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Dorian Hunter 36 - Dämonenkrieg
Dorian Hunter 36 - Dämonenkrieg
Dorian Hunter 36 - Dämonenkrieg
eBook467 Seiten6 Stunden

Dorian Hunter 36 - Dämonenkrieg

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Über dieses E-Book

Dorian Hunter hat herausgefunden, wohin es Coco Zamis verschlagen hat. Sie hat in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zwar den Apokalyptischen Raid verhindert, doch noch immer sitzt sie in der Vergangenheit fest. Sie sucht nach einer Möglichkeit, in die Gegenwart zurückzukehren, doch Asmodi ist nicht gewillt, kampflos das Feld zu räumen. Er ruft seine Heere zusammen, um zum letzten, vernichtenden Schlag gegen den Baron Mummelsee auszuholen, und Coco muss eine Entscheidung treffen: Soll sie Dorian Hunters sechster Inkarnation weiterhin im Kampf gegen den Fürsten der Finsternis beistehen oder endlich in ihre eigene Zeit zurückkehren?

Der 36. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter. - "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
164: "Rückkehr zum Mummelsee"
165: "Kampf um Basajaun"
166: "Dämonenkrieg"
167: "Das Ende eines langen Wegs"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Feb. 2014
ISBN9783955720360
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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 36 - Dämonenkrieg - Martin Kay

    Dämonenkrieg

    Band 36

    Dämonenkrieg

    von Martin Kay

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor.

    Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen, auf die de Conde es abgesehen hatte, blieben ungeschoren.

    Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. So ging es fort bis in die Gegenwart.

    Dorian Hunter begreift, dass er die Wiedergeburt de Condes ist. Es ist seine Aufgabe, den Dämonen nachzustellen und sie zu vernichten. Vielleicht ist dieser angeborene Dämonenhass der Grund dafür, dass er die Unterstützung des britischen Secret Service verliert, dessen »Inquisitionsabteilung« Dorian vorübergehend leitete.

    Hunter wäre auf sich allein gestellt, blieben ihm nicht die engsten Mitstreiter im Kampf gegen die Dämonen: Zunächst wäre da die junge Hexe Coco Zamis, die früher selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor. Hin und wieder eine große Hilfe ist ebenfalls der rätselhafte Olivaro, der früher selbst einmal als Oberhaupt der Schwarzen Familie fungierte, inzwischen aber offenbar die Seiten gewechselt hat und Dorian unterstützt. Allerdings bleiben die wahren Absichten des undurchsichtigen Überläufers meist im Dunkeln.

    Weitere Mitstreiter sind neben Unga, dem Steinzeitmann, und dem magisch auf Zwergengröße geschrumpften Ex-Secret-Service-Agenten Don Chapman vor allem die Bewohner von Castillo Basajaun, einer alten Burg in Andorra, die Dorian Hunter als Hauptstützpunkt für das Dämonenkiller-Team ausgewählt hat. Von hier aus organisiert er den Kampf gegen das Böse wie zuletzt gegen den Giftatmer.

    Diese Gefahr ist nunmehr gebannt – zumindest in der Gegenwart. Doch bereits in der Vergangenheit stieß Dorian Hunter in seiner sechsten Inkarnation als Matthias Troger von Mummelsee auf den Dämon. Die Erinnerungen an dieses Leben kehren allmählich zurück, obwohl Olivaro zum Schutz des Dämonenkillers einen Gedächtnisblock um ihn errichtet hat.

    Bei einer Rettungsaktion vor dem Sturz ins centro terrae verschlägt es Coco Zamis in die Zeit von Matthias Troger von Mummelsee. Verzweifelt versucht sie, in die Gegenwart zurückzukehren. Doch offenbar hat sie in der Vergangenheit zunächst noch eine Aufgabe zu erfüllen. Aber wird sie jemals zurückkehren? Denn Olivaro gesteht Dorian Hunter, warum er ihn mit einem Gedächtnisblock versehen hat: Der Dämonenkiller sollte sich nicht erinnern, dass Olivaro in der Vergangenheit Coco getötet hat. Durch diese Eröffnung trägt das Verhältnis zwischen den beiden einen nachhaltigen Schaden davon. Die geistige Verbindung zwischen ihnen zerbricht.

    Zwischenzeitlich versucht der geschwächte Luguri, zu alter Stärke zu finden. Dazu hat er sein neues Domizil in einem erloschenen Vulkan errichtet, in der Hoffnung, von hier aus ins centro terrae vorstoßen zu können. Um seine Vormachtstellung in der Schwarzen Familie zu festigen, befiehlt er außerdem den Angriff auf Castillo Basajaun und seine Bewohner.

    Dämonenkrieg

    Dämonenkrieg

    von Martin Kay

    Vorspiel

    Luguri bebte vor Zorn. Mit grell leuchtenden Froschaugen, eine stinkende Rauchwolke hinter sich herziehend und feines Elmsfeuer um seine Fingerkuppen züngelnd, marschierte er mit weit ausgreifenden Schritten durch die dunklen Gänge der Vulkanfeste. Hin und wieder stieß er einen unmenschlichen, hysterischen Schrei aus, und wehe dem Dämon, der dem Fürsten in die Quere kam. Die Mitglieder des Hofstaats, den er inzwischen zu sich in den Vulkan geholt hatte, spürten sein Kommen, seine Nähe und wichen panisch in die Nebenhöhlen zurück. Wer dennoch das Pech hatte, ihm über den Weg zu laufen, überlebte diese Begegnung nicht. Zwei Skelettkrieger, ein Wolfsdämon sowie drei niedere Teufelchen hatte dieses Schicksal bereits ereilt.

    Der Erzdämon war außer sich wie niemals zuvor.

    »Ich hatte ihn schon!«, schrie er und bog um eine Ecke, aus der ihm zwei Ghoule in ihrer abstoßenden Erscheinung entgegentraten. Sie waren bereits zu dicht heran, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich links und rechts eng gegen die Höhlenwände zu drücken, um Luguri passieren zu lassen. Der eisige Hauch der wabernden Wolke, die hinter dem Erzdämon her wallte, streifte die beiden Leichenfresser und verwandelte sie augenblicklich in Asche, die fein an den Wänden herunterrieselte.

    Luguri blieb stehen, presste die Fäuste gegen die Schläfen und brüllte seine ganze Wut und Enttäuschung heraus, sodass das Gewölbe des Vulkans erzitterte. Alle Anwesenden spürten, in welch schlechter Verfassung sich das Oberhaupt der Schwarzen Familie befand.

    Kein Geringerer als der Dämonenkiller Dorian Hunter hatte Luguri solchermaßen gereizt. Der Fürst der Finsternis hatte weitreichende Pläne zur Vernichtung seines menschlichen Feindes ersonnen. Er hatte seine Blutorgel perfektioniert, um die schaurigsten, grässlichsten Sinfonien der Dunkelheit auf den Dämonenkiller und seine Leute loszulassen. Beinahe wäre sein Bestreben von Erfolg gekrönt gewesen. Hunter und seine Mannen befanden sich bereits im Bann der todbringenden Klänge – und alles in ihnen schrie danach, sich ins Verderben zu stürzen. Doch dann hatte Hunter eine fürchterliche Waffe ins Spiel gebracht, mit der sich das Blatt wieder zu seinen Gunsten gewendet hatte: den magischen Bumerang des Hermes Trismegistos.

    »Weiß der Teufel, wie er ihn aktiviert hat«, schnaubte Luguri. Er hegte den nicht ganz unbegründeten Verdacht, dass Hunter bei dieser Aktion Hilfe von einem Dämon erhalten hatte. Der Bumerang war schon lange nicht mehr von menschlicher Hand geführt worden. Nur Hermes Trismegistos selbst wusste, wie man ihn aktivierte und zu einer furchtbaren Waffe gegen das Böse machte. Doch Hermon weilte nicht mehr auf der Erde. Er befand sich auf Malkuth, jener verhassten Gegenwelt, dessen Übergangstore zur Erde sich für immer geschlossen hatten. Dorian Hunter aber, der Erbe des Dreimalgrößten, war kein Weißmagier und musste sich auf andere Fähigkeiten und Waffen bei der Dämonenbekämpfung besinnen. Also gab es noch jemanden, der sich mit der Handhabung des Bumerangs auskannte.

    Ein Dämon?

    Vieles sprach dafür, aber den Namen des Verräters hatte Luguri bis zur Stunde nicht erfahren.

    Der Fürst der Finsternis blieb in einem riesigen Gewölbe stehen, in dessen Mitte ein gigantischer Feuersee brodelte, und verschränkte die Arme mit den langen, dünnen, aber krallenbewehrten Fingern vor seiner Brust. Seine imposante Gestalt von nahezu drei Metern Größe überragte die aller anderen Dämonen. Misstrauisch blickte er auf das Fell, das seine Handrücken bedeckte. Er hatte eigentlich geglaubt, die missliebige Zottelgestalt, in der er aus seinem Jahrtausendschlaf erwacht war, endgültig überwunden zu haben. Doch in den letzten Wochen kam es wiederholt zur kurzfristigen Verwandlung, ohne dass er darauf einen Einfluss nehmen konnte.

    Als er ausatmete, stoben Flammenzungen aus seinen Nasenlöchern. Sein Hass auf den Dämonenkiller wuchs mit jeder Sekunde. Er würde diesem Hundesohn schon beikommen, ihn samt seiner Brut und allen Anhängern vernichten. Diese Burg in Andorra würde fallen. Erst sie, dann das erbärmliche Versteck in London.

    »So wahr ich Luguri heiße!«, grollte der Erzdämon und rief nach seinen Untergebenen. »Zakum! Angelina!«

    Der von Luguri ernannte Lordkanzler und dämonische Archivar erschien sofort in seiner spinnendürren Gestalt. Er wusste, dass es nicht ratsam war, den Fürsten in seiner Rage warten zu lassen.

    »Na endlich!«, schnappte Luguri.

    »Zu Diensten, Herr!«, verneigte sich Zakum.

    »Angelina!«, brüllte Luguri noch einmal. Endlich erschien die attraktive Teufelin in einer duftenden Parfümwolke, die Luguri betören sollte, doch in seiner Wut eher das Gegenteil bewirkte. Mit einem Satz war der Erzdämon bei der Dämonin und schlug ihr mit voller Wucht den Handrücken ins Gesicht. Dass sie ihn vor nicht allzu langer Zeit vor dem Giftatmer gerettet hatte, interessierte ihn bereits nicht mehr. Er hatte sie zur Belohnung mit einigen Fähigkeiten und einem eigenen Gefolge belohnt. Das musste reichen.

    Angelina schrie entsetzt auf und wurde vier, fünf Meter durch die Luft geschleudert, genau auf den blubbernden Feuersee zu. Augenblicklich wuchsen ihre kleinen, schwarzen Flügel auf dem Rücken zu mächtigen Schwingen. Eine Fähigkeit, die Luguri ihr geschenkt hatte. Hastig flatternd hielt sie sich über der Oberfläche des Magmasees und landete auf wackeligen Beinen am Ufer. Ihr wasserstoffblondes Haar war zerzaust. Ein feines Rinnsal pechschwarzen Blutes rann ihren linken Mundwinkel herab. Sie wischte sich den schwarzen Streifen ab und richtete ihre Frisur. Ihr lag eine wütende Erwiderung auf der Zunge, doch als sie Luguris Zustand gewahrte, war sie intelligent genug zu schweigen. Jedes Widerwort wäre ihr Ende gewesen. Schon jetzt hatte Luguri keinen Finger gerührt, um sie zu retten.

    Angelina senkte den Blick und beeilte sich, an Luguri heranzutreten.

    »Für immer dein, mächtiger Herr der Schwarzen Familie, Bewahrer alles Bösen, Bezwinger des Lichts«, presste die junge Teufelin hervor und faltete ihre Flügel auf dem Rücken zusammen. Voller Demut rollte sie ihren spitz zulaufenden Schwanz ein und wagte nicht, ihrem Gebieter in die Augen zu sehen. Gleichzeitig verfärbten sich ihre Haare auf magische Weise in das ursprüngliche Rot.

    Luguri hatte nur einen verächtlichen Blick für seine Mätresse übrig. Liebe gab es für einen Dämon wie ihn nicht, nur Verlangen und Lust – und wenn Angelina nicht in der Lage war, ihn zu befriedigen, dann würde er gewiss eine andere Dämonin finden, seine Gelüste zu stillen.

    »Ich bin nicht in der Stimmung für Huldigungen«, fauchte der Erzdämon. »Dorian Hunter hat meine Blutorgel zerstört! Hingebungsvolle Stunden und ermüdende magische Arbeit sind dadurch zunichtegemacht worden. Ich will diesen verfluchten Dämonenkiller ein für alle Mal vom Antlitz dieser Welt getilgt sehen, ist das klar?«

    »Ja, Herr«, antworteten Zakum und Angelina synchron.

    »Gut. Während ich mich zurückziehe, um eine neue Orgel zu erschaffen, werdet ihr beide Hand in Hand arbeiten. Ich will, dass ihr diese Bastion des Lichts, das Castillo Basajaun, bis auf seine Grundmauern ausradiert.«

    Zusammenarbeiten?, schrie Angelina innerlich auf.

    Auch Zakum warf einen abschätzenden Blick in Richtung der Teufelin. Keiner von beiden hatte jedoch die Traute, Luguri zu widersprechen. In seiner momentanen Situation war er zu jeder unüberlegten Tat imstande. Um den Schein zu wahren, wollten die beiden mächtigen Dämonen erst einmal auf Luguris Forderung eingehen. Später, wenn sich sein Zorn gelegt hatte, konnten sie immer noch versuchen, ihm seinen Plan auszureden.

    »Wir machen uns sofort an die Arbeit, Herr«, versicherte Zakum.

    »Wir werden dich nicht enttäuschen, Gebieter«, fügte Angelina hinzu und dachte dabei: Ich jedenfalls nicht!

    Luguri wandte sich ab und machte eine wegscheuchende Handbewegung.

    »Hinfort! Tut, was ich euch aufgetragen habe!«

    Der Lordkanzler und Luguris Liebchen verpufften in Rauchwolken und ließen ihren Herrn und Meister allein zurück. Luguri atmete die ätzende Luft des Vulkaninneren genüsslich ein. Die giftigen Dämpfe beruhigten ihn ein wenig, und unbewusst ging eine Veränderung mit seinem Körper vor. Welche Ursache seine kurzzeitige Verwandlung auch wieder einmal gehabt haben mochte, sie schien verschwunden. Die Haare zogen sich zurück, und ohne dass Luguri es wirklich merkte, stand er plötzlich kahlköpfig da und wirkte wie eine überdimensionierte Verhöhnung des Nosferatu.

    Er musste nachdenken, viel nachdenken. Das Problem Dorian Hunter war zweitrangig geworden. Zakum und Angelina würden sich seiner schon annehmen, davon war Luguri überzeugt. Aber noch immer nagte der Kräfteverlust an ihm. Seit dem magielosen Zustand in New York und dem endgültigen Abriss sämtlicher Verbindungen nach Malkuth litt Luguri an einer magischen Krankheit, die im Allgemeinen als Malkuth-Schwäche bezeichnet wurde. Einige der anderen alten Dämonen waren ebenfalls davon betroffen gewesen, hatten sich jedoch inzwischen erholt. Luguri aber, ein Dämon, der noch vor der Gründung der Schwarzen Familie auf Erden existiert hatte, schien einen Teil seiner magischen Macht tatsächlich von Malkuth bezogen zu haben. Vielleicht hing dies mit seiner magischen Wiedererweckung durch Hekate zusammen. Wer konnte schon wissen, welche Zauberformeln die ehemalige Fürstin der Finsternis gesprochen hatte, um Luguri aus dem Dolmengrab zu befreien? Vielleicht war ihr dabei ein Fehler unterlaufen, der den Erzdämon an Malkuth kettete. Er stieß wütend die Luft aus. Was hätte man von dieser verkorksten Alraunenhexe auch anderes erwarten sollen?

    Luguri wusste, dass er wieder seiner vollen Magie bedurfte, um seine hochtrabenden Pläne zur Eroberung der Welt umzusetzen. Er hatte die alte Kraft schon einmal gespürt. Hier im Vulkan, als der Giftatmer das Tor zum centro terrae geöffnet hatte. Aber erst war es Gevatter Tod gelungen, in von der Magie des centro abzuschirmen, und danach hatte sich das Tor wieder geschlossen. Nun hoffte Luguri inständig, es selbst wieder aufstoßen zu können. Doch bislang war ihm kein Glück beschieden gewesen. Er hatte Löcher in die Erde gebohrt und so den Magmasee und andere höllisch wirkende Orte innerhalb des Vulkans geschaffen, er hatte die labyrinthartigen Gänge erweitert und die bestehenden erforscht. Aber weder hatte er ein Tor öffnen können, noch ein bestehendes gefunden.

    Hätte diese verfluchte Rebecca nur nicht das Buch vernichtet!, dachte er.

    Der Fürst der Finsternis brauchte Zeit, um sich von dem herben Schlag des Dämonenkillers zu erholen. Wie gerne hätte er jetzt seine Blutorgel zur Verfügung gehabt, um seine Gedanken zu zerstreuen und seine Kräfte zu regenerieren. So konnte er nicht arbeiten. Der Verlust der Blutorgel setzte ihm arg zu. Sie war ein Instrument, in dessen Spiel er voll und ganz aufging. Er musste eine neue konstruieren. Und er würde kein zweites Mal auf die Idee verfallen, alle Traditionen über Bord zu werfen, indem er sie nach dem Vorbild menschlicher Instrumente konstruierte. Die neue Blutorgel würde wieder aus sieben Megalithen bestehen, in deren Oberfläche sich die Einkerbungen befanden, um das Blut der Opfer aufzunehmen. Er hatte sich schon viel zu oft dem sogenannten Fortschritt verkauft – und wer konnte schon sagen, ob Hermons Bumerang einer originalgetreuen Blutorgel ebenso zugesetzt hätte wie seiner skandalös neumodischen Konstruktion?

    Der Bau der Blutorgel hatte absoluten Vorrang! Der Vorstoß ins centro terrae konnte warten – zumal er im Augenblick auch keine Idee hatte, was er noch versuchen sollte. Er musste sorgfältig planen, und das konnte er am besten beim Spiel auf seiner Orgel.

    Luguri verließ die Grotte und rief einige seiner Diener zu sich, die ihm beim Bau des Instruments behilflich sein sollten. Es sollte der Inbegriff der Perfektion werden und tödlich für alle, die sich gegen ihn stellten!

    1. Kapitel

    Das Schloss vom Mummelsee

    Gegenwart, Castillo Basajaun, Andorra

    Das Chaos in der alten Baskenburg, die seinerzeit von Fernandes Hernando de Alicante erbaut worden war, war perfekt. Sämtliche Wohnräume waren der Zerstörung durch die Freskendämonen zum Opfer gefallen. Das Glas eingeschlagener Fensterscheiben lag in Tausenden von Fragmenten auf dem gekachelten Marmorboden. Kaum ein Möbelstück war noch heil – alles lag in Trümmern. Tiefe Risse und Furchen zogen sich an Decken und Wänden entlang, wertvolle Gemälde der Alicantes und der Quintanos lagen vollkommen zerstört auf dem Fußboden herum. Es war zugig im Castillo geworden, und selbst die Schlafräume im zweiten Stock waren nicht mehr bewohnbar. Die große Bibliothek mit all ihren wertvollen Schriften war fast in Flammen aufgegangen. Nur ein Teil der Bücher und Pergamentrollen hatte noch gerettet werden können. Die Labors und Vortragsräume in der ersten Etage waren von den Freskendämonen ebenfalls komplett verheert worden. Sie hatten gewütet, wo sie nur konnten. Der Rittersaal im Erdgeschoss glich einem Schlachtfeld. Auch die unterirdischen Gewölbe waren in Mitleidenschaft gezogen worden.

    Jacqueline Bonnet stand vor dem Trümmerhaufen und schüttelte unablässig den Kopf. Die Haushälterin des Castillo Basajauns war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ebenso erging es Mario Calvo, der zusammen mit ihr die Burg in Schuss hielt. Doch damit sollte es jetzt aus sein.

    »Wie sollen wir das nur wieder hinkriegen«, fragte sie mit Verzweiflung in der Stimme.

    Hideyoshi Hojo war zu ihnen getreten und musterte sie mitleidig. »Es hat keinen Zweck mehr. Alles ist vollkommen zerstört. Hier muss alles neu aufgebaut und eingerichtet werden, aber das ist ein Job für Bauarbeiter und Handwerker, nicht für uns.«

    »Aber wir können hier doch nicht wohnen«, warf Calvo ein.

    Yoshi nickte. »Ganz recht, wir werden Basajaun vorläufig aufgeben müssen. Es tut mir leid, dass es so für euch beide endet, aber ihr seid natürlich herzlich eingeladen, mit uns nach London zu kommen.«

    »London?«, wisperte Jacqueline Bonnet wie in Trance. »Das ist so weit weg für uns.«

    Mario Calvo nahm sie in den Arm und zog sie beiseite. An Hojo gewandt sagte er: »Wir lassen es uns durch den Kopf gehen.«

    »In Ordnung«, nickte der Japaner freundlich.

    Seine Miene verdüsterte sich allerdings, als er den Rittersaal betrat, in den er die anderen einberufen hatte. Mit Ausnahme von Abi Flindt und Phillip waren alle gekommen, die den Angriff der Freskendämonen und Luguris überstanden hatten: Burian Wagner, der inzwischen wieder genesene Virgil Fenton, Burkhard Kramer und Udo Schauper. Der Hermaphrodit Phillip war immer noch nicht dazu zu bewegen, das Castillo zu betreten, nachdem er den Fresken fast im Alleingang den Garaus gemacht hatte. Die junge Kölnerin Ira Marginter hatte die dämonische Attacke nicht überlebt. Sie war von Luguri persönlich in eine Dämonendienerin verwandelt worden und hatte im Auftrag des Erzdämons die Lage im Castillo auskundschaften sollen. Mittlerweile war sie tot und von ihrem dämonischen Dasein erlöst.

    »Wo ist Abi?«, fragte Yoshi.

    »Hat sich abgesetzt, der Bursche«, murrte Udo Schauper und reichte dem Japaner einen handgeschriebenen Zettel mit Flindts Unterschrift.

    Es hat keinen Sinn mehr, hierzubleiben. Ihr seid zu sehr auf den Dämonenkiller fixiert, dass ihr ihm blind folgt, obwohl er euch nur in euer Verderben stürzt. Ich werde von nun an meine eigenen Wege gehen und meine ganz persönliche Dämonenjagd beginnen. Abi.

    Yoshi runzelte die Stirn und reichte den Zettel an die anderen weiter. Dieser Eklat war abzusehen gewesen. Abi hatte in letzter Zeit immer wieder an Dorian herumgenörgelt und ihn mitunter wissentlich in Gefahr gebracht. Der Tod seiner Frau und die Tatsache, dass er nach Strich und Faden von einer Vampirsippe hinters Licht geführt worden war, hatten an seinem Verstand genagt. Abi war ein anderer geworden. Und er würde ein Einzelgänger bleiben. Auch wenn Yoshi es bedauerte, den jungen Dänen auf diese Weise zu verlieren, war die Trennung im Augenblick die einzig akzeptable Lösung.

    Als Burkhard Kramer Yoshi den Zettel zurückreichte, zerknüllte er ihn. Die anderen blickten bedrückt zu Boden.

    »Wir müssen unsere weiteren Schritte besprechen«, erklärte Hojo schließlich. »Ich habe vorhin mit Dorian telefoniert. Er ist genauso wie ich der Ansicht, dass das Castillo von Grund auf restauriert werden muss, ehe wir wieder hier wohnen können. Deshalb habe ich Jeff Parker informiert. Er wird sich die Lage demnächst vor Ort ansehen und einen Arbeitstrupp organisieren.«

    »Und was machen wir inzwischen?«, fragte Schauper. »Hier zieht's wie Hechtsuppe.«

    »Wir evakuieren«, erwiderte Hideyoshi Hojo knapp.

    »Nach London?«, erkundigte sich Wagner.

    Yoshi nickte. »Sullivan ist bereits informiert. Wir werden alles, was den dämonischen Angriff irgendwie überstanden hat, zusammenkarren und auf einen von Jeff bereitgestellten Lkw verladen. Also durchkämmt die ganze Burg nach den Kunstschätzen, heil gebliebenen Computern und anderen elektrischen Geräten. Vielleicht können wir auch die Datenbanken bergen.«

    Die anderen murmelten etwas Unverständliches, doch als Yoshi nichts erwiderte, machten sie sich sofort an die Arbeit. Der Japaner kehrte unterdessen in die große Eingangshalle zurück. In der Nähe der massiven Doppeltüren stand noch immer das Haushälterpaar und beratschlagte sich. Als sie Yoshi kommen hörten, sahen sie auf und gingen ihm entgegen.

    »Wir haben uns entschieden«, eröffnete Mario Calvo. »Jacqueline und ich werden uns auf den Bonnet-Hof in Südfrankreich zurückziehen. Dort lebt ihre Schwester, die uns sicher aufnehmen wird. Es ist genug Platz, und wir wollen einfach Abstand von alledem hier gewinnen. Es tut uns leid, wenn wir nicht mit nach London kommen.«

    Yoshi fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ich verstehe euch gut. Es ist auch keine Schande, wenn ihr euch nach dem, was hier geschehen ist, aus der Sache heraushalten wollt. Ich werde dafür sorgen, dass ihr eine angemessene Abfindung erhaltet.« Und wieder war ein Telefonat mit Jeff Parker notwendig.

    Jacqueline und Mario begaben sich in den dritten Stock, um ihre Sachen zu packen. Währenddessen verließ Yoshi das Castillo, um nach Phillip zu sehen, der immer noch in einem von Unga aufgestellten Zelt vor der Burg lagerte. Auf halbem Weg hielt er inne und blickte zum Castillo zurück. Der Verlust der Baskenburg war ein gewaltiger Schlag für das Dämonenkiller-Team – einer, den sie nicht so ohne Weiteres verdauen würden. Aber noch war nicht alles verloren. Die Freskendämonen waren besiegt und Luguri hatte eine Niederlage hinnehmen müssen. In ein oder zwei Jahren sah die Sache schon wieder ganz anders aus. Wenn Parker das Castillo erst einmal restauriert hatte, stand einem Neueinzug nichts im Wege. Diese Bastion würde nicht so schnell an das Böse fallen.

    Doch irgendwie spürte Yoshi, dass er sich mit seinen Hoffnungen selbst belog. Eine unsichtbare Drohung lag in der Luft, etwas, das man nicht mit seinen fünf Sinnen greifen oder erkennen konnte. Aber es war da und lauerte nur darauf, erneut zuzuschlagen. Yoshi ahnte, dass der momentane Zustand nur die Ruhe vor dem Sturm war, doch er wischte den unbehaglichen Gedanken einfach fort.

    Kurz darauf hatte er das Zelt erreicht.

    »Phillip?«, fragte er leise.

    »Dunkel ist's und wird es bleiben.«

    Die Antwort kam klar und deutlich. Die ohnehin feine und hohe Stimme des Hermaphroditen wirkte weiblicher denn je.

    Die Zeltbahnen teilten sich, und Phillip trat in die Morgensonne hinaus. Yoshi war viel zu besonnen, seine Überraschung deutlich zu zeigen. Aber in Gedanken war er baff, denn die sonst so zierliche, zarte Gestalt des jungen Mannes hatte sich vollends in eine Frau verwandelt. Deutlich zeichneten sich die Auswölbungen kleiner, handvoller Brüste unter dem T-Shirt ab, und Yoshi war sich in dem Moment sicher, dass Phillip keinerlei männliche Geschlechtsmerkmale mehr aufwies.

    »Wie geht es dir?«, fragte der Japaner, um seine Überraschung zu überspielen.

    »Die Blumen sind gegangen, und auch ich muss bald fort«, antwortete Phillip, der im Augenblick eher Phillippa hätte heißen müssen. Der Hermaphrodit sprach wie immer in Rätseln und schien der Realität entrückt zu sein.

    »Kommst du mit ins Castillo? Wir werden bald nach London aufbrechen.«

    Phillip schüttelte den Kopf und schlug mit den Armen um sich. »Dunkelheit! Tod und Untergang soll mein Schaden nicht sein.«

    »Aber du hast die Freskendämonen vernichtet.«

    »Böses bleibt da, nicht fort – niemals!«

    »Wie meinst du das?«, hakte Hojo nach, doch diesmal blieb Phillip stumm. Deutlich war zu sehen, wie sich die Brüste zurückbildeten und sich seine enge Jeans im Schritt ausbeulte. Er war wieder der Alte und zog sich ins Zelt zurück.

    Yoshi schüttelte den Kopf und machte sich auf den Weg zum Castillo, um den anderen beim Packen behilflich zu sein. Er dachte dabei über Phillips Worte nach, und das ungute Gefühl in seinem Magen verstärkte sich zusehends.

    Strahlender Sonnenschein meinte es gut mit den Besuchern. Der Himmel dieses herrlichen Maitages war von einem klaren Blau, vollkommen wolkenlos. Kein Lüftchen wehte. Es war angenehm warm geworden. Das Zwitschern unzähliger Vögel untermalte die Idylle.

    Ein schöner Frühlingstag, den einige Familien nutzten, um mit ihren Kindern dem Alltag zu entfliehen und hier in die Natur zu fahren, fernab von lärmenden Autos und die Luft verpestenden Fabriken.

    Der Mummelsee lag am Südhang der Hornisgrinde, dem höchsten Berg des nördlichen Schwarzwaldes. Er galt als beliebtes Ausflugsziel der Region; für Spaziergänger, Wanderer und gar Radfahrer. Der See selbst wurde von dichtem Tannenwald eingekreist. Nach jedem längeren Regen standen die ersten Baumreihen am Ufer einige Handspannen im Wasser. Ein Wanderweg führte durch den Wald rund um den See, der mit seinen knapp achthundert Metern Umfang zu den größten Binnengewässern des Schwarzwaldes gehört. An einem der niedrigen Ufer gab es einen Bootsverleih, dessen Inhaber gerade an sonnigen Tagen wie diesem ein gutes Geschäft machte. Mehr als ein Drittel seiner Ruder- und Tretboote befanden sich draußen auf dem ruhigen Wasser.

    Zwei der Wochenendurlauber, die die Boote steuerten, waren Sven Färber und Diana Altmeier aus Baden-Baden. Die beiden waren frisch verliebt und nutzten ihr erstes gemeinsames Wochenende, um sich näher kennenzulernen. Sven war eigentlich recht schüchtern, und es machte ihn froh, mit seinen fünfundzwanzig Jahren endlich ein Mädchen gefunden zu haben, das, wie er meinte, zu ihm passte.

    Weil Färber sich nicht vor seiner neuen Freundin blamieren wollte, hatte er sich für ein Tretboot entschieden – Rudern war nicht sein Stil. Doch auch das Wassertreten forderte seinen Tribut. Nach der zweimaligen Umrundung des Mummelsees spürten die beiden ihre Beine kaum noch. Diana schlug vor, eine Pause zu machen. Sofort stimmte Sven zu und manövrierte das kleine, schwerfällige Boot zum dichten Uferwald.

    »Unsere Zeit ist bald um«, erinnerte Diana lächelnd.

    Sven grinste breit zurück. »Dann zahlen wir eben nach. Es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als mit dir hier draußen zusammen zu sein.«

    Diana strahlte vor Glück. Ihr feuerrotes, lockiges Haar leuchtete im Sonnenschein. Sven nahm sie in den Arm und musterte sie ausgiebig.

    »Ich wünschte, dieser Tag würde für immer andauern«, gestand er. »Wenn ich daran denke, dass bald schon wieder Montag ist ...«

    »Dann denk nicht dran«, erwiderte Diana, »Küss mich!«

    Das ließ sich Sven Färber nicht zweimal sagen. Er beugte sich vor und kostete ihre warmen, weichen Lippen. Sofort presste sich das drei Jahre jüngere Mädchen an ihn und erwiderte seinen Kuss voller Leidenschaft. Auf einmal bereute er es, dass sie nicht eines der Ruderboote genommen hatten und nun mit dem unbequemen Zweisitzer vorliebnehmen mussten. Welche Möglichkeiten hätte ein geräumiges Boot ihnen gerade jetzt geboten ...

    Ein dumpfes Geräusch erklang tief unter ihnen, doch die beiden Liebenden waren nicht gewillt, sich durch irgendetwas in der Welt ablenken zu lassen. Wahrscheinlich waren sie ohnehin nur so dicht ans Ufer gekommen, dass eine der Kufen den Boden berührt hatte. Erst ein erneuter, diesmal heftigerer Ruck brachte Sven und Diana auseinander.

    »Was war das?«, fragte das Mädchen erschrocken.

    Sven zuckte die Achseln und sah sich um. Das Wasser war weiterhin ruhig, kein Lüftchen trübte das Idyll des Mummelsees. Sie hatten jetzt fast das Ufer erreicht.

    »Wahrscheinlich gibt's hier direkt unter uns eine Baumwurzel oder so«, mutmaßte der Junge und wollte seine Freundin gerade wieder in den Arm nehmen, als das kleine Boot von einer heftigen Erschütterung durchgerüttelt wurde. Diana schrie auf und verlor das Gleichgewicht. Hilflos mit den Armen in der Luft rudernd schrie sie nach Sven. Doch bevor der Junge die Situation erfasst hatte und nach seiner Freundin greifen konnte, ging sie schon über Bord.

    Erschrocken beugte sich Sven nach vorn.

    »Das gibt's doch nicht«, keuchte er. Diana Altmeier war gänzlich vom Wasser verschlungen worden, obwohl der See hier in Ufernähe höchstens einen Meter tief sein konnte.

    »Diana!«, rief Sven aus, als sich nach einigen Sekunden noch immer nichts regte. An dieser Stelle konnte er bis auf den Grund des Gewässers sehen, doch Dianas Körper vermochte er nirgends auszumachen. Wieder rief er ihren Namen.

    Sie verarscht dich!, fuhr es ihm in den Sinn. Auf der anderen Seite gestand er sich aber auch ein, dass tatsächlich etwas Ernsthaftes geschehen sein konnte. Vielleicht hatte sie sich beim Sturz den Kopf an der Kufe angestoßen und war bewusstlos weiter abgetrieben.

    »Diana!«

    Sven meinte, sein Herz unnatürlich laut klopfen zu hören. Es rauschte in seinen Ohren. Panik wallte in ihm auf. Voller Verzweiflung rief er wieder und wieder den Namen seiner Freundin und sprang letztendlich selbst ins Wasser. Es reichte ihm knapp bis zur Hüfte. Sven ging um das Boot herum, tastete umher und tauchte selbst mehrmals unter, doch seine Freundin blieb verschwunden.

    Ich muss Hilfe holen!, rief er sich zur Ordnung. Allein kam er nicht mehr weiter. An den anderen Seeufern wimmelte es nur so von Leuten, und bestimmt konnten sie ihm weiterhelfen. Dass Diana in der Zwischenzeit schon längst ertrunken sein würde, daran dachte Sven in diesem Moment überhaupt nicht.

    »Hilfe!«, schrie er laut aus, doch gerade dieses Ufer lag im hintersten Winkel des Mummelsees, fernab aller Wanderer. Wenn er jemanden erreichen wollte, musste er entweder ans Ufer und den Wanderweg in Richtung Bootsverleih nehmen oder mit dem Tretboot den See überqueren. Sven entschied sich für das Erste, da er glaubte, mit dem Boot nicht schnell genug zu sein. Abermals umrundete er das plumpe Wasserfahrzeug und watete mühsam durch das kalte Wasser.

    Der Grund schien ihm unter den Füßen wegzurutschen, und mehr als einmal drohte er das Gleichgewicht zu verlieren und der Länge nach ins Wasser zu fallen. Ehe er das Ufer erreichte, stieß er auf einmal mit dem Fuß gegen ein Hindernis. Er wollte über den vermeintlichen Ast steigen und hielt entsetzt inne, als er erkannte, was da vor ihm unter der Oberfläche schwamm.

    »Nein!«, stieß er hervor.

    Durch das klare Wasser schimmerte der Körper eines Menschen, der direkt zu seinen Füßen lag. Sven blinzelte. Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Es war Diana!

    Rasch bückte er sich, tauchte die Hände ins kalte Nass und packte seine Freundin bei den Schultern, um sie hochzuziehen. Es zischte hässlich, als die Haut an die Oberfläche kam, gerade so, als öffne Sven eine vakuumversiegelte Dose. Beißender Qualm stieg von Dianas Körper auf, je weiter er das Mädchen aus dem Wasser hievte.

    »Diana! Was ... was ist das? Was ist mit dir passiert?«

    Der Rauch wurde dichter, trieb Sven die Tränen in die Augen. Er hustete und würgte. Welche Substanzen auch in diesem Qualm steckten, sie reizten seine Atemwege, ließen ihn kaum noch Luft bekommen. Er fluchte. Tapfer biss er die Zähne zusammen, presste seine Lider aufeinander und versuchte, Diana aus dem Wasser zu befreien. Er schaffte es, ihren Körper bis zur Uferböschung hinaufzuziehen, blieb selbst aber noch im Wasser stehen.

    Der dichte Qualm verflüchtigte sich und gab den Blick auf Diana Altmeier frei. Svens Augen quollen über, als er sah, was er da ans Ufer geschleppt hatte. Vor ihm lag ein Skelett, ohne jegliche Haut, ohne Organe. Nur ein blankes, menschliches Gerippe! Es trug die zerschlissenen Kleider von Diana Altmeier und deren feuerrotes Haar.

    Sven schüttelte ungläubig den Kopf. Irgendetwas in seinem Verstand setzte plötzlich aus. Er glaubte, wahnsinnig zu werden, wollte schreien, aber ein dicker Kloß hatte sich in seiner Kehle festgesetzt, sodass nicht ein Laut über seine Lippen kam. Sven taumelte rückwärts und ließ das Knochenskelett los. Er stand bereits bis zu den Knien im Wasser, als er spürte, wie sich etwas Langes, Glitschiges um seine Beine wickelte. Mit einem Ruck zerrte es an ihm. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte ins Wasser. Verzweifelt versuchte er, gegen den unheimlichen Sog anzukämpfen. Aber so sehr er sich auch bemühte, das Ufer wieder zu erreichen, er trieb Meter für Meter ab.

    Das Letzte, was Sven Färber bei einem kurzen Blick zum Ufer wahrnahm, war das bizarre Skelett seiner Freundin Diana, das ihn zu verhöhnen schien. Dann schwappte das Wasser über seinem Kopf zusammen, und der Mummelsee gab ihn nicht mehr frei.

    Das Gerippe Diana Altmeiers sackte Zentimeter um Zentimeter in den See zurück, bis es gänzlich darin verschwand und nur noch das Tretboot als stummer Zeuge des Schreckens zurückgeblieben war.

    Als der Bootsverleiher Stunden später das herrenlose Tretboot fand, dachte er sich nichts Ernstes dabei. Es war schon des Öfteren vorgekommen, dass Gäste nicht den Nerv gehabt hatten, zum Bootsverleih zurückzustrampeln oder gar nachzuzahlen. Stattdessen stiegen sie irgendwo am Ufer aus und ließen das Fahrzeug herrenlos zurück.

    Der Bootsverleiher holte das leere Boot ein und nahm sich vor, zukünftig den Personalausweis seiner Kundschaft als Sicherheit einzubehalten.

    Der Jeep fuhr den Zubringer zum Mummelsee hinauf, machte aber gleich wieder kehrt, als der Fahrer den überfüllten Parkplatz entdeckte. Fünfhundert Meter weiter unten bog ein Forstweg ab, an dessen Randstreifen man den Wagen abstellen konnte.

    »Na wunderbar«, kommentierte Dorian Hunter, während sie zurückfuhren. »Nicht nur, dass du schlecht fährst, nein, du ziehst auch noch Parkplatzprobleme magisch an.«

    Unga grinste breit, lenkte den Leihwagen an den Rand des Waldwegs und stellte den Motor ab. »Hab dich nicht so, ein kleiner Fußmarsch wird uns nach der langen Fahrerei nur guttun.«

    »Auf dem Rückweg werde jedenfalls ich fahren«, feixte Dorian. »Hast du den Führerschein noch in der Steinzeit gemacht?«

    »Natürlich. Deswegen auch die mangelnde Fahrpraxis, nachdem ich in dieser Zeit erwacht bin.«

    Beide lachten zum ersten Mal ausgelassen, seit sie Castillo Basajaun in Andorra verlassen hatten. Im Grunde war dem Dämonenkiller auch nicht nach Fröhlichkeit zumute. Die Fresken hatten den Hauptstützpunkt in Andorra weitestgehend zerstört, Ira Marginter war tot, und Coco Zamis befand sich noch immer in der Vergangenheit des 17. Jahrhunderts bei Matthias Troger, der sechsten Inkarnation des Barons Nicolas de Conde. Dorian machte sich keine Illusionen über Cocos Schicksal. Der Januskopf Olivaro hatte ihm erst kürzlich gestanden, dass er in seiner Identität als der apokalyptische Reiter Ottavio Arras die Zamis-Hexe in der Vergangenheit getötet hatte. Noch immer war unbekannt, wer eigentlich Coco mehr als drei Jahrhunderte in die Zeit zurückgeschickt hatte – und weshalb. Denn dass es sich um einen Unfall handelte, mochte er nicht glauben. Wenn sich dieser Jemand zu erkennen gab, bestand vielleicht eine Möglichkeit, Coco zurückzuholen. So aber blieb als einziger Anhaltspunkt in der Gegenwart der Mummelsee. Matthias Troger hatte hier residiert,

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