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Lichtungen 175: Schwerpunkt: Vielleicht war es der Wind. Literatur aus Slowenien
Lichtungen 175: Schwerpunkt: Vielleicht war es der Wind. Literatur aus Slowenien
Lichtungen 175: Schwerpunkt: Vielleicht war es der Wind. Literatur aus Slowenien
eBook169 Seiten1 Stunde

Lichtungen 175: Schwerpunkt: Vielleicht war es der Wind. Literatur aus Slowenien

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Über dieses E-Book

Die Literaturzeitschrift Lichtungen erscheint vier Mal im Jahr und hat ihren Redaktionssitz seit 1979 in Graz. Jede Ausgabe widmet sich einem internationalen Schwerpunkt und zeitgenössischer Literatur. Lichtungen 175 versammelt neue Literatur aus Slowenien. Weiters finden Sie Teil 16 der Reihe »Poesie an unvermuteten Stellen« von Clemens J. Setz, neue Gedichte von Oleh Kotsarev aus dem Ukrainischen, Anna Silbers Text »Das neue Leben« (Emil-Breisach-Preis 2022) sowie eine Auswahl von Lyrik, Prosa und Essays.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Nov. 2023
ISBN9783903284364
Lichtungen 175: Schwerpunkt: Vielleicht war es der Wind. Literatur aus Slowenien
Autor

Clemens J. Setz

Geboren 1982 in Graz, wo er Mathematik sowie Germanistik studierte und heute als Übersetzer und freier Schriftsteller lebt. 2011 wurde er für seinen Erzählband Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Sein Roman Indigo stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2012 und wurde mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2013 ausgezeichnet. 2014 erschien sein erster Gedichtband Die Vogelstraußtrompete. Für seinen Roman Die Stunde zwischen Frau und Gitarre erhielt Setz den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2015. Zuletzt erschien Monde vor der Landung (alle Suhrkamp). Georg-Büchner-Preis 2021.

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    Buchvorschau

    Lichtungen 175 - Clemens J. Setz

    Editorial

    Manchmal ist das Zeitschriftenmachen ganz einfach. Dann zum Beispiel, wenn die beste Mitarbeiterin von allen, Daniela Kocmut, in dem Land geboren wurde, um dessen Literatur sich diese Ausgabe schwerpunktmäßig dreht. Slowenien ist Gastland auf der Frankfurter Buchmesse, wir nehmen das zum Anlass, nicht nur bekannten Schriftsteller:innen der slowenischen Literatur, sondern auch Nachwuchsautor:innen „in den Startlöchern" Raum zu geben, und bedanken uns recht herzlich bei Natalija Milovanović, die geholfen hat, eine fulminante Auswahl zu erstellen. Ein Merkmal der slowenischen Literatur ist die starke Fokussierung auf Lyrik, schreibt sie, und dass es in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana jede Woche mehrere Lyriklesungen gibt. Da hat Slowenien Österreich etwas voraus.

    Der internationale Schwerpunkt erstreckt sich diesmal auch über den essayistischen Teil. Im Kunstteil finden Sie einen interdisziplinären Beitrag rund um Hans-Jürgen Poëtz’ und Lea Titz’ Auseinandersetzung mit einem Thema, das feuilletonistisch sträflich vernachlässigt wurde: dem Schnarchen.

    Wir hoffen, Sie haben an dieser Ausgabe genauso viel Freude wie wir!

    Andrea Stift-Laube

    Inhalt

    EDITORIAL

    POESIE AN UNVERMUTETEN STELLEN – Eine Serie

    Clemens J. Setz

    Regieanweisungen in der Hölle (Folge 16)

    Literatur

    Oleh Kotsarev

    Gedichte

    Elke Steiner

    Miniaturen

    Luca Kieser

    Dreck

    Emil-Breisach-Preis 2022

    Anna Silber

    Das neue Leben

    SCHWERPUNKT: LITERATUR AUS SLOWENIEN

    Daniela Kocmut und Natalija Milovanović

    Einleitung

    Esad Babačić

    Alles fällt vom Himmel

    Petra Bauman

    Weiß

    Ajda Bračič

    Škrlatica¹

    Nina Dragičević

    Tante Janja

    Petra Kolmančič

    Die Bärin

    Miha Mazzini

    Avro Lancaster

    Ana Pepelnik

    das erzählt niemand

    Gregor Podlogar

    Auf der Zunge des glitzernden Tages

    Arjan Pregl

    Miniaturen

    David Šalamun

    Ein Märchen

    Kunst

    Zeitkritik / Essay

    Drago Jančar

    Auf Flanderns Feldern

    Tamara Štajner

    lyrikpartitur #7

    Goran Vojnović

    Was wusste Urgroßvater Leon?

    Kurzbiografien

    Gutes von Gestern

    Vorschau

    Impressum

    Poesie an unvermuteten Stellen – Eine Serie

    Clemens J. Setz

    Regieanweisungen in der Hölle (Folge 16)

    Wie die meisten Menschen weiß ich nie, in welcher Gehirnstimme ich Regieanweisungen in Theaterstücken lesen soll. Es sind so eigenartig unsichtbare Gebrauchstexte, die, obwohl oft wunderschön formuliert, eigentlich nie laut erklingen oder mit sprachgenießerischer Aufmerksamkeit gelesen werden sollen. Gleichzeitig werden sie ernster genommen als andere Texte, denn sie werden direkt verwandelt in Handlungen und Situationen. Manchmal lesen sie sich wie ausführliche Beschreibungen in einem Roman, wie etwa bei Eugene O’Neill, manchmal freudlos-technisch und rein geometrisch wie beim späten Beckett:  

    (Quelle: Beckett, „Was Wo", in: Szenen, Prosa, Verse, Suhrkamp)

    Das, was mich mit der eigenartigen Zwischenstellung von Regieanweisungen versöhnt, sind die Musikstücke von Christian Wolff. Er gehört der New York School um John Cage und Morton Feldman an, manche sehen ihn als ihren letzten lebenden Vertreter. Er schrieb 1968 bis 1971 etwas, das er Prose Collection nannte: Musikstücke, die nur aus Vortragsideen bestehen, nicht aus konventioneller Notenschrift. Es sind die beglückendsten Regieanweisungen, die je verfasst wurden. Seit den 50er Jahren führte Wolff etwas in die Musik ein, was Cage schon in gewisser Weise vorbereitet hatte: die Haltung der Musiker als Computerspieler. Sein Werk wurde einem breiteren Publikum bekannt, als Sonic Youth zwei seiner interessantesten Stücke für ihr Album Goodbye 20th Century aufnahmen, „Burdocks und „Edges. Beide dieser Stücke verwenden graphische Notationen sowie auf die einzelnen Spieler verteilte Vortragsideen. „Burdocks besteht aus verschiedenen Zetteln, die verteilt werden. Auf manchen befindet sich eine musikalische Phrase, auf anderen stehen in Prosa formulierte Aufforderungen, auf einem Zettel steht sogar nur ein einzelnes Wort: „flying, ohne weitere Erklärung für die musikalische Umsetzung. Oder das unglaublich schöne Duo for Violinist and Pianist (1960 für Kenji Kobayashi und David Tudor geschrieben), wo Vortragsbezeichnungen sich wie Beschreibungen von Spielstrategien lesen: „Der eine Spieler beginnt mit einem Klang und hält ihn so lange, bis er einen zweiten vom anderen Spieler hört (ohne zu wissen, wann dieser ertönen wird). Die verschiedenen gegeneinander oder miteinander aufrufbaren Strategien führen gelegentlich auch unmögliche Aufführungssituationen zutage, etwa wenn „ein Spieler seine Klänge produziert und nicht aufhören soll, bevor der andere einsetzt, während dieser nicht anfangen soll, bevor der andere sein Spiel beendet hat. An so einer Stelle könnte, so die Liner Notes, dann das Stück aufhören.

    Christian Wolffs Musik macht mich so glücklich, dass es mir fast scheint, als hätte ich ihn mir ausgedacht. Ein traditionelles Musikstück vom Blatt zu spielen, fühlt sich an, als spielte man ein Jump-’n’-Run-Game. Man läuft von links nach rechts, da kommt ein Abgrund, okay, wir springen über den Abgrund, geschafft, und nun kommt ein Stein, davor müssen wir kurz stehen bleiben, und nun klettern wir auf den Stein, auch das geschafft, und so weiter. Aber wie arm und langweilig wäre die Welt, wenn es nur dieses eine Genre Jump ’n’ Run gäbe. 

    Hier Wolffs Stück „Steine" aus Prose Collection

    Steine

    Erzeuge Klänge mit Steinen, aus den Steinen heraus; benutze dabei verschiedene Größen und Arten (und Farben). Die Klänge meist für sich selbst stehend, manchmal aber auch in schneller Abfolge. Zumeist Stein auf Stein schlagen, aber auch Stein auf andere Oberflächen (zum Beispiel im Inneren einer offenen Trommel) oder anders als geschlagen (zum Beispiel gestrichen oder verstärkt). 

    Nichts zerbrechen.

    Dieses letzte „Do not break anything sollte eigentlich in den meisten Theaterstücken der Welt stehen, an irgendeiner kleinen Stelle. Zum Beispiel könnte es direkt auf die berühmteste Regieanweisung der englischen Literatur folgen, welche lautet: „Exit, pursued by a bear. Sie findet sich in William Shakespeares The Winter’s Tale. In diese eine Regieanweisung, die zuerst nur aufgrund ihrer Kuriosität und Komik auffällt, ist auch die Grausamkeit einer ganzen Epoche eingeschrieben, da einiges dafür spricht, anzunehmen, dass Shakespeare einen echten Bären aus den Londoner „bear pits" verwendete. Vielleicht verwendete er auch einen Schauspieler in einem Bärenkostüm. Einige Gelehrte meinen, dass diese Regieanweisung gar nicht von Shakespeare selbst, sondern von einem der Schauspieler später eingefügt wurde. Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall findet sich eine Erwähnung eines seinerzeit sehr berühmten Kampfbären namens Sackerson in den Merry Wives of Windsor. Sackerson muss es wohl wirklich gegeben haben, da dessen Name dem damaligen Publikum ein Begriff war.

    Bear-Baiting war eine beliebte Freizeitgestaltung für große Teile der europäischen Bevölkerung. Ein Bär wurde dabei in einer Arena an einen Pfahl gebunden, worauf Hunde oder andere Tiere auf ihn gehetzt wurden. Über den Ausgang des Überlebenskampfes der Tiere wurden Wetten abgeschlossen. Am 13. Januar 1583 brach die Bear-Baiting-Schaubühne, die am Südufer der Themse gestanden hatte, in sich zusammen. Sieben Menschen wurden getötet und viele andere verwundet. Aus Berichten über dieses Unglück erfährt man, dass die Bauart dieser Bühne durchaus ähnlich war wie die von Shakespeares Globe Theatre. Auch über letzteres wissen wir viel aus Berichten über ein Unglück, nämlich einen Brand im Jahr 1613. Die Bear-Baiting-Arena befand sich in der Nähe des Globe und beide standen, wie man annehmen darf, in direkter Konkurrenz um Publikum. In Henry V vergleicht sich der titelgebende Held an einer Stelle mit einem „Jackanape", d. h. einem Affen, der zur Freude des Publikums auf den Rücken eines Pferdes gebunden und dann von Hunden gejagt wird. 

    Wenn man in alte Regieanweisungen hineinzoomt, betritt man die wunderlichsten Planeten. In Die letzten Tage der Menschheit von Karl Kraus findet sich meine liebste Regieanweisung aller Zeiten. Sie lautet: „Das österreichische Antlitz erscheint." In der Szene gehört dieses österreichische Antlitz einem Fahrkartenschalterbeamten. Ein Zug hat gewaltige Verspätung und als er endlich doch kommt, ist der Schalter dummerweise geschlossen. Es werden Rufe laut: 

    Rufe: Was is denn?! – Aufmachen! – (Der Nörgler schlägt mit dem Stock auf den Schalter.) So is recht!

    (Der Schalter geht in die Höhe. Das österreichische Antlitz erscheint. Es ist von außerordentlicher Unterernährtheit, jedoch von teuflischem Behagen gesättigt. Ein dürrer Zeigefinger scheint hin- und herfahrend alle Hoffnung zu nehmen.)

    Das österreichische Antlitz: Wird kane Koaten ausgeben! Wird kane Koaten ausgeben!

    (Murren, das sich zum Tumult

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