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Monastery: - Die toten Mönche von Manoppello -
Monastery: - Die toten Mönche von Manoppello -
Monastery: - Die toten Mönche von Manoppello -
eBook430 Seiten4 Stunden

Monastery: - Die toten Mönche von Manoppello -

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Über dieses E-Book

Anfang 16. Jahrhundert - In einem Kloster in Manoppello sterben junge Mönche. Offenbar haben sie einen geheimen Schwur geleistet, der Ihnen zum Verhängnis wird.

Bruno Santo versucht die unheimlichen Todesfälle aufzuklären und wird dabei selbst immer tiefer in die dunklen Geheimnisse des Klosters hineingerissen.

Ein Wettlauf gegen einen mystischen Feind beginnt…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum19. März 2015
ISBN9783737537810
Monastery: - Die toten Mönche von Manoppello -

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    Buchvorschau

    Monastery - Gerard Carpenter

    Erster Teil

    Manoppello, Italien, Anno Domini 1505

    Scharf hing der Geruch in den Straßen des kleinen Ortes. Fäkalien, Müll, und Tod

    nebelten die Luft zum Atmen ein. Der Tod war allgegenwärtig zu jener Zeit. Jedes

    Dorf wurde von ihm heimgesucht. Wie ein mächtiger schwarzer Reiter aus uralten

    Zeiten, der niemanden verschonen wollte. Keine Gnade für Kinder, Frauen, junge

    Männer, weise Menschen. Der Tod schaffte sich seinen Weg in jedes Haus, in

    jede Familie. Er brachte Elend. Dunkelheit. Angst. Jedes Haus in dem kleinen Dorf

    hatte ein großes schwarzes Kreuz an der Tür bepinselt, als Zeichen des Verlustes

    eines geliebten Menschen im Haus. Ein bedrückendes Gefühl, durch die engen

    Gassen an den Häusern vorbei zu gehen. Tote Menschen mit großen

    aufgeschnittenen blutigen Beulen, die man vergeblich versucht hatte zu retten,

    pflasterten die Gassen. Sie wurden nach ihrem qualvollen Tod schnell vor die Tür

    gelegt. Anschließend sperrten sich die verbarrikadierten sich die Lebenden

    wieder. Es schien kein lebender sich mehr rauszutrauen. Klagelieder und Gebete

    füllten neben dem Gestank, die Luft mit schweren Klängen. Ich ritt langsam durch

    die schmalen Gassen. Ich hatte schon viele Städte gesehen auf meinen Reisen,

    aber diese schien mir die düsterste von allen zu sein. Der Tag war noch jung,

    dennoch war es dunkel, als würde die Welt Trauer tragen. Kutscher zogen durch

    den schwarzen matschigen Boden beschwerlich ihre Karren, um die Toden

    aufzusammeln. Nur die Augen der Kutscher waren zu erkennen, ihre Gesichter

    waren komplett mit Tüchern umwickelt. An ihren großen Stöcken, die sie fest in

    ihren Händen hielten stand geschrieben: „Dio, perdona." Gott vergib uns. Mit ihren

    Stöcken, verscheuchten sie umher streunende Hunde, Katzen, Vögel, die sich an

    den leblosen Körpern satt fressen wollten.

    Ich war durchnässt und müde von meiner Reise, aber so trostlos dort alles war, so

    anders muss ich auf die Menschen gewirkt haben. Ich zog meine Kapuze noch ein

    wenig weiter in mein Gesicht, um den Blicken der Gestalten zu entgehen, während

    ich die Hauptstraße hinauf ritt. Langsam, denn durch teils lehmigen Weg, teils

    glatten Kopfsteinpflaster hatte mein Pferd keinen guten Halt. Der vor mir reitende

    Kutscher war auch nicht viel schneller. Auch sein Pferd kämpfte mit dem

    Untergrund. Mir schien, als drücke er alles den Berg wieder hinauf, was versuchte

    herunterzukommen. Ich beobachtete das Gespann vor mir. Es waren zwei

    Männer. Der kleinere trieb das Tier an, der ungleich größere, massivere lief neben

    dem Wagen her, teils im Voraus. Er sammelte die Reglosen von der Straße auf.

    Gekonnt warf er sie auf die Pritsche des Wagens, bevor er wieder und wieder vor

    lief, um den Nächsten aufzuheben.

    Es wurde langsam heller; wahrscheinlich stand die Sonne schon recht hoch am

    Himmel, doch man sah sie nicht. Die dicken schwarzen Wolken dämpften das

    Licht und tauchten den ganzen Tag in eine seltsame, wie in eine von Kerzenruß

    dumpf erleuchtete Atmosphäre. Als die Beiden vor mir abbogen, sah ich es

    endlich vor mir. Den Grund meiner Reise. Diese Stadt beherbergte etwas

    Sonderbares. Etwas, was man nicht überall hatte; etwas, dass den meisten

    Menschen mehr Nachteile, als Vorteile verschaffte. Dennoch zog es viele an.

    Diese Stadt war der Bischofssitz. Mir brachte dieser Umstand eher Vorteile, als

    Nachteile, denn in diesen düsteren Zeiten wurde ich zu manch ausweglos

    erscheinenden Situation gerufen. Es war die Zeit, in der die Menschen den

    Glauben zu verlieren schienen. Sie riefen mich, wenn sie nicht mehr auf ihren

    Glauben bauen konnten, wenn das Leid größer war. Wenn sie den Glauben in die

    Kirche mit ihren ewigen Erklärungsversuchen für das ein oder andere Übel leid

    waren. Wenn sie glaubten mit diesem heimsuchendem Elend von Gott bestraft zu

    werden.

    Dieses Mal allerdings war es anders. Kein Hilferuf aus normalem Haus hatte mich

    erreicht; nein, dieses Mal war es der Bischof selbst.

    Düster dampfend baute sich das gewaltige Kloster langsam vor mir auf, während

    ich mich näherte. Die Stadt reichte bis an die Grundmauern des festungsähnlichen

    Gemäuers. Es waren keine Fenster oder ähnliche Einlasse zu erkennen, nur die

    schwere Holztür, vor der zwei Wächter standen, als würden sie eine andere, eine

    heile Welt im Inneren des Gebäudes vor dem Verderben draußen schützen. Es ist

    lange her, dass ich zuletzt hier war.

    Ich glaubte nicht, dass man sich wirklich an mich erinnern würde, ich war

    schließlich damals noch ein Kind gewesen. Der Eindruck aber, den ich damals

    bekam, hatte sich in meinen Kopf eingebrannt. Langsam ritt ich immer näher auf

    die Tür zu. An den Mauern versuchten einige Bauern ihre Produkte anzubieten,

    ohne Erfolg allerdings, wie mir schien. Die zwei Wächter standen regungslos da,

    als bemerkten sie mich gar nicht; ich war allerdings sicher, dass sie es taten, alle

    anderen taten es jedenfalls. Ich ritt dicht an sie heran. Vor ihnen blieb ich stehen.

    Es war eine seltsame Situation. Sie beachteten mich immer noch nicht.

    Wahrscheinlich waren sie es nicht gewohnt, dass einzelne Reiter hier um Einlass

    baten. Der Regen schien noch stärker zu werden, ich fühlte mich schwach und

    müde. Ohne abzusteigen beugte ich mich zu einem der Männer herunter. Beide

    trugen eine dunkelrote Uniform, die in dieser Umgebung fast lächerlich wirkte, und

    hatten zur Verteidigung eine Art Speer mit Säbelspitze.

    Misstrauisch beäugte mich der Mann. Ich sah in sein Gesicht, das nicht wie die

    anderen Gesichter in der Stadt durch Armut, Hunger und Leid gezeichnet war. Ich

    sagte ihm leise meinen Namen.

    Er sah mich noch einmal misstrauisch an. Offensichtlich war mein Name bekannt.

    Schließlich erwartete man mich, ich war mir allerdings nicht sicher, ob die Wächter

    mich so erwartet hatten. Er drehte sich schließlich um und klopfte an die schwere

    Holztür. Dumpf hallten die Töne in den Innenhof, doch der Regen schien einen

    Großteil von ihnen zu verschlucken.

    „Signore Santo ist angekommen", schrie der Wächter in den Regen.

    Dann passierte eine Weile lang gar nichts. Der Wächter drehte sich wieder um

    und würdigte mich keines Blickes mehr. Es schien, als sei die Zeit stehen

    geblieben, als wir so dort vor der Holztür standen und warteten. Der Regen

    hämmerte unaufhörlich auf uns ein, als wolle er uns ertränken. Es dauerte eine

    Ewigkeit, bis sich die Tür schwer in Bewegung versetzte. Als sie geöffnet wurde,

    eröffnete sich eine andere Welt. Langsam trabte ich auf meinem Pferd in den

    Innenhof. Hinter mir schloss sich rasch die Holztür. Ich hörte hinter mir großes

    Geschrei. Die Bauern hatten versucht, sich ebenfalls einen Weg in das Innere der

    Gemäuer zu verschaffen, wurden aber gewaltsam von den Wächtern

    zurückgetrieben. Im Inneren lag eine gewaltige Ruhe. Es war, als würde man ins

    pure Nichts eintreten. Ich sah einige Menschen, hauptsächlich Wärter, manche

    standen hoch oben auf der Befestigungsmauer. Offensichtlich konnte man durch

    die Türme, die in kurzer Entfernung zueinander standen, auf die Mauer gelangen.

    Vor mir lag ein leer gefegter Platz, an dessen linken Ende ein unfreundlicher Weg,

    von einer Wiese umringt, hinauf zum Haupthaus führte.

    Schnell kam ein weiterer Uniformierter zu mir herüber. Mir fiel auf, dass er erst

    kam, nachdem das Tor verschlossen war.

    Er begrüßte mich und reichte mir freundlich die Hand zum Absteigen, doch ich

    benötigte sie nicht. Ein weiterer Wärter kam hinzu.

    „Ich werde mich persönlich um Ihr Pferd kümmern", sagte er während ich abstieg.

    Ich sah ihm an, dass er es ehrlich meinte. Schon hatte er es am Zügel und zog es

    zu den Stallungen herüber, wo offensichtlich noch andere Pferde Unterschlupf

    fanden. Ich war froh angekommen zu sein. Die beiden Wärter grenzten sich zu

    den Menschen draußen gewaltig ab; der schwarze Tod schien keinen Weg in

    diese Gemäuer gefunden zu haben – dass er nur in einer anderen Form hier war,

    wusste ich noch nicht. Überhaupt hatte die Nachricht des Bischofs mich über

    meinen Auftrag eher im Dunklen gelassen, aber die Dringlichkeit war nicht zu

    überhören gewesen. Außerdem war ich gespannt, in welcher Weise ich wohl den

    Vertretern Gottes helfen konnte.

    Der erste Wärter deutete auf den Weg vor uns. Dahinter baute sich das Kloster

    dunkel auf. Es bestand im Wesentlichen aus einem schmucklosen grauen

    Steinbau, vielleicht drei Etagen hoch. An der Vorderseite waren keine Fenster, nur

    die unheimliche Masse der grauen Wand. Die einzigen Verzierungen, die ich sah,

    waren um die oben spitz zulaufende Tür angebracht.

    „Bitte sehr, Signore Santo. Hier entlang. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme

    Reise."

    Ich blickte ihn unter meiner Kapuze heraus an.

    „Ich freue mich jedenfalls hier zu sein"

    „Ich verstehe", sagte der Mann. „Dann zeige ich Ihnen mal, wo Sie sich etwas

    frisch ausruhen können."

    Gemeinsam gingen wir den doch recht langen Weg zum Haupthaus hinauf. Der

    Wächter wirkte auffallend kühl, aber ich ignorierte es. Das Gelände war groß; ich

    erahnte hinter dem Haupthaus die Kapelle, und ich konnte mich erinnern, dass

    dahinter noch ein großer Garten mit den Gebäuden für die Wächter auf der

    anderen Seite war. Die Treppe zur Haupttür war schlicht und auch die Tür selbst

    stellte nichts Besonderes dar. In dunklem Holz wirkte sie zwar außerordentlich

    massiv, aber dennoch schmucklos. Einzig der steinerne Rahmen darum war reich

    mit seltsamen Figuren verziert. Ich konnte mich erinnern, dass sie mir bereits als

    Kind aufgefallen waren, mir aber niemand wirklich sagen konnte, was sie

    darstellten.

    Der Wächter, der mich begleitete klopfte dreimal gegen die Tür. Dumpf hallten die

    Schläge in den Raum dahinter und es verging eine Weile, bis die schwere Tür sich

    langsam und quälend in Bewegung setzte. Die Dunkelheit des Raumes schlug mir

    entgegen, obwohl es draußen nicht besonders hell war. Man konnte nicht sehen,

    wer die Tür geöffnet hatte; fast, als wäre sie von Geisterhand geöffnet worden.

    Der Wächter kannte das vermutlich schon. Er ging gezielt hindurch in den dunklen

    Raum. Ich folgte ihm. Im inneren des Gebäudes brannten nur ein paar Fackeln an

    den kalten Wänden. Man hörte sie knistern, aber sonst hörte man nichts außer

    den schweren Tritten des Wächters in der Stille. Laut schlug plötzlich hinter mir die

    Tür zu. Mit einem Mal wurde es noch dunkler in dem Raum. Ich erschrak und

    drehte mich um, während der Wächter sich nicht beirren ließ und seinen Weg wie

    zuvor weiterging. Als ich nach hinten blickte, sah ich die Umrisse eines Mannes in

    der Dunkelheit verschwinden. Ich drehte mich wieder um und ging weiter, um den

    Wächter nicht aus den Augen zu verlieren. Ich fragte mich, ob ich wohl von außen

    Fenster gesehen hatte. Ich hatte nicht darauf geachtet, aber es müssen wohl

    welche da gewesen sein. In meiner Erinnerung war das Gebäude hell gewesen.

    Jetzt wirkte es eher wie eine Grabkammer. Wie zutreffend meine Ansicht doch

    war, würde ich allerdings erst später erfahren.

    Wir gingen eine ganze Weile, bis wir am anderen Ende der Halle wieder eine Tür

    erreichten. Diese musste allerdings nicht von innen geöffnet werden, denn der

    Wächter hatte einen Schlüssel. Ziemlich gut geschützt für ein Kloster, dachte ich

    mir im Stillen, während er den großen Schlüssel lautstark im Zylinder drehte. Auch

    der nächste Raum wirkte nicht einladender, als der erste; er bestand praktisch nur

    aus Steinwänden und dem Steinboden, aber wenigstens waren ein paar mehr

    Fackeln an der Wand. Unsere Schritte hallten laut durch den Raum, und obwohl

    ich die ganze Zeit durch den Regen geritten war, wurde mir erst in diesen Räumen

    richtig kalt. Am anderen Ende des schmalen Korridors konnte ich eine weitere Tür

    erkennen, und etwa in der Mitte ging eine Treppe nach oben. Wortlos führte mich

    der Wächter die Treppe hinauf. Auffällig wurde inzwischen, dass im gesamten

    Gebäude absolute Stille herrschte. Keine Menschenseele zu sehen. Auch der

    Wärter hatte es offensichtlich eilig durch die Gänge zu kommen, jedenfalls legte er

    ein ordentliches Tempo vor. Im ersten Stock waren einige massive Türen, hinter

    denen sich wohl Zimmer befanden. Man hörte nichts, keine Stimmen, gar nichts.

    Wir erreichten mein Zimmer. Der Wärter schloss die ebenfalls massiv aussehende

    Tür auf und drückte mir den Schlüssel in die Hand. Dann blickte er mir direkt in die

    Augen.

    „Machen Sie sich ein bisschen frisch. Sie finden alles was Sie brauchen im

    Zimmer. Ich werde Sie später abholen."

    Seine Art zu sprechen hatte etwas Angst einflößendes. Ein Schauer lief eiskalt

    meinen Rücken herunter, aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Er

    schaute mich noch eine Zeitlang an, dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort

    um und ging weg. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen. Sie war einer

    undefinierbaren Angespanntheit gewichen. Ich wusste nicht warum, aber hätte mir

    der Mann nicht den Schlüssel gegeben, wäre ich sicher gewesen, ein Gefangener

    zu sein.

    Ich betrat das Zimmer unbewusst mit großer Vorsicht. Mein Herz pochte, aber ich

    wusste nicht warum. Wahrscheinlich spielte mir mein Körper nach der langen

    Reise einen Streich. Das Zimmer war nicht in dem dunklen Stil der anderen

    Räume gehalten. Hier brannten diverse Fackeln und Kerzen, man hatte es

    offenbar für mich vorbereitet. Es gab zwei recht große Räume, mit einem Bett in

    dem einen und einem Schreibtisch mit Sitzgelegenheit für vier Personen in dem

    anderen. An der langen Wand war ein großer Kamin. An der anderen Seite eine

    verschlossene Tür und der Eingang ins Schlafzimmer. Die Schlagläden vor dem

    Fenster auf der anderen Seite des Raumes waren geschlossen. Ich beschloss sie

    zu öffnen, aber musste, als ich mich daran begab, feststellen, dass sie sich nicht

    bewegen ließen. Man hatte sie offensichtlich auf irgendeine Weise befestigt. Ich

    wollte nicht anfangen an ihnen herumzuwerkeln, also ließ ich von ihnen ab und

    wandte mich der noch verschlossen Türe zu. Hinter ihr war das schön

    eingerichtete Badezimmer versteckt. Es hatte sogar eine Badewanne, und ich

    fragte mich sofort, wer wohl das Wasser dafür herbrachte. Jedenfalls stand auf

    einem glänzenden kleinen Schrank bereits eine große Schüssel mit dampfendem

    Wasser, das wohl für mich gedacht war. Es duftete herrlich und verbreitete ein

    Klima, wie ich es hier nicht erwartet hätte. Langsam legte sich meine Nervosität.

    Ich ging zurück ins erste Zimmer. Meine Sachen waren völlig durchnässt. Um sie

    zu trocknen, zündete ich in dem gewaltigen Kamin ein Feuer an. Holz dafür lag

    schon im Kamin und daneben war noch ein weiterer Stapel Holz. Das Holz

    brannte schnell. Sofort strömte die Wärme aus. Ich zog mich aus und hing meine

    Sachen über zwei Stühle, die ich vor den Kamin stellte. Dann ging ich ins

    Badezimmer, um mich ausgiebig zu waschen. Man hatte mir zahlreiche weiche

    Handtücher zurechtgelegt. In eines davon hüllte ich meinen Körper und ging wieder

    hinaus ins Wohnzimmer. Es war schon herrlich warm geworden. Von meinem

    Gefühl her hätte es schon spät am Abend sein können. Ich hätte nichts dagegen

    gehabt mich ins Bett fallen zu lassen und zu schlafen, doch es war Vormittag. Mein

    Gefühl rührte wohl daher, dass kein Tageslicht in den Raum kam. Also ließ ich mich

    stattdessen in einen der zwei schweren Sessel fallen, die vor dem Kamin standen.

    Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn das Nächste, was ich bemerkte, war ein

    Rascheln vor meiner Tür. Es klang wie ein Kratzen an Holz, ich konnte es nicht

    identifizieren. Ich sprang auf, weil ich dachte, der Wärter würde mich abholen.

    Immer noch in das Handtuch gewickelt ging ich zur Tür und öffnete diese, aber es

    war niemand da. Der ganze Korridor war leer. So leer, dass es fast unheimlich war.

    Und trüb. Man konnte den gesamten Raum bis zur Treppe sehen, aber irgendetwas

    machte die Sicht undeutlich. Ich schloss die Tür wieder. Das Feuer im Kamin war

    schon deutlich kleiner geworden. Ich fühlte meine Kleider. Sie waren trocken und

    warm. Schnell zog ich mich an. Mir wurde klar, dass ich recht lange geschlafen

    haben musste. Meine Sachen fühlten sich wunderbar an. Die Wärme auf der Haut

    zu spüren, ließ mich den dämmerigen Gang wieder vergessen. Ich hatte gerade

    meinen zweiten Stiefel angezogen, als es dreimal laut an der Tür klopfte. Das

    musste der Wärter sein. Wieder war ich schnell bei der Tür. Tatsächlich stand ein

    Wärter dort. Nicht der gleiche von zuvor, aber auch er wirkte reserviert. Er sagte

    nichts, blickte mich nur still an.

    Er hatte die Erscheinung eines Kampfhundes, sein kurzes schwarzes Haar wirkte

    wie Schleifpapier auf seinen kantigen Kopf. Seine Uniform war aufwendig

    gearbeitet.

    „Ich bin fertig, sagte ich, „wir können gehen

    Stumm drehte er sich um und setzte sich lautstark in Richtung Treppe in

    Bewegung.

    „Ach, Entschuldigung", rief ich ihm hinterher

    Er blieb stehen und drehte sich zu mir um.

    „Mein Name ist Santo, Bruno Santo. Ich hoffe, ich habe nichts getan, um Sie zu

    verärgern."

    Der kleine Mann zog eine seiner scharf gezeichneten Augenbrauen hoch und

    fixierte mich eine Weile.

    „Mich nennt man hier Carlos."

    Er wirkte so kühl, dass die Luft um ihn herum zu Eis zu erstarren drohte. Ich fragte

    mich, ob ich wohl bei meiner Ankunft unhöflich zu ihm gewesen war, aber ich

    konnte mich nicht erinnern. Er drehte sich wieder um und ging weiter. Wir gingen

    die Treppe wieder hinunter. Wir traten durch einige Türen, vorbei an groß- und

    kleinflächigen Gemälden. Von einem steinernen Korridor gelangten wir in den

    nächsten. Und immer noch wirkte dort alles, wie in einem endlosen Alptraum. Als

    seien alle Menschen von einem tausendjährigen Schlaf befallen worden, und nur

    Carlos und ich konnten uns ihm widersetzen.

    Nach einer Weile blieb Carlos vor einer Tür stehen. Man sah ihr schon an, dass

    hinter ihr etwas Besonderes war, denn hier standen nun endlich noch zwei

    Menschen. Wachen von Carlos Schlag. Darüber hinaus war die Tür etwas größer

    als die anderen und mit Ornamenten reichhaltig verziert.

    „Warten Sie hier", sagte er leise, aber in seinem Tonfall konnte man den Befehl

    hören. Er öffnete die Tür und ging hinein, nicht ohne sie sofort von innen zu

    schließen. Um mich herum war wieder nur Stille. Wo gerade eben noch das laute

    Geräusch unserer Schuhe zu hören war, hörte man jetzt rein gar nichts.

    Niemanden. Es war wie ein Geisterschloss. Noch nicht einmal die beiden Wärter

    bewegten sich. Sie waren regungslos und starrten fixierend auf die

    gegenüberliegende Wand. Die Stille drückte so sehr auf mir, dass ich drauf und

    dran war, die Tür zu öffnen, doch ich widerstand der Versuchung. Schließlich ging

    sie auf und Carlos stand wieder vor mir. Ich war erstaunlich erfreut ihn zu sehen,

    und ich glaube, er bemerkte ein Lächeln in meinem Gesicht, aber er starrte mich

    noch immer kalt und ausdruckslos an.

    „Seine Eminenz empfängt euch jetzt", sagte er knapp und tat einen Schritt zurück

    in den Raum. Er hielt mir die Türe auf, während ich hineinging. Sofort schlug mir

    ein eigenartig strenger Geruch in die Nase. War das Parfüm? Ich konnte es

    irgendwie nicht einordnen. Carlos ging wieder hinaus und schloss die Tür; dann

    sah ich die Silhouette eines Mannes vor mir, den ich aus meiner Kindheit noch

    kannte, und der sich kaum verändert hatte. Fröhlich lachend kam er auf mich zu.

    „Bruno!", rief er mich mit meinem Vornamen „Ich bin so froh, dass du kommen

    konntest."

    Auch ich machte einen Schritt auf ihn zu. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite,

    Eminenz", sagte ich und reichte ihm die Hand zum Gruß.

    Er lachte und schnappte sich meine Hand. Sein Händedruck war fest für einen

    Geistlichen. Hätte ich es nicht gewusst, hätte ich ihn eher für den Händedruck

    eines Dorfbauern gehalten. Er zog mich mit der Hand an sich und umarmte mich.

    „Ach Bruno, sei nicht so förmlich. Hat du denn vergessen, wer ich bin?"

    Nein, wahrlich, das hatte ich nicht. Er war so dick wie damals, nur seine Haut

    verriet sein Alter, sein Gesicht aber war von gesunder rötlicher Farbe und seine

    Augen funkelten wild. Haare hatte er noch nie, jedenfalls nicht, soweit ich mich

    erinnern konnte. Sein kahler Kopf bildete eine gleichmäßige Fläche ohne Dellen

    oder Erhebungen.

    „Weißt du nicht mehr, wie wir damals gespielt haben, hier auf den Gängen?"

    „Natürlich weiß ich das noch. Du hast mich nie besiegt."

    Er lachte laut auf und brach damit die Spannung, auch ich lachte mit.

    „Bruno, mein alter Freund. Mein Gott, was bist du groß geworden. Aber nenn mich

    doch bitte Ernesto, so wie früher."

    „Ernesto. Aber jetzt erzähl doch mal, was so dringend ist. Dein Brief war kryptisch

    unheimlich geschrieben. Außerdem wäre ich auch gekommen, wenn du mir kein

    Geld geschickt hättest."

    „Das weiß ich, aber die Situation ist anders, als du es dir vorstellen kannst. Aber

    erzähl erst einmal, wie es dir ergangen ist, Bruno."

    „Nun ja, da gibt es nicht viel zu erzählen." Natürlich gab es da zwar einiges, ich

    hatte schon seit längerem den Ruf eines Mannes, der in der Lage war, ganz

    spezielle Probleme lösen zu können. Probleme, die andere Leute wohl als

    übernatürlich bezeichnen würden, die sich aber meistens relativ leicht erklären

    ließen. Nach seinem Brief, den der Bote mir gegeben hatte, zu urteilen, wusste

    Ernesto aber über meine Fähigkeiten Bescheid.

    Wir gingen hinüber zu dem Tisch, an dem schon zwei Stühle standen.

    „Mir ist aufgefallen, dass hier alles recht trostlos wirkt. Ich habe außer Carlos und

    deinen zwei Wachen keinen Menschen gesehen." Mit Blick auf sein Fenster, bei

    dem ebenfalls die Schlagläden zu waren, ergänzte ich. „Außerdem scheint ihr das

    Tageslicht nicht mehr zu mögen."

    Der alte Mann ließ sich schwer auf seinen Stuhl sacken. Wie auf ein Kommando

    war die Freude in seinen Gesichtszügen einer beklemmenden Angespanntheit

    gewichen. Er saß ungemütlich gerade da und legte seine Hände auf seine

    Oberschenkel.

    „Bruno", sagte er nach einer Weile, in der ich das Gefühl hatte, dass er

    angestrengt nachdachte, „Bruno, die Menschen hier haben Angst."

    Er hielt kurz inne: „Sie haben Angst zu sterben"

    Er ging langsam zu dem großen Vorhang, der an der Wand angebracht war.

    Schwer und rot hing er herunter und deckte alles ab, was hinter ihm lag Er

    machte eine kleine Pause und fixierte mich. „Ich hatte gehofft, dass du mir sagen

    könntest, wovor wir hier Angst haben."

    Mit den Worten ging er zu dem Vorhang und öffnete ihn. Ich erschrak unwillkürlich,

    denn so direkt seine Sprache auch war, sie wurde von dem, was er mir zeigte,

    übertroffen. Hinter dem Vorhang war ein Durchgang in einen weiteren Raum und

    in diesem Raum, fein säuberlich, stand ein Tisch, auf dem ein Mensch lag. Das

    hatte ich nicht erwartet, aber wenigstens wusste ich jetzt, wo der Geruch herkam,

    der sich hier überall ausbreitete. Ernestos Versuche den Geruch zu überdecken,

    waren wenig erfolgreich gewesen. Ich näherte mich langsam dem Tisch, an

    Ernesto vorbei. Der Mann auf dem Tisch war offensichtlich tot, die Leichenstarre

    hatte seinen Arm in einem unnatürlichen Winkel nach oben stehen gelassen. Es

    war ein junger Mann, wohl einer der Klosterbewohner hier, ein junger Mönch,

    denn er hatte eine Kutte an. Äußerlich sah er auf den ersten Blick unversehrt aus,

    aber je näher ich ihm kam, desto klarer wurde mir, was die Ursache für seinen Tod

    war. Es war sein Gesicht, sein ganzer Kopf. Die Augen waren weit aufgerissen,

    sein Mund ebenfalls, sein Kopf stand in einer unnatürlichen Stellung zu seinem

    Körper, er war fast bis zu seinem Rücken gedreht. Sein ganzer Körper schien sich

    zu krümmen. Man sah es dem Mann ganz deutlich an. Er hatte ein schreckliches

    Ende gehabt. Man konnte es förmlich in seinen toten Augen sehen. Ungläubig

    drehte ich mich wieder zu Ernesto um. Er stand nur da, immer noch den Vorhang

    in der Hand.

    „Verstehst du jetzt, was ich meine?"

    „Mein Gott. Wie ist das passiert?"

    Ernesto schüttelte stumm den Kopf. „Ich weiß es nicht. Er hat die eine oder andere

    kleine Verletzung, Kampfspuren vielleicht. Nach seinem Kopf zu urteilen ist er an

    einem Genickbruch gestorben, aber sicher bin ich mir nicht." Ernestos Auftreten

    war imposant, aber in dieser Situation konnte man erkennen, dass er eine gewisse

    Hilflosigkeit

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