Tongasoa: Von Wegen, Umwegen und Abwegen
Von Katrin Züger
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Über dieses E-Book
Katrin Züger
Katrin Züger, 1952 geboren. Studium der Germanistik, Philosophie und Komparatistik sowie der Betriebsökonomie FH. Von 1996 bis 2011 an der Universität Zürich tätig, daneben Lehraufträge an der Universität Zürich in Linguistik und Unterricht an der Schule für Angewandte Linguistik SAL in Zürich. Diverse Fachpublikationen. Von 2011 bis 2016 eigenes Schreibbüro «Text und Kontext». Von 2014 bis 2017 Projektleiterin 100-Jahr-Jubiläum der Zentralbibliothek Zürich. 2012 erschien ihre erste literarische Veröffentlichung «Meine Welt hat in einem Schächtelchen Platz», 2013 «Strandsteine in der Atacama», 2015 «Flaches Land», 2016 «Wolkig, zeitweise Sonne», 2018 «Tongasoa» und 2019 der erste, 2021 der zweite Band mit «Wortgeschichten». Katrin Züger lebt in Aeugst am Albis.
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Buchvorschau
Tongasoa - Katrin Züger
Ich gehe über Hochmoor und Gras, werde von Fliegen und Mücken verfolgt, sehe Vögel auffliegen, höre das Geräusch fliehender Schneehühner, das Herz, das schlägt, die Beine, die gehen, der Rhythmus des Gehens, jetzt habe ich ihn gefunden.
Tomas Espedal, Gehen
Ist das nicht ein Wunder? Ein Schritt. Ein einziger Schritt, und der Abstand zum Gipfel ist schon wieder kürzer geworden. Schritt um Schritt. Ist das nicht fantastisch? Einfach nur den Fuss heben und ein Stückchen weiter vorn wieder aufsetzen. Eine einfache Handlung. Kaum schwieriger als stehenbleiben, was den Rucksack auch nicht leichter machen würde.
Willem Frederik Hermans, Nie mehr schlafen
Das Gehen ist die einzige Abwechslung an einem ereignislosen Tag.
Lorenz Langenegger, Bei 30 Grad im Schatten
Ich ruhe mich ständig aus, ohne erschöpft zu sein. Manchmal ist mir, als bewegte ich mich wie in Zeitlupe, ich gehe übertrieben langsam, obwohl mich das Gehen keineswegs anstrengt. Es gibt nur keinen Grund, schneller zu gehen.
Jürgen König, Medalges
Gehen ist eine Fortbewegungsart, bei der es im Gegensatz zum Laufen keine Flugphase gibt.
Wikipedia
Ein Umweg ist die Abweichung vom kürzesten Arbeitsweg, die nicht ausschliesslich privat ist. Ein Abweg liegt vor, wenn der Arbeitsweg aus privaten Gründen verlassen wird.
Deutsches Sozialversicherungsrecht
Inhalt
Sommersonnensonntag
Apfelbäume und rote Beeren
Kirschkernkopfkissen
Die Seifenblase
Löli
Freistaat Bayern
Der Hochsitz
Das Veilchen
Die Eisheiligen
Das Fenster
Der Kojote
Der Junge und die Lava
Tongasoa
Flugsand
Der Eisvogel
Der letzte Lauf
Referenzen
Sommersonnensonntag
Laufen geht nicht. Die Sehne schmerzt. Also Gehen. Das geht. Auf der Strecke, die ich sonst laufe. An diesem Sommersonnensonntag. Blauer, fader, wolkenloser Himmel. Die Luft ist klar, die Hitze hält sich noch zurück. Nach den anhaltenden Regenfällen und Sturzbächen der letzten Wochen. Die Berge jedoch, viele noch voller Schnee, erscheinen seltsam entrückt in diesigem Licht. Ein frisches Lüftchen weht.
Ich gehe los, treffe im Hof auf die Nachbarin, halte einen kurzen Schwatz, gehe weiter. Die Strasse hoch, an einer Baugrube vorbei, die fantastischen neuen Wohnraum verspricht. Dieses Klacken, immer wieder dieses Klacken, seit Tagen. Hohl, metallisch, nicht unangenehm. Dazwischen ein Aufheulen, Stöhnen, nicht vor Schmerz, eher vor Anstrengung. Schwer zu beschreiben. Der Kran steht da, geht geräuschvoll seiner Arbeit nach, klackend, heulend, stöhnend. Manchmal ist es auch ein Sirren, Schwingen, Schleifen, Summen, Surren, Ächzen, Klagen. Ich finde keine passenden Worte. Klänge. Die Welt ist voller Klänge. Lese ich auf der Website einer Firma, die Klänge produziert und verkauft. Klänge von Feuer, vom Mähdrescher, von der Windmühle, vom Regen, von der Eisenbahn, vom Hochofen, vom Kran. Ohne die Klänge zu benennen. Die Sprache der Geräusche ist, wie die Sprache der Gerüche, Geschmäcke und Gefühle, eine Sprache des Scheiterns. Zuverlässig steht er da, unverrückbar, von Betonplatten in Schach gehalten, arbeitet unermüdlich, angetrieben vom Kranführer oben in der luftigen Kabine oder unten auf der Baustelle, die Funkfernsteuerung um den Bauch gebunden, von sieben bis zwölf, von eins bis fünf, Montag bis Freitag, dann ruht er.
Gehe weiter die Strasse hoch, höre Vögel in den Gärten und in den Zweigen der Birken, die eine lose Reihe zwischen Trottoir und Strasse bilden, ohne sie zu sehen. Beidseits währschafte Einfamilienhäuser mit reichlich Umschwung. Essensgerüche schweben durch die Luft. Lavendel blüht noch in den Beeten, neben Rosen und Margeriten. Im Geäst einer stattlichen Buche hockt wie schon oft ein Buchfink und trällert sein Lied in die Welt hinaus. Ab und zu ist es auch eine Amsel, doch diese hört man zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit kaum noch. Auch die Grasmücken verstummen zusehends.
Den Menschen seien die Worte für Vogellaute abhanden gekommen. Nüchtern die Sprache der Wissenschaftler: Lassen die Vögel in ihrem Stimmkopf Luft an den Membranen vorbeiströmen, beginnen diese zu schwingen, und es entstehen Laute, die den Vögeln als akustische Signale dienen. Der Laie sagt: Vögel singen oder rufen. Das Amselmännchen zum Beispiel, wenn es sich im Frühling zuoberst auf einen Baum oder einen Dachgiebel schwingt und seine amouröse Melodie erklingen lässt. Aber singen die Vögel wirklich? Nein, die Amseln schackern, orgeln, rollen, quirlen, am Ende einer Strophe schnirpen sie, und klingt es ausnahmsweise nicht besonders schön, dann schirken oder zetern sie. Der Hausrotschwanz girlt, der Buchfink knarrt oder schilkt, der Zaunkönig krispelt, die Taube burrt, die Schwalbe zinzeliert, der Reiher giert, der Kuckuck fistelt, der Grünfink knätscht, die Nachtigall flötet, die Feldlerche tiriliert, die junge Waldohreule fiept, der balzende Auerhahn krolzt. Wörter, die einst für den Gesang der Vögel verwendet wurden. Zu finden in alten Konversationslexika, Wörterbüchern, der Jagdliteratur, Wanderführern für Vogelfreunde, Alfred Brehms zoologischem Werk. Hilfreich? Nicht wirklich, eine Annäherung höchstens. Gelegentlich versucht mans mit Lautmalerei – jirr tititi, krchrch-tütititi (Hausrotschwanz), zizizizjazjazoritiu-zip, zipzipzip (Buchfink), tek tek, dzrr-dzrr (Zaunkönig), rúhgu gugu (Ringeltaube), chirrp (Mehlschwalbe), ti-vuid (Kohlmeise), kewok (Waldkauz), tschilp tschilp (Sperling). Auch nicht viel besser. Und der Kran?
An einem Fahnenmast flattert eine Flagge, gelb, mit unentwirrbarem Motiv. Das folgende Haus ist verwaist. Die Bewohnerin ist gestorben, es soll bald abgebrochen werden. Der einst gepflegte Garten verwildert, in der Blumenwiese summt es wie im Bienenhaus. Am Ende der Strasse ein Parkplatz, auf dem ein stummes Wohnmobil und ein Pferdetransporter auf Beschäftigung warten.
Der Weg führt in den Wald. Ein Meer von Bäumen und Sträuchern. Später Wiesen. Ein Ozean aus Gräsern und Blumen. Es ist kühl. Der Boden ist tropfnass, dafür schön weich. Auch das Laub, das da liegt, ist feucht, raschelt nicht wie damals, als es noch trocken war und die Sonne erbarmungslos vom Himmel brannte. Es geht geradeaus, auf weichem Untergrund, wo sich nach dem zünftigen Regen schuppenförmige Muster aus Fichtennadeln gebildet haben, dann zügig abwärts, irgendwann roher Asphalt. Nehme schemenhaft die Gelbheit des Postautos wahr, das unten im Tal dahinfährt. Drei junge Vögel belagern die Strasse, üben das Überleben. Vor ein paar Tagen bin ich ihnen schon begegnet. Da hatten sie noch Mühe mit dem Fliegen. Inzwischen haben sie gelernt. Der eine macht sich gleich davon, als ich herankomme, verbirgt sich zwischen den Ästen. Der zweite bleibt sitzen, wirkt hilflos, ich warte, bis er es auf den nächsten Zweig geschafft hat. Der dritte hüpft keck vor mir her, achtet auf gleichbleibende Distanz. Ich versuche herauszufinden, welcher Art er ist, ein Hausrotschwanz vielleicht, vergeblich, er lässt es nicht zu, schlägt sich ins Gebüsch am Wegrand, das jeden Durchblick verweigert.
Weiter abwärts, dann über die Hauptstrasse. Es ist seltsam still, kein Auto, kein Mensch, kein Hund. Unerhörter Friede. Kann es sein, dass die Menschen ausgestorben sind? Selbst das Rauschen der Autobahn in der Ferne ist verstummt. Wegen des Winds möglicherweise, der heute aus der östlichen Richtung weht. Aber nein. Die Sommerferien haben begonnen. Neun Kilometer Stau am Gotthard. Wer weiss, wo sie alle hin wollen. Ich bin hier, allein, gehe meines Wegs. Ein Haus im Bau, fertiggestellte Häuser, ein Hof mit Pferden, die sich zurzeit nicht blicken lassen. Von einem Dachkännel stürzt ein Wasserstrahl in die Tiefe, führt einen spritzigen Tanz auf, möchte mir etwas mitteilen, bevor er auf den Pflastersteinen zerschellt. Leider verstehe ich ihn nicht und kann nicht helfen. Ich gehe vorbei, die Fontänen spritzen weiter.
Dann Wiesen, Felder, ein Weinberg, davor ein Auto, immer noch kein Mensch. Blumen säumen die Wege. Reste von Klatschmohn, Sauerampfer, Brennnessel, roter und weisser Klee, Akelei, Glockenblume, Skabiose, Schafgarbe, Kratzdistel, Ackerwinde, Johanniskraut, Leinkraut, Hornklee, Wiesenkerbel, Malve, Blutweiderich, Wegwarte. Noch ein Reithof, der auch ein Gnadenhof ist. Ich wende mich nach links, wo ich normalerweise geradeaus laufe, wandere talwärts, durch dichten Wald. Kleine Bäche rinnen die Strasse hinunter. Die Erde ist immer noch gesättigt vom Wasser des vergangenen Regens. Aus dem Brunnen, aus dem ich gern einen Schluck trinke, wenn ich vorbeijogge, sprudelt es übermütig, wo sonst nur ein kümmerliches Rinnsaal tröpfelt.
Auf einer Lichtung mitten im Wald ein Lager, ein grosses Zelt, als Dach eine Riesenplane aus Tarnstoff, auf der Spitze eine Flagge, deren Schriftzug ich nicht lesen kann, darum herum kleinere Zelte und Holzkonstruktionen. Autos warten darauf, entladen zu werden. Schmetterlinge schwirren herum, im Sommer in ihrem Element, vorherrschend Augenfalter und Kohlweisslinge, auch wenn weit und breit kein Kohl zu finden ist. Zwei grössere Exemplare fliegen im Tandem, umtänzeln sich, jagen einander, scheinen zu spielen. Dann doch noch Menschen, wahrscheinlich die Bewohner des Zeltlagers, marschieren in Einerkolonne laut schwatzend auf einem Fussweg daher. Ich schaue, dass ich weiterkomme. Aus dem Wald heraus, zu einer Verzweigung, mit Blick auf offenes Gelände und einen Bauernhof. Der Hund bellt aus gehöriger Distanz. Ich gehe links, später rechts, dann wieder links.
Der Bach rauscht mächtig, wo er sonst kaum zu vernehmen ist. Zu sehen ist er nicht, vor lauter Grünzeug, das über ihm hängt. Manchmal steht ein Fischreiher hier. Nicht jetzt. Keine Kühe mehr auf der Weide. Aber Rehe. Vier stehen in einer Wiese, unweit des Wegs, auf dem ich daherkomme. Eines blickt auf, prüft, hält Wache, die anderen äsen weiter, ich stelle keine Gefahr dar. Gehe still vorbei, lasse sie ihren Hunger stillen. Endlich wieder weicher, wenn auch steiniger Waldweg, fast verborgen hinter wuchernden Büschen, steigt an, zweigt ab, wieder Waldrand und Blick in grössere Weiten. Wiesen und Felder, Häuser, Berge, ein Dorf auf einem Hochplateau, ein Aussichtsturm auf dem höchsten Punkt des fernen Hügelzugs. Die Gedanken beginnen zu wandern.
Werden Sie glücklich, fahren Sie aufs Land, habe ich in einem Magazin gelesen. Halten Sie Ausschau nach einer schönen Kuhherde, und wenn Sie eine gefunden haben, was nicht so schwer sein sollte bei 1,6 Millionen Kühen im Land, dann machen Sie es sich bequem am Rand der Wiese. Nun ziehen Sie das Buch aus der Tasche. «Die Kuh. Leben, Werk und Wirkung». Der Titel ist schon grossartig, der Inhalt erst recht. Warum soll ich es lesen? Weil Sie ja glücklich werden wollen. Da kann der Mensch der Kuh eine ganze Menge abschauen. Ich habe das Buch gekauft. Wegen der Kühe. Ich mag Kühe, richtige Kühe, wohlproportionierte, zottelige, goldbraunes, weiss geflecktes oder schwarzes Fell, mit Hörnern bestückt, besonders die Kleinen, neugierigen, wenn sie mich fixieren, mir nachschauen, bis ich ausser Sichtweite bin, ohne dass ich je herausfinde, was in ihnen vorgeht.
Wie findet einen das Glück? Frage an Prominente in einem Standardfragebogen. Noch immer zucke ich zusammen, wenn ich sie lese. Wie würde ich antworten? Bin ich glücklich? Manchmal. Habe ich das Beste aus meinem Leben gemacht, jeden Tag ausgekostet, bin ich die Meisterin meines Glücks? Kaum. Gelegentlich habe ich mich auf das Ende des Tages gefreut. Eigentlich oft. Habe immer gern und lang geschlafen. Aber ich hatte Glück. Keine schweren Krankheiten, Schicksalsschläge, Schlammlawinen, Feuersbrünste, Unfälle, Einbrüche, Verluste, Verhaftungen, Verleumdungen, böse Nachbarn. Hatte genug zum Leben, brauchte nicht viel, mochte Freiheit und Unabhängigkeit, hatte Raum zum Wohnen, Schutz vor Kälte, freie Zeit, kaum Feinde, kleinere Missgeschicke nur, alltägliche, nicht der Rede wert. Ein verspäteter Zug, ein liegen gelassener Schirm, Nichtbeachtung, Zurückweisung, ein Beinbruch, eine Entlassung. Jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich, sagen sie und meinen es. Wie findet einen das Glück? Alle haben sie eine Antwort. Irgendeine. Nur nicht, dass mit der Frage etwas nicht stimmt.
Zufall. Ein noch nicht erkannter kausaler Zusammenhang. Nicht Schicksal. Schicksal redet man sich ein. Soll trösten. Über die Obdachlosigkeit hinweg. Wir nehmen uns zu wichtig. Die Natur braucht uns nicht, überstand Ewigkeiten ohne uns, existiert weiter, wenn wir nicht mehr sind, niemand wird sich an uns erinnern. Vielleicht fallen wir bald dem nächsten Massenaussterben zum Opfer, dem sechsten. Das letzte raffte die Dinosaurier dahin. Das nächste brocken wir uns möglicherweise selber ein. Aber achtundvierzig Jahre unschuldig im Gefängnis, das ist nicht in Ordnung. Wenn ich die Freiheit gewinne, schreibt der Mann aus Japan, ist das Erste, das ich mir erfüllen möchte, dieser Traum. Laufen und dabei mit Schulter und Hüfte den Wind zerschneiden.
Nächste Frage an die Prominenten: Welches Talent hätten Sie gern? Mit den Fingern pfeifen. Ein Vogelhäuschen bauen. Aus eigener Kraft davonfliegen. Etwas Blaues fliegt durch die Luft, reisst mich aus dem Sinnieren, leuchtet mir seitwärts ins Auge, einen Augenblick nur, aber erkennbar. Eine azurblaue Prachtlibelle. Kaum in den Dunstkreis der Wahrnehmung gedrungen, entschwindet sie wieder. Andere Libellen entdecke ich jetzt, grüne, braune. Auch dort, wo kein Wasser ist. Passiere ein Waldhaus, vor dem sich Wandergruppen an Wochenenden gern zum Grillieren treffen. Jetzt ist es still. Eine Strasse, wieder Wald, wieder samtener Nadelboden. Pilze beginnen zu spriessen. Ein Mann, eine Frau, drei Hunde, nicht angeleint, wo sie es doch sein sollten. Achtung, ich komme. Die Frau ruft «Platz». Alle drei legen sich hin, auf der Stelle, wo sie sich gerade befinden, rühren sich nicht mehr. Ich bin beeindruckt, freue mich, sage es und gehe vorbei. Border Collies. Intelligente Tiere. Wenn man die Unterwerfung unter die Spezies Mensch ignoriert. Warum tun sie es? Warum laufen sie nicht einfach weiter?
Erreiche ein Stück verwundete Landschaft, eine Lichtung, vom Orkantief Lothar vor vielen Jahren geschlagen, das Ergebnis immer noch sichtbar, aber die Natur holt auf. Ich mag den Ort, er hat etwas Magisches, nicht nur wegen des Sturms, auch wegen der erhöhten Lage, der Abgeschiedenheit, der Vögel, Goldammern, Tannenmeisen, Goldhähnchen, der Buntheit der Pflanzen, die sich das Territorium zurückerobern. Dabei ist er so abgeschieden nicht, verschiedene Wege führen hindurch. Tännchen wurden gepflanzt, der Blick bleibt an vereinzelten eiffelturmhohen Baumstämmen hängen, die den Naturgewalten getrotzt haben, geht weiter, hinunter auf grünes Land und den Wald dahinter. Ich lasse das Häuschen der Wasserversorgung hinter mir, die Hälfte der Rundreise ist vollbracht.
Der Mais steht grün und mittelhoch. Der Raps ist weitgehend abgeerntet. In einem Stoppelfeld hockt ein Taubenschwarm, Türkentauben, glaube ich, ich sehe sie, als sie auffliegen, eine Runde drehen und sich, nachdem ich vorbeigegangen bin, an der gleichen Stelle wieder niederlassen. Gerste und Weizen halten noch die Stellung und glänzen goldig, wo nicht Wind und Regen der letzten Tage Schneisen in die Halme geschlagen und sie grossflächig flachgelegt haben. In einem Weizenfeld knistert es geheimnisvoll. Mitten drin ein Hüttchen, harmonische Bauweise, könnte einer Kinderzeichnung entsprungen sein, aus wettergegerbtem Holz, mit Ziegeldach, Wächter über die Weiten des Geländes, beherbergt vielleicht das eine oder andere Werkzeug. Plötzlich kommt etwas von hinten, fliegt in mich hinein, ich erschrecke. Ein Vogel. Doch ich spüre nichts. Der Schatten hat mich genarrt. Weit über mir flitzt sie dahin, die Schwalbe, jagt Insekten, im Tiefflug, ein neues Tiefdruckgebiet ankündigend. Solange es noch Insekten gibt. Mehr als die Hälfte der bekannten Tierarten gehören dazu. Kommen so gut wie überall auf dem Land vor, in der kältesten Steppe und in der heissesten Wüste. Eine Erfolgsgeschichte der Evolution. Seit fast fünfhundert Millionen Jahren. Doch es gibt immer weniger. In dreissig Jahren könnte ein Viertel davon ausgestorben sein. Den Vögeln geht es nicht besser. Und vielen anderen Tieren. Dafür breitet sich der Mensch aus.
Die Schwalbe ist nicht lange allein, Artgenossen tauchen auf, schiessen durch die Luft, in waghalsigem Tempo, ändern abrupt die Richtung, schreiben rätselhafte Zeichen an den Himmel. Wüssten einiges zu erzählen, wenn man sie verstehen würde. Ein Schild berichtet von einer Güterzusammenlegung, Melioration, Revitalisierung, seit Jahren schon. Grosse Erdmassen werden bewegt, ein Drainagenetz von dreissig Kilometer Länge aus neunzigtausend Röhren ist geplant. An Wochenenden übt hier manchmal