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Auf der Suche nach Outopía: und andere Essays
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Auf der Suche nach Outopía: und andere Essays
eBook132 Seiten1 Stunde

Auf der Suche nach Outopía: und andere Essays

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Über dieses E-Book

Dieser Essay-Band vereinigt erstmals verschiedene Texte, die bisher nicht oder nur schwer zugänglich waren: vier Texte zu Gerold Späth, je einen zu Beat Brechbühl, Herbert Rosendorfer und Walter Vogt. Zudem unter dem Titel "Scholle und Fernweh" Gedanken zum Inseldasein der deutschschweizerischen Literatur, zum Thema Gewalt und zu Überlegungen zur Sprache nach der Wiedervereinigung in Deutschland.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Mai 2017
ISBN9783743197824
Auf der Suche nach Outopía: und andere Essays
Autor

Bruno H. Weder

Weder, Bruno H.: geb. 1947 in Berneck im St.Galler Rheintal. Studium der Germanistik, Allgemeinen Geschichte und Schweizer Geschichte an der Universität Zürich. Daneben Violin- (René Armbruster) und Kompositions-ausbildung (Paul Müller) an der Musikaka-demie in Zürich. Promotion. Wissenschaftliche Publikationen und Lehrmittel in verschiedenen Verlagen und Lexika. Tätig gewesen als Professor für Deutsche Literatur an der Pädagogischen Hochschule sowie Lehrbeauftragter am Deutschen Seminar der Universität Zürich. Seit 2010 freischaffender Autor.

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    Buchvorschau

    Auf der Suche nach Outopía - Bruno H. Weder

    Inhaltsverzeichnis

    Auf der Suche nach Outopía oder Annäherung an Gerold Späth

    Gründlinge, Grundeln, Greßlinge oder Neues vom Karpfenteich

    Gerold Späths Sindbadland

    Hin und zurück (Zu Gerold Späths Barbarswila)

    Beat Brechbühl

    Der Pfauenthron oder Schiller in Karlsbad (Herbert Rosendorfer Zum 70. Geburtstag)

    Sprachkorsette

    Gewalt in Geschichte und Gegenwart

    Walter Vogt

    Scholle und Fernweh – Gedanken zum Inseldasein der schweizerdeutschen Literatur

    Biogramm

    Auf der Suche nach Outopía oder Annäherung an Gerold Späth

    Eine Skizze in neun Bildern

    I.

    Ein kalter, diesiger Tag, als wir in Kloten das Flugzeug bestiegen. Wir froren und schlotterten; bedauerten, nicht noch wärmere Kleider angezogen zu haben, waren froh, endlich die DC 9 der Alitalia besteigen zu können. Über Zürich dann, verärgert über einen geschäftstüchtigen Zigarrenraucher auf einem Nichtraucherplatz, genossen wir den letzten Blick über die noch schneebezogene Landschaft. Und ab in die Wolken. In Rom gelandet, staunten wir über den schönsten Frühlingstag; ein Hauch von Wärme empfing uns im Flughafen Fiumicino (welch ein Hohn: Er heißt «Leonardo da Vinci»!). Nachdem wir die lästigen, sich uns aufdrängenden «Taxifahrer» im Innern des Flughafens endlich los geworden waren, fuhren wir mit einem der gelben Fahrzeuge zum Hotel «La Residenza» mitten in die alte Ewigkeit (die heißen Rhythmen aus einer Disco vis-à-vis riefen einen Satz aus dem Brief in Erinnerung: »lch habe dem Portier gesagt, er solle Euch ein ruhiges Zimmer geben, aber römische Ruhe ist so eine Sache.«), ließen das Gepäck stehen und setzten uns, von einem wohligen Lüftlein umweht, unter die riesigen Pinien im Park der Villa Borghese, ließen die Zeit verstreichen bis Mittag, indem wir der balzenden Jugend zuschauten, die imaginären Klänge von Ottorino Respighis «Gli uccelli» und «Pini di Roma» im Ohr. Nach einem genußreichen Apéro in einem der sündhaft teuren Bistros an der Via Veneto (immer Wolfgang Koeppens Roman «Der Tod in Rom» dabei), den unversieglichen Menschenstrom an uns vorbeiziehen lassend, machten wir uns auf zur nahegelegenen Via Ludovisi und warteten vor dem herrlich großen Tor der Nummer 48. Es war ausgemacht, daß wir dort um 13 Uhr abgeholt würden.

    Das Istituto Svizzero ist nicht nur wegen der bloßen Existenz ein gewaltiges Phänomen, sondern auch wegen der Lage (die durchaus auch bewegte Geschichte zu bieten hat). Als sich das Tor öffnete und Gerold Späth uns unter dem Torbogen begrüßte, um uns durch den von hohen Mauern umgebenen Park zu führen, war dies mein zweiter Zugang zum ideen- und listenreichen Schriftsteller aus Rapperswil.

    II.

    Der erste hatte sich eher zufällig ergeben: Ich hatte mich auf einer Fahrt von Bern nach Zürich befunden. Eine Vernissage-Rede, die ich am Vorabend, einem Samstag, im Schloß Gerzensee zur Eröffnung einer Bilderausstellung von Christian Fuhrer gehalten hatte, war der Grund meines Abstechers gewesen. Da sich der Abend reichlich in die frühen Morgenstunden ausgedehnt hatte und der junge Tag schlechtes Wetter brachte, war ich sehr spät aufgestanden, hatte erst nach einem Spaziergang im nahen Wald am Nachmittag die Rückreise angetreten. Um mich bei Konzentration halten zu können, hatte ich Radio DRS eingestellt. Offenbar war gerade Hörspielzeit. Den unmittelbaren Anfang hatte ich offensichtlich verpaßt, war somit mitten im Geschehen:

    «. . . sagt der Sportfischer mit dem Schlamm am Schwimmer und sieht von oben herab ins Wasser vor der Ufermauer. Dort schwanken grüne Bierflaschen zwischen den Steinen. Seegras und Algenschlieren wellen, schlingern je nach Stärke und Geschwindigkeit der Motorboote, die den Damm unterfahren; manchmal ein Wasserskifahrer im Schlepp, der seine Künste zeigen will und über die Kielwellen schletzt. Das Bier im Wasser zwischen den Steinen bleibt lau. Die Sonnenwirbel kreisen hoch. Der See ist warm, blinkt silbrig im Licht.»

    Ich war angetan von dieser Beschreibung. Erst ein paar Monate wohnte ich in Rüti, war von nördlicheren Gefilden der Schweiz in diese Gegend verschlagen worden, kannte mich noch nicht gut aus, und dennoch fühlte ich mich durch die Radioklänge in heimatlichen Gefilden. Die Entwicklung des Geschehens versetzte mich in einen zunehmenden Spannungszustand, so daß ich sogar meinen leichten Brummschädel vergaß. Dabei hatte ich bis zum Ende nicht die leiseste Idee, daß der Ort des Geschehens in unmittelbarer Nähe meines Wohnorts zu suchen war: Rapperswil. Ich dachte nur: Da hat ein Autor eine ungeheuer liebevolle Schilderung von Raum und Mensch getroffen; eine Schilderung, die einem unvoreingenommenen Hörer ein lebendiges Bild eines beliebigen Kleinstädtchens zu vermitteln wußte, so daß man sich unmittelbar zu Hause fühlen mußte. Ich konnte deshalb nur beistimmen, als es am Ende hieß: «Ein Städtlein, fast aus dem Bilderbuch; irgendwoher müssen sie kommen, die kleinen Städte in den Bilderbüchern.«

    Damals hatte ich noch keine Ahnung gehabt von der Existenz des Schriftstellers Gerold Späth, hatte genügend zu tun mit der Plackerei des Brötchenverdienens und mit meinem Studienabschluß an der Universität Zürich, fühlte aber deutlich, daß ich, als die Absage die Identität an den Tag gebracht hatte, mehr von diesem Menschen lesen und auch wissen wollte. Gleich am nächsten Tag kaufte ich mir (ich schwänzte deswegen extra eine Vorlesung) ein dickes Buch, einen sogenannten Erstling, wie man mir in der Buchhandlung versicherte. Und gleich begann ich auch mit Lesen (und schwänzte deswegen noch eine zweite Vorlesung). Tatsächlich erlebte ich etwas, was ich seit der Jugendzeit nicht mehr gekannt hatte: Literatur als Nahrungsmittel: Mit Heißhunger verschlang ich die gut 600 Seiten - und begann gleich nochmals von vorne, weil ich das Gefühl hatte, wegen des Lesetempos einiges verpaßt zu haben.

    III.

    Ein Jahr später empfand ich das ungemein prickelnde Gefühl von Sensation: Gerold Späth hatte nach langem Hin und Her zugesagt, an der Kantonsschule in Wattwil eine Lesung zu halten. Der Roman «Stimmgänge» war eben erschienen. Er las aus «Unschlecht» und dem neuen Roman, erklärte, kommentierte nur wenig, ging aber bereitwillig auf Fragen ein. Er war gut angekommen, die Lesung bildete noch einige Zeit Gesprächsstoff. Dabei reifte in mir der Gedanke, einmal etwas über diesen Autor publizieren zu können, was es mir ermöglichte, mit ihm in erste Gespräche zu kommen.

    Das erste Mal trafen wir uns im Quellenhof, den ich nicht lange zu suchen brauchte; denn die Halsgasse ist schließlich im Roman «Unschlecht» treffend beschrieben: «Rapperswil ist stolz auf seine Handlungen, Werkstätten, Fabriken und Läden. Noch größer aber ist der Stolz auf die Wirtschaften. Wir haben am Hauptplatz den Freihof, die Falkenburg, das Rößli und die Rathausstube. An der Halsgasse, die vom Engelplatz zum Hauptplatz führt und sich unterwegs zur Kluggasse mausert, weil dem kurzen Hals der Schnauf ausgeht, steht die fröhliche Wirtschaft zum Paragraph 11, in die zurückzukommen ist; dann die Wirtshäuser zum Schaf, in dem seit Jahren mehr gemetzget als getrunken wird, die Spanische Weinhalle und grad gegenüber die andere, die Tonhalle. Die Traube macht den Abschluß in der Kluggasse und vieler Saufnächte älterer Knaben. Am Fischmarktplatz und in der Nähe gibt es den Hirschen, das Schiff, den Hecht, den Bären, das Bellevue, den Anker, das National, den Schwanen - scheint's das beste Haus am Platz - das Schwert, den Speer, das Du Lac, den Steinbock. In den Gassen stößt der Durstige auf den versteckten Sternen, den Löwen, den Quellenhof, die Schmidstube, und weiter landeinwärts auf den Rosengarten und den Scheidweg, aufs Kreuz und die Zeughauswirtschaft. Hotels, Gasthöfe, Beizen, Spunten - alles vorhanden.»

    IV.

    Ich entwickelte Späth meine Ideen, ein groß angelegtes Konzept. Er meinte nur lakonisch: »Schön, schön. Der Germanist bist Du. Dann schaff mal dran.« Wir kamen auf andere Themen, sprachen über seine Beziehung zu Rapperswil. »Weißt Du, jeder braucht seinen privaten Miststock. Der meinige ist hier.« »Und warum ziehst Du nicht weg, wenn Dich alles anödet?«, wagte ich zu fragen. «Im Moment wachsen meine Figuren noch drauf. Auch wenn's stinkt.»

    In Rom dann, fast auf gleicher Höhe des Petersdoms (auch das eine herrliche Geschichte, warum's nicht höher ging!) den sagenhaften Rundblick auf der Terrasse des Istituto genießend, auf die Frage nach dem Befinden, auf die Frage nach dem neuen Heimatgefühl (auch nach einem Jahr in Berlin): «Wenn Du Dich hier umschaust, siehst Du nichts als Ewigkeit. Was soll's. Ich habe meine Figuren im Kopf. Dort können sie beliebig herumlaufen, ohne einander zu stören. Vor allem: ohne mich zu stören. Dabei erzählt er schwallweise die Entstehungsgeschichte des Istituto Svizzero. Im Hinabgehen noch ein

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