass die Angelegenheit einen gewissen Faurence Dacre betrifft und in diesem Zusammenhang Ihr Name gefallen ist. Nur am Rande, beeile ich mich hinzuzufügen. Ich wiederhole, dass die Angelegenheit äußerst wichtig ist, und Ausgaben spielen, innerhalb eines vernünftigen Rahmens, keine Rolle. Ich kenne Ihren Ruf und hoffe, Sie sind in der Lage, sich sobald als möglich mit mir in Verbindung zu setzen.«
Hetzel tätigte sogleich einen Ruf an Conwit Clent in der Villa Dandyl im schönen Hügelvorort von Junis.
Das Antlitz Conwit Clents erschien beinahe sofort auf dem Schirm: ein Gesicht, welches normalerweise unbekümmert und großzügig wirken musste, mit lockigem Blondhaar, einer wohlgeformten, wenn auch großen Nase und einem kantigen Klotz von Kinn. Die Züge waren nun ausgehärmt und verkniffen; die rötliche Haut besaß einen ungesunden grauen Unterton.
Hetzel stellte sich vor. »Bitte entschuldigen Sie den Verzug. Ich bin erst seit einer Stunde wieder in der Stadt.«
Clents Gesicht erschlaffte vor Erleichterung: »Ausgezeichnet! Könnten Sie hierherkommen, zu meinem Heim? Oder würden Sie es vorziehen, sich mit mir in der Stadt zu treffen?«
»Einen Augenblick, bitte«, entgegnete Hetzel. »Können Sie mir etwas mehr über den Fall sagen?«
Clent räusperte sich und blickte über die Schulter. Er murmelte unbehaglich: »Es handelt sich um etwas, was unter allen Umständen schwierig zu besprechen ist. Sie erinnern sich an Faurence Dacre?«
»Sicher.«
»Wussten Sie, dass er Chirurg geworden ist?«
»Ich habe ihn weder gesehen noch von ihm gehört, seit er die Schule verlassen hat.«
»Dann kennen Sie nicht seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort?«
»Nein.«
Clent seufzte unglücklich, nicht so sehr als Reaktion auf Hetzels Bemerkung, sondern eher, als ob sich gewisse eigene düstere Vermutungen in vollem Umfang bestätig hätten. »Wenn Sie hierher zur Villa Dandyl kommen wollen, erkläre ich alles im Detail, und Sie werden die Gründe für meinen Anruf zu würdigen wissen.«
Der Autor
Jack Vance (richtiger Name: John Holbrook Vance) wurde am 28. August 1916 in San Francisco geboren. Er war eines der fünf Kinder von Charles Albert und Edith (Hoefler) Vance. Vance wuchs in Kalifornien auf und besuchte dort die University of California in Berkeley, wo er Bergbau, Physik und Journalismus studierte. Während des 2. Weltkriegs befuhr er die See als Matrose der US-Handelsmarine. 1946 heiratete er Norma Ingold; 1961 wurde ihr Sohn John geboren.
Er arbeitete in vielen Berufen und Aushilfsjobs, bevor er Ende der 1960er Jahre hauptberuflich Schriftsteller wurde. Seine erste Kurzgeschichte, »The World-Thinker« (»Der Welten-Denker«) erschien 1945. Sein erstes Buch, »The Dying Earth« (»Die sterbende Erde«), wurde 1950 veröffentlicht.
Zu Vances Hobbys gehörten Reisen, Musik und Töpferei – Themen, die sich mehr oder weniger ausgeprägt in seinen Geschichten finden. Seine Autobiografie, »This Is Me, Jack Vance! (»Gestatten, Jack Vance!«), von 2009 war das letzte von ihm geschriebene Buch. Jack Vance starb am 26. Mai 2013 in Oakland.
Informationen über ihn und sein Werk finden Sie hier:
www.editionandreasirle.de
Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Das Buch
Der Autor
Das Touristenbüro von Hundsheim
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Kapitel XV
Die Nächste bitte!
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Das Touristenbüro von Hundsheim
Kapitel I
Hetzel setzte einen Brief auf und schrieb in scharfer, eckiger Handschrift mittels Federhalter mit kurzer Feder in schwarzer Tinte:
Gnädige Madame X,
entsprechend Ihrer durch Kurier übermittelten Instruktionen verfolgte ich die als Casimir Wuldfache bekannte Person nach Twisselbane auf Tamar im Nova Celeste Sektor, wo er am 23. Ianiaro (Gaeanischer Zeit) des laufenden Jahres eintraf.
In Twisselbane sicherte sich Vv. Wuldfache eine Nachmittagsanstellung als Kellner im Café Fabrilankus, wobei er den Namen Carmine Daruble verwendete. Abends arbeitete er im örtlichen Spiegelgrafen, sofern er nicht anderweitig als bezahlter Begleiter für Damen beschäftigt war, die solcher Dienste bedürfen.
Vor etwa drei Monaten verließ er Tamar in Gesellschaft einer jungen Frau, die zu identifizieren ich nicht in der Lage gewesen bin. Im Raumhafen ließ ich Vv. Wuldfaches Foto herumgehen und erhielt die Information, dass sein Ziel der Planet Maz sei, so unwahrscheinlich das auch erscheinen mag.
Ich habe Ihren Vorschuss aufgebraucht und werde keine weiteren Anstrengungen unternehmen, bis mich weitere Instruktionen erreichen.
Mit aufrichtig besten Grüßen
Hetzel, Vv.
Er adressierte den Brief an »Bezieher, Postfach 434, Ferraunce« und steckte ihn in einen Zustellschlitz. Der Fall war nun abgeschlossen, davon zumindest ging er aus. Der Aufruhr von Madame Xs Gefühlen würde in Kürze abflauen; Casimir Wuldfache, oder wie immer er auch heißen mochte, würde seine strenge blonde Schönheit zweifelsohne auf eine ganze Reihe anderer leicht zu beeindruckende Damen wirken lassen.
Der Planet Maz? Wie konnte ein solcher Ort einen Mann wie Casimir Wuldfache anziehen? Hetzel schüttelte perplex den Kopf, dann widmete er seine Aufmerksamkeit anderen Dingen.
Kapitel II
Sir Ivon Hacaway beschloss, das Gespräch mit Hetzel persönlich zu führen; die Angelegenheit war zu wichtig, um sie der Diskretion eines Untergebenen anzuvertrauen. Auch die Unternehmensbüros in Ferraunce waren für den Anlass nicht angemessen; Tausend Untergebene beobachteten jede seiner Bewegungen, und Hetzel war im Grunde genommen eine unbekannte Größe, nicht mehr als ein Name und ein Ruf auf einem Gebiet am zweifelhaften Rand der Ehrenhaftigkeit. Statt das Risiko einzugehen, seine Würde zu kompromittieren, zog Sir Ivon es vor, das Geschäft in der Privatsphäre von Gut Harth abzuwickeln.
Hetzel traf zur festgelegten Zeit ein und wurde auf die Terrasse geführt. Sir Ivon, der Überraschungen nicht mochte, runzelte die Stirn, als er nicht den hinterhältigen Raufbold sah, den er erwartet hatte, sondern einen sympathischen dunkelhaarigen Mann von offensichtlicher Kompetenz und einer gewissen besonnenen Eleganz, die einem Gentleman zur Ehre gereicht hätte. Seine Kleidung, neutral und unaufdringlich, ließ durch einen Trick der Umkehrung nicht auf eine neutrale Persönlichkeit schließen, sondern vielmehr auf unter sorgfältiger Kontrolle gehaltene Extravaganz.
Sir Ivon nickte ihm flüchtig zu und gestikulierte zu einem Sessel. »Bitte nehmen Sie Platz. Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee?«
»Gerne.«
Sie Ivon berührte einen Knopf, anschließend kam er schnell zum Geschäft. »Wie Sie wissen müssen, bin ich Vorstandsvorsitzender von Palladian Mikronik. Wir stellen eine Vielzahl von hochkomplizierten Mechanismen her: Robotgehirne, automatische Übersetzer, psychoeidetische Analoga und dergleichen. Diese Artikel erfordern eine große Menge Handarbeit; eine automatische Montage ist unmöglich, und unsere Produkte sind allgemein recht kostspielig. Nun hat sich eine höchst kuriose Situation ergeben. Wir haben natürlich Wettbewerber: die Subsikon-Gesellschaft, Pedro-Gomayr-Associé, Gaea Mikronik sind die bedeutendsten. Wir alle vermarkten vergleichbare Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen und koexistieren mit nicht mehr als den gewöhnlichen üblen Tricks. Jetzt setzt man uns mit ungewöhnlichen üblen Tricks zu.«
Er blickte sein Gegenüber an, um den Eindruck seiner Darlegung abzuschätzen, doch Hetzel nickte nur höflich. »Fahren Sie fort.«
Sir Ivon räusperte sich. »Vor etwa sechs Monaten begann eine als Istagam bekannte Firma verschiedene teure Artikel zu Preisen auf den Markt zu bringen, mit denen wir nicht mitzuhalten hoffen können. Natürlich haben meine Ingenieure die Produkte untersucht, um nachzusehen, ob es Bereiche gibt, wo Einsparungen gemacht werden könnten – ohne Erfolg. Die Artikel sind zumindest nach unseren eigenen Standards gefertigt. Wer Istagam ist, wollen Sie wissen? Nun, diese Frage stellen wir uns selbst auch.«
Aus dem Haus, einen Teewagen vor sich herschiebend, kam eine beleibte Frau in einem voluminösen Kleid aus rosafarbener und schwarzer Seide. Hetzel stand galant auf. »Lady Hacaway, nehme ich an?«
»Oh, nein mein Herr, ich bin Reinhold, die Haushälterin. Bitte setzen Sie sich; ich serviere den Tee.«
Hetzel verbeugte sich und nahm wieder Platz. Sie Ivon beäugte ihn von der Seite, ein recht grimmiges Lächeln auf den Lippen. Er sagte: »Ihnen mag das alles albern erscheinen: Eine Frage von ein paar Millionen SAE*. Aber es steht mehr auf dem Spiel. Falls Istagam expandiert, sind wir – und mit ›wir‹ meine ich die Mitglieder der legitimen Mikronik-Industrie – in ernsthaften Schwierigkeiten.
* SAE: Standard-Arbeits-Einheit, die Währungseinheit des Gaeanischen Reiches, definiert als der Wert einer Stunde ungelernter Arbeit unter Standardbedingungen. Die Einheit ersetzt alle anderen Währungsgrundlagen, indem sie von der einzigen unveränderlichen Handelsware des menschlichen Universums abgeleitet ist – mühevoller Arbeit.
»Eine dringende Angelegenheit, zweifellos«, entgegnete Hetzel. »Allerdings muss ich darlegen, dass ich keine Industriespionage betreibe, es sei denn, das Honorar wäre wahrhaftig astronomisch, und selbst dann …«
Sir Ivon hob eine Hand. »Lassen Sie mich ausreden«, erklärte er gereizt. »Die Situation ist außergewöhnlich, ansonsten würde ich die Angelegenheit einfach einer der großen Agenturen übertragen. Und nebenbei muss ich anmerken, dass Ihr Honorar adäquat sein wird, wenn auch etwas weniger als astronomisch hoch. Ansonsten würde ich die Arbeit selbst erledigen.«
Hetzel nippte am Tee. »Ich höre Ihnen gewiss ohne Vorurteile zu.«
In gemessenem Ton fuhr Sir Ivon mit seiner Schilderung fort. »Istagam vertreibt seine Produkte aus mindestens drei von vier Depots – alle draußen, nördlich des Jack-Chandlers-Golfs. Eines davon ist ein Warenlager in einem unbedeutenden kleinen Ort, der als Ultimo bekannt ist, auf dem Planeten Glamfyre. Ich nehme nicht an, dass Sie mit dem Ort vertraut sind?«
»Nicht einmal oberflächlich.«
»Nun, Glamfyre ist ein recht öder Ort, knapp am Rand des Reiches. Ich habe mich mit unserem Bezirksgeschäftsführer in Verbindung gesetzt und ihn gebeten, einige Erkundigungen einzuziehen.» Sir Ivon zog ein Blatt Papier hervor, welches er Hetzel über den Tisch hinweg reichte. »Hier ist der Bericht.«
Der Brief war vor einem Monat in Estance Uno, Glamfyre, von einem gewissen Urvix Lamboros verfasst worden.
Hetzel las:
Sir Ivon Hacaway
Gut Harth auf den Wiesen
Harth, Delta Rasalhague
Werter Sir,
Als Reaktion auf Ihre Anfrage bin ich nach Ultimo gereist, wo ich vor Ort Erkundigungen in dieser Sache eingezogen habe. An folgenden Daten wurden Sendungen im Istagam-Warenlager empfangen, angegeben in Gaeanischer Standardzeit: 19. März, 4. Mai, 6. Juli. Daraufhin fragte ich am Ultimo-Raumhafen nach, der von den Linien Krugh, Roter Greif und gelegentlich der Osiris-Linie angeflogen wird. Unmittelbar vor den oben genannten Daten haben folgende Schiffe Ladungen in Ultimo gelöscht:
12. März Paesko, Roter Greif
17. März Bardixon, Krugh
3. Mai Voulias, Krugh
3. Juli Cansaspara, Krugh
Mir war nicht möglich, die vorherigen Anlaufhäfen dieser Schiffe in Erfahrung zu bringen.
Mit äußerstem Respekt und der Hoffnung auf Ihre dauerhafte Gunst verbleibe ich,
Urvix Lamboros, Vv.*
* Vv.: Eine Abkürzung für Visfer, ursprünglich Vissavar, Ordinarius der antiken Legion der Wahrheit; nun ein geringwertiger Ehrentitel, der für die Anrede einer Person benutzt wird, welcher es an aristokratischer Vornehmheit mangelt.
Hetzel gab den Brief zurück. Sir Ivon sagte: »Ich habe mich mit Funktionären der Krugh-Linie in Verbindung gesetzt und herausgefunden, dass diese drei Schiffe Fracht in nur einem gemeinsamen Hafen an Bord genommen haben.« Er hielt inne, um die Dramatik seiner Enthüllung zu steigern. »Der Hafen war Axistil auf dem Planeten Maz.«
Hetzel richtete sich im Sessel auf. »Maz?«
»Sie wirken alarmiert«, erwiderte Sir Ivon.
»Alarmiert wohl kaum«, erklärte Hetzel. »›Überrascht‹ oder ›verblüfft‹ wären bessere Begriffe. Wer stellt auf Maz mikronische Komponenten her?«
Sir Ivon lehnte sich auf seinem Platz zurück. »Genau. Wer? Die Gomaz? Absurd. Die Liss? Die Olefrakt? Unvorstellbar. Wir haben es mit einem Rätsel von faszinierender Bedeutung zu tun.«
Hetzel stimmte zu. »Der Fall ist alles andere als gewöhnlich.«
Auf die Terrasse trat eine hochgewachsene Frau von vorzüglich gutem Aussehen in einem modischen Nachmittagskleid mit braunen, roten und goldenen Plisseefalten und einem Busch schwarzer Federn in einem Stirnband aus schwarzem Samt. Ihr Auftreten war recht gebieterisch, und sie ignorierte Hetzel völlig, der erneut aufgestanden war, genau wie, etwas langsamer, Sir Ivon.
»Ivon, ich beschwöre dich, etwas zu unternehmen. Es muss etwas getan werden! Felicia ist immer noch nicht von Graythorpe zurückgekommen, und du wirst dich daran erinnern, dass ich ihr ausdrückliche Anweisungen gegeben habe.«
»Ja, mein Schatz«, entgegnete Sir Ivon. »Ich kümmere mich zu gegebener Zeit darum, aber im Augenblick bin ich, wie du siehst, geschäftlich eingebunden.« Er blickte zu Hetzel, zögerte und stellte sie einander widerwillig vor. »Dies ist Visfer Hetzel, ein Effektuator. Er wird für das Konsortium einige Ermittlungen anstellen. Visfer Hetzel, die Lady Bonvenuta Hacaway.«
»Es ist mir eine Ehre, Ihre Bekanntschaft zu machen«, erklärte Hetzel.
»Es ist mir eine Freude«, entgegnete Lady Bonvenuta in kühlem Ton. An Sir Ivon gewandt sagte sie: »Ich bestehe darauf, dass du ein ernstes Gespräch mit Felicia führst. Es sind oft fragwürdige Leute in Graythorpe, wie du sehr gut weißt.«
»Natürlich werde ich mich um die Sache kümmern«, versetzte Sir Ivon. »In der Zwischenzeit könntest du in Graythorpe anrufen und Felicia deine Gefühle kundtun.«
»Das werde ich.« Lady Bonvenuta gönnte Hetzel ein Kopfnicken und kehrte ins Haus zurück. Sir Ivon und Hetzel nahmen wieder Platz. Ersterer fuhr mit seiner Darlegung fort. »Also dann – die Istagam-Sendungen stammen offenbar von Maz, was höchst bemerkenswert erscheint.«
»Daran besteht kein Zweifel. Was genau wollen Sie, dass ich unternehme?«
Sir Ivon warf Hetzel einen verwirrten Seitenblick zu, als wundere er sich über dessen Naivität. »Unser vorrangiges Ziel sind Informationen. Versuchen die Liss oder die Olefrakt geschäftlich in das Gaeanische Reich vorzudringen? Falls ja, werden sie es umgekehrt auch gestatten? Falls nein, wer oder was ist Istagam? Wie schaffen sie es, derart bemerkenswerte Einsparungen umzusetzen?«
»Das erscheint mir nicht kompliziert.«
Sir Ivon faltete die Hände über dem Bauch und blickte fort ins Leere. »Ich muss wohl kaum darauf hinweisen, dass Istagam eine Beeinträchtigung darstellt, welche letztendlich abgestellt werden muss. Natürlich spreche ich mich nicht für Sabotage oder Mord aus, das versteht sich von selbst. Dennoch, Sie haben Ihre eigenen Methoden, die Ihnen Ihren beneidenswerten Ruf eingebracht haben.«
Hetzel kniff die Brauen zusammen. »Damit scheinen Sie zu sagen, dass ich mir einen Ruf für Mord und Zerstörung erworben habe, den Sie beneiden.«
Sir Ivon warf Hetzel einen scharfen Blick zu und zog es vor, den taktlosen Witz zu ignorieren. »Noch etwas anderes, was mit Istagam verknüpft sein mag oder auch nicht. Zuweilen behalte ich gewisse wichtige Dokumente einen oder zwei Tage oder bis hin zu einer Woche hier in Harth, um sie zu studieren, sobald ich dazu die Muße habe. Vor etwa drei Monaten wurde ein Portfolio mit wertvollen Marketinginformationen vom Anwesen gestohlen. Diese Papiere würden meinen Wettbewerbern beträchtlichen Nutzen bringen; für Istagam wären sie von unschätzbarem Wert. Der Diebstahl wurde mit Finesse begangen; niemand hat den Übeltäter gesehen; er hat keine Spuren hinterlassen, und ich habe den Verlust erst bemerkt, als ich das Portfolio öffnete. Ich erwähne diese Angelegenheit, damit Sie vor Istagam auf der Hut sind. Die darin verwickelten Leute sind offenbar skrupellos.«
»Ich werde mir Ihre Warnung gewiss zu Herzen