Wo springt die Zeit wohl hin?: Aktuelle Gedanken in klassischem Rhythmus
Von Norbert Rahn
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Über dieses E-Book
Allen Gedichten liegt neben manch unerwarteter Wende eine ausgesprochen positive, konstruktive und humorvolle Gedankenwelt zugrunde, so dass auch der Spaß für den Leser nicht zu kurz kommt.
Zusätzlich wird in einigen Gedichten das in den Jahren 2020 und 2021 leider sehr präsente Thema Corona-Pandemie adressiert.
Durch die - entgegen dem derzeitigen Mainstream der modernen Lyrik - in klassischem Reimschema und Versmaß verdichteten aktuellen Gedanken erstrahlen neue Aspekte der heutigen Zeit durch die Rhythmen der großen Meister in einem weichen, wohltuenden Licht.
Erstmals hielten hier auch antike französische, sowie japanische Stilelemente Einzug in einen Band Norbert Rahns, so dass der Band u.a. auch 52 Haikus für die 52 Wochen des Jahres enthält.
Damit schließt sich das vorliegende Werk nahtlos an die vorhergehenden Bände "Die Farbe der Zeit ist zartbitter" und "Geborgen im Netz der Zeit" des Autors an.
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Buchvorschau
Wo springt die Zeit wohl hin? - Norbert Rahn
Von Natur und Sinnen
Altersfalten
Beim Altern zeigt die Erde Sorgenfalten:
Am Fuß der Berge, die in Wolken ragen,
dort werden Wasserströme prägend nagen
und formen Täler durch Naturgewalten.
Zu altern heißt hier Wachstum, dort Vergehen.
Was Altern nicht heißt, ist, bedrückt zu leiden -
auch nicht, das Jugendliche zu beneiden.
Zu Falten müssen wir im Alter stehen!
Die Falten, Furchen, Runzeln auf der Stirn
sind eingeprägte Täler der Gedanken,
die efeugleich in Serpentinen ranken,
genau wie die Mäandern im Gehirn.
Aalglatt geboren reifen wir beim Altern
durch stetes Grübeln so zu Falten-Faltern.
Ein Spätsommerspaziergang
Wenn ich entlang an Wiesen, Feldern gehe
wo wilder Wein und Heckenröschen ranken,
ich Äpfel purpurrot an Bäumen sehe,
so ist's an mir, mich dafür zu bedanken.
Sanft schweben Spinnenfäden durch die Lüfte
bei langen Schatten tiefer Sonnenstrahlen.
Aus groben Stollen steigen Erdendüfte,
der Herbst wird bald schon bunte Bilder malen.
Der Blick hinab ins Tal wirkt milchig weich;
die ersten Blätter fallen wippend, trudelnd.
Ich weiß genau: Wer hier geht, der ist reich.
Das Bächlein stimmt mir zu und murmelt sprudelnd.
Ich sehn' mich nach dem Sommer nicht zurück!
Voll Demut, Stolz horch' ich in mich hinein,
erkenne im Moment mein ganzes Glück
und freue mich, ein Teil des Seins zu sein.
Das Lachen der Bäume
Ich hatte einen Traum der wirren Art,
in dem die Bäume über Menschen lachten.
Es ist nicht selten, dass ein Traum uns narrt,
doch warum sollten Pflanzen uns verachten?
Und so begann der Traum - die Worte sprach ein Baum:
"Die Menschen mästen deshalb ihre Kühe,
um sich an ihrem zarten Fleisch zu laben.
Sie lieben Rinderlende, -hüfte, -brühe
und wollen täglich frische Kuhmilch haben.
Auch uns seh'n sie als ihre Lieferanten,
die reinen Sauerstoff für sie bereiten.
Sie glauben, wir wär'n nichts als Fabrikanten
von Latten, Brettern, schlimmstenfalls von Scheiten."
Welch Wut, welch hämisches Gelächter schallte
aus tausenden von knorrig knarzend' Kehlen
dumpf dröhnend in dem sonst so stillen Walde!
Es graust mich schon beim bloßen Nacherzählen.
Ein weiser Baum fuhr fort - aus Dickicht drang das Wort:
"Uns hilft's, den Menschen Sauerstoff zu spenden:
Lasst sie die Luft mit CO2 verpesten,
das wir für Wuchs des Walds gezielt verwenden!
Wie Nutzvieh werden wir die Menschen mästen.
Die Menschen leben höchstens neun Dekaden,
die allermeisten sterben deutlich jünger.
Sodann verwesen sie und nähren Maden;
Wir nehmen uns den Rest - als feinen Dünger."
Ovationen, stehende, erbrausten;
der ganze Wald berauscht´ am Beifall sich;
wild schlugen Äste, krachten, klatschten, sausten;
auf bäumten sich die Bäume - fürchterlich!
Das riss mich aus dem Schlafe; mein Erwachen
war eher ein Erschrecken. Aufgewühlt
vom Zweigzersplittern, Knarren, Äste-Krachen
hab' ich - schweißnass - erkannt,