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Dorian Hunter 61 – Ahrimans Brut
Dorian Hunter 61 – Ahrimans Brut
Dorian Hunter 61 – Ahrimans Brut
eBook346 Seiten4 Stunden

Dorian Hunter 61 – Ahrimans Brut

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Über dieses E-Book

Dorian Hunter erkennt schockiert, wer der sechste Höllenplagen-Dämon ist. Doch die viel größere Überraschung wartet noch auf den Dämonenkiller – und stellt alles infrage, was Hunter bisher über seine vergangenen Leben zu wissen glaubte …

Der 61. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter.
- "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
241: "Bazuzu"
242: "Ahrimans Brut"
243: "Schwesterherz"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Nov. 2014
ISBN9783955720612
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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 61 – Ahrimans Brut - Oliver Fröhlich

    Ahrimans Brut

    Band 61

    Ahrimans Brut

    von Logan Dee, Oliver Fröhlich und Catalina Corvo

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. Im Jahr 1713 wurde er als Ferdinand Dunkel in Wien Zeuge, wie Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, von einem Nachfolger verdrängt wurde, der sich fortan Asmodi II. nannte. Zwar plante Asmodi I. noch, seinen Geist in einen anderen Körper zu retten, doch der Versuch schlug fehl. Zersplittert in Körper, Geist und Sonnengeflecht überdauerte der ehemalige Fürst die Zeiten, bevor Lucinda Kranich, die Nachfolgerin Skarabäus Toths als Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, die Dreifaltigkeit Asmodis wieder zusammenfügte und ihn zu neuem Leben erweckt.

    Der Dämonenkiller gerät auf die Spur der sieben Höllenplagen-Dämonen. Noch besitzt er nur bruchstückhaftes Wissen über sie, aber er weiß inzwischen, dass alles mit einem seiner früheren Leben zusammenhängt. Ein Hinweis bringt Dorian auf die Spur von besonderen Untoten, den Kreaturen des Höllenplagen-Dämons Bazuzu.

    Asmodi I. blieb seit seiner Wiedererweckung auch von der Schwarzen Familie zurückgezogen. Als es in der Kanzlei der Schiedsrichterin zu einem dämonischen Kampf kommt, stirbt die schwache Gestalt, die Asmodi I. war! Doch wer oder was ist die geheimnisvolle Kreatur in der Wiege, die Lucinda Kranich in den Kellergewölben der alten Kanzlei pflegt? Und was sind die Hintergründe des Krieges, der offen ausgebrochen ist? Was ist mit Phillip, dem Hermaphroditen geschehen, der als Beobachter auftritt?

    Erstes Buch: Bazuzu

    Bazuzu

    von Logan Dee

    Prolog

    Briefe des Juan Antonio de Turrecremata

    an den spanischen König Philipp II.

    über die Erforschung Perus

    1. Brief, 26. April 1561

    An Eure Königliche Majestät, den König Don Philipp, unseren Herrn.

    Seit drei Jahren diene ich in Treue Eurer Majestät, in Südamerika zur Beruhigung und Besiedelung des Landes beizutragen, weitere Untertanen für unser Heiliges Vaterland zu rekrutieren und den Reichtum unseres geliebten Landes zu mehren. Immer habe ich dabei Eurer Majestät Wohl befolgt und mich als treuer Vasall und Diener erwiesen.

    Vor einer Woche nun beauftragte man mich, Eurer Majestät bei der Suche nach einem geheimnisvollen Indiostamm behilflich zu sein, der angeblich über große Goldvorräte verfügt. Den Eingeborenen selbst sage dessen Wert nichts – sie tragen ihn weder als Schmuck noch fertigen sie ihren Göttern Schreine irgendwelcher Art. Sie geben sich allein damit zufrieden, auf ihrem Golde zu hocken und es zu bewachen, weil sie ihm irgendwelche magischen Kräfte zumessen. Sämtliche Expeditionen, die sich bisher in das Gebiet wagten, wurden zerschlagen. Nur wenige Überlebende berichteten von den Goldvorkommen.

    Ich nahm sogleich die mir erwiesene Gnade an und begann, eine geeignete Mannschaft zu sammeln. Raue, aber treue Gesellen, die mir den Rücken stärken und keine Scheu davor haben, den Eingeborenen notfalls auch mit dem Schwert zu zeigen, wo ihr Wohl zukünftig zu finden ist. Auch kaufte ich genügend Lebensmittel, Rüstung und andere unabdingbare Gegenstände wie Rum und Tabak, denn oftmals habe ich erlebt, dass die Soldaten meutern, wenn es ihnen am Notwendigsten fehlt.

    Schon in einer Woche werde ich mit möglichst zahlreicher Mannschaft aufbrechen, bis dahin erbitte ich um eine weitere Lieferung Gold-Pesos, um auch die letzten Vorbereitungen im Sinne Eurer Majestät zu tätigen.

    Euer Majestät Vorschlag, doch ein paar zahlende Passagiere mit an Bord zu nehmen, um so die Kosten gering zuhalten, habe ich sogleich in die Tat umzusetzen versucht und zahlreiche Ausrufer in der Stadt ausschwärmen lassen, doch niemand setzt sich auch nur umsonst den Strapazen und Ungewissheiten einer solchen Reise aus.

    Jedoch gibt es eine Ausnahme, und dieser Kerl kam sogar ohne Aufforderung zu mir. Irgendwo, so sprach er, habe er gehört, wohin die Reise gehe, und er würde fürstlich dafür zahlen. Tatsächlich zog er einen prallen Beutel hervor und legte einen Batzen blitzender, nagelneuer Goldmünzen auf den Tisch.

    Ich zögerte, denn dieser Mensch war mir vom ersten Augenblick an zuwider: Er war groß gewachsen, ausgemergelt, und sein stechender Blick ruhte die ganze Zeit auf mir. Ich versuchte ihn damit zu bewegen, sein Anliegen zu ändern, indem ich ihn auf seinen körperlichen Zustand hinwies. Vor uns läge eine Reise, die an Strapazen kaum zu überbieten sei etc. Doch der Kerl lachte nur, und ich schwöre, dass es mir in diesem Moment kalt den Rücken herunterlief. Dennoch, wäre es nicht im Sinne Eurer Majestät, Einnahmen für die Überfahrt zu erzielen, so hätte ich den Burschen hochkantig rausschmeißen lassen.

    Dies jedoch nur am Rande. Der Mensch nennt sich übrigens Don Bazuzu. Ein reichlich eigentümlicher Name. Ich bitte nun um rasche Zusendung der benötigten Gold-Pesos und werde versuchen, die mir gestellte Aufgabe im Sinne Eurer Majestät erfolgreich zu lösen, bis Euer Majestät anders beschließen, und ich werde vom Erfolg der Mission Nachricht geben, damit Euer Majestät befehlen, was am Dienstlichsten sei. Gott segne und schütze die Katholische Königliche Person Eurer Majestät und Herrschaften, wie es Euer Vasall und Diener wünscht.

    Euer Majestät untertänigster Vasall und Diener, der Eure königlichen Füße küsst.

    Juan Antonio de Turrecremata, Königlicher Kapitän

    1. Kapitel

    Gegenwart

    Er war. Er ist. Er wird sein.

    Manchmal war er zu mehreren, ein anderes Mal noch nicht einmal er selbst.

    Sein Name war Phillip, Phillip Hayward. Er war das, was die Leute einen Hermaphroditen nennen. Sie spielten damit auf eine bestimme Eigenschaft seines Körpers an. Er war ein Zwitter, besaß männliche und zugleich weibliche sekundäre ebenso wie primäre Geschlechtsteile.

    Er war ein besonderer Zwitter.

    Und im Moment war er nur ein Beobachter.

    »Ich habe nachgedacht«, sagte die Frau, die am anderen Ende des Tisches saß. Die dünnen krallenartigen Hände umfassten eine Tasse mit pechschwarzem Kaffee. Mehr gönnte sie sich nicht zum Frühstück. Ein Rollkragen bedeckte den faltigen Hals. Die Augen der Frau blitzten fast wütend, die Mundwinkel waren nach unten gezogen. »Ich habe nachgedacht«, wiederholte sie, »aber ich habe das Gefühl, dass Sie mir noch nicht einmal zuhören, wenn ich Ihnen etwas Wichtiges zu sagen habe!«

    Lucinda Kranichs seltsamer Gast schaute noch nicht einmal auf. Der/Die junge Mann/Frau schaute in eine imaginäre Ferne. Tee, den er sich zuvor eingeflößt hatte, rann seine Mundwinkel hinab. Im nächsten Moment hatte er/sie sich wieder in seiner/ihrer Gewalt. Sein/Ihr Blick wurde von einer Sekunde zur anderen glasklar. Mit einer Serviette wischte er/sie sich über den Mund.

    Der Rückfall in sein früheres Selbst hatte nur Sekunden gedauert. Jetzt war er wieder nur der Beobachter.

    Asmodi war tot. Seitdem war nichts mehr wie zuvor. Und sogar Phillip schien nicht unbeeinflusst von dem Ding, das unten im Keller einmal mehr erstarkt war. Als der Hermaphrodit plötzlich vor ihrer Tür erschienen war, hatte er auf Lucinda wie ein normaler junger Mann gewirkt. Doch seitdem die Kreatur sich ein Körperteil des Deutschen einverleibt hatte, schien auch Phillip plötzlich wieder in alte Verhaltensweisen zurückzufallen. Zumindest für wenige Augenblicke.

    »Entschuldigen Sie«, antwortete der Hermaphrodit und lächelte sie an. In diesem Augenblick erschien er wie ein gefallener Engel, sein Körper wirkte trotz der Länge grazil und zerbrechlich. Die blasse Haut erinnerte an ein Geisterwesen. Fast glaubte Lucinda, durch ihn hindurchblicken zu können, aber das war nur eine Täuschung. Keine Täuschung waren die golden schimmernden Augen, die vielleicht das Ungewöhnlichste an diesem Wesen waren – trotz aller anderen ungewöhnlichen Charakteristika.

    Lucinda Kranich senkte den Kopf, wenn diese Augen auf sie gerichtet waren. Sie konnte deren Blicke nicht lange ertragen.

    »Wer sagt mir, dass Sie wirklich der sind, als der Sie sich ausgeben!«, sagte sie nun. Sie entschloss sich, ein forscheres Verhalten an den Tag zu legen als bisher – und den Respekt, ja, die Angst zu überspielen, die sie vor Phillip Hayward empfand. »Sie tauchen hier auf und nisten sich hier ein. Ich hätte Sie gleich wieder rauswerfen sollen. Stattdessen war ich so gutmütig und habe Sie sogar die Nacht über untergebracht. Aber wenn Sie mir nicht endlich mehr zu sagen haben als bisher, dann scheren Sie sich fort!« Noch immer wagte sie nicht, ihre scharfen Worte mit den zugehörigen kalten Blicken zu unterstreichen. Dabei war gerade dies eigentlich ihre Stärke.

    Statt zu antworten, nahm sich ihr Gast ein weiteres der winzigen Scones, beschmierte es andächtig mit Orangenkonfitüre und Clotted Cream und biss ein Stück davon ab.

    Lucinda Kranich wusste selbst nicht zu sagen, warum sie die Anwesenheit dieses Wesens derart verunsicherte. Sogar ein üppiges Frühstück hatte sie ihm zubereitet. Sie selbst begnügte sich mit einer Scheibe trockenen Brotes.

    Als Antwort auf ihre Frage erschien ein verspätetes Lächeln auf seinen schmalen Lippen. Mehr als alles andere verriet es Lucinda, dass ihr Gegenüber alles andere als verunsichert war. Im Gegenteil, dieser Hermaphrodit schien von einem Wissen erfüllt, das ihm schier grenzenlose Macht verlieh.

    Macht über sie, ob ihr das gefiel oder nicht.

    »Ich war. Ich bin. Ich werde sein«, sprach er nun mit einer klaren Stimme, die viel kräftiger wirkte, als man sie seinem ausgemergelten Körper zugetraut hätte.

    Offensichtlich war er aus seinem Traum, seiner Vision oder was auch immer ihn für Sekunden aus der Wirklichkeit katapultierte, wieder erwacht und bei klarem Verstand.

    »Was wird sein?«, stach Lucinda wie eine Krähe nach.

    »Es wird seinen Lauf nehmen«, antwortete der Hermaphrodit. »Alles muss seinen Lauf nehmen. Darüber wache ich, denn ich bin der Beobachter. Nun fragen Sie nicht länger Dinge, auf die ich Ihnen keine Antwort geben kann.«

    »Alles wird seinen Lauf nehmen«, äffte Lucinda ihn nach. »Ja, aber was? Was wird seinen Lauf nehmen? Und welche Rolle spielen Sie dabei?«

    Und immer wieder diese Augen, diese golden schimmernden Augen, deren Blick ihr so viele Schmerzen bereiteten. Er schwieg jedoch.

    »Asmodis Tod wird weitere Instabilität innerhalb der Schwarzen Familie zur Folge haben – vielleicht wird das Gefüge sogar ganz zerbrechen …« Misstrauisch sah sie ihn an.

    »Das wird nicht geschehen. Es darf nicht geschehen!«, sagte er mit unerwartet kräftiger Stimme. »Darüber habe ich zu wachen – auf die eine oder andere Weise.«

    Lucinda gab ein trockenes, höhnisch wirkendes Lachen von sich. »Niemand kann garantieren, dass keine Anarchie ausbricht, wenn sich Asmodis Tod herumgesprochen hat, Mr. Hayward. In Zeiten wie diesen ist sich jeder Dämon der Nächste. Nicht nur Schranken werden bersten, ganze Dämme werden brechen.« Natürlich war es ganz und gar nicht in ihrem Sinne, Asmodis Tod zu verkünden – aber musste sie das offen zugeben? Sie stellte sich vor, was geschehen könnte, sah es geradezu bildlich vor sich und spürte, wie sich die Härchen an ihren Armen aufrichten. »Es wird Anarchie geben«, fuhr sie fort. »Niemand wird sie mehr aufhalten können. Sie wissen, was das bedeutet …«

    Der Hermaphrodit nickte. »Ich sehe Blut, viel Blut, die Straßen sind rot vor Blut. Ich sehe schreiende Menschen. Zerfetzte Glieder. Aber auch die Dämonen sind nicht unverwundbar. Ich sehe, wie die Menschheit sich auf altes Wissen besinnt, Holzpflöcke werden gespitzt, Silberkugeln gegossen …«

    »Stimmt exakt. Die geheime, getarnte Existenz, die wir uns inmitten der harmlosen Menschheit eingerichtet haben, wird der Vergangenheit angehören.«

    »Gerade das darf nicht geschehen«, wiederholte der Hermaphrodit.

    »Sie kennen die Antwort«, sagte Lucinda. Sie erhob sich abrupt. Der Appetit war ihr endgültig vergangen. Ohne ein weiteres Wort begab sie sich in den Keller, in dem die Wiege stand. Die Kreatur darin war hungrig. Lucinda wusste es, sie spürte es. So lange würde der Hunger der Bestie nicht gestillt sein, bis sie kräftig genug war, ihre Mission zu erfüllen. Und Lucinda wusste auch genau, wonach die Kreatur hungerte.

    »Wenn Ihr Plan gelingt, wird dieser Dämon mächtig sein. Genauer gesagt unbesiegbar. Ein ewiger Dämon.« Phillip war ihr gefolgt. Unhörbar.

    Selbst mit ihren angeborenen dämonischen Sinnen hatte sie seine Schritte nicht vernommen. Einmal mehr wurde ihr bewusst, über welche Fähigkeiten ihr Besucher verfügte. Aus seinen Worten glaubte sie große Sorge herauszuhören. Vielleicht sogar die Warnung, die er ihr zukommen lassen wollte. Wer weiß, vielleicht konnte Phillip ja wirklich in die Zukunft blicken. Offensichtlich wusste er ja viel mehr als sie alle. Wenn sie nur ein Stückchen den Vorhang hätte lüften können, mit der er sein Wissen verbarg …

    Doch diesmal lachte sie nur. Sie dachte nicht daran, sich ins Bockshorn jagen zu lassen. »Sie wissen, dass mein Plan der einzig richtige ist. Er ist von langer Hand vorbereitet. Die Schwarze Familie muss endlich wieder von einem starken Fürsten der Finsternis regiert werden – nur so wird keine Anarchie ausbrechen. Wir brauchen eine dauerhafte Stabilität. Zu viele Möchtegern-Dämonen haben in der Vergangenheit versucht, den Schwarzen Thron zu besteigen.«

    Er seufzte tief, und sie deutete es als Zustimmung. Auch er wusste, musste wissen, dass sie recht hatte.

    »Nur ein starker Fürst garantiert uns auf Dauer, dass wir auch weiterhin unsere Macht im Verborgenen ausbauen können. Wir Dämonen unterwandern die Menschheit seit Anbeginn der Schwarzen Familie. Allein dieses Vorgehen hat uns bis heute überleben lassen. Uns – und euch genauso. Soll das etwa mit Asmodis Tod enden?« Die letzten Worte hatte sie laut herausgeschrien, ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen Art. Sie spürte, wie sie dieses Wesen namens Phillip Hayward immer nervöser machte. Dieses Wesen, das mehr schwieg als redete, das einfach nur beobachtete.

    Auch jetzt schwieg der junge Mann. Wieder lag in seinen goldenen Augen ein eigenartiger Glanz, als wäre er mit seinen Gedanken weit fort und würde gleichzeitig so viel mehr Erfahrung haben als sie selbst.

    »Sie wissen, wer in der Wiege liegt, nicht wahr?«, fuhr sie fort. »Aber wissen Sie auch, warum ich zunächst alles daran gesetzt habe, Asmodi I wiederzuerwecken?« Das bleischwere Schweigen des Hermaphroditen senkte sich auf ihre Gedanken wie eine schwere Glocke. Für einen kurzen Moment schwankte sie. Sie warf ihm einen letzten Köder zu: »Sie bluffen doch nur«, keifte sie ihn an. »Na, was glauben Sie, warum ich Asmodi I wiedererweckt habe?«

    Schweigen.

    »Glauben Sie, es war eine Farce? Habe ich vielleicht nun einen Besseren gefunden?«

    Schweigen.

    Sie gab es auf. Er ließ sich nicht aus der Reserve locken. Mit einem tiefen Seufzen wechselte sie das Thema. »Ja, es wird Krieg geben. Aber einen anderen, als er zu befürchten gewesen wäre, wenn Anarchie herrschen würde. Was für uns einen großen Sieg bedeutet, wird außerhalb dieser Mauern von den Wenigsten zur Kenntnis genommen.«

    »Sie haben einen der Sieben besiegt. Diese Provokation wird nicht unbeantwortet bleiben«, widersprach Phillip. Anscheinend hatte er seine Sprache doch nicht verloren.

    Ein spöttisches Lächeln erschien auf Lucindas Lippen. »Der Deutsche ist – war – nicht sehr beliebt, selbst nicht unter den anderen sechs. Im Gegenteil, er war ein Ausgestoßener.«

    »An den Tatsachen ändert dies nichts«, sagte Phillip in großem Ernst. »In Ihrer Unwissenheit ahnen Sie nicht, was zurzeit geschieht, Frau Kranich.«

    Sein Ernst war ansteckend. Lucinda spürte, wie ihr Spott in sich zusammenfiel. »Vielleicht sagen Sie es mir ja.«

    »Die sechs anderen Dämonen werden nicht hinnehmen, dass in Ihrer Wiege ein ewiger Dämon heranwächst. Ein Dämon, der zudem die Kräfte der Sieben in sich vereint.«

    »Ich warte gelassen ab, was geschehen wird.« Sie bluffte. Und sie wusste, dass er es ebenfalls wusste.

    »Abgesehen davon, dass mit dem Tod des Deutschen allein nicht viel gewonnen ist«, sprach Phillip ihre eigenen Befürchtungen aus. »Zu seinen Lebzeiten hat er alles darangesetzt, um gegen Asmodi und Sie zu opponieren. All seinen Einfluss und sein Geld hat er dazu benutzt, eine schlagkräftige Organisation aufzubauen. Bedenken Sie: All diese Dämonenjäger sind nun ohne Kopf …«

    »Aber nichtsdestotrotz gefährlich«, erkannte auch Lucinda. »Ein wahrlich explosives Potenzial – und doch, wie wir beide genau wissen, nur ein Nebenkriegsschauplatz. Damit werde ich fertig. Es kostet mich ein Fingerschnippen, um im Namen Asmodis die feindlichen Agenten auszulöschen.«

    »Sie wollen Dämonen auf Sie hetzen?«, mutmaßte Phillip.

    »Vielleicht.« Wieder lächelte sie. Es sollte geheimnisvoll erscheinen. Im Innern fluchte sie. Verdammter Hermaphrodit. Er sah einfach jeden ihrer Gedanken voraus!

    Nur eines behielt sie für sich: ihre Sorge, dass die Kunde von Asmodis Tod nicht nach draußen dringen durfte.

    Die Schwarze Familie durfte nichts davon erfahren.

    Es würde all ihre Pläne torpedieren.

    Die Pläne, die so kurz vor der Vollendung standen.

    Vergangenheit 1734

    Leichenschiff – so nannten es die meisten Bewohner von Bandar Abbas.

    Teufelsschiff der andere Teil. Und damit, so fand Daniel, waren sie gar nicht mal so auf dem Holzweg. Für ihn selbst war es Baals Schiff. So hatte auch Ahriman es genannt.

    Erst vor einigen Tagen war es im Hafen eingelaufen. Ein Geisterschiff, dessen gesamte Mannschaft einen schrecklichen Tod gefunden hatte. Sämtliche Leiber waren von Maden grausam zerfressen worden. Fliegenschwärme hatten das Deck wie einen lebenden Teppich bedeckt.

    Die Menschen im Hafen waren geflüchtet, als sich die Fliegenschwärme an Land gewälzt hatten.

    Es war Daniels Idee gewesen, das Schiff als neue Zufluchtsstätte zu benutzen. Alle hatten erwartet, dass es sinken würde, aber wie ein verwesender Wal lag es in leichter Schräglage noch immer im Hafen fest. Die Leichen stanken inzwischen zum Himmel. Ratten hatten das Schiff erobert und labten sich an den Kadavern. Aufgeregte Krähenschwärme verdunkelten den Himmel und warteten darauf, dass die Ratten sich verzogen.

    Zunächst hatten seine drei Begleiter Widerspruch eingelegt. Die Ankunft Baals war spektakulär genug gewesen, man war der Meinung, dass damit bereits genug Aufruhr provoziert worden war, doch Daniel hatte darauf bestanden. »Wir haben es nicht nötig, uns wie Verbrecher in irgendeinem Schuppen zu verkriechen. Wir sind die wahren Herrscher von Bandar Abbas.«

    Seine drei Begleiter hätten nicht verschiedener sein können.

    Kurioserweise erschien ihm Baal mittlerweile am menschlichsten. Der Gott der Fliegen nahm in Daniels Gegenwart meistens die Form eines Menschen an – in diesem Fall Daniels eigene Gestalt. »Mach dir nichts daraus«, hatte ausgerechnet Ahriman ihm diesen Vorgang erklären wollen. »Für Baal ist es einfach eine Spielerei, ein Tick. Wenn du ein Mädchen wärst, würde er dessen Züge annehmen.«

    Der Seuchendämon Ahriman, den man auch den Herrn der 999 Tode nannte, sah kaum besser aus. Sein Körper war von unzähligen pestilenzartigen Geschwüren überwuchert, die in ständigem Entstehen und Vergehen miteinander wetteiferten. Kaum war eine Eiterbeule geplatzt, entstand daneben bereits die nächste.

    Dagegen hatte sich Daniel an den Daemonicus Mechanicus lange gewöhnt. Er war sein Vertrauter geworden, und wenn man so wollte, ein Teil von ihm.

    Also hatten sie sich auf dem Schiff einquartiert. So oder so war es nur eine Frage der Zeit, bis sie aufbrechen würden. Obwohl Daniel mehrfach drängte, zögerten die Dämonen noch. Es schien, als warteten sie auf ein Zeichen; nur welcher Art dies Zeichen war, dies wollten sie ihm nicht verraten. Obwohl er nun eindeutig einer von ihnen war.

    Er war kein Dämon, und doch hatten sie akzeptiert, dass er gleichwertig an ihrer Seite stand. Was dies betraf, so verdrängte Daniel jeden Gedanken an sein vorheriges Leben. So gut es ging, versuchte er auch Kiana zu vergessen. Mit ihr hatte er das Wunder der Liebe erfahren. In seinen Armen war sie gestorben. Er selbst hatte ihr das Genick gebrochen, um sie von ihrem Siechtum zu erlösen.

    War nicht diese Handlung der Anfang seiner neuen Existenz gewesen? Wie sehr hatte er die Dämonen gehasst! Am meisten Ahriman, dessen Berührung erst die tödliche Krankheit über Kiana gebracht hatte.

    Und nun war er selbst der Vertraute der Dämonen, der von ihrer Macht profitierte. Er hatte erkennen müssen, dass er seinem Schicksal nicht länger davonlaufen konnte. Sein Leben wurde von höheren Mächten bestimmt.

    Wieder und wieder versuchte er Baals Worte zu verdrängen.

    Jene Worte, die sein Schicksal besiegelt hatten: Wir werden dich aufnehmen, wie du es gewünscht hast. Als gleichwertigen Partner an unserer Seite. Du wirst uns helfen, weitere Dämonen zu finden, die uns ergänzen können. Je mehr wir sind, umso mehr wird unsere Macht wachsen. Es wird nicht einfach sein, passende Dämonen zu finden, doch eines Tages werden wir sieben sein. Die sieben Höllenplagen-Dämonen, und du wirst an unserer Seite stehen.

    Wer ist der Vierte, von dem ihr gesprochen habt?, hatte Daniel gefragt. Wer gehört noch zu dir, Ahriman und Baal?

    Weißt du es nicht?, hatte Coyote gefragt. Weißt du es wirklich nicht?

    Nun stand er allein an Deck. Ahriman und Baal hatten sich unter Deck verzogen, während Coyote in der Stadt unterwegs war, um nach frischer Beute Ausschau zu halten.

    Dies, so fand Daniel, war noch immer der widerlichste Teil. Die Dämonen bevorzugten Jungfrauen zum Fraß. Am Anfang hatte es ihm nichts ausgemacht, ja, er hatte es als Teil seines Initiationsritus angesehen. Es war noch nicht einmal so, dass ihm die Mädchen leidtaten. Mitleid gehörte zu den menschlichen Gefühlen, die er abgestreift hatte wie eine alte, nutzlose Haut.

    Und dennoch ekelte es ihn, wenn er mit ansah, auf welche Art sich die Dämonen an ihren Opfern gütlich taten.

    Ein rasch näher kommender dunkler Punkt am Himmel verriet ihm, dass Coyote im Anflug war. In seinen Klauen hielt er ein neues Opfer. Dessen rothaarige Mähne flatterte wie ein Schweif um den weißen Körper.

    Grazil wie ein leichtgewichtiger Vogel setzte Coyote auf den Deckplanken auf. Mit dem Mädchen ging er nicht so zimperlich um. Er ließ den Körper einfach fallen. Ein Stöhnen rang sich aus dem Mund der Ohnmächtigen.

    »Abendbrot«, krächzte Coyote. Wahrscheinlich sollte es witzig klingen. Hätte er ein menschliches Antlitz besessen, so hätte er wahrscheinlich gegrinst. Doch sein vogelähnlicher Schnabel ließ nur wenig Mimik zu.

    »Bring sie unter Deck, zu den anderen!«, befahl Daniel. »Bevor jemand auf sie aufmerksam wird!«

    »Aber warum? Selbst wenn, niemand wagt sich mehr in die Nähe unseres Schiffes. Die Einwohner sind verschreckt und zittern vor Angst.«

    Daniel wusste, dass der Daemon Mechanicus nicht verstand, worauf er hinaus wollte. »Das Mädchen hat rote Haare. Es handelt sich um keine Einheimische«, erklärte er. »Wo hast du Dummkopf sie aufgelesen?«

    »In einem der Häuser außerhalb der Stadt. Sie saß dort allein im Garten und pflückte Kräuter.«

    »Bring sie nach unten, sofort!«, wiederholte Daniel seinen Befehl.

    Während Coyote diesem schweigend Folge leistete, sondierte Daniel aufmerksam die Umgebung. Der Kai war menschenleer. Kein Mensch traute sich hierher. Niemand schien den Vorfall mitbekommen zu haben. Und doch hatte er das Gefühl, als lauerten tausend Augen in der Dunkelheit.

    Nur zögernd folgte er dem Dämon unter Deck.

    In der ehemaligen Offiziersmesse hatten er und die drei Dämonen es sich mehr oder weniger behaglich eingerichtet. Noch bevor er die Tür öffnete, vernahm er einen fürchterlichen Schrei.

    Er fluchte. Er war zu spät gekommen!

    Doch als er in die Messe stürmte, erkannte er, dass der Schrei von den Lippen eines anderen Mädchens stammte. Es handelte sich um eine Einheimische, die Coyote erst vor zwei Stunden herbeigeschleppt hatte. Da war ihr bronzefarbener Körper noch unversehrt gewesen. Nun lag er schlaff und von unzähligen Wundmalen verunziert auf dem Boden. Der Mund war in seinem inzwischen unhörbaren Todesschrei noch immer geöffnet und wirkte wie eine einzige kreisrunde Wunde.

    Der linke Arm war abgerissen. Ahriman hielt ihn in einem seiner Tentakel und tat sich daran gütlich. Es stank nach Blut und Verwesung in der Messe. Baal war nicht minder beschäftigt. Sein Leib hatte sich in Tausende von Fliegen aufgelöst, die nun in den Körper der Toten krochen und ihn auszuweiden begannen. Daniel wusste inzwischen, dass die Dämonen kaum zurechnungsfähig waren, wenn sie ihre Opfer zu sich nahmen.

    Er spürte, wie ihm übel wurde. Nein, diesen Teil des Dämonseins würde er wohl nie wertschätzen lernen.

    »Hört auf!«, schrie er. »Ich habe

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