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Ich reiche Wörter zum Reisen: Gedichte und Prosa – Ein Lesebuch
Ich reiche Wörter zum Reisen: Gedichte und Prosa – Ein Lesebuch
Ich reiche Wörter zum Reisen: Gedichte und Prosa – Ein Lesebuch
eBook193 Seiten1 Stunde

Ich reiche Wörter zum Reisen: Gedichte und Prosa – Ein Lesebuch

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Über dieses E-Book

Ausgewählte Gedichte und Prosatexte des in Frauenfeld (Thurgau) lebenden Autors Gianni Kuhn.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum5. Jan. 2016
ISBN9783739285856
Ich reiche Wörter zum Reisen: Gedichte und Prosa – Ein Lesebuch
Autor

Gianni Kuhn

Gianni Kuhn, geboren 1955, Be­such der Kunstgewerbeschule in St. Gallen, studierte von 1979-1982 Germanistik und Kunstgeschichte in Zürich, Studienaufenthalte in Paris und New York. Er lebt in Frauenfeld. Von ihm sind zahlreiche Gedichtbände, Er­zählungen, Novellen, Prosa­bände und Ro­mane erschienen. Zuletzt »Die kleinste Galerie der Welt«, ein Band mit Kurzgeschichten und Fotogra­fien, der in mehrere Sprachen über­setzt wurde, die »Trilogie des Verschwindens«, der Gedichtband »Der Büroangestellte, die Prostituierte, der Klempner, die Lehrerin« und die Werkausgabe in vier Bänden.

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    Buchvorschau

    Ich reiche Wörter zum Reisen - Gianni Kuhn

    Inhalt

    GEDICHTE

    warten auf den zug

    airports gilgamesch

    zürich überbrücken

    schamrot mit weissem kreuz

    white out

    stau kolonnade gotthard

    stauseen

    zeit für die sennerin

    quelle des rheins

    greina hochebene

    leventina

    rhônegletscher

    salzluft vom meer her

    möwengelächter über bages

    nachtkonzert

    salinen

    venedig überbrücken

    schwarze küsten

    andalusía

    abendverkauf

    verregnets gesicht austria

    fussballs gewittersturz singen

    intro

    griffel

    festland für matrosen

    napoli negra

    roma amor

    kosmisches hintergrundrauschen

    gibraltar

    sahara

    ölplattform

    gletscherkinder

    überflug

    new york city kanal strömen

    das pelagische schleppnetz

    das mädchen björk

    herz der finsternis

    das herz australiens

    donau quellen

    valser therme

    passo del lucomagno

    solio paradies

    lai da tuma

    zugspitze

    stilfser joch

    hellbrunn zeitlos, ein teich

    salzkammer süss

    Nahender Tod

    Rollstuhl

    Dämmerung

    Der Fremde

    Tanka

    Belauschen

    Lebenseinstellung

    Stiller

    Steuerfrei

    Rede an den jungen Dichter

    Die Ballade vom Auswandern

    Belfast

    Elektromagnetisches Gedicht

    Die Agonie der Fotografie

    PROSA

    Nackte Besucher

    Mercier fährt immer Rad

    Mein Haus in Novosiwinsk

    Amor als Sieger

    Zug nach Pankow

    Blendung

    Das erregendste Rot

    Die fliegenden Hunde von Feldkirch

    Drei Männer vom See

    Fotografie von Apollo

    Perlenkette

    Wie atmet ein Fahrradfahrer?

    Der Falkner von Brest

    Aufenthalt im Paradies

    In allen Dingen

    Löschflugzeuge

    Rot lackierte Fingernägel

    Der Aquarellist

    GEDICHTE

    warten auf den zug

    ein herzlich schweigendes willkomm

    am bahnhofswartestamm um sechs in der früh,

    alles ist rückwärts gewandt, der magen

    noch kaffeeisoliert, die augen vertraumzipfelt,

    die träume meist bös oder schlimm oder peinlich

    oder einfach keine erinnerung mehr,

    nur schmerzen

    an schultern, nacken, im kreuz,

    den krampf im bein, das stechen in der brust,

    die zeitungslettern drücken sich

    fest in die leere des hirns,

    die lippen trocken ohne tau,

    noch lange keine kussbereitschaft

    zu erwarten,

    obwohl der morgen fürs sinnliche

    wie geschaffen wär, keine lust,

    vielmehr noch keine zeit,

    nur futter für die augen und

    die empfindlichsten morgenohren

    der welt,

    der mond jedenfalls

    zwillingt sich gegen den zigaretten

    glimmpunkt, verfehlt die einheit

    nur knapp, sinkt schliesslich ab,

    der einfahrt des zuges,

    wenn auch mit verspätung,

    platz zu machen,

    freie bahn!

    airports gilgamesch

    flughafen, gigantischer menschenarsch,

    signalrot die feuerlöscher des gilgamesch,

    dreiklänge scheinen aus den miniaturvideo

    überwachungskameras zu kommen,

    flughafen kloten, hier wird dem magermilch

    pulver einer frühfahrt das wasser hinzugerührt,

    der reizhusten durch reizende schuhe ersetzt,

    und allmählich macht sich das vorstadtgewinsel

    bemerkbar,

    oh kloten, deine grünen augen wie sterne,

    wer möchte da nicht songschreiber werden,

    wer nicht abheben, durchziehen und raus

    aus des schaffners augenpaar und knips,

    raus aus der schweizerischen demokratie

    und zollfrei fliegen,

    doch der schaffner drückt den knopf,

    was heisst, der zug ist zur abfahrt bereit,

    näxt stop zjurik erklingts durch seinen

    stimmgewaltigen mund

    zürich überbrücken

    zürich blauer trunkenbold

    unter des himmels gedröhne seltsam still

    wie gedanken an nichts und nochmals

    das gestammel der kaffeetassen,

    das klirren, alles umsteigen jetzt,

    bleibt viel zeit noch, mehr als erwartet

    zwischen urinoir und espressobar,

    hier reimt sich selbst die duschanlage

    mit der bijouterie,

    nur der tau fehlt ein bisschen

    auf den blumensträussen,

    sgilt weiter die wartezeit zu überbrücken,

    bis die bahnsteige für die nächsten anschlüsse

    feststehn,

    in der marmorhalle wieder auftauchn

    in den halboffenen dreiklang

    der allseits bekannten ansagerstimme,

    wie heimat seine worte, wie glück,

    eine zigarette entzündt sich hier einer,

    ein kleiner privater, ein reisender

    fast intim schon mit diesem ort,

    graffiti stehen für den blauen himmel,

    seine blicke kreisen hinauf

    zur nana, dem engel

    der niki de saint phall

    schamrot mit weissem kreuz

    wenn der alpenfirn sich rötet

    geht’s unweigerlich gegen den alpstein,

    der zug wiehert und winselt

    unter den churfirsten lustgeprügelt

    in vollster viersprachigkeit,

    landlady landquart ist richtig gestimmt,

    um nach schiers, küblis, klosters

    den joint durchzuziehen:

    davos track six,

    18 stockwerke manhattan gischt

    gleich bei der station flattert die u.s.a.,

    die speckigen sterne im rheintal,

    in gedämpftem ton die schmalspurbahn,

    die rhätische château weiss gott was

    für ein bordeauxrot ihre farbe,

    spätestens in klosters das geschwätz

    vor dem aufstieg,

    welches die schweiz mit österreich

    in ein bett legt,

    der gotschna in helios sperre heisst

    nebelverhangene schispitzen,

    und zauberberg heisst deutsch

    in der schweiz

    und die schweiz ist eh für sich allein

    nie etwas gewesen,

    von dem die andern

    nicht gewusst hätten,

    dass es dies gibt,

    so zieht die rhätische bahn

    die völkergemeinschaft der touristen

    unter ächzen und stöhnen weiter hinauf,

    näher zum paradies

    white out

    der waldfriedhof liegt etwas ausserhalb

    von davos

    zwischen lärchen abgesenkt

    und tief verschneit,

    etwas oberhalb nur wenige meter vom hang

    die kreisenden rotorblätter,

    die vier männer mit dem sprengsatz,

    der die lawine auslösen soll,

    auf dass die skifahrer wieder sicher fahren

    können,

    white out

    ist die vollkommene orientierungslosigkeit

    eines hubschrauberpiloten,

    wenn dieser zu viel schnee aufwirbelt,

    rundherum ist alles weiss,

    kein oben, kein unten,

    weit dehnt sich das schneefeld in die tiefe

    der lärchen

    und selbst die vielen grabsteine sind nichts

    weiter

    als kaum wahrnehmbar sich wölbende

    verschneite hügel

    stau kolonnade gotthard

    die hitze ist gussreif, kein kälteriss

    nur offene münder und volle windeln,

    kein platz für erbärmliche platzhirsche,

    nur soziales geschiebe auf dem einstigen

    urmeer,

    nun treten wir am ort, kühlen uns

    im biertopf die erhitzten sinne,

    das sirrende wasserfallen in der ferne

    schürt sehnsucht,

    an den bergflanken vor der lockenden röhre

    allerlei kapellen und landwirtschaftliches

    gefährt,

    der überhitzte kühlerhaubenunterbau knurrt,

    ich tret mal aus und piss ins kohlenmonoxyd,

    nichts als granitabpraller,

    seh dabei kinder mit rahmverschmierten

    mündern ausm schwarzwald, einen bergbauern

    am berg die sense gewetzt, eine gruppe

    strassenarbeiter ausm ausland die ausladende

    inlandstrasse repariern, frag mich, was ich hier

    mach, bis mirs abstellt,

    endlich richtiges austreten, tankstelle in sicht,

    zufrieden die zunge im dampfenden sprit,

    spiritus sanctus kumpel, ein brandopfer

    ist allerdings nicht angesagt, also halbier dir

    die zigarette, spuck drauf, oder mach sie

    sonstwie zur sau, ganz feucht muss sie sein,

    kein glimmen mehr, keine hoffnung auf rauch,

    sonst sind wir mächtig vor der zeit in der hitze

    des südens,

    nur explosiver und schneller

    stauseen

    schieferndes gneissgeschiebe unter meinem steiss,

    weil oben hinter der mauer was wassermasse ruht,

    allein die turbinen zu bedienen, lichtschienen

    und allerlei steckdosiges zeugs,

    aus der adlerperspektive ein richtiger see

    wie die unten bei zürich, zug, luzern und genf,

    zwar viel kleiner auf der karte, viel grösser

    vor ort, weil sich niemand drauf wagt

    mit einem heimatlichen schiff, nur vereinzelte

    baumstämme kreiseln im blaugrünen wasser

    als reaktion auf den turbinensog aus der tiefe,

    die verwitterte betonwand hält alles zusammn

    in ihrer monumentalen biegung armiert,

    die ziegen am hang kümmert das allerdings

    einen feuchten dreck

    zeit für die sennerin

    1

    nebelbandagen über der unterkühlten haube,

    drunter der scharrende motor, die lackkarosserie

    hellblau voller taumoleküle,

    vorbei am bretterzaun mit den abgerissenen plakatn,

    vorbei am halbleeren buswarteschuppen, besprayt,

    vorbei an hunden an der leine und fussgängern

    die hundekacke ihrer lieblinge aufnehmend,

    beide sind sie keine jäger mehr, nur noch sammler

    2

    bergwärts geht’s voller freude, ist doch klar,

    voller vorfreude und hunger nach ionisierter luft

    und fichtigem, moosigem, felsigem, wo alles

    noch zusammenkommt, wos wasser direkt

    aus der quelle sprudelt, wo alles noch stimmt

    und auch mal richtig urtümlich stinken darf

    gegen den blauen himmel

    3

    hanglagig den wagen parkiert, die waden mit

    ringelblume einmassiert, aufm geröll der rutschtest

    für die boots,

    dann kreuz und quer hinaufgekeucht, den rost

    im eigenen blut ausgekocht,

    die lungen durchgeschruppt,

    den körper geschlaucht,

    den geist befreit

    4

    bei einbrechender dunkelheit ankunft

    direkt ins nachtaugige kuhgemelk und blökecho,

    spät, zu spät schon für die alpine siesta,

    bald schläft die sennerin, muss morgens um vier

    wieder raus für die milch und den käs,

    keine zeit für den städter mehr heut

    5

    von der mehrstimmigen morgenkadenz

    aus dem schlaf gesogn wies mark ausm knochen,

    schnell in den tagesarm genommen der benommene

    städter, besonnt wie von sinnen,

    der morgenmond schon abgeplattet,

    der mund trocken, die kühe gemolken

    6

    der hochsonnenstand schattiert die armmuskeln

    der sennerin, die schläft schon wieder ermattet,

    nur der hund gibt laut,

    brav, ist gut so,

    die kühe sind an die bergweide geworfenes spielzeug,

    die gletscherzungenluft züngelt aus dem nebental,

    in weiter ferne ein hubschrauber mit holz

    7

    der abend löscht

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