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Dorian Hunter 70 - Die Rattenpest
Dorian Hunter 70 - Die Rattenpest
Dorian Hunter 70 - Die Rattenpest
eBook229 Seiten2 Stunden

Dorian Hunter 70 - Die Rattenpest

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Über dieses E-Book

Coco Zamis ist die neue Schiedsrichterin der Schwarzen Familie und hat geschworen, jeglichen Kontakt mit dem Dämonenkiller zu vermeiden. Zusammen mit ihr hat auch Philipp die Jugendstilvilla verlassen. Vom
Dämonenkiller-Team ist nicht mehr viel übrig – und ausgerechnet in dieser Stunde plant die Schwarze Familie den nächsten Angriff. Komplett auf sich gestellt, folgt Dorian schließlich einer Spur nach Borvedam, wo eine alte Feindin wieder auferstanden scheint ...

Der 70. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter. - "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
260: "Die Rattenpest"
261: "Nacht ohne Morgen"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Dez. 2012
ISBN9783955720704
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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 70 - Die Rattenpest - Catalina Corvo

    Die Rattenpest

    Band 70

    Die Rattenpest

    von Catalina Corvo und Simon Borner

    © Zaubermond Verlag 2012

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go

    © 2008 Zaubermond-Verlag

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte und den Dorian schließlich vernichten konnte.

    Nach vielen Irrungen nimmt Lucinda Kranich, die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Rolle des Asmodi an. Niemand weiß, dass in Wirklichkeit sie hinter dem auferstandenen Fürsten steckt. Und letztendlich wird ihre Maskerade Wirklichkeit. Dass Lucinda sich einen Teil Asmodis einverleibt hat, um seine Macht zu erlangen, wird ihr zum Verhängnis. Während eines Kampfes gegen einen Zentrumsdämon, der unter den Isles of Scilly gefangen war, übernimmt der in ihr schlummernde Asmodi die Kontrolle über ihren Körper und ersteht so tatsächlich wieder auf. – Zur selben Zeit kann Olivaro von den Scillies ein seltenes Artefakt mitnehmen: den Feuerschädel. Daraus erschafft er den Stab des Schlichters, ein Artefakt, mit dem eine Schlichterin noch vor der Zeit der Schwarzen Familie für Ordnung unter den Dämonen gesorgt hatte. Nun soll der neue Schiedsrichter der Schwarzen Familie derjenige sein, der diesen Stab berühren kann, ohne zu verbrennen.

    In einem rumänischen Dorf fällt die Entscheidung – und ausgerechnet Coco Zamis wird zur neuen Schiedsrichterin. Dorian Hunter fühlt sich verraten und verlassen und setzt alles daran, sie zurückzuholen.

    Erstes Buch: Die Rattenpest

    Die Rattenpest

    von Catalina Corvo

    nach einer Story von Susanne Wilhelm

    1. Kapitel

    London, Gegenwart

    Ring Ring. Das ungeduldige Telefonklingeln zerhackte die Stille des Kellerbüros, wie ein Fleischer eine Rinderhälfte zerlegt. Routiniert und gründlich.

    Die anhaltende schrille Tonfolge veranlasste Trevor Sullivan, seine von Druckerschwärze verzierte Wange von dem Aktenstapel zu heben. Papier ergab ein schlechtes Kopfkissen. Träge rieb er sich die Augen, musste sich orientieren. Die Wange, auf der er gelegen hatte, kribbelte unangenehm. Seine Schultergelenke knackten, als er sich aufrichtete.

    Ring Ring. Ein schneller Blick auf die Schreibtischuhr. Die Digitalanzeige rutschte soeben auf 04:07 Uhr. Sullivan gähnte. Dann griff er zum Hörer.

    Er suchte nach seiner Kaffeetasse. Irgendwo unter dem Wust an Dokumenten auf der Schreibtischplatte musste sie verborgen sein. Das Telefon gab nicht auf.

    Er räusperte sich, dann brummte er seinen Namen und eine knappe, der Uhrzeit angemessene Begrüßung in den Hörer.

    »Fred Archer hier«, sagte ein angenehmer Bariton am anderen Ende der Leitung. »Sie klingen, als hätte ich Sie geweckt.«

    »Ich bin noch im Büro.« Das war nicht gelogen. »Aber es ist vier Uhr morgens.«

    »Meine Güte, Sie arbeiten wirklich so viel, wie Dorian sagt. Jedenfalls wollten Sie dringend meinen Rückruf. Ich habe mich beeilt.«

    Sullivan erinnerte sich vage an ein Gespräch mit Archers Sekretärin am Nachmittag. Er hatte seinen Frust über Archers angebliche Unerreichbarkeit ausgelassen und ihr Druck gemacht. Vielleicht ein bisschen zu viel. Oder der Anruf mitten in der Nacht war Archers Art, sich für mehrere drängende Anrufe zu bedanken.

    »Wissen Sie schon über die Ereignisse in Rumänien Bescheid?«, fragte Sullivan, zu müde und überarbeitet für Höflichkeiten.

    Archer schwieg einen Augenblick zu lange. »Sie meinen Coco?«

    »Coco hat das Dämonenkiller-Team verlassen. Gegenwärtig scheint es so, als sei sie in den Schoß der Schwarzen Familie zurückgekehrt. Dorian kann das nicht glauben.«

    »Er will sie zurückholen.« In der Stimme des gewieften Privatdetektivs verbarg sich nicht der Hauch einer Frage. Er hatte vielmehr einen Fakt ausgesprochen. Wer den Dämonenkiller kannte, musste wissen, dass es nicht anders sein konnte.

    »Natürlich. Er gibt sie nicht so leicht auf.«

    »Kann ich mir vorstellen. Das Schicksal kann manchmal sehr grausam sein. Es verlangt viel von uns.« Fred Archers Anteilnahme erschien eine Spur zu einstudiert und zu vage. Er verbarg etwas. Sullivan kaufte ihm sein lässiges »Und was kann ich dabei für euch tun?« nicht ab.

    »Sparen Sie sich das«, knurrte er in den Hörer. »Was ist los mit Ihnen? Ich merke doch, dass Sie etwas vor mir verbergen.«

    »Aber nein doch.« Man konnte Archers kumpelhaftes Lächeln am anderen Ende der Leitung beinahe hören. »Ich verstehe nur nicht, wie ich Dorian in der Frage behilflich sein sollte.«

    »Da ist etwas, das Sie mir nicht sagen«, beharrte Sullivan. »Ich kann noch die ganze Nacht in der Leitung bleiben, bis Sie mir die Wahrheit verraten haben. Immerhin geht das Gespräch auf Sie.«

    »Ich befürchte, ich müsste Sie irgendwann an meine Sekretärin verweisen. Ich bin ein vielbeschäftigter …«

    »Dorian stattet Ihnen einen Besuch ab, wenn er glaubt, dass Sie etwas über Coco wissen. Und er wird sich nicht so leicht abschütteln lassen. Das wissen wir doch beide. Er ist wie ein Bluthund, wenn er erst einmal einer Fährte folgt.«

    Archer seufzte. Wahrscheinlich rechnete er sich die Unannehmlichkeiten aus, die ein entschlossener Dorian Hunter ihm bereiten konnte, der sich mit ein paar Ausflüchten nicht zufriedengeben würde.

    »Also gut.« Jäh schwang sein Tonfall um. Aus Unverbindlichkeit wurde Ernst. »Sie hat mit mir gesprochen.«

    »Wer? Coco?«

    »Ja. Sie bat mich, Dorian auf keinen Fall dabei zu unterstützen, ihr nachzuspionieren. In ihrem und unser aller Interesse. Sie macht sich Sorgen um ihn.«

    »Das sollte sie auch.« Sullivan erlebte sich ungewöhnlich aufgebracht. Wahrscheinlich war es der Mangel an Schlaf und Bewegung. Vielleicht auch der Ausdruck auf Dorians Gesicht, als dieser nach seiner Rückkehr aus Rumänien aus einem Taxi gestiegen war. Oder die bleierne, brütende Ruhe, die seither wie eine Zwangsjacke an dem Dämonenkiller klebte. »Schließlich hat sie ihn in Rumänien einfach hängen lassen.«

    »Sie hat mir gesagt, dass er ihr gegen ihren Willen dorthin gefolgt ist.«

    »Was hätten Sie denn getan, wenn die Frau, die Sie lieben, einfach verschwindet?«

    »Vermutlich das Gleiche«, gab Archer immerhin zu. »Aber sie hat mir klare Anweisungen erteilt. Und sie klang dabei sehr vernünftig. Sie hat mir erklärt, dass Dorians Anwesenheit in Krumpental viele Leben hätte kosten können. Inklusive ihres, seines und das seiner Verbündeten. Sie lässt ihm ausrichten, er solle einen Gang zurückschalten. Oder er wird womöglich noch mehr verlieren, das ihm lieb ist.«

    »Das klingt wie eine Drohung. Coco würde nie …«

    »Sicher?«, unterbrach ihn Archer scharf. »Sie haben doch eben gesagt, sie hätte sich wieder der Schwarzen Familie angeschlossen.«

    Sullivan rieb sich die Augen. Das Gespräch drehte sich im Kreis. Es ermüdete ihn. »Haben Sie Angst?«

    »Ich weiß nicht, was ich von alledem halten soll«, gestand Archer. »Aber wenn das auf einen Krieg zwischen Dorian und Coco hinausläuft, werde ich mich nicht einmischen. Und das sollten Sie vielleicht auch nicht.«

    »Es ist kein Krieg. Nicht gegen Coco. Es ist derselbe Kampf, den wir schon die ganze Zeit führen. Dorian hat mehr denn je Gründe, die Schwarze Familie ein für alle Mal zu vernichten. Wenn er auf diese Weise Coco zurückgewinnen kann.«

    »Das klingt ja schön und gut, aber Rumänien war ja wohl ein Fehlschlag. Coco rät, dass wir erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen sollen. Die Füße stillhalten, anstatt den nächsten Sturm im Wasserglas zu entfachen. Das scheint mir nicht der schlechteste Rat. Vielleicht ist es am besten, wir finden uns alle mit den Tatsachen ab.«

    »Diese Resignation steht Ihnen nicht, Mr. Archer.«

    »Hören Sie, Sullivan.« Ein flehender Unterton stahl sich in die Sprechweise des Privatdetektivs. »Coco …« Er zögerte. Scheinbar suchte er nach den richtigen Worten. »Sie klang sehr eindringlich«, fuhr er schließlich fort. »Und sehr einleuchtend. Dorian sollte es besser gut sein lassen. Und das werde ich auch tun.«

    Sullivan wusste, wann eine Schlacht geschlagen war. Fred Archer würde nicht helfen. Coco hatte ihn um den Finger gewickelt. Womöglich hatte sie ihm noch ein paar Dinge gesagt, die er nicht erwähnen wollte. Und Sullivan verfügte weder über die Möglichkeiten noch die Absicht, ihn zu zwingen.

    »Ich werd's ihm ausrichten.«

    »Tun Sie das. Und meine besten Grüße.«

    Sie verabschiedeten sich kühl. Nachdem er den Hörer hatte sinken lassen, starrte Sullivan auf den Aktenstapel. Er schlug wahllos eine Seite auf, doch die Druckerschwärze verschwamm vor seinen müden Augen. Am besten, er legte sich für den Rest der Nacht hin.

    Doch anstatt der Idee zu folgen und den Keller zu verlassen, blieb er auf dem Bürostuhl hocken. Seine Hand fand endlich die Kaffeetasse. Er trank sie leer, obwohl ihr mehrere Stunden alter Inhalt scheußlich schmeckte.

    Archer war nicht der erste Mitstreiter, den Coco kontaktiert hatte. Sie schien keine Zeit zu verlieren, alle hilfreichen Kontakte des Dämonenkiller-Teams für sich einzunehmen.

    Zwar hatte er nicht den Eindruck, dass sie die Leute gegen ihren ehemaligen Geliebten aufhetzte, aber sie überredete auf wundersame Weise jeden einzelnen möglichen Verbündeten, ihm nicht bei der Suche nach ihr zu helfen. Aus Sorge? Oder hatte sie andere Gründe?

    Sullivan schüttelte den Kopf. Dann schob er seine Lesebrille zurecht und vertiefte sich einmal mehr in die Unterlagen, die er einige Stunden zuvor noch hatte durcharbeiten wollen. Sie beschäftigten sich mit den spärlichen Informationen, die der Mystery Press über den Hexer Edwin Jong zur Verfügung standen. Dorian wollte sie am Vormittag mit ihm durchgehen.

    Als ihn das Telefon ein zweites Mal weckte, war es kurz nach neun. Ächzend klemmte sich Sullivan den Hörer ans Ohr.

    »Ja?«

    »Guten Morgen, Trevor«, sagte die rauchige Stimme von Coco Zamis.

    2. Kapitel

    Drunten im Unterland, da ist's halt fein,

    dort ist ein Königreich

    finster und schön zugleich

    Dort lebt das Rattenkind, so muss es sein.

    Eine unsichtbare Hand schien die hellen Töne durch die Kavernen zu tragen, über den stinkenden Schutt hinweg. Doch das dumpfe Echo aus den tiefen Schächten verzerrte ihren Klang, bis sie sich einer trägen Welle gleich über die stinkenden Kanäle und verrottenden Haufen aus angeschwemmtem Abfall wälzten.

    Die ersterbenden Laute, die noch durch den Gullydeckel heraufdrangen, schluckte der Straßenlärm. Höchstens die Ratten im Rinnstein hörten dem Lied zu. Die Ohren der Menschen blieben verschlossen.

    Ein Übermaß an Autos schob sich im trägen Verkehr über asphaltierte Straßen. Gummisohlen und schicke Absätze veranstalteten ein kakofonisches Konzert. Darüber schwebte das allgegenwärtige Gurren verdreckter Tauben wie eine Dunstglocke. Irgendwo jaulte eine Sirene, weinte ein Kind. Menschen eilten vorüber, mitgerissen von ihrem eigenen Alltag.

    Manchmal teilte sich die Menge in den Gassen des belebten Vorstadtviertels für einen alten, rotnasigen Säufer, der nur langsam voranschlurfte. Einer, dessen Zeit bald gekommen war und der es sich leisten konnte, in seiner eigenen Geschwindigkeit zu leben. Er blickte nicht nach vorn, sondern starrte vor sich hin. Vielleicht auf der Suche nach Kleingeld, womöglich aber auch nach seiner längst verflossenen Jugend.

    Dabei brabbelte er leise eine Erzählung vor sich hin, die nur in seinem Kopf Sinn ergab.

    Mit kaum verhohlenem Ekel machten die Menschen ihm Platz, als er an einer belebten Bushaltestelle vorüberschlurfte. An die angewiderten Mienen hatte er sich längst gewöhnt. Ebenso wie an den Gestank von altem Bier und Urin, der aus seinen Kleidern drang. Leise beschimpfte er die fremden Gestalten, die es wagten, auf ihn herabzusehen, dann erzählte er sich selbst seine Geschichte, sprach sich Mut zu, allein gegen den Rest der Welt.

    Da waren drei Halbwüchsige. Trotz seines Straßeninstinktes bemerkte er die Falle zu spät. Sie umzingelten ihn in einem Hinterhof, als er sich an den Mülltonnen eines billigen Hotels zu schaffen machte.

    »Hey Opa«, nuschelte einer mit Bomberjacke und einer schmierigen Frisur, betoniert in Haargel. Ihm fehlten zwei Vorderzähne. »Wir wollen dich hier nicht.«

    »Ja, verpiss dich, Penner!«, grölte der Nächste. Dabei wedelte er übertrieben in der Luft herum. Dann hielt er sich theatralisch die Nase zu. »Du stinkst.«

    Beschwichtigend hob der Alte eine Hand. »Schon gut«, brummte er versöhnlich und machte Anstalten, wegzuschlurfen.

    Aber im Grunde wusste er, dass es aussichtslos war. Ein Tritt ins Kreuz ließ ihn taumeln, überraschte ihn aber nicht. Sie waren nicht die ersten Halbstarken, die es auf ihn abgesehen hatten. Den Gören ging es nur um ihren Spaß.

    Der Alte unterdrückte ein Wimmern. Er wehrte sich nicht. Rollte sich bloß zusammen und hob die Arme, um Kopf und Bauch zu schützen. Sie traten ein paarmal auf ihn ein, dann sprang einer von ihnen zurück. Er stieß einen kehligen Laut des Ekels aus. »Diese Drecksbiester. Ich hasse sie.«

    Auch die anderen beiden unterbrachen ihre Attacken. Sie wandten sich ihrem Kumpel zu.

    »Oh, hast du Muttersöhnchen etwa Angst vor Mäusen?«, feixte einer. »Kreischst du gleich wie ein Mädchen? Rennst du jetzt flennend zu Mami?«

    »Ach Fresse, Mann«, schnauzte der Ängstliche zurück. »Das ist 'ne Ratte. Guck doch, wie fett das Teil ist. Und der lange Schwanz. Die übertragen Krankheiten und so. Voll widerlich.«

    »Die hat 'nen längeren Schwanz als du!«, witzelte Nummer drei. »Pass mal auf. Willste 'nen Schwanzvergleich machen?«

    Ein paar flinke Sprünge, dann bückte sich der Hooligan mit der Bomberjacke und hob ein zappelndes Fellbündel hoch. Es quiekte schrill und erstaunlich laut. Die Jungs lachten.

    Plötzlich schrie Bomberjacke auf. Er ließ das strampelnde Ding fallen und hielt sich die Hand. Nun lachten nur noch seine Kumpels.

    »Scheiße, Mann, das Vieh hat mir 'nen Finger abgebissen!«

    »Alter, mach halblang. Fall nicht gleich um, du bist ja schon ganz bl…«

    »Dreck! Ihm fehlt wirklich 'n Stück vom Finger. Krasse Scheiße! Mann, du blutest wie ein Schwein.«

    »Helft mir! Ich brauch 'nen Arzt!« Der Gebissene stolperte auf seine Kumpels zu.

    Der, der Angst vor Ratten gehabt hatte, fing ihn auf und stützte ihn. »Und ob du 'nen Arzt brauchst. Ey, krasse Scheiße Mann. Können die Viecher das? Das war doch nur 'ne verdammte Ratte.«

    »Und ob die das können. Haste ja grad gesehen.«

    »Das ist übel. Liegt sein Finger noch irgendwo? Vielleicht kann man das nähen?«

    »Die ist damit abgehauen. Los, komm.«

    »Aber …«

    »Los jetzt!«

    Zu zweit schleiften die Halbstarken ihren verletzten Kumpan aus dem Hinterhof.

    Der Säufer blieb noch ein paar Augenblicke liegen. Dann rappelte er sich mühsam hoch. Er schaffte es, sich hinzuhocken, dann musste er verschnaufen. Er atmete schwer und hielt sich die Seite. Sein Oberkörper schmerzte von den Tritten. Er brummte ein bisschen vor sich hin. Das war alles halb so wild. War doch gar nicht schlimm, sagte er sich. Er lebte ja noch. Und mit einer ordentlichen Flasche Wodka ließ sich der Schmerz sicher aus der Welt schaffen. Ein Krankenhaus brauchte er zum Glück nicht. Schließlich hatte er Erfahrung mit solchen Zusammenstößen. Die drei Pissköpfe waren nicht die Ersten, die ihre angestaute Wut an ihm ausließen. Jedem seiner Straßenkollegen war es mindestens einmal so ergangen. Dann kratzte man sich eben wieder auf und ließ sich von seinen Kumpels helfen. Irgendwer würde schon eine Pulle Schnaps für ihn haben. Vielleicht Hinkebein-Pedder oder die verrückte Agnes oder

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