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Sternennebel
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eBook863 Seiten11 Stunden

Sternennebel

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Über dieses E-Book

Pona, die keltische Druidin und Quinus, der Heiler erreichen nach gefahrvoller Reise Ancyra, die Hauptstadt der keltischen Galater in Kleinasien. Wenige Tage nach ihrer Ankunft erleben sie, wie der galatische König Amynthas sieben römische Gesandte mit eigener Hand tötet. Der König fordert von der Druidin, die Schädel der Toten zu weihen, doch sie weigert sich. Ponas Ahnungen sagen ihr, dass diese Tat ein unvorstellbares Blutbad in Ancyra heraufbeschwören wird, denn die Römer würden Rache nehmen. Als geheime Boten berichten, dass drei römische Legionen mit keltischen und germanischen Hilfstruppen wenige Tagesmärsche vor der Stadt stehen, flieht sie in einer Gewitternacht mit Quinus und Siane ins Druidental, in dem einst ihr Vater gelebt hat. In ihren Visionen sieht sie die Schatten des Todes. auch über dem Befehlshaber der drei römischen Legionen, Alianus.
Das Unheil nimmt seinen Lauf, das auch sie, Quinus und ihre Tochter Siane in einen Strudel gefährlicher Ereignisse reißen wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpielberg Verlag
Erscheinungsdatum16. Mai 2014
ISBN9783954520336
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    Buchvorschau

    Sternennebel - Alarich Herrmann

    Vorahnung des Druiden

    Nach dem Ende der Regenzeit brach von Ephesos eine stattliche Karawane auf, deren Endziel Sinope und Amaseia am Euxeinischen Meer war. In zahlreichen Städten, so auch in Eunemia, Pessinus und Sardis, hatten einige Händler und Reisende die Karawane verlassen, andere stießen hinzu. Nun strebte der schier endlos erscheinende Zug von Last- und Reittieren Ancyra zu, der Hauptstadt der keltischen Galater.

    Wie an vielen Tagen zuvor wirbelten Hunderte von Hufen schwer bepackter Esel, Kamele, Pferde und Maultiere der Karawane unablässig Staub auf, der sich zu Wolken verdichtete und ihren Weg als weithin sichtbare Spur in den Himmel schrieb. Wie ein Schleier legte sich der herabsinkende Staub über Menschen und Tiere und verhüllte die Spuren von Entbehrungen und Anstrengungen in ihren Gesichtern.

    Dem Schutz der Karawane hatten sich mehrere, kleine Reisegruppen anvertraut, eine von ihnen in Pessinus, bestehend aus zwei Frauen und einem Mann. Sie hatten sich in der Mitte des Zuges eingeordnet, ritten auf Eseln gefolgt von vier Packtieren. Als die Karawane durch die Ancyra weiträumig vorgelagerten, grünenden und blühenden Felder zog, schlug der Mann dieser Reisegruppe das Staubtuch aus seinem Gesicht und hielt seinen Esel an. Er strahlte während er sich umsah. Dabei erschienen seine weißen Zahnreihen wie Perlenketten im dunklen, staubverkrusteten Gesicht. Bewundernd betrachtete er die üppigen Fruchtstände entlang des Weges.

    »Sieh’ dich um, Siane!«, sagte er bewundernd zu der jüngeren Frau, einem Mädchen.

    »So etwa kann man sich, nein, muss man sich das Paradies vorstellen; jedenfalls nach all der Hitze, dem Staub und Sand, den Steinen, Bergen und Schluchten der letzten Wochen. Derlei Vorstellungen hatten in meinem von der Sonne ausgedörrten Kopf einfach kein Platz mehr.«

    Er seufzte und griff sich an den Kopf, dabei starrte er auf das üppige Grün der Korn- und Gemüsefelder, lauschte dem Plätschern der Bewässerungskanäle und atmete den Duft des Wassers und der befeuchteten, sonnenwarmen Erde tief ein während der Esel seinen Trott wieder aufnahm.

    »In den blauschimmernden Bergen hinter der Stadt Ancyra«, sinnierte er weiter, »sehe ich in meinen Gedanken unter den noch verschneiten Berggipfeln saftige Weiden auf Talhängen über baumbestandenen, rauschenden Bachläufen. Genau so, wie wir es von der Isura und den Blauen Bergen her kennen!«, begeisterte er sich weiter.

    »Ich schmecke bereits Rosmarin und Thymian auf meiner Zunge und rieche die würzigen Kräuter der Bergwiesen. In meinen Gedanken blöken Schafe und ich höre die Schellen der Leithammel – natürlich die auf unseren eigenen Weiden im Druidental. Hier, in diesem paradiesischen Land, wo alles wächst was das Herz begehrt, werden wir also künftig leben. Erscheint das alles nicht wie eine Verheißung, Siane? Unsere entbehrungsreiche und mühselige Reise wird mehr als reichlich belohnt. Den Allmächtigen sei Dank!«

    »Vergiss dabei nicht, Quinus, es war auch ein trauriger Weg«, erwiderte Siane, ein schlankes, noch sehr junges Mädchen, »auch wenn wir Drei mit dem Leben davongekommen sind. Ich wünschte mir, dass Loreius, Santima und Tatomi dieses grünende Land sehen könnten und auch unser Druidental.«

    »Sie werden alles sehen, Siane«, beruhigte sie eine stattliche Frau, drängte ihren Esel an den des Mädchens und legte ihren Arm um deren Schulter.

    »Sie tun es bereits jetzt«, ergänzte sie.

    »Wir werden die Urnen von Santima und Tatomi am schönsten Platz im Druidental bestatten; auch die von Loreius. Die Drei werden uns immer gegenwärtig sein, mit uns den Sonnenuntergang erleben, das samtene Rieseln warmen Regens hören und das Wachsen der Blumen und Kräuter, und dann bei Sonnenaufgang den Melodien der Lerchen lauschen können. Von diesem Tal habe ich mit Loreius geträumt. Er wird, wie Tatomi und Santima, das alles, was wir uns gemeinsam erhofften, aus der Anderswelt miterleben. Wir werden Tatomi, Santima und Loreius in unser tägliches Leben einbeziehen und sie werden sich auf diese Weise nie verlassen fühlen; nicht wie die vielen Menschen, deren einsame Gräber oder Gebeine wir am Rand des Weges gesehen haben. Auf diese Weise wird ihr Schmerz und unserer erträglicher.«

    Sie blickte nachdenklich auf die blauen Schatten des Pontischen Gebirges in der Ferne.

    »Auch der Schmerz über den Tod deines Vaters Indobellinus«, fügte sie leise hinzu.

    »Pona hat Recht«, sagte der dunkelhäutige Mann.

    »Wir müssen uns vorstellen, dass sie um uns versammelt sind und vielleicht in diesem Augenblick unsere Unterhaltung verfolgen; jedenfalls fühlen sie, dass wir an sie denken.«

    Sein Esel stieß einen stöhnenden Laut aus, blieb mit gespreizten Beinen stehen und ließ klatschend sein Wasser ab. Der dunkelhäutige Mann grinste.

    »Und nun zeigt sogar mein Esel Gefühle, auch das gehört dazu«, meinte er zufrieden.

    Er wartete eine Weile, dann stieß er ihm seine Schenkel in die Seite und das Tier setzte sich wieder in Bewegung.

    »Lasst uns zu den anderen aufschließen, damit uns nicht auf dem letzten Wegstück das zustößt, was Loreius, Tatomi und Santima erleiden mussten!«

    Cermunnos, den Hochweisen von Ancyra, befiel in den letzten Tagen eine immer drängender werdende Unruhe. Der greise Druide konnte sich dieses Gefühl nicht erklären. Rastlos durchschritt er die Räume seines Hauses, ordnete dieses und jenes was keiner Ordnung bedurfte, setzte sich vor sein Schreibpult, versuchte seine Gefühle zu formulieren, doch nach wenigen Zeilen warf er den Ritzgriffel auf die Wachstafel und begann seinen unruhigen Rundgang von neuem. So erging es ihm über Stunden. Er hatte das Gefühl, als suchte er nach einer Erkenntnis, nach einer, die ihm bekannt schien, die er mit seinen Gedanken aber nicht fassen und formulieren konnte. Unentwegt horchte er in sich hinein, doch er hörte nur den Schlag seines Herzens und das Rauschen seines Blutes. Seine Schritte hallten von den Mauern zurück, wie die unbeantworteten Fragen, welche sein Innerstes bestürmten. Einer Eingebung folgend bestieg er die Mauer, die den Tempelbezirk von der Stadt trennte und blickte auf den Flusslauf des Ancyros, dessen silbernes Band sich in der Ebene nach Südwesten in der flimmernden Luft verlor.

    Erstaunt registrierte er eine Staubwolke in der Ferne, die scheinbar unverändert über dem gleichen Punkt zu verharren schien.

    »Ich habe es geahnt, das ist es!«, rief er, nahm seinen Druidenstab und hastete aus dem Haus. Er verließ den Tempelbezirk, schritt am Königspalast vorbei, erreichte das Viertel der Handwerker und strebte dem Südtor zu. Erstaunt sahen ihm die Wachen auf den Tortürmen nach und schüttelten ihre Köpfe.

    »Was mag den Hochweisen bewegen, dass er nach Süden wandert. Die Karawane hat doch ohnehin unsere Stadt zum Ziel.«

    Cermunnos schien in diesem Augenblick den gleichen Gedanken gefasst zu haben, denn er kehrte um. Geduldig blieb er weit vor der Stadtmauer stehen und erwartete die herannahende Staubwolke. Er wartete lange und geduldig. Endlich schälten sich nach und nach die Konturen vieler Tiere und Menschen aus dem Staub. Die Reisenden saßen auf den Tieren oder schritten daneben einher.

    Gelassen ließ er einen Teil der Karawane an sich vorbeiziehen. Als hätte er einen Hinweis erhalten, trat er zu der dreiköpfigen Reisegruppe auf den Eseln. Zwei der Reiter konnten ihre langen Beine nur mühsam von der Erde fernhalten. Er griff dem ersten Esel in die Zügel, auf dem eine stattliche Frau saß und sagte:

    »Der Statur nach müsst ihr Pona sein, die Druidin von der Isura. Mich nennt man Cermunnos. Ich bin der oberste Druide dieser gottlosen Stadt, der euch seit Monaten erwartet – was sage ich, seit Jahren. Seid in Ancyra herzlich willkommen!«

    Der greise Mann streckte der staubigen Reiterin beide Hände entgegen und schüttelte sie herzlich, so dass sich eine Staubwolke aus den Ärmeln der Druidin löste.

    Über das staubbedeckte Gesicht der Frau huschte ein Lächeln, ließ ihre weißen Zähne und rosa Lippen sichtbar werden und tauchte ihr Gesicht in strahlende Freude, sodass der Staub aus ihren Augen- und Mundwinkeln herabrieselte.

    »Wie konntet ihr wissen, dass wir heute ankommen, weiser Cermunnos? Eigentlich hatten wir vor euch zu überraschen«, sagte die Frau, deren Füße bei jedem Schritt ihres Esels dicht über dem Boden nachwippten. Sie löste das Staubtuch von ihrem Hals und schlug es auf ihren Knien aus.

    »Ihr solltet es eigentlich wissen, Pona! Menschen mit dem zweiten Gesicht sind kaum zu überraschen. Irgendwann, zugegeben manchmal auch sehr spät, meist aber zur rechten Zeit, fliegt unsereins der erleuchtende Gedanke zu; und wenn es nur eine Staubwolke ist, die beharrlich am Himmel steht. Sie gab meinen unbestimmten Ahnungen die Gewissheit, dass ihr euch darunter befinden würdet. Auch wenn mein Augenlicht deutlich nachgelassen hat, sah ich die mahnend erhobene Hand in dieser Wolke. So konnte ich euch nicht verfehlen, obwohl sich eure Ankunft um Jahre verzögert hat.«

    Der alte Druide sah Pona freudig an, dabei verliehen ihm seine strahlenden Augen eine Frische, wie sie sonst nur bei jungen Männern zu sehen war.

    »Das dort ist wohl Quinus, der berühmte Heiler, von dem selbst wir in Ancyra gehört haben.«

    Cermunnos deutete zu dem Mann auf dem Esel, der ihnen mit blitzenden Zähnen zulachte. Er hatte die Unterhaltung verfolgt und näherte sich, dabei hielt er seine Füße mit angezogenen Beinen dicht über dem Boden und schwang sie hin und her, als wolle er den Gang seines Esels damit beschleunigen.

    »Seid gegrüßt, hochweiser Cermunnos!«, rief der dunkelhäutige Mann und stieg vom Esel, dabei wischte er sich mit dem Mundtuch den Staub vom Gesicht.

    »Habt Dank für die Ehre, die ich aus eurem Mund vernommen habe. Doch Tote konnte ich bisher nicht ins Leben zurückholen. Vielleicht lerne ich das noch in Ancyra oder im Druidental.«

    Der muskulöse Mann lachte herzlich auf, doch unvermittelt verdüsterte sich sein Gesicht und seine Augen wurden traurig. Stumm blickte er auf eines der Maultiere, auf dem drei Tonbehälter zu erkennen waren. Sein Gesicht nahm einen schmerzlichen Zug an.

    Cermunnos ahnte, was geschehen sein musste, daher überging er diese Regung. Er konnte die Gefühle des Mannes gut verstehen.

    Neugierig wandte er sich dem Mädchen zu, das neben den voll bepackten Lasttieren geritten war und ebenfalls angehalten hatte. Auch sie klopfte den Staub aus ihrer Kleidung, sodass sich eine kleine Wolke um sie ausbreitete.

    »Dieses hübsche Mädchen, deren Gesicht vom Staub so gekonnt verschleiert wird, kann nur eure Tochter Siane sein, Pona«, fuhr Cermunnos fort.

    Er deutete mit seinem Stab auf das Mädchen. Pona nickte.

    »Es ist schon erstaunlich, Cermunnos, wie euer Auge ihre Schönheit erkennen kann; durch all den Staub und Dreck. Sie ist außerdem noch sehr jung.

    »Wahre Schönheit ist selbst über diesen Staub und auch über das Alter erhaben«, erwiderte der greise Druide.

    »Immer noch der weltgewandte Mann, der die Herzen der Frauen im Sturm zu erobern trachtet«, lachte Pona.

    »So hatte es jedenfalls mein Vater erzählt.«

    »Das ist lange her, Pona. Sehr lange.«

    Der greise Druide starrte gedankenverloren in die Ferne, so als suchte er in ihr die Vergangenheit.

    In der Zwischenzeit war das junge Mädchen abgestiegen. Zögernd, fast verlegen, näherte sie sich mit ihrem Esel und hörte der Unterhaltung aufmerksam zu.

    »Für meine Mutter bin ich immer das schönste Mädchen, auch wenn ich jetzt wie eine Vogelscheuche aussehe.«

    Das Mädchen lachte und sah Cermunnos offen an. Als es in die gütigen Augen des alten Druiden sah, verflog seine Scheu rasch. Es fühlte offenbar, diesem Mann vertrauen zu können.

    Cermunnos begrüßte das Mädchen auf seine gewinnende Art, umarmte es und deutete einen Wangenkuss an.

    »Ich musste sie in die Arme nehmen, Pona, denn sie erinnert mich über alle Maßen an meinen Freund Aburis, deinen Vater.«

    Er sah versonnen auf das Mädchen und drückte es erneut an sich.

    »Wenn ihr mit dem Karawanenführer alles geregelt habt, reitet zum Tempelberg und meldet euch bei den Tempeldienern. In meinem Haus werdet ihr fürs Erste eine Bleibe finden. Alles wird nach euren Wünschen vorbereitet. Noch eine Bitte: Vermeidet auf dem Weg dorthin unter allen Umständen jeden Kontakt mit den Soldaten unseres Königs Amynthas, die jeden Fremden argwöhnisch beobachten, vor allem dann, wenn sie zum Tempelberg reiten. Der König muss nicht schon heute erfahren, dass die Tochter des weisen Aburis nach Ancyra zurückgekehrt ist. Das wird er früh genug von uns erfahren.«

    Der Druide wandte sich ab, schlug sein Schultertuch nach hinten und stapfte auf seinen Druidenstab gestützt zum Südtor von Ancyra. Die Haare seines weißen Haarkranzes wehten wie Seidenfäden im Wind und verliehen ihm eine schwerelose Beschwingtheit.

    Nachdem sie die Karawanserei in Ancyra erreicht hatten, feilschte Pona mit dem Karawanenführer um den Preis. Der Mann beharrte auf mehr Geld als vereinbart, doch Pona wies auf einen Papyrusfetzen, auf dem zu lesen war, welche Restsumme bei ihrer Ankunft in Ancyra fällig sein würde – vom Karawanenführer selbst signiert.

    »Wir haben euch sicher nach Ancyra gebracht, das ist nicht immer der Fall«, meinte der wettergegerbte Karawanenführer.

    »Entsprechend ist es nicht immer der Fall, dass ihr die Restsumme ausbezahlt bekommt. So gesehen könnt ihr nicht mehr fordern. Es bleibt bei dem vereinbarten Preis! Das ist mein letztes Wort.«

    Pona warf ihm einen Beutel zu und wandte sich zum Gehen. Der Mann sah der Frau verdutzt nach, spuckte unwillig in den Staub vor seinen Füßen und knurrte:

    »Ein Versuch war es jedenfalls wert!«

    Er konnte es verschmerzen, denn nach einer Ruhepause von mehr als zwei Wochen würde er zum Endziel aufbrechen, dem Euxeinischen Meer. Zahlreiche Händler und Reisende aus Ancyra wollten sich seinem Schutz anvertrauen und er würde sich diesen fürstlich entlohnen lassen.

    Pona, Quinus und Siane bezogen im Tempelbezirk ein geräumiges Haus, das Cermunnos für sie einrichten ließ.

    »Die Ausstattung muss sicherlich noch ergänzt werden«, meinte der greise Druide, als er sie dort besuchte.

    »Es ist immerhin das Haus, Pona, welches einst dein Vater bewohnte, wenn er sich in der Stadt aufhielt. Leider war dies sehr selten. Und wenn ich mich nicht irre, bist du in diesem Haus sogar geboren worden.«

    Die Druidin zeigte ein enttäuschtes Gesicht.

    »Und ich dachte, ich hätte im Druidental das Licht der Welt erblickt.«

    »Bestimmt bist du dort gezeugt worden, in einer dieser lauen Sommernächte, wenn der Himmel voller Sterne hängt und fast die Erde berührt«, meinte Cermunnos augenzwinkernd.

    »Sind erst einmal das Wohnhaus, die Stallungen und Wirtschaftsgebäude im Druidental ausgebessert, könnt ihr dorthin zurückkehren. Dann wird das Tal wieder mit Leben erfüllt werden und hört jene vertrauten Stimmen, auf die es so lange gewartet hat. Es wird sich euch öffnen und seinen Zauber neu entfalten, den es nur jenen gewährt, die es lieben. Dort lebte dein Vater mit deiner Mutter bevor er uns verließ«, sinnierte Cermunnos.

    »Der Abschied von ihnen war der schmerzlichste, den ich je erlebt habe.«

    Cermunnos versank wieder in diesem fernen Blick, den er dann zeigte, wenn er sich besonders intensiv mit einem seiner Gedanken auseinandersetzte. Schließlich löste er sich aus seinen Erinnerungen und ergänzte:

    »Sucht ihr das Druidental auf, werdet ihr bemerken, dass ich das Anwesen erhalten ließ, denn ich hoffte, mein Freund Aburis würde zurückkehren. Dass es schließlich seine Tochter sein würde, muss ich erst verdauen.«

    Er zwirbelte seinen mächtigen Schnauzbart an den Enden auf.

    »Von Zeit zu Zeit verwüsteten die Soldaten des keltischen Königs das Wohnhaus. Immer wieder wurde es von uns Druiden instandgesetzt. Es war ein hartnäckiger Machtkampf zwischen ihnen und uns, bis sie schließlich aufgaben. Sie dachten wohl, Wind und Wetter würden ihre Zerstörungswut irgendwann für sie erledigen.«

    Pona hatte den letzten Worten Cermunnos nicht mehr zugehört. Sie hatte sich in die Erinnerungen an ihren Vater und ihre Mutter vertieft.

    »Mein Vater suchte einst die Erfüllung seiner Visionen in diesem Tal«, murmelte Pona.

    »Er war wie besessen davon«, ergänzte Cermunnos.

    »Als er die Antwort hier nicht finden konnte, zog er nach Westen, suchte sie in der Urheimat unseres Volkes nördlich der Blauen Berge, wo er nur für kurze Zeit verweilte und dann bei den Boiern am mittleren Danuvius sesshaft wurde.«

    Cermunnos seufzte und fuhr fort:

    »Wir wollten ihn hier halten, doch vergebens. Was von ihm blieb, sind seine Aufzeichnungen und meine Erinnerungen an einen Freund, wie es im Leben nur wenige gibt.«

    Seine hellen Augen starrten erneut in die Ferne. In ihnen erschien ein Hoffnungsschimmer.

    »Die Schriftrollen mit seinen Aufzeichnungen sind alle erhalten«, fügte er hinzu.

    »Ich werde sie vom Tempel ins Druidental bringen lassen. Dort, in ihrem alten Versteck, sind sie sicherer als hier. Nur Wenige haben davon Kenntnis. Er gab sie mir zur Verwahrung, wohl ahnend, dass seine Tochter zurückkehren würde.«

    »Ihr habt Aufzeichnungen von ihm? Er hat nie etwas davon erzählt«, staunte Pona.

    »Dein Vater begann seinen Weg von diesem Land, von dieser Stadt aus«, fuhr Cermunnos fort, ohne auf Ponas Frage einzugehen und starrte weiter in die Ferne.

    »Er sah voraus, dass du, dass ihr, seine Suche hier beenden würdet. Der Kreis wird sich schließen, sagte er oft. Hier im Druidental! Du Pona, hast sein Vermächtnis verstanden, ihr alle seid der Beweis dafür. Sonst wärt ihr nicht hier. Vielleicht werden Quinus und du in diesem einsamen Tal seine Visionen in die Wirklichkeit holen, damit sie den Menschen weitergegeben werden können.«

    Cermunnos wischte über seine Augen.

    »Zeit seines Lebens war dein Vater ein Suchender, Pona, ja ein Besessener, der sich nie mit dem zufrieden gab, was er fand, stets nach mehr strebte, wie es seine Bestimmung war und eure geworden ist. Vielleicht wirst du, seine Tochter, erkennen, was er in seiner Unrast übersah. Die Allmächtige mag wissen, wohin die Wege eurer Erkenntnis führen werden. In diesem Augenblick fühle ich, dass ihr, wir alle, nicht mehr weit entfernt von diesem Ziel stehen!«

    Cermunnos hatte während seiner Worte nicht aufgehört seinen Blick in die Ferne zu richten. Bei seinen letzten Worten überflog ein freudiges Lächeln sein Gesicht, während in seinen Augen Trauer verblieb. Sie schwiegen, jeder hing seinen Gedanken nach, bis Pona das Schweigen unterbrach.

    »Quinus und ich haben auf der langen Wanderschaft hierher in der Tat nicht das gefunden«, begann sie, »was seinen Visionen entsprach. Wir träumten wie er davon, dass nach den sieben Regeln, die mein Vater für sich festgelegt hatte, alle Menschen leben und danach handeln sollten. Es war uns nicht vergönnt, diese den Menschen näher zu bringen, sie hierfür zu gewinnen. Auch trafen wir bisher Niemanden, der diese Aufgabe hätte meistern können, wussten nicht, wo wir diesen Mann oder diese Frau suchen sollten. Dieser besondere Mensch muss über eine prophetische Ausstrahlung verfügen, welche aus sich heraus mitreißt, und er muss unerklärliche Wunder vollbringen. Damit wird er nicht nur die Wenigen für sich gewinnen, wie wir es mit unserer Überzeugungskraft vermochten, sondern einen Flächenbrand entfachen, der sich in der Welt ausbreitet. Diesen Propheten fanden wir bisher nicht, ich sagte es bereits. Die Schriften von Weisen aus Mesopotamien berichten, dass deutliche Zeichen seine Ankunft ankündigen werden. Diese Zeichen müssen wir finden. Erleuchtende Stille und Einkehr im Druidental zusammen mit der Suche nach Zeichen am Sternenhimmel sind daher unsere letzte Hoffnung.«

    Pona sank in sich zusammen. Unvermittelt richtete sie sich wieder auf.

    »Als ich mich an der Isura in Indobellinus verliebte, in diesen klugen und visionären Mann, kreisten auch unser beider Gedanken um diese Vorstellung. Er war ein Druide, der sich mit ähnlichen Gedanken befasste wie Quinus und ich. Vergeblich! Es war schmerzlich, als er mich verlassen musste; zu früh für mich und meine Tochter. Wäre Quinus, mein treuer Freund, nicht gewesen, wir säßen nicht hier.«

    Pona schwieg und sah traurig durch Cermunnos hindurch. Nach einer Weile hatte sie sich wieder gefasst und fuhr fort:

    »Indobellinus ist leider Vergangenheit, auch wenn ich seine geistige Anwesenheit in der letzten Zeit mehr denn je fühle.«

    Sie seufzte.

    »Mit großen Hoffnungen zogen Quinus und ich an den Rhenus. Ein großer Teil der Vindeliker zog mit uns. Wir dachten, dass die Kraft der Ortlosigkeit und die gemeinsam erlittenen Entbehrungen auf dieser Wanderschaft das Volk der Vindeliker wenigsten in die Nähe der Allmächtigen bringen würde, fänden sie eine neue Heimat. Wir hofften, dass sie sich dabei von den vielen Göttern befreiten und für diese, von uns aufgezeichneten Lebensregeln zugänglich wären. Immerhin wäre es ein Anfang gewesen. Doch wir irrten. Nur wenige Familien erkannten den tieferen Sinn der Regeln. Die meisten wandten sich wieder den alten Göttern zu. Als sie die Erde der neuen Heimat unter ihren Füßen fühlten, die ersten Ernten eingebracht waren, standen die Stelen mit den Bildern der alten Götter wieder auf den Feldern. Uns, Quinus und mir, fehlte einfach die Überzeugungskraft, ihnen das zu vermitteln, was die sieben Regeln bezweckten. Diese mitreißende, erleuchtende Kraft für die Umsetzung einer Erneuerung besitzen wir nicht. Wir haben uns in den Menschen geirrt, nicht bedacht, dass sie, sobald es ihnen besser geht, wieder in ihre alten Rituale zurückfallen. Die beiden Stämme der Boier und Vindeliker, die wir am Rhenus zurückgelassen haben, wollten unseren Gedanken nicht folgen. So scheiterte unser Vorhaben und wir waren um eine Enttäuschung reicher.«

    Pona starrte auf eine Stele, welche die Göttin Epona darstellte und schüttelte ihren Kopf.

    »Vielleicht waren wir selbst noch nicht so weit und haben in zu kurzer Zeit zu viel erwartet. Als wir sie verließen, gingen wir beruhigt, denn in vielen Herzen war unsere Saat aufgegangen. Es blieben der Druide Iduras und seine Frau Glenova, die das weiterführen werden, was wir begonnen haben. Bei ihnen und ihren Anhängern fanden unsere Lebensregeln jedenfalls fruchtbaren Boden. So bleibt uns ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass sich am Rhenus etwas in Bewegung setzen könnte.«

    Pona spielte mit einer Strähne ihres Haars und starrte auf den Boden.

    »Wie ging es mit euch weiter«, fragte Cermunnos, »es waren ja einige Jahre, die ihr auf Reisen verbracht habt.«

    »Ich fand bei dem Römer Loreius Tibertinus, den mir die Götter zuführten, eine neue Liebe«, fuhr Pona fort, »und…«

    »…und auf der Flucht vor seiner Liebe hat sie sich in die Erdgöttin von Melita verliebt«, unterbrach Quinus sie und lachte.

    »Nach dem verheerenden Sturm und dem Untergang unseres Schiffes wachte Pona am Meeressstrand in ihren Armen auf. Die Wellen hatten sie direkt in deren üppige Umarmung gespült. Wie ihr euch denken könnt, war Pona wie von Sinnen. So habe ich sie wieder gefunden, und ich dachte sie sei ertrunken.«

    Quinus erntete einen entrüsteten Blick von Pona, der seine Hände entschuldigend hob.

    Quinus’ Erzählung

    Ich sollte unsere Reise am Besten von Beginn an schildern«, beschied Quinus, »denn es könnte sein, dass bei dem Gedanken an die üppigen Brüste der Schönen von Melita, sich Ponas Gedanken zu sehr mit diesen befassten und ihr Erinnerungsvermögen nachließe. Mit Verlaub, Pona, und Spaß beiseite, es ist mir natürlich wohlbekannt, dass du dich nicht nach Frauen sehnst.«

    Er legte seine Hand auf Ponas Arm und sah sie schmunzelnd an.

    »Meine Erzählung beginnt am Rhenus, den wir mit dem Ziel verließen, uns hier in Ancyra niederzulassen«, begann Quinus.

    »Vielleicht war es auch eine überhastete Flucht vor Jemandem, der Loreius Tibertinus hieß.«

    Er schielte zu Pona, die an ihrem Teebecher nippte.

    »Als wollte uns die Allmächtige einer Prüfung unterziehen, unsere Schritte auf das für uns Wichtige lenken, verlief unsere Reise unter einem von ihr bestimmten Stern. Wir schifften uns in Massilia ein, gerieten unweit von Mileta in einen Sturm, und als wir dachten, das Schlimmste überstanden zu haben, erlitten wir Schiffbruch auf einem Riff vor dieser Insel. Die Allmächtige wollte, dass wir überlebten, wollte offenbar, dass wir die Spuren ihrer Botschaft in einer uralten Kultur verfolgten und unsere Schlüsse daraus ziehen sollten.«

    Cermunnos erhob sich und stellte drei Becher und einen Weinkrug auf den Tisch.

    »Zur Stärkung für uns. Bedient euch! Ich nehme an, eure Geschichte wird länger dauern; und seit wann trinken gute Geschichtenerzähler Tee. Der alte Druide lächelte und schenkte Quinus Wein ein.

    Nachdem er einen genüsslichen Zug aus dem Becher genommen hatte, fuhr Quinus mit seiner Erzählung fort:

    »Als Pona an Melitas Strand gespült wurde und die Statue dieser Göttin fand, wussten wir, dass die Allmächtigen uns mit Bedacht auf diesen Weg geführt hatten. Der Glaube des alten Volkes von Melita an diese Erdgöttin aus uralter Zeit, deren Leib wir fanden, spiegelte sich in ihren versunkenen Kultstätten wider und ließ uns ahnen, dass die Auslegung des Glaubens dieser Menschen offenbar an ihrem Unvermögen gescheitert war, die Zeichen der Zukunft zu lesen und sich ihnen zu öffnen. Diese Menschen hatten vor undenkbar langer Zeit den falschen Weg beschritten, auch wenn sie nach der Wahrheit gesucht haben.«

    Quinus warf einen verächtlichen Blick auf die Stelen in den Mauernischen des Raumes, in dem sie saßen.

    »Verewigt man seinen Gott in Figuren – in Melita war es eine Göttin – werden nachfolgende Generationen deren Wesen in der Art und Weise auslegen, wie sie dem eigenen Denken und der eigenen Situation genehm ist; nicht so, wie sie von dem Künstler ursprünglich aus seinem tiefen Glauben heraus erdacht wurde. Leicht kann man dabei den falschen Weg einschlagen. Genau das geschah offenbar vor unendlich langer Zeit in Melita.«

    Als ich in der besagten Sturmnacht meine Sprache wiederfand, ahnte ich, dass wir die Erkenntnis, nach der wir suchten, in der vor uns liegenden Zeit und den uns auferlegten Prüfungen finden würden.«

    Quinus nippte am Wein, dabei verdüsterte sich sein Gesicht.

    »Ich will es kurz machen. Die Allmächtigen fügten es zunächst, dass uns Loreius Tibertinus aus der Hand von Seeräubern befreite. Pona und Loreius fanden wieder zueinander und wäre nicht….«

    Er hielt inne und sah Pona von der Seite an.

    »Ich will nicht vorgreifen. Also: Im Frühsommer des folgenden Jahres verließen wir Melita und erreichten schließlich Ephesos. Wir erlagen dem Reiz dieser herrlichen Stadt, dem Gedankenreichtum der dortigen Bibliothek und studierten zahlreiche Schriften von alten Propheten und Weisen. Aus ihnen erfuhren wir, dass auch diese Männer sich auf der Suche befanden. Es war erstaunlich, wieviel von dem, was wir in ihren Schriften lesen konnten, bereits in unseren Köpfen verwurzelt war. Schließlich fanden wir die Zeichen des Propheten, nach denen wir gesucht hatten.«

    Quinus schwieg für einen Moment und zögerte. Es schien, als überdachte er den Zeitraum seit ihrer Abreise von Ephesos und war zu dem Schluss gekommen, diese Zeit zu überspringen.

    »Hier in Ancyra angekommen«, erzählte er mit trauriger Stimme weiter, »blieb uns nur die Erkenntnis und Hoffnung, dass wir am Ende unseres Lebens einen letzten Weg gingen, den uns die Sterne weisen würden.«

    Pona nickte.

    »In der Stille des Druidentals«, sagte Pona, »mit dem sprechenden Himmel über uns, versehen mit den Schriften meines Vaters, wollen wir uns der gesuchten Wahrheit nähern. Erkennen wir sie, wird sie ihren Siegeszug durch die gesamte Welt antreten.«

    Pona schwieg und sah erwartungsvoll in den Himmel, als würde sie von dort eine Bestätigung erwarten.

    »Und ich hoffte, ihr würdet mir in meinem Amt nachfolgen«, sagte Cermunnos traurig.

    »Auch abseits des Weges, den ihr beschreiten wollt, gibt es viele Menschen, die eures geistigen Beistands bedürfen. Ich selbst bin alt, kann mein Amt nicht mehr lange ausüben und hoffe daher, dass ihr für längere Zeit hier bleiben werdet. Versagt euch den Menschen in dieser Stadt nicht, denn auch sie befinden sich auf dem falschen Weg!«

    Seine Stimme wurde bestimmt.

    »Nur dann, wenn sie das Gefühl haben, dass wir Druiden ihnen den Weg weisen, werden sie uns verstehen. Was nützt den Menschen in Ancyra eure Einsamkeit in den Bergen, was nützt diese Ausschließlichkeit letztlich euch? Wir brauchen uns gegenseitig mehr, als wir ahnen. In den Gesichtern der Ungläubigen und Wankelmütigen sind viele Fragen zu lesen, deren Beantwortung uns allen weiterhelfen würde.«

    Pona ergriff die Hände des Alten.

    »Wir werden euch nicht im Stich lassen, Cermunnos, auch die Menschen in dieser Stadt und in ganz Galatien nicht«, sagte sie feierlich.

    »Das verspreche ich!«

    Cermunnos nickte gedankenverloren. Sein Gesicht verriet, dass er mit Quinus’ und Ponas Erzählungen noch nicht zufrieden war. Der Alte kaute an einer Frage, von der er nicht wusste, wie er sie formulieren sollte. Schließlich gab er sich einen Ruck und begann zu sprechen:

    »Ich habe die drei Tongefäße auf euren Maultieren gesehen. Ich ahne, was sie enthielten und weiß, dass der Schmerz, den ich immer noch in euren Augen sehe, euren Mund verschlossen halten würde. Daher schwieg ich. Bis jetzt.«

    Der weise Mann betrachtete Pona und Quinus.

    »Eure Geschichte endete nicht in Ephesos, wie es Quinus vorgegeben hat. Zwischen unserem Wiedersehen in Ancyra und eurer Abreise aus Ephesos liegt mehr als ein Jahr.«

    Er sah die Beiden nachdenklich an.

    »Befreit euren Kummer aus der tiefen Grube, in die ihr ihn geworfen habt. Er kann nicht überwunden werden, wenn er in den Abfällen eurer Gefühle gärt und mit seinen Dünsten eure Gedanken vergiftet.«

    Pona schüttelte ihren Kopf.

    »Ich kann nicht darüber sprechen und ich will es nicht!«, sagte Pona bestimmt.

    Sie sah Hilfe suchend zu Quinus, als würde sie von diesem eine Entscheidung erwarten. Der Heiler saß mit unbeweglichem Gesicht neben ihr. Seine Backenknochen mahlten unablässig. Es schien, als hätte er den Entschluss gefasst, seine Erinnerungen hinunter zu würgen, welche die Ereignisse beschrieben, deren Schilderung ihm auf der Zunge lag. Er wiegte seinen Kopf auf und ab und sagte schließlich:

    »Da ich in der vergangenen Zeit meist kühlen Kopf bewahrte, vermag ich es. Ich werde euch nun die ganze Geschichte erzählen, Cermunnos. Auch wenn jedes Wort Pona und mir zusetzt und uns Schmerzen zufügt.«

    Die Entführung

    Als wir in Ephesos beim Händler Axos eintrafen, diese abenteuerliche Schiffsreise hinter uns hatten«, begann Quinus zu erzählen, »schien es, als würde unser Leben endlich in geregelten Bahnen verlaufen. Vor allem die Bibliothek in Ephesos hatte es uns angetan. Wir fanden Schriften von Männern, die sich mit dem gleichen Problem befassten wie wir. Mit Begeisterung stürzten wir uns auf ihre weisen Texte, doch wie auch wir fanden die Gelehrten nicht das, wonach sie suchten. Und ich sage euch, Cermunnos, Viele hatten es versucht. Sie alle formulierten ihre Hoffnungen in vagen Weissagungen, die uns nicht weiter brachten. Bis zu jenem denkwürdigen Tag. Mit Dankbarkeit denke ich an Loreius Tibertinus, der uns bei diesen Studien unterstützte. Er war es, der den entscheidenden Hinweis in den alten Schriften fand. Doch davon später.

    Tatomi, die junge Druidin, Santima, meine Frau und Ponas Tochter Siane, gewöhnten sich wieder an ein normales Leben, welches ihnen all das bot, was sie lange entbehrt hatten. Auch wir taten dies. Pona und ich boten unsere Dienste als Heilkundige an und bald wussten wir nicht mehr, ob wir Heilen oder unsere Studien weiter betreiben sollten. Auf der einen Seite hatten wir unser Auskommen, konnten ohne Sorgen leben, andererseits beunruhigte vor allem Pona der Gedanke, dass wir in Ancyra von euch erwartet wurden.«

    Quinus hielt inne und musterte Pona, die ihm tapfer zulächelte.

    »Da war noch etwas, Cermunnos. Ich deutete es bereits an. Pona und der römische Konsul Loreius Tibertinus, dessen Herz Pona bereits an der Isura gewonnen hatte, trafen sich in Melita wieder. Es schien wie purer Zufall, doch ich denke die Götter haben es gefügt. Loreius folgte uns nach Ephesos, und er weilte danach lange Zeit bei uns. Pona und Loreius heirateten, und er beteiligte sich mit erstaunlicher Sachkenntnis an unseren Studien. Wenn ich es richtig beurteile, war es wohl Ponas glücklichste Zeit in den letzten Jahren.«

    Quinus suchte Ponas Hand und streichelte sie, bevor er weitererzählte.

    »Danach kehrte Loreius nach Pompeji zurück. Pona besuchte ihren Loreius mehrmals dort und er reiste mit ihr wieder nach Ephesos zurück. Er hatte die feste Absicht, sich mit uns im Druidental niederzulassen. Vor unserer Abreise kehrte er ein letztes Mal nach Pompeji zurück, um seine Angelegenheiten mit seinem Sohn Alianus zu ordnen. Als unsere Abreise näher rückte, überbrachte ein römisches Schiff einen Brief seines Sohnes Alianus. Darin teilte er Pona den Tod von Loreius mit. Er wurde bei einem Überfall auf Loreius’ Villa in Pompeji von einem Wotanskrieger hinterhältig ermordet. Selbst Kaiser Augustus entging damals, er weilte in seiner Sommerresidenz auf Capreae, nur knapp einem Anschlag dieser Verschwörer. Es war ein von langer Hand vorbereiteter Anschlag gegen Kaiser Augustus und seine Getreuen, wohl von Mitgliedern des Senats angezettelt, die sich die Dienste der markomannischen Wotanskrieger zu Nutze machten – auch wenn die Germanen eigene Absichten verfolgten.«

    Quinus zog Pona sanft an sich und hielt sie eine Weile in seinen Armen, bis er das Gefühl hatte, dass er fortfahren konnte.

    »Du musst nicht weiter erzählen, Quinus, vielleicht solltest du an einem anderen Tag fortfahren«, bemerkte Cermunnos einfühlsam.

    Pona löste sich von Quinus und schüttelte ihren Kopf.

    »Mein Freund Quinus kann unsere Erlebnisse ruhig zu Ende erzählen, denn auch schmerzliche Erinnerungen können heilsam sein.«

    Quinus sah Pona nachdenklich an, nickte und fuhr fort.

    »Wie ihr euch denken könnt, Cermunnos, mussten wir unsere Abreise verschieben, denn Pona wäre unter diesem Schmerz fast zerbrochen. Ein zweites Mal riss der Tod einen geliebten Mann von ihrer Seite. Wie, frage ich euch, soll ein Mensch einen weiteren Schicksalsschlag dieser Art ertragen können?«

    Er fasste wieder nach Ponas Hand.

    »Als Pona sich soweit erholt hatte, dass sie sich die Reise zutraute, entschlossen wir uns, Ephesos unter dem Schutz einer Karawane zu verlassen. Unser Freund Axos warnte uns zwar und meinte, er würde dem Führer der Karawane, welcher wir uns angeschlossen hatten, sein Leben und seine Güter nicht anvertrauen; uns aber schien es an der Zeit, endlich weiter zu reisen. Wir schoben seine Bedenken mit unseren Erwartungen beiseite, waren fest von dem überzeugt, was wir vorhatten.

    Von der ausgewählten Karawane hatten wir einen guten Eindruck: Der Karawanenführer war ein tatkräftiger und umsichtiger Mann, zu dem wir Vertrauen fassten. Wir wurden von mehr als fünfzig berittenen Soldaten begleitet die aussahen, als würden sie jeden Gegner fressen wollen. So wirkten sie auf uns. Dazu war jeder einzelne Kamelführer bewaffnet. Wir fühlten uns sicher und es war für uns unvorstellbar, dass diese Menge von Menschen und Tieren, beschützt von diesen gut bewaffneten Soldaten, von Jemandem angegriffen werden und wir in Gefahr geraten könnten. Aber so ist es manchmal: Man hat eine Vorstellung von etwas, begreift die Realität in diesem Sinne und hat dennoch das Wesen all dessen, was einen umgibt und was auf einen zukommen würde, nicht ausreichend erkannt – wie sollten wir es auch erkennen. Selbst wir Druiden sind vor Fehleinschätzungen nicht gefeit. Heute denke ich, es war keine, sondern lediglich eine Verkettung unglücklicher Zufälle.«

    Quinus atmete tief durch und nahm einen Schluck aus seinem Becher.

    »Die ersten Tage und Nächte, in denen unser Weg durch die Küstengebirge führte, verliefen ruhig. Je länger die Reise andauerte, desto entspannter wurden wir. Selbst Pona fand wieder zu sich. Als wir durch die karstigen Berge zogen, vorbei an Eunemia und Synnada, schließlich zwei Tagesreisen von Pessinus entfernt waren – wir schlugen wie gewohnt unser Nachtlager auf –, da geschah etwas, an das wir und der Karawanenführer nie gedacht hätten.

    Wir zündeten wie an vielen Tagen zuvor unsere Kochfeuer an, freuten uns an dem Feuerholz, das wir gesammelt hatten, bereiteten unsere Speisen zu und ergänzten sie mit Fleischstreifen aus unseren Vorräten. Von Bauern hatten wir Lauch und Blaufrucht für ein köstliches Gemüsegericht erworben. Es schien wieder einer der Abende zu werden, wie wir sie mit der Karawane bereits oft erlebt hatten. Wir genossen die Gemeinsamkeit, schlürften die würzige Linsensuppe, lobten das gute Gemüse, das Santima zubereitet hatte und fühlten uns satt und geborgen. Nach dem Essen kamen die üblichen Diskussionen auf, wer das Geschirr reinigen sollte. Der Lagerplatz schien uns gut ausgewählt, denn in der Nähe führte ein Flüsschen vorbei, das auch in diesen heißen Sommermonaten noch Wasser führte. Tatomi, Siane und Santima erklärten sich schließlich bereit, Näpfe, Pfannen und Töpfe zu reinigen und gingen in der aufkommenden Nacht zum Fluss.

    Bevor wir es begreifen konnten, brach das Verderben aus der Dunkelheit über uns herein. Schemenhafte Gestalten, mit blitzenden Messern in den Fäusten, schnellten uns aus der Dunkelheit entgegen. Wir waren völlig überrascht. Nur mit Mühe konnten wir ihren ersten Angriff abwehren. Noch deutlich erinnere ich mich daran, als Pona mit einem brennenden Holzstück auf einen der Angreifer einschlug und dieser in einer Funkenwolke gellend aufschrie. Ich selbst nahm einige der glühendheißen Kochsteine, die mir die Hand schier verbrannten, und ich schleuderte sie den Angreifern entgegen. Blitzschnell nutzen wir deren Verwirrung und fanden schließlich unsere Waffen. Nachdem wir sie in Händen hielten, wehrten wir uns gegen die Angreifer, wichen zum Fluss aus, da wir dachten, die Frauen und das Mädchen dort zu finden. Ich schrie nach den Frauen, hoffte, dass Santima, Tatomi und Siane mich in der Dunkelheit hören könnten, um sich zu verbergen. Doch ich erhielt keine Antwort. In der Zwischenzeit erhielten wir Hilfe von den Kriegern, die uns begleiteten. Nach einem erbitterten Kampf wehrten wir die Angreifer ab und trieben sie in die Dunkelheit zurück, doch die Frauen und Siane blieben verschwunden. Einer der Treiber kam ums Leben und nur ein Krieger wurde leicht verletzt. Von den Angreifern ließ ein halbes Dutzend ihr Leben. Wir dankten der Allmächtigen, dass dieser Angriff abgewehrt werden konnte, doch die Einzigen, die man vermisste, waren unsere Frauen und das Mädchen. Pona und ich waren daher fest entschlossen, die Angreifer zu verfolgen. Da es in der Nacht nicht sinnvoll erschien, auch der Karawanenführer davon abriet, warteten wir den Morgen ab. Wir packten unsere Sachen, tauschen unsere Reitesel gegen Pferde ein und machten uns reisefertig.

    »Ihr kennt das Land hier nicht«, mahnte der Karawanenführer besorgt, als wir auf unseren Pferden saßen.

    »Die Steppe wimmelt von streunenden Nomaden. Jeder von ihnen könnte einer dieser Räuber von heute Nacht sein. Ich habe wenig Hoffnung, dass ihr ihnen eure Frauen wieder abjagen könnt. Sie sind kräftig, schön und gepflegt und bringen daher einiges Geld auf den Sklavenmärkten. An eurer Stelle würde ich sie dort suchen. In zwei Tagen erreichen wir ohnehin Pessinus. Meines Wissens ist diese Stadt die nächstgelegene in der weiteren Umgebung. Dort könntet ihr den Sklavenmarkt aufsuchen und eure Frauen freikaufen…das wäre weniger gefährlich.«

    Pona schüttelte ihren Kopf.

    »Wir werden uns an die Fersen dieser Räuber heften und sie unbarmherzig jagen«, knurrte sie wie ein gereizter Hund, »bis keiner mehr von ihnen am Leben ist, bis die durstige Steppe ihren letzten Bluttropfen getrunken hat.«

    Ihre blutverschmierte Kleidung und ihre mit Aloesaft behandelten Wunden verliehen Pona ein kriegerisches Aussehen, ließen keinen Zweifel aufkommen, dass sie es auch so meinte. Niemand wagte ihr zu widersprechen.

    Der Morgen erschien fahl über den Felsen als wir aufbrachen. Ich erinnere mich noch jetzt an die wiederkäuenden Kamele, den scharfen Geruch des Dungs der Pferde und Esel, an die verunsicherten Blicke der Treiber und an den Händedruck des Karawanenführers, der uns von Herzen viel Glück wünschte. Er übergab uns einen Beutel mit Münzen.

    »Wir haben für euch gesammelt. Der Rest ist das Geld, das ihr an mich bezahlt habt. Die Götter mögen mit euch sein!«

    Wir waren über diese Geste mehr als erstaunt und ich dachte an Axos, der von diesem Mann so geringschätzig gesprochen hatte. Vielleicht war er nur einer seiner ärgsten Konkurrenten, an dem er nichts Gutes lassen wollte. Die Fürsorge des Karawanenführers und sein Mitgefühl taten uns gut, erleichterten den Abschied. Ich stieß meinem Pferd in die Flanken und winkte den Männern dankbar zu. Pona wirkte in diesem Moment wie versteinert und sie nahm offenbar nichts mehr um sich wahr, als sie losritt.

    Mühelos fand ich die Spur der Räuber. In meiner Heimat am Nil wurden wir bereits im Kindesalter in der Fährtensuche unterwiesen und das half mir jetzt. Ich stellte rasch fest, dass sich eine Gruppe mit etwa vierzig Tieren vor uns befand, wobei ich annahm, dass, entsprechend den Gepflogenheiten, etwa ein Viertel Lasttiere waren. Abgerechnet die sechs Toten, die sie hinterlassen hatten, mussten wir mit mehr als zwanzig Kriegern rechnen, da auch die Frauen und Siane Pferde benutzten.

    Beharrlich folgten wir ihrer Spur. Ich las ihren Vorsprung an der Randschärfe der Hufspuren ab, am Zustand des Dungs und an den geknickten Zweigen und Gräsern. Die Räuber wichen offenbar jedem bewohnten Ort weiträumig aus. Nachdem ich dies erkannt hatte, ritten wir durch die Ansiedlungen und stießen dahinter wieder auf ihre Spur. Auf diese Weise holten wir sie zügig ein, zumal zwei Reiter schneller sind als eine Gruppe mit vierzig Tieren, Lasttieren und begleitenden Reitern.

    »Wir sind ihnen sehr nahe gekommen, man kann sie bereits riechen«, sagte ich zu Pona, der die Sorge um die Frauen und ihre Tochter während unserer Verfolgung nicht aus dem Gesicht gewichen war.

    »Solange die Reiter ihr Ziel nicht erreicht haben, müssen wir uns um das Leben unserer Frauen keine Sorgen machen«, beruhigte ich Pona.

    »Frauen wie sie sind bares Geld und ich kann mir vorstellen, dass sie wie rohe Eier behandelt werden.«

    »Wir müssen nachts, wie Rächer, in ihr Lager eindringen«, erwiderte Pona und starrte auf den Weg. Sie hatte mir überhaupt nicht zugehört.

    »Dabei werden wir einen nach dem anderen töten«, fuhr sie fort.

    »Die Spuren und Zeichen, die wir dabei hinterlassen, gäben ihnen Rätsel auf, würden sie glauben lassen, dass wir böse Geister seien. Du weißt, Quinus, wie abergläubisch diese Steppenbewohner sind. Irgendwann werden sie sich keinen Schritt mehr in die Nacht hinauswagen, aus Angst, dass die Geister sie holen könnten.«

    »Viel Zeit hierzu haben wir nicht«, warf ich ein, »denn es könnte sein, dass sie ihr Dorf bald erreichen werden, und dann haben wir es mit ungleich mehr Männern zu tun als jetzt. Wie wäre es mit unseren kleinen Feuerdrachen. Damit könnten wir ihre Zelte in Brand stecken und ihre Tiere in Unruhe versetzen. Die Verwirrung könnten wir nutzen, um einige von ihnen zu töten. So sollten wir beginnen und sie Nacht für Nacht heimsuchen, bis keiner mehr von ihnen lebt.«

    Pona nickte zustimmend.

    »Ein guter Vorschlag«, brummte sie und prüfte die Schneide ihres Schwertes, das sie aus der Lederscheide gezogen hatte.

    Die Verfolgten schlugen schließlich ihr Lager abseits des Wegs in einem Felskessel auf. Er bot Schutz vor den kalten Winden, die nachts über die kahle Steppe fuhren, dazu konnte niemand den Lagerplatz von der Straße aus bemerken. Steil abfallende Felsen umgaben ihn, was unserem Vorhaben entgegenkam. Am Zugang zum Felskessel hatten sie Wachen postiert, die ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Straße richteten, auf der in dieser Einöde am ehesten Gefahr nahen könnte. Ihre Zelte hatten die Männer in Steinwurfweite von den Felswänden im Rücken des Lagers aufgeschlagen, an denen wir uns hinter Felsen versteckten und sie beobachteten. Die Wegelagerer mussten sich sehr sicher fühlen, denn in eine derartige Falle begibt sich niemand freiwillig.

    Erwartungsvoll wickelte ich meinen skythischen Bogen aus dem Lederbündel. Seit langer Zeit hatte ich ihn nicht mehr benutzt. Stumm saß ich davor und starrte ihn und die Pfeile an, die ich heute Nacht benutzen und damit Tod unter den Räubern säen würde.

    »Ich kann mir vorstellen, Quinus, dass du Angst hast, eine unserer Frauen oder Siane zu treffen«, sagte Pona und strich beruhigend über meinen Arm.

    »Sie werden unbeschadet bleiben, Pona«, beruhigte ich sie.

    »Das Zelt in der Mitte des Lagers werde ich nicht treffen, dort werden sie gefangen gehalten. Wo sonst würde man eine derart wertvolle Beute unterbringen?«

    Sie sah mich seltsam heiter an, als hätte sie eine gute Botschaft erhalten, und ich wusste, dass sie diese Tatsache in ihren Vorahnungen gesehen hatte.

    Bereits vor Einbruch der Dunkelheit beobachteten wir das Lager, und wir prägten uns jede Einzelheit ein. So mochten auch die unbekannten Krieger es getan haben, bevor sie uns überfallen und sich ausgemalt hatten, dass wir ihren überraschenden Angriff nicht überleben würden. Die Männer, die sich in dem Lager bewegten, waren in der Tat Steppenbewohner, wie man es an ihrer einfachen Kleidung und den Kapuzenmänteln erkennen konnte. Sie trieben ihre Pferde an der uns zugewandten Seite des Lagers zusammen und grenzten diesen Bereich mit Seilen ab.

    In der Zwischenzeit waren wir nicht untätig, sammelten Holz, trockenen Dung und bauten ein mit Schnüren umwickeltes Bündel, das wir brennend auf die Tiere hinabstürzen lassen wollten, um sie in Panik zu versetzen.

    Wir kneteten, wie damals an der Altamura nördlich des Danuvius, mehr als drei Dutzend dieser Talgkugeln, füllten sie mit Zunder, versahen sie mit Luftlöchern und bereiteten die Schalen für den Zunder vor, um ihn darin zu entfachen.

    »Gerät eines der Tiere in Panik, wird sein Herr ihm nicht nachstehen«, sagte ich und bettete einige unserer Feuerkugeln in das Bündel, das mir bis zur Brust reichte.

    »Sobald dieses Bündel brennt werde ich es hinabstoßen«, entschied Pona, »während du deine Pfeile abschießt. Alles muss schnell gehen. Auch unsere kleinen Feuerdrachen werden gute Arbeit leisten.«

    Wir wappneten uns mit Geduld und beobachteten das Lager. Der Mond tauchte es in fahles Licht.

    Sein Gesicht, dachte ich, müsste den Männern da unten eigentlich nichts Gutes verheißen, so blass und bekümmert er über dem Felsenkessel hängt.

    Nachdem der Mond untergegangen war und die Lagerfeuer niederbrannten, breitete sich Stille im Lager der Verfolgten aus. Nur das Schnauben der Pferde und ihre Ruhebewegungen waren zu hören. Ich dachte an unsere Frauen, die dort unten bang über ihr Schicksal nachdenken mochten. Doch ich kannte Santima. Sie würde sich nicht aufgeben, würde ihrer Angst nie freien Lauf lassen, denn wie auch ich hatte sie Ähnliches bereits erlebt.

    Als die erste Feuerkugel auf das Lager niederfuhr, weitere folgten, breitete sich Zufriedenheit in mir aus. Pona erging es ähnlich. Wir entzündeten die Kugeln und warfen sie, verfolgten den Feuerschweif ihres Fluges, sahen die ersten Zelte brennen und die Männer herausstürzen.

    Während ich meine Pfeile auf die wie blind herumlaufenden Männer verschoss, entzündete Pona das Bündel und stürzte es die Felswand hinunter auf die Pferde.

    Der Feuerschein half mir, meine Ziele auszumachen, und so traf ich mit jedem meiner Pfeile. Ich zählte ein Dutzend Tote, und ich registrierte mit Erleichterung, dass unsere Frauen nicht getroffen worden waren. Als wir unsere Pferde bestiegen, brachen die der Männer in wilder Flucht aus dem Talkessel aus und verschwanden in der Nacht.

    »Vielleicht werden die Steppenkrieger am Morgen einige von ihnen wieder einfangen«, dachte ich.

    »So oder so, dieser Teil unseres Plans ist gelungen. Es ist ein guter Anfang.«

    Eilig zogen wir uns in das zerklüftete Hinterland zurück und verbargen uns in dem Unterschlupf, den wir vorbereitet hatten.

    Am nächsten Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, schlichen wir uns an den Talkessel heran, diesmal von der anderen Seite, denn dort, wo wir das Lager angegriffen hatten, waren Krieger postiert.

    Wir sahen etwa zehn Pferde, die wieder eingefangen worden waren, sahen aber auch die Leichen von einem Dutzend Männer, die man nebeneinander gelegt hatte.

    Dankbar und nachdenklich strich ich über meinen Bogen.

    »Die Allmächtige mag uns verzeihen, diesen Männern den Tod gebracht zu haben«, fasste Pona meine Gedanken in Worte. Es schien, als würde sie für die Männer beten.

    »Besser sie als wir«, fügte sie leise hinzu und betete weiter.

    »An der Stelle der Männer im Talkessel würde ich die Toten bestatten und so rasch wie möglich weiterziehen«, dachte ich und verfolgte ihre Vorbereitungen. Ich täuschte mich. Sie banden die Toten auf die verbliebenen Pferde, mehrere auf einem und verließen den Talkessel, als die Sonne am höchsten stand. Auf jedem der übrigen Pferde saßen zwei Personen. Welche davon unsere Frauen waren, konnten wir nicht erkennen.

    »Uns verbleibt nur noch eine Nacht, in der wir unsere Frauen befreien können«, sagte ich zu Pona, als wir zu unseren Pferden zurückkehrten.

    »Sie wissen, dass ihre Toten höchstens noch zwei Tage der Sonne ausgesetzt werden können, sonst fangen sie zu stinken an. Das heißt, sie werden spätestens übermorgen in ihrem Dorf eintreffen.«

    Pona schien wieder in ihre Wolfslaune zurückgekehrt zu sein, denn sie fauchte und knurrte.

    »Heute Nacht werde ich die Frauen und Siane selbst aus dem Lager holen. Niemand wird mich daran hindern können, und wenn ich den Tod dabei finden sollte!«

    Ich betrachtete meine Gefährtin. Es schien ihr damit ernst zu sein, doch ihr Gesicht verriet mir, dass sie keinen klaren Plan für dieses Vorhaben gefasst hatte und die Folgen nicht realistisch einschätzen konnte.

    »Diesmal sollten wir so verfahren, wie du es vorgeschlagen hast, Pona. Wir werden lautlos in das Lager schleichen, einige von ihnen töten und die Frauen befreien«, ging ich auf ihren Plan ein.

    Sie kräuselte ihre Stirn und sah mich zweifelnd an.

    »Wir werden es nicht schaffen. Jeder von uns muss es mit mehreren dieser Krieger aufnehmen.«

    Ich war über ihre realistische Einschätzung erstaunt, die vorhin noch ganz anders klang.

    »Sie werden erschöpft sein«, sagte ich, »und einen neuerlichen Überfall nicht erwarten.«

    »Ein derartiges Vorhaben erfordert von uns beiden die Gewandtheit von Katzen oder Schlangen«, fuhr sie fort.

    »Vielleicht vermagst du es, denn im Gegensatz zu mir, bist du von Kindesbeinen an darin geübt, dich wie eine Schlange anzuschleichen. Wahrscheinlich hast du dich bereits bei deiner Geburt wie eine Schlange aus dem Leib deiner Mutter gewunden, ohne dass sie es bemerkt hat.«

    Sie lachte über ihre Bemerkung und ich hatte den Eindruck, dass sie mit diesem Scherz ihre Bedenken über ihre diesbezüglichen Möglichkeiten zurechtrücken wollte. Ich musste ihr Recht geben, denn sie hatte in der Zeit in Ephesos etwas von ihrer Beweglichkeit verloren, und sie war daher kaum in der Lage sich wie eine Katze anzuschleichen. Nachdem unser Lachen verklungen war, sackte sie wieder in ihr Grübeln zurück.

    »Ich habe nichts anderes erwartet, als dass mir die Aufgabe der Katze und Schlange zufallen würde«, antwortete ich ihr nach einiger Zeit.

    »Du bist eine gute Beobachterin, Pona. Ich bin in der Tat geübt darin, habe jedoch noch etwas anderes zu bieten: Die Steppenkrieger werden mich nicht sehen, denn ich bin in der Nacht noch dunkler, als ich es ohnehin bin.«

    Ich versuchte mit derartigen Bemerkungen ihre niedergeschlagene Stimmung aufzulockern, doch es gelang mir nicht.

    Der Plan war damit beschlossen. Wir warteten, ruhten uns aus, bis die Reiter am Horizont verschwunden waren. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht, der Horizont über der Steppe flimmerte bereits, als wir aufbrachen. Da wir schneller waren als sie würden wir ihr Lager nach Einbruch der Dunkelheit erreichen und uns einen geeigneten Ausgangspunkt für unser Vorhaben auswählen, dachte ich. Meine Zuversicht war groß, dass es uns gelingen würde, unsere Frauen in der kommenden Nacht zu befreien. Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont zu, als wir die Reitergruppe wieder vor uns sahen. Und noch etwas registrierten wir, was uns die Sprache verschlug: In der Ferne zeichneten sich die Konturen einer großen Siedlung ab, auf welche die Reiter zusteuerten.

    Pona ritt hinter eine Felsgruppe, hielt ihr Pferd an und stieg ab. Sie atmete tief durch.

    »Nun ist das eingetreten«, sagte sie, »was wir am allerwenigsten erwartet haben. In ihrem Dorf werden sie sich sicher fühlen und das mit Recht. Wie sollen wir die Frauen und das Mädchen aus diesem verfluchten Dorf befreien können?«

    Sie sank in sich zusammen und kauerte am Boden nieder. Ich hatte sie in all den Jahren, die wir uns kannten, selten so verzweifelt gesehen, ohne einen Funken Hoffnung in sich.

    Auch ich musste mir eingestehen, dass ich ratlos war, da sich all meine Gedanken mit der Befreiung aus ihrem nächsten Nachtlager befasst hatten, irgendwo in der Steppe.

    Wir schlugen unser Lager auf, kauten an dem harten Fladenbrot, an getrockneten Rindfleischstreifen und tranken von dem Wein, den wir in Schläuchen mitführten. Ich beschloss ein wenig zu schlafen, denn ich wusste, dass es das einzige Mittel war, wieder einen kühlen Kopf zu erhalten. Während ich vor mich hindöste, sah ich am Himmel die Feuerschweife niedergehender Sternschnuppen, hörte die Schreie der nächtlichen Jäger, und ich träumte von Santima, die in diesem Dorf in der Steppe auf ihre Befreiung wartete.

    Mitten in der Nacht wachte ich auf; nicht unerwartet. Pona war auf ihrem Lager eingenickt und schlief. Sie hatte ihren Mund geöffnet und japste mit ihren Atemstößen hilflos nach Luft. Die sonst so aktive Frau bot wieder das Bild, das ich von ihr in den letzten Tagen mehrfach gesehen hatte, war hilflos in ihrem Grimm gefangen, der die leidvollen Ereignisse der letzten Zeit in sich trug. Ich betrachtete meine schlafende Freundin und erkannte, dass es nun an mir lag zu handeln. Mir war bewusst, dass ich rasch einen Plan fassen musste. Nicht morgen, sondern jetzt. Schließlich kam mir der kühne Gedanke, dass wir am nächsten Tag wie verirrte Reisende im Dorf eintreffen, uns eine Herberge suchen und dann das Dorf auskundschaften sollten. Wir mussten unbedingt erfahren, wo die Frauen in dem Dorf gefangen gehalten wurden und was mit ihnen geschehen sollte. Erst dann könnten wir unser Vorhaben planen – wie es auch aussehen mochte – und in die Tat umsetzen.

    Meine Gedanken freundeten sich mit der Tatsache an, dass ich diesen Plan selbst realisieren musste. Pona konnte es nicht. Sobald ihre Gefühle aufgewühlt wurden, war sie ihren Gedanken hilflos ausgeliefert und verharrte in einem lethargischen Zustand.

    Als wir losritten stimmte ich Pona auf mein Vorhaben ein:

    »Bewahre Ruhe, Pona! Ich verstehe deine Trauer, welcher die Seele eines Menschen hilflos ausgesetzt ist«, zischte ich durch meine Zähne, dabei knirschte Sand zwischen ihnen.

    »Niemand weiß, wer wir sind, noch was wir vorhaben. Halte dir das immer vor Augen, was auch geschehen mag!«, beschwor ich sie.

    Es war das Letzte, was ich zu ihr sagte, bevor wir das Dorf erreichten.

    Die Karawanserei

    Wir schwiegen während des gesamten Ritts zu dem Dorf. Gegen Mittag erreichten wir es und ritten langsam die Hauptstraße entlang. Das Dorf wirkte erstaunlich grün. Nach Süden und Westen erstreckten sich Palmenhaine und ausgedehnte Anpflanzungen von Feigenbäumen, dazwischen machte ich Hirse- und Gemüsefelder aus. Wasser musste offenbar ausreichend vorhanden sein. Kinder spielten im Staub der Straße ein Steinwurfspiel. Als sie uns bemerkten rannten sie davon. Ich bemerkte rechterhand eine Ansammlung größerer Gebäude mit angrenzenden Stallungen, inmitten eines Palmenhaines gelegen und von einer Mauer umgeben. Sofort dachte ich mir, dass dies so etwas Ähnliches wie eine Karawanserei sein musste. Schon der Klang dieses Wortes in meinen Gedanken ließ mich daran zweifeln, ob dieser Ort der richtige für unser Nachtlager sein würde. Doch ich schob die Zweifel von mir. Irgendetwas beim Anblick der Gebäude erfüllte mich mit Zuversicht. Wir näherten uns diesem Gebäudekomplex als ein Junge vor uns auftauchte. Er war in Schweiß gebadet und atmete heftig, wie wenn er einen raschen Lauf hinter sich hätte. Eine Schar lärmender Kinder folgte ihm in gebührendem Abstand. Sie erwarteten etwas und wollten dabei sein, wenn es geschah. Der Junge schien es selbst nicht glauben zu können, dass sich jemand in diesen verlassenen Winkel irgendwo bei Pessinus verlaufen hatte. Einladend deutete er auf die lehmfarbenen Gebäude.

    »In dieser Herberge werdet ihr willkommen sein«, rief er in griechischer Sprache noch außer Atem bevor er uns erreicht hatte.

    »Eure Pferde werden getränkt und gefüttert, und ihr selbst könnt ein ordentliches Nachtlager, Speis und Trank erhalten.«

    Ich nickte und trieb mein Pferd an. Der Junge lief voran, dabei sah er sich ständig um. Er hatte wohl die Befürchtung, dass ihm diese seltene Gelegenheit, Gäste zu der Karawanserei zu führen wieder aus der Hand gleiten könnte.

    Wir ritten durch einen schmalen Gürtel aus Dattelpalmen, welcher das Anwesen umgab, zu dem aus Lehm gestampften und weißgetünchten Hauptgebäude. Nachdem wir ein Tor durchquert hatten erreichten wir einen Innenhof, der mich überraschte. Er war mit Oleander, Dattelpalmen, Feigenbäumen und Aloe dicht bewachsen. Sämtliche Gebäude hatte man weiß gekalkt. Wir mussten uns die Zweige aus dem Gesicht schieben, um dem Jungen auf den Pferden folgen zu können, der geschickt darunter hinweg glitt. Der Innenhof weitete sich und endete vor einem einladenden Gebäude, vor dem ein Brunnen plätscherte, aus dem einige Frauen Wasser schöpften. Vor dem Eingang saß unter einem Sonnendach eine Frau und beobachtete gelassen unsere Ankunft.

    »Du warst tüchtig, Kowir, hast uns Gäste gebracht«, sagte sie mit einer dunklen, weichen Stimme und sah den Jungen liebevoll an. Langsam löste sie ihre Augen von ihm und sah uns erwartungsvoll entgegen. In ihrem Blick bemerkte ich eine Mischung aus Verwunderung, Neugierde und Sympathie, letztere wie sie in Bruchteilen eines Augenblicks entsteht und dann von nichts mehr verdrängt werden kann, nur von uns selbst. Ich verneigte mich höflich.

    »Wir sind Reisende auf dem Weg nach Pessinus. Mein Name ist Quinus, jener der Frau an meiner Seite Pona. Man hat uns eine Abkürzung beschrieben und wir scheinen vom Weg abgekommen zu sein. Könnt ihr uns helfen?«

    Es schien, dass sie meinen Worten keine Beachtung schenkte, als sie erwiderte:

    »Die Karawanen meiden unseren Ort, nachdem es in unserer Gegend häufig zu Überfällen gekommen ist.«

    Sie schlug mit einem Fächer nach einer Fliege auf ihrem Arm.

    »Ein Werk unseres Dorfvorstehers. Gestern kehrte er von einem Beutezug aus der Gegend nördlich von Synnada zurück und hat nichts anderes mitgebracht als drei Frauen, eine davon ist noch ein Kind. Für diese Beute hat er nahezu die Hälfte seiner Krieger verloren. Wieder hat es Weiber und Kinder getroffen, die ihren Ernährer verloren haben.«

    Sie spie in den Staub und lachte bedrückt.

    »Dieser Größenwahnsinnige! Er träumt von einem Ort, der einst der Mittelpunkt der Steppe werden soll. Dass so etwas nur mit Geduld und harter Arbeit erreicht werden kann, hat er nie begriffen. Wenn man, wie er, Geduld missachtet und die Zeit seinem Willen beugen will, wird man nur Staub ernten. Ihr seht, wie Recht ich habe: Leere Ställe, leere Unterkünfte und die vielen Kinder unserer Mägde, die den Karawanenführern von damals nicht widerstehen konnten. Inzwischen findet kaum Jemand mehr den Weg zu uns. So sind wir eine große Familie geworden, die in diesem verlassenen Winkel auf sich selbst gestellt überleben muss. Vor einem Jahr kehrte auch mein Mann von einem dieser sinnlosen Beutezüge nicht mehr zurück.«

    Ihre Faust fuhr durch die Luft. Sie schien eine tatkräftige, willensstarke Frau zu sein, die wusste von was sie sprach und was sie wollte, nie das aufgeben würde wofür sie eintrat.

    »Die Verödung unseres Dorfes ist sein Werk, das Werk dieses irrgeleiteten Dorfvorstehers, eines Wahnsinnigen. Bei mir seid ihr jedoch herzlich willkommen. Fühlt euch wie zu Hause! Ihr werdet in Sicherheit sein, die keiner verletzen wird. Ich, Fakira, werde es nicht zulassen!«

    Sie betrachtete uns mit einem kundigen Blick und es schien, als wenn ihr ein aberwitziger Gedanke durch den Kopf ginge.

    »Unser Dank gilt eurer Offenheit und der Gastfreundschaft, die wir so nicht erwartet haben«, erwiderte ich.

    Sie musterte mich während meiner Worte abschätzend. Die Frau schien zu ahnen, dass wir nicht die Reisenden waren, die wir zu sein vorgaben, denn sie sah mich mit einem durchdringenden Blick ihrer dunklen Augen an und meinte:

    »Wer den Staub dieser Steppe auf dem Weg hierher auf sich nimmt, verfolgt ein Ziel. Niemals wird er dieses aus den Augen verlieren, auch nicht angesichts des vielen Staubs. Ich kenne das!«

    In diesem Moment fühlte ich, dass ihre Worte ehrlich und wir bei ihr willkommen waren; und ich erkannte, dass Fakira uns durchschaut hatte. Sie war von schlanker Gestalt und verbarg ihr schwarzes Haar unter einem Kopftuch. Ihre Kleidung wirkte gepflegt und ihr Gesicht strahlte eine eigenartige Schönheit aus, die sich einem flüchtigen Betrachter nicht gleich erschloss. Gelassen winkte sie den Knechten zu, die neugierig aus den Stallungen und Nebengebäuden getreten waren.

    »Versorgt die Pferde, Männer! Und ihr«, dabei deutete sie auf Kowir und einige andere Kinder, »bringt das Gepäck unserer Gäste auf die Zimmer, ich selbst werde vorangehen und ihnen diese zeigen! Mein Name ist übrigens Fakira und ich bin Besitzerin dieser Karawanserei.«

    Ich stieg ab und trat zu ihr. Pona blieb bei ihrem Pferd stehen und wirkte desinteressiert. Sie hatte das, was um sie geschah, offenbar noch nicht in ihr Bewusstsein aufgenommen.

    Als Fakira uns das Zimmer zeigte war ich überrascht, wie sauber der Raum und die Betten waren und welche Behaglichkeit die Einrichtung ausstrahlte. Derartiges hätte man in dieser Öde nie erwartet.

    »Wenn ihr Hunger verspürt, teilt den Dienern eure Wünsche mit. Ihr werdet alles erhalten, wenn es nicht gerade das Essen eines Fürsten sein soll.«

    Fakira nickte uns freundlich zu und entfernte sich.

    »Eine angenehme Person, diese Fakira. Jedenfalls angenehmer als die staubigen Kakteen, die wir bisher gesehen haben«, brummte Pona, die aus ihrer Lethargie erwacht zu sein schien.

    »Es ist erstaunlich, dass du wenigstens bei einer interessanten Frau den Turm deiner Schweigsamkeit verlässt. Es ist das erste Wort, das ich von dir höre, seitdem wir losritten.«

    »Meine Worte sind in Trauer versiegt, Quinus. Sie bedrängt mein Herz. Tag und Nacht. Diese Untätigkeit ertrage ich nicht länger und ich denke, dass wir längst etwas für unsere Frauen tun müssten. Am Liebsten würde ich jetzt in den Ort gehen und dem Dorfvorsteher die Frauen und das Mädchen abjagen, um….«

    »…um dann selbst als Sklavin zu enden oder als Leiche, die man den Wüstenhunden zum Fraß vorwerfen wird«, unterbrach ich sie.

    Pona sank in sich zusammen. Erneut vergrub sie sich in ihre Trauer und innerliche Einsamkeit.

    Ich beschloss, den Rest des Tages verstreichen zu lassen, damit Pona wieder zu sich kam bevor wir uns im Dorf umsehen würden. Auf meinen Wunsch hin ließ uns

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