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Isländische Erzählungen: Geschichten aus schroff-kargem Land
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Isländische Erzählungen: Geschichten aus schroff-kargem Land
eBook178 Seiten2 Stunden

Isländische Erzählungen: Geschichten aus schroff-kargem Land

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Über dieses E-Book

Bis heute sind die alten Erzählungen tief in der Nation der Isländer verwurzelt. Bizarre Landschaften und unbändige Natur haben dieses Volk jahrhundertelang geprägt. Daraus sind phantasiereiche Geschichten von Land und Leuten, Trollen, Geistern, Elfen, Heiligen, Zauberern, Riesen und dem Teufel erwachsen und über Generationen hinweg weitererzählt worden. Besonders in den langen Wintern bereicherten die Erzählungen den Alltag und vermittelten Regeln für das Leben, das Überleben und das Bestehen in der Gemeinschaft. Als Protagonistinnen begegnet man Frauen und mystischen weiblichen Geschöpfen, die gemeinsam mit Männern und männlichen Wesen agieren – in Raffinesse stehen sie einander in nichts nach. Liebe und Sehnsucht, Tragik und Kummer, Humor und Keckheit begleiten die Szenarien, in denen außer- gewöhnliche Wesen, aber auch Menschen wie Du und ich zu rebellierenden oder stillen Heldinnen und Helden werden.
SpracheDeutsch
Herausgebermarixverlag
Erscheinungsdatum25. Sept. 2018
ISBN9783843805803
Isländische Erzählungen: Geschichten aus schroff-kargem Land

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    Buchvorschau

    Isländische Erzählungen - marixverlag

    Magie und Zauberei

    Der schwarze Rock

    Vor langer Zeit lebte ein altes und weises Ehepaar; es war wohlhabend und hatte eine Tochter. Sie war hübsch und anmutig und viele hielten um ihre Hand an, aber sie wies alle ab. Schließlich kam der Gemeindepfarrer, ein junger und reicher Mann, und machte ihr einen Heiratsantrag. Die Eltern des Mädchens waren davon sehr angetan, aber sie selbst konnte durch nichts dazu gebracht werden, ihm das Jawort zu geben. Da fragte das alte Ehepaar die Tochter, wie es dazu komme, dass sie einen so noblen Antrag ausschlage. Sie antwortete, dass es an dem schrecklichen Schmerz bei der Geburt eines Kindes liege und dass sie gar nicht daran denken wolle, was damit auf sie zukäme.

    »Ich gebe dir einen Rat, liebe Tochter«, sagte die alte Frau. Dann öffnete sie ihre Kleiderkiste, zog einen schwarzen Rock heraus und gab ihn der Tochter.

    »Wenn du diesen Rock direkt auf der Haut trägst«, erklärte sie, »und ihn nie wieder ablegst, weder bei Tag noch bei Nacht, dann werden dich niemals Geburtswehen plagen.«

    So ließ das Mädchen nicht länger auf sich warten; sie gab ihr Einverständnis und heiratete den Pfarrer. Die beiden führten ihren Hof mit Erfolg, zumal sich zeigte, dass die Pfarrersfrau fleißig und umsichtig war und alle sie gern hatten.

    Es vergingen einige Jahre, bis das Pfarrersehepaar ein ansehnliches Auskommen erwirtschaftet hatte; nur Kinder hatte es keine, obwohl sich die beiden einander sehr zärtlich hingaben. Der Pfarrer hatte eine vage Vermutung, die den schwarzen Rock seiner Frau betraf. In seinen Augen war der Rock kein Glücksbringer und er bat seine Frau mit guten und mit bösen Worten, ihn nicht mehr zu tragen. Obwohl die Frau ihrem Mann gegenüber in allem nachgiebig und gehorsam war, war es ihr unmöglich, ihm in dieser Sache entgegenzukommen, und so beharrte sie auf ihrem Wunsch. Dem Pfarrer ging das sehr zu Herzen, aber er konnte nichts dagegen ausrichten.

    Es war Sommer, genau ein Tag vor der Jónsmesse¹, als der Pfarrer Besuch von einem ehemaligen Jugendfreund und Schulkameraden bekam. Dieser stammte aus einem anderen der vier Landesteile der Insel und war ein sehr gelehrter und kundiger Mann. Die Pfarrersleute nahmen ihn herzlich bei sich auf und die beiden Freunde schwelgten in Erinnerungen und tauschten viele Neuigkeiten aus. Unter anderem fragte der Gast nach den Kindern des Pfarrers; der aber wurde ganz betrübt und antwortete, dass er keine habe. Der Freund meinte, es sei ein großes Pech, dass ein so schönes Paar keinen Nachwuchs habe, und er fragte den Pfarrer, ob er sich diesen Umstand irgendwie erklären könne. So vertraute der Pfarrer seinem Freund an, dass seine Frau stets den schwarzen Rock trug, sowohl bei Tag als auch bei Nacht, und dass sie durch nichts dazu zu bewegen war, diesen Rock abzulegen. Da wurde sein Freund nachdenklich, schwieg einen Augenblick und erwiderte dann: »Ich könnte versuchen, diese Sache in Ordnung zu bringen, sodass euch beiden geholfen ist. Nun ist bald die heilige Nacht der Jónsmesse. Du musst ab Mitternacht Gotteslieder in der Kirche singen, und nur deine Frau und ich werden anwesend sein. Dann werden wir sehen, ob sich daraufhin etwas tut.«

    Der Pfarrer stimmte zu und am Abend schlugen die beiden der Pfarrersfrau vor, mit in die Kirche zum Gesang zu gehen. Sie war sogleich damit einverstanden und die drei machten sich kurz vor Mitternacht auf den Weg in die Kirche. Der Pfarrer ging zum Altar, und die Pfarrersfrau und der Gast nahmen jeweils getrennt auf ihren Seiten in den Kirchenbänken Platz. Sie fingen zu singen an und taten das mit großer Inbrunst. Nach einer Weile kam ein kleiner Junge in die Kirche, blieb an den Knien der Pfarrersfrau stehen, schaute sie mit traurigen Augen und vorwurfsvollem Blick an und sagte: »Schlechtes hast du getan, Mutter, das Leben hast du mir verwehrt. Ich sollte Bischof werden.«

    Dann ging er wieder zur Kirche hinaus und verschwand. Die Pfarrersfrau bekam einen großen Schreck und wurde ganz bleich im Gesicht, fuhr aber mit ihrem Gesang fort. Ein wenig später kam ein anderer Junge herein, blieb ebenfalls an ihren Knien stehen und sagte: »Schlechtes hast du getan, Mutter, das Leben hast du mir verwehrt. Ich sollte Bezirksamtmann werden.«

    Dann ging er wieder zur Kirche hinaus und verschwand. Dieses Mal erschrak die Pfarrersfrau noch mehr als vorher, fing zu schwitzten und zu zittern an, und nur mit Mühe und Not konnte sie weitersingen. Dann kam ein kleines Mädchen, blieb an ihren Knien stehen und sagte mit zaghafter Kinderstimme: »Schlechtes hast du getan, Mutter, das Leben hast du mir verwehrt. Ich sollte Pfarrersfrau werden.«

    Der Pfarrersfrau versagten die Kräfte. Sie rutschte ohnmächtig von der Kirchenbank auf den Boden und das Mädchen ging von ihr weg. Im gleichen Moment sprangen der Pfarrer und sein Freund auf und rissen der Pfarrersfrau den schwarzen Rock vom Leib, trugen sie nach Hause und legten sie in ihr Bett, den Rock aber verbrannten sie zu Asche.

    Wie es der Pfarrersfrau damit erging, wurde nicht berichtet. Vom Pfarrer aber wurde erzählt, dass ihm ein Stein vom Herzen gefallen und er seinem Freund sehr dankbar gewesen sei. Seither war dem Pfarrerspaar das Glück hold. Sie bekamen drei Kinder, eines vielversprechender als das andere, zwei Söhne und eine Tochter. Der ältere Sohn wurde später Bischof, der jüngere Bezirksamtmann und die Tochter Pfarrersfrau.

    Halla vom Straumfjörður

    ²

    Halla war recht wohlhabend und eine sehr fleißige und willensstarke Person. Sie hatte den Ruf, eine der fähigsten Frauen ihrer Zeit zu sein. Sie wohnte am südlichen Straumfjörður und bis heute belegen verschiedene Ortsnamen, dass sie dort gelebt hat.

    Einmal schickte Halla vom Straumfjörður ihre Knechte zum Mähen nach Mýrar an einen See, der Heyvatn³ genannt wird; das Gebiet dort heißt Ljónsnes⁴. Sie sollten auf dem Gelände mähen und schlafen sollten sie im Zelt. Dort steht ein Stein, der Grásteinn⁵ genannt wird. Halla bat ihre Männer, die Sensen jeden Abend an diesem Stein abzulegen, sobald sie mit dem Mähen fertig seien. Jeden Morgen würden sie die Sensen dort am Stein wieder gedengelt vorfinden. Allerdings warnte Halla die Knechte davor, jemals auf die Schneiden ihrer Sensen zu blicken.

    Die Männer taten, wie Halla befohlen hatte. Die Zeit verging und jeden Morgen lagen die gedengelten Sensen wieder am Stein und das Mähen schien ihnen daraufhin sehr leicht von der Hand zu gehen, so, als ob sie die Sensen durch Wasser gleiten lassen würden. Ein Knecht vermutete, dass Halla ihnen aus gutem Grund verbot, auf die Schneiden der Sensen zu schauen. Er wurde neugierig und wollte wissen, was geschehen würde, wenn er sich nicht an ihre Weisung hielt, und blickte auf die Schneide seiner Sense. Da sah er, dass sie nichts anderes als eine menschliche Rippe war, und im selben Augenblick geschah es, dass auch alle anderen Sensen zu Menschenknochen wurden. So mussten die Männer das Mähen einstellen und nach Hause gehen. Und das missfiel Halla sehr.

    Wie so oft lief ein Handelsschiff im westlich gelegenen Hraunshöfn⁶ ein, nahe der Stelle, wo jetzt der Handelsplatz Búðir⁷ liegt. Halla wollte einen Kaufmann ausfindig machen und von ihm verschiedene Dinge erwerben, die sie dringend für den Haushalt benötigte. Sie sorgte immer gut für Haus und Hof. So brach sie mit einem Tross Lastpferde in Richtung Westen auf und zog in die Kaufstadt nach Hraunshöfn. Außerdem ließ sie zwölf alte Schafe dorthin treiben, um sie an die Händler vor Ort zu verkaufen. Wie gewohnt, nahm sie zunächst den Weg oben an den Bergen entlang und dann durch sämtliche Bezirke, bis sie am äußersten Zipfel des Hraundalur⁸ ankam. Dort wohnte damals ihr Pflegesohn Ólafur. Als Ólafur Halla und ihre Pferde mit der Ladung sah, rief er ihr zu: »Hartes Zeug in deinen Taschen, Ziehmutter.«

    Darauf antwortete Halla: »Schweig, Junge, ich habe dir mehr als genug beigebracht.«

    Dann zog Halla weiter und über ihre Reise wurde weiter nichts berichtet, bis sie in der Stadt angekommen war und einen Kaufmann gefunden hatte. Sie belieferte ihn mit einer großen Menge Butter und Talg und überließ ihm die Schafe, die sie mitgebracht hatte. Danach ließ sie sich von dem Kaufmann all die Waren geben, die sie brauchte, und was die Pferde tragen konnten; dann lud sie alles auf die Tiere und brach auf.

    Nach ihrem Aufbruch warf der Kaufmann einen Blick auf die Waren, die er von Halla bekommen hatte. Da waren die Butter und der Talg zu Steinen geworden und die Schafe zu Mäusen. Halla hatte sich eines Zaubers bedient, der Butter und Talg wie Steine und die Schafe wie Mäuse aussehen ließ. Als der Kaufmann diese Gaunerei erkannte, machte er große Augen und rief auf der Stelle einige Männer zusammen und verfolgte Halla. Als aber Halla dies bemerkte, zog plötzlich pechschwarzer Nebel auf, sodass nichts mehr zu sehen war. Dennoch holten die Verfolger Halla und ihren Tross am Fluss Haffjarðará⁹ ein, aber sie führte deren Sinne so in die Irre, dass die Männer dort, wo eigentlich die Pferde Hallas standen, nichts anderes als Ödland und Felsen ausmachen konnten. Die Verfolger mussten unverrichteter Dinge wieder umkehren, da sie weder Halla noch ihr Gefolge entdeckt hatten. Sie aber entkam mühelos und erreichte wohlbehalten ihr Zuhause am Straumfjörður.

    Der Zauberritt

    Es lebte einmal ein Pfarrer, ein guter und wohlhabender Mann. Er war gerade frisch verheiratet, als sich diese Geschichte zutrug. Er hatte eine junge und schöne Frau, die er über alles liebte. Sie war damals eine der vortrefflichsten Frauen in der Gegend. Allerdings wies ihre Lebensweise einen gewissen Makel auf, der dem Pfarrer nicht ganz unwichtig erschien. Sie verschwand nämlich in jeder Weihnachtsnacht und niemand wusste wohin. Der Pfarrer fragte sie oft, und das mit großem Nachdruck, aber sie sagte, dass ihn das nichts angehe. Diese eine Sache säte Zwietracht zwischen den beiden.

    Einmal beherbergte der Pfarrer einen Betteljungen. Dieser hatte im Leben nicht viel erreicht, aber es wurde gemunkelt, dass er mehr wusste als andere Menschen seines Schlages. Die Zeit verging und es wurde Weihnachten, ohne dass sich etwas Außergewöhnliches ereignete. Am Heiligen Abend war der junge Bursche draußen im Pferdestall und striegelte und putzte die Zuchtpferde des Pfarrers. Völlig unerwartet tauchte die Frau des Pfarrers im Stall auf und plauderte mit dem Jungen über allerlei Dinge. Urplötzlich zog sie ein Zaumzeug unter ihrer Schürze hervor und streifte es dem Jungen über. Dabei entfaltete sich so viel Zauberkraft, dass der Bursche die Pfarrersfrau auf seinen Rücken steigen ließ, dann lospreschte und sich wie ein Vogel in die Lüfte schwang. Er flog über Berge und Täler, Felsen und Steinwüsten und über alles, was ihnen sonst noch unterkam. Dann war es plötzlich so, als ob er Rauchschwaden durchdringen würde. Schließlich kamen sie an ein kleines Haus. Dort stieg die Frau ab und band den Jungen an einen Pflock in der Hauswand.

    Die Pfarrersfrau ging zur Haustür und klopfte an. Ein Mann kam heraus und begrüßte sie überaus freundlich. Er führte die Pfarrersfrau ins Haus. Als die beiden darin verschwunden waren, machte der Junge das Zaumzeug vom Pflock los, befreite sich daraus und steckte es ein. Dann schlich er sich auf das Hausdach und beobachtete durch einen Spalt, was drinnen vor sich ging. Er sah dort zwölf Frauen an einem Tisch sitzen und die dreizehnte Person war der Mann, der vorher an die Tür

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