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Die Toten von Largent: Die Chroniken der Westfal-Chaoten 3
Die Toten von Largent: Die Chroniken der Westfal-Chaoten 3
Die Toten von Largent: Die Chroniken der Westfal-Chaoten 3
eBook399 Seiten5 Stunden

Die Toten von Largent: Die Chroniken der Westfal-Chaoten 3

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Über dieses E-Book

Westfal, Ende des 19. Jahrhunderts.
Nach dem Gefängnisausbruch kommen die Chaoten endlich im fabelhaften Treveriam an. Während sie dort auf den Ermittler Reginald Vonderlus warten, stellen sich ihnen in dieser unbekannten Stadt neue Herausforderungen in den Weg. Dabei haftet ihnen noch die ganz große Aufgabe an, das Amulett zu beschaffen und zu zerstören. Unterdessen zieht der geheimbund der Ekpyrosis seine Fäden und der Magus Salomon Tretenville rüstet seine untoten Soldaten im besetzten Teil der Stadt Trivess auf. Alles droht aus dem Ruder zu geraten. Die Fahrt steht auf Messersschneide. Wird Tolumirantos es schaffen, seine Freunde zusammenzuhalten und ihr eigentliches Ziel nicht aus den Augen zu verlieren? Kann Reggie eine Drude finden, die ihnen bei der Zerstörung des Amuletts hilft?
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum9. Juni 2023
ISBN9783740742195
Die Toten von Largent: Die Chroniken der Westfal-Chaoten 3
Autor

Andreas Reuel

Der Autor wuchs in Kornelimünster auf, einem historisch bekannten und idyllischen Örtchen, das zu Aachen gehört. Zu lesen begann er erst im Studium. Es entwickelte sich zu einer Leidenschaft und er begeisterte sich für Fantasyromane verschiedenster Autoren. Seine größten Vorbilder sind J.R.R. Tolkien und Andrzej Sapkowski. Inspiriert durch einige Fantasybücher, begann er seine eigenen Ideen niederzuschreiben. Das Uhrwerk des Bösen ist sein erstes Buch und der Beginn der Chroniken der Westfal-Chaoten.

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    Buchvorschau

    Die Toten von Largent - Andreas Reuel

    Für Erich,

    ein Vorbild, ein Vater, ein Großvater der niemals seinen Humor verlor.

    Jeder Mensch hat die Pflicht, unter allen Umständen Gutes zu fördern und Böses zu meiden.

    InterAction Council – Allgemein Erklärung der Menschenpfichten, 1997

    Fundamente Prinzipien für Humanität, Artikel 3

    Greifende Hände in der Dunkelheit schieben die Deckel auf Seite und heben knochige Körper hervor. Träge Schatten wandeln in der Schwärze der Gruft und steigen ins Licht empor.

    Leyles van Sant, über eine Abwandlung der Apokalypse

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    Ein Albtraum

    Ankunft in Mulbeck

    Alleingelassen

    Das Spielhaus

    Vorurteile

    Zvedros Zwirn

    Vorsehung

    Das Glück auf seiner Seite

    St. Tiberus

    Hänsel ohne Gretel

    Jeder trägt sein Päckchen

    Dori Buckelbeck

    Verstreute Krümmel

    Das Koboldküsschen

    Das Buch Amlaar

    Vir illustris

    Die Ruhe vor dem Sturm

    Die Dinge nehmen ihren Lauf

    Matt gesetzt

    Auf Winterburg

    Morgenstund, Gold im Mund

    Die Boxmeisterschaft

    Die dreiköpfige Schlange

    Hetzjagd

    Marsch der Untoten

    Im Findeleck

    Des Fängers Rückkehr

    Zurück im Findeleck

    In Bedrängnis

    Wortfechterei

    Die gute Backstube

    Kurzes Intermezzo

    Ein Schreck für Reggie

    Die Heimkehr des Fängers

    Der Medjev'sche Kreis

    Frohnkapelle

    Wiedersehen im Kuckucksnest

    Van Daal

    Das Hauptquartier der Bürgerwehr

    Der Meisterplan

    Die Lerche und der Kolibri

    Gefährliches Terrain

    Reggie vermittelt

    Das Signal

    Festival des Schreckens

    Leben

    Die Zusammenkunft

    Ausgelassenheit im Burhurt

    Der Fluch

    Abschied und Aufbruch

    Epilog

    Der Alltag hat einen wieder

    Dankende Worte

    Der Autor

    Namensregister

    Prolog

    Trivess, Westfal, im Jahr 1888

    Der Platz vor dem alten Stadttor war voll mit Menschen. Sie alle waren Bürger dieser Stadt – voller Zorn, Verzweiflung und Erwartung –, gerufen um ihn anzuhören. Seine Rede voller Zuversicht und Hoffnung. Doch konnte er ihnen geben, was sie brauchten, um in diesen dunklen Zeiten zu bestehen?

    Nervös prüfte er den Sitz seiner Fliege, schob zum bestimmt zehnten Mal den Vorhang zur Seite und spinste aus dem Fenster. Es wurden nicht weniger, je öfter er nachschaute. Für seine Amtszeit hatte er sich etwas anderes versprochen. Du wirst nur delegieren, hatten seine Parteifreunde der Demokratischen Westfal Partei ihm gesagt. Drei oder vier Sitzungen im Jahr. Mehr waren es dann doch. Und dann dieser Spießrutenlauf. Gedankenverloren bohrte er im Ohr und zwirbelte darauf aus Gewohnheit mit Daumen und Zeigefinger seinen Schnurrbart, der vor lauter Ohrenschmalz wie eine Eins stand.

    Dann klopfte es an der Türe.

    Sein Sekretär kam herein und teilte ihm mit, dass es an der Zeit für seine Ansprache sei. Bevor er jedoch hinaus ging, prüfte er noch einmal den Sitz seiner vor Pomade triefenden Frisur im Spiegel. Alles saß.

    Dann kam die Stunde der Wahrheit – sein Auftritt. Die Menge verstummte beinahe augenblicklich, als die langen Fenstertüren sich öffneten und der Bürgermeister auf den kleinen Balkon heraustrat.

    »Heute Mittag habe ich ein Telegramm aus Kalandria erhalten.« Er hob den Zeigefinger, um das Folgende mit dieser Geste zu untermalen. »Vom Kaiser höchstpersönlich.« Er wedelte noch ein wenig mit dem Stecken. Dabei blickte er umher und erfasste somit, ob alle Anwesenden die Tragweite dieses Satzes vernommen hatten.

    »Man entsandte Truppen zu uns nach Trivess – noch heute Mittag. So stand es dort geschrieben. Soldaten werden kommen und uns aus dieser Misere befreien. Aber ...«, rezitierte er und machte hier wieder eine künstlerische Pause. »Der Weg ist weit und kostet Zeit. Und die haben wir nicht.«

    Einige Bürger riefen zustimmend. Als die Rufe verstummten, setzte der Bürgermeister unmittelbar fort.

    »Was wir allerdings haben, das ist unsere Stadt und seine Bewohner, die darin leben. Mit unseren Familien, unserer Arbeit und allem anderen, was uns im Alltäglichen Freude bereitet. Lasst uns gemeinsam losziehen und dafür kämpfen. Unsere Werkzeuge sollen zu Waffen werden. Leisten wir Widerstand gegen diese Ausbrut der Hölle. Sperren wir sie ein und erkaufen uns somit die Zeit, die die Soldaten für ihren Fußmarsch von Kalandria bis nach Trivess benötigen.«

    Eine große Schar jubelte ihm jetzt lauthals und zustimmend zu. Das war die Bestätigung die ihn bestärkte. Stolz schob er seine Daumen in die Taschen seiner Weste und drückte seinen Wanst vor, den das offene Jacket entblöste. Mit gerecktem Kinn sagte er: »Wir lassen uns nicht unterkriegen und werden Trivess, unsere Stadt, zurückero–« Von einem Pferdewiehern unterbrochen stockte er abrupt. Hinter der Balustrade des Balkons spähte der Bürgermeister über die Menschenmenge hinweg in eine Straße. Raunend wandten sich alle Bürger in diese Richtung. Erneut wieherte ein Pferd. Hufschläge hallten auf dem Kopfsteinpflaster wider und sichtbar wurde augenblicklich ein Reiter mit Pickelhaube und in rostiger Rüstung, der gemächlich aus der Seitenstraße heraustrat und dann stehen blieb. Der Kopf hob sich langsam nach oben und rot schimmernde Augen nahmen sie alle in seinen Bann.

    »Das ist der Fänger!«, rief ein Mann panisch und mit vor Angst zitternder Stimme aus.

    »Lauft um euer Leben!«, kehlte der Bürgermeister laut.

    Und sie rannten!

    Ein Albtraum

    Es war Nacht. Wohl die schwärzeste Nacht in meinem Leben. Dabei bin ich doch nur auf dem Abtritt gewesen. Wie kann sich die Welt in nur wenigen Minuten so verändern? Ich konnte es kaum fassen, während ich vor dem Haus stand und meinen Blick schweifen ließ. Alles wirkte apokalyptisch. Wahrlich, es fühlte sich an wie der Weltuntergang.

    Fackeln und das Feuer von Bränden der Häuser, die deren Bewohner selbst und sich gleich mit in Brand gesteckt hatten, beleuchteten die Straßen. Der Rauch biss in den Lungen und brannte in den Augen. Die Schreie lärmten in den Ohren und zerrten an den Nerven. Trivess hatte sich innerhalb weniger Minuten von der schönen Stadt im Tal zur Hölle verwandelt.

    Ich schloss mich einer Gruppe von Leuten an und gelangte mit ihnen abgehetzt an einen Platz. Wir schnappten alle nach Atem, vom langen Lauf. Leider war die Luft staubig und stank fürchterlich verfault nach Schwefel. Deshalb war jeder Atemzug eine brennende Qual. Zerfledderte Leichen lagen überall auf dem Platz verteilt.

    Der Anblick versetzte die Bürger in bedrückende Stille. So musste es wahrlich in der Hölle sein.

    Ein Wiehern durchbrach das Chaos und kurz darauf trat ein Pferd aus dem bräunlichen Nebel hervor. Gleich war da zu erkennen, ein Reiter in rostiger Rüstung, zerfetzten Lumpen und Umhang. Sein Pikenhelm und darin ein Schädel mit dem Ebenbild einer gehässigen Fratze! Ein Schauer lief mir über den Rücken und so, wie die anderen Menschen um mich herum schauten, erging es ihnen genauso. Einer rief: ›Lauft! Das ist ... der FÄNGER!!!‹ Und sie liefen, und ich mit ihnen. Was hätte ich auch sonst anderes tun sollen? Mich tot trampeln lassen? Nein! Während es den Anschein hatte, alle Menschen rannten panisch um ihr Leben, verfolgte ich nur ein Ziel; geradeaus in die Straße, einfach nur runter von dem Platz, weg von dem Fänger – wie sie ihn nannten. Plötzlich tauchten vor uns auch ein paar Wiedergänger auf und versperrten uns, wenn auch noch weit entfernt, den Weg. Der Kerl, der vorhin zum Weglaufen gebrüllt hatte, fand sich nun neben mir und rief jetzt zur Offensive, die Untoten anzugreifen und sie niederzuschlagen. Ich dachte mir nur, nicht mit mir, Leute. Die Lage war aussichtslos, das wusste ich und wollte es ändern.

    Einige Männer verschwanden in einem Haus, das vermutlich mal eine Bar gewesen war und kehrten mit Hockern und anderen zum Dreschen umfunktionierten Gegenständen wieder zurück. Ihren Weg, den der Masse, hielt ich in diesem Augenblick für den falschen.

    Ich fackelte nicht lange und bahnte mir den Weg seitlich gegen den Strom in die Bar. Keiner beachtete mich. Warum auch? Ich war ja nur ein Elb, und so suchte ich mir in aller Eile ein Versteck. Doch hier, parterre, schien keine Stelle die richtige zu sein. Die Treppe nach oben in den ersten Stock war hinüber und unpassierbar, also musste ich einen anderen Weg finden. Ein Seil, das mir beim entlanghangeln oder zum Klettern hätte helfen können, suchte ich vergebens. So langsam rann mir die Zeit davon. Draußen lärmte es schrecklich. Ich wurde immer nervöser, je näher die Untoten kamen.

    Ein Schrank, eher eine Anrichte, vereinnahmte dann meine Aufmerksamkeit. Nicht allein, weil ihre Machart mir so gefiel, sondern sie war etwas höher gebaut als gewöhnlich, so dass sie mir ein kleines Stück die Säule hinauf half, von wo ich einen schmalen Sims und einen weiteren ergreifen konnte. Dadurch erreichte ich endlich die Brüstung des Flures im ersten Stock. Gerade als ich mich über das Geländer rollte, hörte ich mitten in der Bewegung Hufe über die Straße klappern. Der Fänger! Es traf mich wie der Blitz und genauso schlagartig ließ ich mich flach auf den Boden fallen, in der Hoffnung, man entdecke mich nicht. Aus dieser Position sah ich die Flanken des verwahrlosten Gauls unter dem Türsturz her traben. Der Reiter ließ sein Pferd genau vor der Bar halten. Es scharrte mit einem Huf. Mir sackte das Herz in die Hose. Ich zitterte am ganzen Leib und diesmal lag es nicht daran, dass ich unterzuckert war. Na gut, vielleicht war das unter anderem auch ein Grund. Aber ich hatte eine Scheißangst. Ich hielt den Atem an und hoffte inständig, er möge doch bitte weiter ziehen, und wenige Herzschläge später tat er es auch. Hatte der Fänger meine Gedanken gehört?

    Ich holte erstmal tief Luft. Nachdem ich wieder zu Atem gekommen war erhob ich mich langsam und ging gebeugt in eines der Zimmer. Es gab hier ein einziges Fenster zum Hinterhof. Das war gut, denn im Notfall war es mein Fluchtweg und hier bleiben wollte ich schließlich auch nicht. Wie ich so alleine da stand und von draußen den schrecklichen Schreien des Todes lauschte, lief es mir jedes mal eiskalt den Rücken herunter. Zitternd setzte ich mich zwischen Wand und Nachttisch auf den Fußboden, zog beide Beine kauernd an mich heran und weinte.

    Der Elb vergrub das Gesicht in seine Hände, wischte sich den Alptraum aus den Augen und blickte wieder auf. »Ich saß da und konnte nicht mehr. Ob vor Angst, Schock oder purer Überforderung. Ich war wie gelähmt, versteht ihr?« Alle sahen ihn mitfühlend an. Selbst Tomagril konnte nichts Bissiges erwidern.

    »Ando, ... Ich …«, stammelte Monty überfragt. »Davon habe ich überhaupt nichts mitbekommen und bin auch ehrlich gesagt ganz froh darüber«, lachte er dann beschämt auf. »Jetzt weiß ich auch, warum du an dem Morgen vor dem Ausbruch so mitgenommen ausgesehen hast.«

    Tolumirantos kratzte sich verlegen am Bart. »Ja, das klingt schrecklich. Mit unserer Festnahme hatten wir wohl Glück im Unglück, wie man so schön sagt.«

    »Es ist weiterhin schrecklich. Die Bürger von Trivess durchleben das seitdem jeden Tag. Und genau deshalb müssen wir das beenden«, unterstrich Andored ihr Vorhaben. »Reggies Befürchtungen sind wahr geworden. Die Toten wandeln unter den Lebenden.

    Tretenville hat es damals an der Klause Mithilfe dieses Amuletts begonnen und die Lage wird nun immer aussichtsloser.«

    »Dennoch dürfen wir nichts überstürzen. Oder, Tolu?«, warf Medjev in die Runde und wandte sich an seinen Freund, den Zwerg.

    »Richtig. Doch gegen die Untoten – so nenne ich sie mal –, können wir fünf wenig ausrichten. Das überlassen wir mal schön der Stadtwache von Trivess. Unterdessen sollten wir uns auf die Suche nach dem Amulett machen. Unsere Aufgabe bestand schließlich darin, es für Reggie zu beschaffen.«

    »Richtig, Tolu. Genau das meine ich.« Andored war erleichtert, einen Fürsprecher zu haben.

    »Trotzdem sollten wir uns dazu vorerst mit Reggie besprechen. Er weiß über das Amulett Bescheid. Möglicherweise war er mit seiner Suche nach einer Drude erfolgreicher, als wir mit unserer, nach dem Amulett«, merkte der Zwerg an.

    »Hoffen wir es. Sonst war das hier alles umsonst.« Medjev traf es nüchtern. »Wo treffen wir ihn denn? Trivess kommt für uns ja nun nicht mehr in Frage.«

    »Ich würde sagen, dort, wo wir gerade hinfahren«, schlussfolgerte Monty. Es war offensichtlich, dass er ihr Ziel kannte. Die nächstgelegene Stadt war eben Treveriam, im Lande Rhonisch. Außerdem hatte er mit Andored die Flucht geplant und diese als ihr Ziel festgelegt. Medjev konnte es nicht wissen, da er mit Tolumirantos und Tomagril durch Gift gelähmt im Gefängnis festgesessen hatte.

    »Na toll. Eigentlich wollte ich von Timhold noch eine Mütze kaufen«, spielte Medjev den Betrübten. »Die Tage werden kürzer und kälter, da brauche ich etwas auf dem Kopf.«

    »Timhold!«, schreckte Tolumirantos von besagtem Namen erinnert hoch. Dabei schlug sich der Zwerg mit der flachen Hand auf die Stirn. »Den haben wir völlig vergessen.«

    Tomagril schenkte dem keine Beachtung, denn er dachte nur daran den Hünen zu necken. »Trägst du nicht die ganze Zeit eine Fleischmütze? Reicht das denn nicht?«, höhnte der Elb und grinste gemein.

    Andored überging einfach Tomagrils Stichelei und wandte sich an den Zwerg. »Sein Fahrgeschäft steht im Hof des Kuckucksnest. Der Wirt versprach mir, ein Auge darauf zu haben«, bezog er sich auf das Trivesser Gasthaus, in dem sie anfangs abgestiegen waren.

    Erleichtert atmete Tolumirantos aus. »Aber wie lassen wir ihm nun eine Nachricht zukommen, wo wir sind und wo sein Wagen steht?«

    »Ich habe ihm natürlich auch eine Nachricht hinterlassen«, beruhigte ihn Andored erneut. »Falls er nach Trivess geht. Wenn er seinen Verstand benutzt, wird er die Gasthäuser abgrasen. Irgendwann werden wir ihn schon finden.«

    »Der Ando«, sagte Monty anerkennend, »denkt einfach an alles.«

    »Gut gemacht, Ando«, unterstrich der Zwerg nochmal und äußerte dann ein anderes Problem. »Da wäre noch etwas, das ihr noch nicht wisst.«

    »Und das wäre?«, hakte Monty neugierig nach und machte große Augen.

    Andored lehnte sich mit verschränkten Armen im Stuhl zurück. »Ich bin ganz Ohr. Schlimmer kann es doch nicht mehr werden. Oder?«

    »Irgendwie schon«, gestand Tolumirantos ihnen leidvoll und platzte dann mit seiner Neuigkeit heraus. »Tretenville lebt!«

    Ankunft in Mulbeck

    Was Tolumirantos ihm offenbarte, war schwer zu verdauen, obwohl er es bereits geahnt hatte. Gewissheit zu haben war eben eine andere Hausnummer. So stand es stets mit der Wahrheit. Sie war hart, aber schließlich wusste man einfach, was man an ihr hatte. Manchmal brauchte sie eben etwas Zeit, damit sie ans Licht kam. Wie ein guter Käse eben Luft benötigte, um seinen Geschmack richtig zu entfalten.

    Eine Gischt Wasser spritzte hoch, als die Usis, der Kutter, die Welle eines passierenden Schiffes streifte. Andored war so in Gedanken versunken, dass er zu spät reagierte und ihn das Flusswasser ins Gesicht traf. Während der Elb sich trocken und dabei Dreck aus seinem rechten Auge rieb, näherte sich sein Freund Tolumirantos von hinten.

    »Andored, was sehen deine elbischen Augen?«, sprach er.

    »Nichts!«, antwortete ihm der Elb gequält.

    »Wie, du siehst nichts?«, erwiderte der Zwerg sichtlich verwundert.

    »Ich hab Dreck im Auge und kann nichts sehen!«, jammerte der Elb und rieb sich mit beiden Händen die Lider.

    »Ne ne ne, du bist mir ein Elb. Ständig hast du irgendwas«, moserte der Zwerg spaßend und kam seinem Freund näher. »Lass mal sehen. Ugh, sind die rot. TOMA!!!«, wandte er sich zum Heck. »Bring mal Wasser. Ando hat's erwischt.«

    »Schon wieder? Ich komme!«, entgegnete der andere Elb kühn. »Was hat er denn, der Klene?«

    »Hat was im Auge!«

    »Besser, als woanders«, kommentierte Tomagril neckend.

    Für seine Albernheit tadelten Tolumirantos und Andored ihn mit Blicken. Das juckte Tomagril wenig.

    »Wo ist eigentlich Monty?«, erkundigte sich Andored beim Zwerg, als beide Augen endlich vom Dreck befreit waren.

    »Der ist unten, mit Bella.«

    »Oh. Und Beppo erlaubt das?«

    »Ja, warum nicht? Er hat es sogar angeboten. Sie verabschiedet sich von ihm.«

    »Wie bitte?« Ando glaubte sich verhört zu haben.

    »Hast du was in den Ohren oder in den Augen? Sie macht Schluss!«, antwortete ihm Tomagril genervt.

    »Oh! Der Arme.«

    Am Nachmittag kam Beppo zu den Männern aufs Deck und teilte ihnen mit, ihre Fahrt nähere sich dem Ziel. Dazu verwies er sie auf einen tollen Ausblick am Horizont, wenn sich der Fluss weitete, bevor sie endlich den Hafen Mulbeck und seine Anlegestellen erreichten. Neugierig drängelten sie sich allesamt mit Gerangel an den Bug. Ganz vorne, in der Mitte stand der Zwerg auf einer Kiste. Links von ihm Monty, der sich gegen Tomagril behaupten konnte und rechts von ihm Medjev. Gelassen hatte Andored ihnen den Kampf überlassen und gesellte sich als Letzter dazu. Mit der Sonne im Süden schipperte die Usis dahin. Auf dem welligen, dunkelgrünen Wasser reflektierte ihnen das Sonnenlicht entgegen und wärmte wohltuend ihre Gesichter, der recht kühlen Flussbrise trotzend.

    Schließlich öffnete sich der Fluss vor ihren Augen in die Breite. Allein die weite Aussicht übermannte sie. Es war so überwältigend, man fühlte sich für einen Moment so unglaublich klein auf dieser Welt.

    Entfernt vor ihnen lagen die Anlegestellen und dahinter die Stadt Treveriam. Im Osten lag eine weite Ebene mit Bruchwäldern, dahinter entfernt ein Gebirge mit einem Berg in seiner Mitte, dessen Gipfel weiß und von Wolken umgarnt. Im Westen fiel ihr Blick auf ein naheliegendes Gebirge, im Süden dagegen auf Wälder, soweit das Auge reichte.

    Alle Fünf genossen sie den Anblick. Abgesehen von Andored. Ihn ärgerte der Wind, der ihm seinen Scheitel verwehte. Er versuchte jedes Mal sich so gegen die Böen zu stellen, dass sie ihm nichts anhaben konnten. Vergeblich. Die Frisur war dahin, seine Laune am Boden.

    Die raue Stimme Beppos holte sie unsanft auf das schmuddelige Deck der Usis zurück.

    »Sachen an Deck!«, rief er ihnen zu und klatsche in die Hände. »Los doch! Wir legen gleich an.«

    »Aber ...«, wollte Monty protestieren, doch Tolumirantos stieß ihm hart in die Seite.

    »Lass es. Es hat keinen Sinn. Wir wissen alle, dass wir noch locker eine halbe Stunde brauchen, bis wir anlegen. Wenn Beppo sagt, wir sollen es tun, dann tun wir’s. Bei ihm gibt es keine Diskussion. Hast du das noch nicht gemerkt?«

    Monty Michel gab klein bei und holte mit den anderen wortlos ihre Sachen hinauf. Gestapelt lagen ihre Taschen und Säcke im Handumdrehen auf dem Deck.

    Wie so oft behielt Tolumirantos mit seiner Einschätzung Recht. Nach etwa einer halben Stunde traf die Usis im Hafen ein. Beppo blaffte Monty an, mit einer Zugstange das Boot an den Steg heranzuziehen und dann das Bugtau daran gut zu verschnüren. Ohne ein Wort half ihm Andored dabei. Der Kapitän tat dasselbe am Heck.

    Andored bemerkte, dass der Kapitän die Segel nicht vollständig einholte. Deshalb ahnte er bereits voraus, was Beppos Plan war.

    »Herr Andored, auf ein Wort?«, bat ihn der alte Mann und rief dem Rest zum Abschied mit einem Hauch Sarkasmus herüber: »Viel Vergnügen auf dem Spielplatz.«

    Im Steuerraum reichte Beppo ihm dann ein Päckchen. »Hier! Wie vereinbart.« Andored nahm es leichtfertig entgegen, um es darauf in seinem Sack zu verstauen. Währenddessen gab der Kapitän der Usis ihm eine kurze Erklärung. »Du begibst dich damit ins Koboldküsschen und fragst beim Wirt nach Fundux. Vorsicht, denn er ist launisch. Dieser schickt dich dann weiter. Folge seinen Anweisungen.«

    Ein kurzer Moment der Stille.

    »Das war’s? Nichts weiter?«, erkundigte sich der Elb.

    »Wenn du das erledigt hast, sind wir quitt«, bestätigte ihm Beppo und reichte seine Hand, womit sie die Abmachung nochmals besiegelten.

    »So, da bin ich, Beppo«, stand plötzlich Tolumirantos in der Tür. Hatte er sie etwa belauscht?, fragte sich Andored und verwarf den Gedanken im nächsten Moment wieder. Selbst wenn, er hatte nichts Verwerfliches getan. Also wandte er sich zum Gehen. »Wir sehen uns am Steg«, klopfte der Elb seinem kleinen Freund auf die Schulter und verschwand nach draußen.

    »Was hast du ihm gegeben?«, musste Tolumirantos seiner Neugier doch Luft machen.

    »Ein Gefallen für eine Überfahrt. Nichts weiter«, antwortete ihm der Kapitän.

    »Pah!«, schnaubte Tolumirantos. »Weiter nichts? Ist das dein Ernst? Was soll der Elb für dich überbringen, das du dich selbst nicht traust?«

    »Werd nicht frech, Zwerg. Vergiss nicht, auf wessen Schiff du dich befindest und wem du deine Freiheit zu verdanken hast«, warnte ihn Beppo aufgebracht.

    »Dank gebührt einzig meinen beiden Freunden. Für dich hoffe ich, dass es keine Probleme gibt. Falls doch, weiß ich ja, auf welchem Schiff ich war.«

    »Es wird keine Probleme geben«, versicherte Beppo und zeigte sich nun doch etwas reumütig. »Bitte, denke nicht schlecht von mir. Ich kann einfach nicht die Stadt betreten. Das ist alles.«

    »Ist es nicht«, erschien Bella plötzlich in der Türe. »Warum sprichst du nicht offen darüber?« Sie wandte sich dem Zwerg zu. »Er ist ein Spieler. Deshalb setzt er keinen Fuß in diese Stadt. Pass auf dich und deine Freunde auf, Tolumirantos. Das ist der Fluch von Treveriam.« Prompt sah sie wieder kühl ihren Vater an. »Legen wir wieder ab? Ich will weiter« Damit verschwand Bella unter Deck.

    Tolumirantos warf Beppo einen verständnisvollen Blick zu und wollte gehen, da hielt ihn der Kapitän zurück.

    »Warte!«, sagte er. »Wenn du den Rat eines alten Mannes annimmst, nächtigt nicht in Mulbeck. Es ist ein Drecksloch. Geht in die Stadtmitte und sucht das Baroness auf. Es ist ein Varieté und bietet außerdem Schlafzimmer an.«

    »Danke für alles«, entgegnete ihm Tolumirantos freundlich und ging auf direktem Wege von Bord. Trug nicht jeder sein Päckchen?

    Monty stand an eine hölzerne Brüstung gelehnt, mit verträumten Blick in den Süden, den Paldan hinab gerichtet. Als Andored ihn sah, dachte er zuerst, sein Freund würde sich übergeben. Tat er nicht.

    »Na, Träumer!«, sprach ihn der Elb an, bevor er sich neben ihn gesellte. »Tolu erkundigt sich gerade nach einem Gasthaus.«

    »Ich war in einem bittersüßen Tagtraum versunken«, gestand Monty und seufzte schwer. »Sie war schon toll«, sprach er von seiner verflossenen Liebe.

    »Ach, hör doch auf«, sagte Ando nüchtern. »Glaub mir, es ist besser so. Sie war nur soo toll für dich, weil sie nun unnahbar und nicht mehr zu erreichen scheint.«

    »Sie sagte, sie müsse fort von den Unruhen. Vielleicht kommt sie irgendwann wieder und ich glaube, ich hätte sie wirklich geheiratet.«

    »Hättest du nicht.«

    »Doch!« Monty grinste streitsüchtig.

    »Gut. Wie du meinst«, gab sich Andored geschlagen. Er wusste, wann es hoffnungslos war, mit dem Gestaltwandler zu diskutieren. »Spätestens in Treveriam hast du wieder ein anderes Mädel im Arm.«

    »Ich will kein anderes Mädel. Bella war toll. Diese Augen und der süße Mund. Ihre Küsse schmeckten nach Pfirsich.«

    Pfirsich? Dieser Tuppes konnte herrlich übertreiben. »Welche Augenfarbe hatte sie eigentlich?«, unterbrach ihn der Elb mit trockener Absicht, bevor Monty aus der Schwärmerei nicht mehr herauskam.

    Der Gestaltwandler überlegte ernsthaft. »Braun«, antwortete er schließlich. »Nein, dunkelblau. Oder? Nein, ganz sicher dunkelblau.«

    »Mir wird schlecht«, äußerte sich Andored kritisch.

    »Kräuterschnaps kann helfen«, grinste Monty schelmisch herüber.

    Der Elb zog argwöhnisch seine rechte Braue hoch und sah ihn schräg an. »Du willst so verliebt sein, kannst dich aber nicht mal an ihre Augenfarbe erinnern?«

    »Tu ich doch«, entgegnete Monty frech.

    Andored lachte. »Lass gut sein, Monty. Wir sprechen in Treveriam nochmal über das Thema.«

    Monty stimmte lachend mit ein: »Abgemacht. Wir sprechen dann nochmal. Aber glaub mir, es wird sich nichts geändert haben.«

    »Jedenfalls bin ih froh, dass der Plan zur Flucht einigermaßen gut über die Bühne ging«, lenkte der Elb auf eine andere Angelegenheit.

    »Gut?« Jetzt war es an Monty ihn skeptisch anzusehen. »Wir hatten echt Schwein. Geschnappt hätte man uns fast. Tolu ist schon ein gewitzter Hund. Der kommt innerhalb von Sekunden auf Ideen, da bräuchte ich Tage für.«

    »Ja. Das stimmt«, pflichtete der Elb beide Aussagen bei.

    »Ach komm, Ando. Du wärst niemals so schnell wie er auf die Idee mit dem Schlauch gekommen.«

    Zur Antwort zuckte er nur mit den Schultern. »Wichtig ist, wir haben es geschafft. Doch das Schwierigste steht uns noch bevor.«

    »Du meinst, wie wir Tolus Bierdurst gestillt bekommen?«, erwiderte Monty spaßend. Damit beabsichtigte er nur den Elb von ihren Problemen abzulenken.

    »Das auch«, lachte Ando auf. »Doch das wird noch das geringste Hindernis. Ich dachte da eher an Medjevs Glatze. Der Herbst steht vor der Tür und er hat noch keine Mütze. Da wir Timholds Wagen in Trivess stehen ließen wird ihm der Hutmacher kein gutes Angebot machen können.«

    Monty tat ernsthaft betroffen. Mit Daumen und Zeigefinger am Kinn überlegte er theatralisch. »Das ist wahrlich ein Problem, denn Mützen sind ja soo teuer«, meinte er darauf sarkastisch.

    Alleingelassen

    Alleine wanderte Timhold auf der Straße und pfiff ein Lied. Wie schnell sich doch die Welt wandelt, dachte er, bevor er stehen blieb und sein Blick über eine Lichtung am Wegrand schweifte. Es war noch früh am Morgen. Ein leichter Nebelschleier hing über dem Gras und ein kleiner Rehsprung ruhte nahe am Unterholz etwa einhundert Schritte von ihm entfernt.

    Vor ein paar Tagen war er noch mit einer Gruppe unterwegs. Wie schnell man sich doch an Gesellschaft gewöhnen konnte. Dazu noch eine so Vortreffliche. Das fand man nicht aller Tage. Selbst Mikael, diesen Schwätzer, vermisste er jetzt gerade. Dabei lag ihm stets sehr daran, alleine zu sein. Sogar den selbsternannten Ritter hatte er widerwillig akzeptiert und nun ... stand er mitten im Fallbörn an einer Lichtung und wurde bei dem Anblick des Rehsprungs im Nebel sentimental.

    Er empfand Reue, während er an Mikaels heldenhaften und selbstzerstörerischen Einsatz dachte. Doch letztlich hätten er und die Männer nichts ausrichten können, ohne nicht auch verletzt oder sogar getötet zu werden. Es war schon ein Riesenglück, dass das Monster, dieser Eber, nicht hinter den Wagen gekommen war. Es tat ihm dennoch Leid. Dieses Gefühl war ihm lange Zeit fremd gewesen. Plötzlich ärgerte er sich über sich selbst. »Weichei. Scheiß Gefühlsduselei. Hör auf damit und steh deinen Mann«, sagte er sich mahnend und wischte mit dem Ärmel eine Träne fort.

    Eigentlich müsste er wütend auf die Männer sein, weil sie einfach ohne ihn abgehauen waren und dann noch sein Fahrgeschäft entwendet hatten. Sie hatten ihn im Stich gelassen und mit Timhold Reidt spielte man dieses Spiel nicht. Die gleiche Wut wie jetzt war an jenem Abend aufgekommen. Im Suff hatte er Streit mit anderen Leuten angefangen. Bis dieser Wildhüter plötzlich bei ihm stand, ihm aufhalf und erklärte, er sei ein Freund der Fünf. Nachdem dieser Mothas berichtete, was sich zugetragen hatte, konnte Timhold sich beruhigen. Wer wäre nicht verärgert, wenn man ihn aus seiner Komfortzone reißen würde? An diesem Morgen musste er sich eingestehen, dass er sich zwar einsam fühlte, andererseits auch irgendwie befreit. Der Hutmacher wandte seinen Blick zur Straße zurück. Vorne sah er ein Wegekreuz. Das musste der Scheideweg sein. Trüb war seine Erinnerung darüber, ob der Zwerg Tolumirantos Trivess oder Treveriam gesagt hatte. In welche Stadt wollten sie? Und wenn ich dort ankomme, was mache ich dann? Wie sollte er nun sein Geld verdienen? Die Männer sollten sich was einfallen lassen, wenn er seinen Gegenwert einforderte. Denn das wollte er tun.

    Zu seinem Glück versteckte er stets ein paar Silberlinge im Futter seines Hutes. Das Gesparte würde über eine kurze Zeit hinweghelfen. Aber dann ...

    Bis zum Wegekreuz grübelte er über diese Dinge nach. Schließlich kam der Moment, wo er sich für eine der beiden

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