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Dorian Hunter 43 – Diabolo
Dorian Hunter 43 – Diabolo
Dorian Hunter 43 – Diabolo
eBook330 Seiten4 Stunden

Dorian Hunter 43 – Diabolo

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Über dieses E-Book

Noch immer befindet sich Martin Zamis in der Hand der Dämonen. Die Hinweise verdichten sich, dass er als Faustpfand im Kampf um den Thron der Schwarzen Familie dienen soll. Doch was bezweckt sein Entführer, der geheimnisvolle Isbrant, wirklich? Er scheint Martin nicht schaden zu wollen – und kennt gleichzeitig keine Skrupel, um sein dunkles Ziel zu erreichen …

Der 43. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter. - "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
190: "Eine neue Mannschaft"
191: "Van Vlotens Suche"
192: "Diabolo"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Juni 2014
ISBN9783955720438
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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 43 – Diabolo - Dario Vandis

    Diabolo

    Band 43

    Diabolo

    von Dario Vandis

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor.

    Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit Asmodi, dem Oberhaupt der Schwarzen Familie, der ihm die Unsterblichkeit sicherte.

    Um seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen, auf die de Conde es abgesehen hatte, blieben ungeschoren. Vielmehr wurde bald er selbst als Ketzer angeklagt und hingerichtet. Der Pakt galt, und de Condes Seele wanderte in den nächsten Körper. In vielen Inkarnationen verfolgte er seitdem rachsüchtig die Mitglieder der Schwarzen Familie, bis es ihm in der Gegenwart als Dorian Hunter endlich gelang, Asmodi zu vernichten.

    Doch der dämonische Archivar Zakum, der das Amt des Oberhauptes kommissarisch übernimmt, plant bereits, die Schementochter Larissa zur neuen Fürstin zu machen. Eine Prophezeiung, nach der der nächste Fürst »ein zu früh herangereiftes Kind« sein werde, deutet nämlich auf Larissa als Thronfolgerin hin – aber auch Martin Zamis, der Sohn von Dorian und Coco, kommt in Betracht.

    Als Martin entführt wird, glaubt Dorian an eine Verschwörung – aber die Wahrheit ist schlimmer ...

    Erstes Buch: Eine neue Mannschaft

    Eine neue Mannschaft

    1. Kapitel

    Elia Radescu war von Angst und Schmerzen zerfressen, und als der Tod an seine Tür trat, war es für ihn wie eine Erlösung.

    Radescu war, was man hinter vorgehaltener Hand einen Krüppel nannte: kaum einen Meter zwanzig groß, mit einer krummen Nase und Augen, die sonderbar schräg zueinander standen und in denen es verschlagen glitzerte. Dazu lahmte er und sprach undeutlich. Er war ein Zwerg, dessen Leben erfüllt von Häme und Missachtung war.

    Vor dreihundertfünfzig Jahren war er Freibeuter auf der DIABOLO gewesen. Ein angesehenes Mitglied der Schwarzen Familie, das zusammen mit anderen Dämonen unter dem Oberkaufmann Huygen van Vloten die Weltmeere befuhr. Sie kaperten ganze Schiffsflotten, töteten Tausende Menschen, obwohl sie im Grunde nur auf der Suche nach einem einzigen Mann waren: Felipe de Torqueda, dem Dämon, der Asmodi betrogen und das Kalifenauge unterschlagen hatte. Ihm hatte die DIABOLO gehört.

    Elia Radescu seufzte. Die Geschichte war zu lang, um in einem Satz erzählt zu werden. Damals hatte er einen anderen Namen besessen. Er würde ihn noch heute führen, wenn die Jagd auf de Torqueda von Erfolg gekrönt gewesen wäre.

    Langsam zog er die Vorhänge einen Spalt zur Seite. Mit der Linken klammerte er sich an seinen Gehstock. Es war ein trostloser, grauer Vormittag, wie er für Bukarest eher untypisch war. Regenschleier verdeckten die Sicht auf die angrenzenden Wohnhäuser. An Tagen wie diesem merkte Elia, dass er immer noch große Sehnsucht nach dem Ozean verspürte. Gern hätte er noch einmal die kalte Gischt auf seiner Haut gefühlt, das Salz in seinen Poren.

    Er zuckte zusammen, als er vor dem Grundstück eine Bewegung wahrnahm. Der Regen färbte alles grau, doch er war sicher, eine Gestalt erblickt zu haben. Nur einen Schatten, der sofort wieder hinter einem dichten Busch verschwunden war.

    Eine Gänsehaut kroch über Elias dürren Körper. Die Eintönigkeit war ihm lieb geworden in den Jahren; eine willkommene Droge, um den in ihm nistenden Schmerz zu lindern. Ein Besucher brachte Ungewissheit mit sich. Und Angst. Die Ereignisse von damals waren noch nicht ausgestanden.

    Er schob die Gardine wieder vor und humpelte zurück zum Sessel. An den Wänden hingen keine Bilder. Die Einrichtung war karg. Es gab nichts, was Elia zum Leben brauchte außer der Erinnerung. Lange war er von der Hoffnung erfüllt gewesen, seinen Fehler wiedergutmachen zu können. Vielleicht würde Asmodi ihn rehabilitieren. Aber das Oberhaupt der Schwarzen Familie war seit Langem tot, und seine Nachfolger hatten Elia Radescu längst vergessen.

    Er ließ sich auf dem Sessel nieder und dachte an den Winter 1660, als er mit der DIABOLO nach Ostindien gesegelt war. Sie hatten die Weihnachtsflotte der Niederländer überfallen und tausendfünfhundert Menschen in den Tod geschickt. Es war nicht schade um sie gewesen. Es war nie schade um irgendeinen Menschen. Darin hatte Elia seine Meinung nicht geändert.

    Sie hatten mit der DIABOLO vor Kapstadt geankert, ohne dass man in der holländischen Festung unterhalb des Tafelberges Verdacht geschöpft hatte. Dann waren sie weiter in Richtung Ostindien gesegelt, das man heute als Indonesien bezeichnete. Van Vlotens Plan, das zweite Kalifenauge in seine Gewalt zu bringen, war unfehlbar – bis auf eine Kleinigkeit. Sie ahnten nicht, dass es in der eigenen Mannschaft einen Verräter gab, der Asmodis Auftrag sabotierte. So triumphierte de Torqueda, ohne etwas davon zu erfahren. Es war schon verrückt.

    Das Telefon klingelte nervenzerreißend in der Stille. Elia erstarrte. Er dachte an die Gestalt vor dem Fenster. Er hatte seit dreißig Jahren keinen Anruf mehr bekommen.

    Keuchend wuchtete er seinen missgestalteten Körper aus dem Sessel. Das konnte nur van Vloten sein. Er war der Einzige, der diese Nummer kannte. Sie hatten sich nicht mehr gesprochen, seit sie das letzte Mal ihre Identität gewechselt hatten.

    Elia nahm den Hörer ab. Seine Stimme war nicht lauter als ein Flüstern.

    »Wir müssen uns treffen«, antwortete van Vloten. »Heute noch.«

    Elia versuchte die Worte zu begreifen. Versuchte zu begreifen, was geschehen war. Der Schatten vor dem Fenster, der Anruf, der die Eintönigkeit abrupt beendet hatte. Er ahnte, dass auf einmal nichts mehr war wie zuvor.

    Es klingelte an der Tür. Elia ließ den Hörer sinken, Van Vlotens Stimme quäkte in der Muschel.

    Hinter dem Türglas zeichnete sich ein Schatten ab. Ein großer Mann mit dunklen Haaren. Er ist es, dachte Elia. Er ist wahrhaftig zurückgekehrt.

    »Du darfst nicht öffnen«, krächzte es aus dem Hörer. »Elia, du darfst die Tür nicht öffnen!«

    Er runzelte die Stirn. Es klang lächerlich, wenn van Vloten ihn mit seinem neuen Namen anredete. Er versuchte verzweifelt, die Vergangenheit zu verdrängen. Aber das war nicht möglich. Sie war da. Sie war zurückgekehrt und stand hier vor Elias Tür.

    »Elia, hörst du mich?«

    »Ja. Wir sollen uns treffen … warum?«

    »Weil er in der Stadt ist. Wir sind hier nicht mehr sicher. Du erinnerst dich doch an ihn, nicht wahr? Er hat uns alle hintergangen.«

    »Ja.«

    »Wir müssen sofort die Stadt verlassen!«

    Elia holte tief Luft. »Ich … Ich glaube, er ist bereits hier.«

    Es klingelte ein zweites Mal. Die Scheiben waren gemustert, sodass Elia das Gesicht des Mannes nicht erkennen konnte. Dennoch zweifelte er keine Sekunde, dass er es war. Es gab keine Zufälle mehr in seinem Leben.

    »Du musst fliehen«, rief van Vloten. »Nimm die Kellertür.«

    »Ich bin zu langsam. Er würde mich bemerken.«

    »Aber …«

    Elia legte den Hörer neben die Gabel und wandte sich zur Tür. Im Grunde war er froh, dass es zu Ende war. Nach so vielen Jahren endlich die Erlösung. Er zählte die Sekunden, die er brauchte, um den Schlüssel im Schloss zu drehen. Der Besucher wartete geduldig. Elia zog den Messingriegel zurück und öffnete die Tür.

    Der Mann sah fast genauso aus wie damals. Die Narbe unter dem Auge glänzte dunkelrot. Seine Haare waren länger gewesen und gelockt. Natürlich, es war die Hochzeit des Barock gewesen.

    Elia blickte auf den Stein, der an einer Kette um seinen Hals befestigt war. Das also war der Grund, weshalb er zurückgekehrt war. Er hatte das Kalifenauge in seine Gewalt gebracht. Das einzige Kalifenauge. Van Vloten war einem verhängnisvollen Irrtum aufgesessen, als er geglaubt hatte, dass es ein Duplikat gab. Dieser Irrtum hatte ihn und Elia damals die Zukunft in der Schwarzen Familie gekostet. Und jetzt endlich kostete er sie das Leben.

    »Es freut mich, dich wiederzusehen«, sagte der Fremde spöttisch. Er war fast zwei Meter groß und trug einen langen, schwarzen Mantel. In seiner rechten Hand blitzte ein Messer.

    Elia konnte seinen Blick nicht von dem faustgroßen Stein lösen. Wie lange hatten van Vloten und er nach ihm gesucht! Vor seinen Augen entstanden die Geschehnisse der Reise nach Ostindien. Die abenteuerliche Fahrt durch den Stillen Ozean, der Aufenthalt in Sumatra und Batavia. Die Bilder waren voller Farbe, und Elia wurde sich schmerzlich bewusst, wie lange diese Zeit zurücklag.

    Er wird uns töten, Elia. Wir sind hier nicht mehr sicher.

    Er schüttelte den Kopf. Das war nicht mehr wichtig. Er sah das Amulett vor sich, das sein Leben ruiniert hatte. Damals hätte er seine linke Hand gegeben, um es zu bekommen.

    Er reagierte nicht, als der Fremde die Hand mit dem Messer hob. Dann spürte er den Stich in seiner Brust. Er schmerzte nicht – jedenfalls nicht, wenn man wirkliche, dauerhafte Schmerzen kannte. Das Herz setzte aus, und Elia spürte einen leichten Schwindel. Er stürzte zu Boden, und es wurde schwarz um ihn. Sein Tod war sanfter als sein langes Leben.

    Der Fremde stieg über die Leiche hinweg in das Haus und nahm den Telefonhörer auf. Am anderen Ende erklang ein unterdrücktes Keuchen.

    »Ich weiß, dass du da bist«, sagte der Mann. »Dich werde ich auch noch holen.«

    Van Vloten antwortete nicht. Der Fremde legte den Hörer auf die Gabel und verließ das Haus.

    Um zehn Uhr am nächsten Morgen stoppte ein Taxi vor der Fassade eines mehrstöckigen Hotels in der Innenstadt von Bukarest. Der Fahrer öffnete zuvorkommend den Schlag, und eine schlanke, schwarzhaarige Frau stieg aus. Sie war atemberaubend schön und trug einen dunklen Mantel, der an einigen Stellen verschmutzt und eingerissen war. Ihr Gesicht wurde von hoch angesetzten Wangenknochen beherrscht. Unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Trotz ihrer Schönheit machte sie einen erschöpften Eindruck.

    Nach ihr verließ ein Mann den Wagen. Er war schlaksig und trug sein schwarzes Haar ebenfalls nackenlang, aber seine scharf geschnittenen Züge hatten nichts Anmutiges. Ein hässlicher, an beiden Enden nach unten gezwirbelter Schnauzbart verunstaltete das Gesicht. Die stechend blickenden Augen verliehen ihm etwas Dämonisches.

    »Das ist für Sie«, sagte er und nahm einige Scheine aus seinem Portemonnaie. »Behalten Sie den Rest.«

    Der Fahrer bedankte sich und holte das Gepäck der beiden aus dem Kofferraum. Dorian Hunter wartete, bis das Taxi abgefahren war, dann betrat er zusammen mit Coco Zamis das Hotel. Ein Page nahm ihnen die Koffer ab. Dorian ließ Coco, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, in einem der großzügigen Foyersessel zurück und ging zur Rezeption. Als er seinen Namen nannte, nickte der Portier und übergab ihm einen Schlüssel.

    »Nummer 13. Ein Doppelzimmer im ersten Stock. Es wurde vor einer Stunde auf Ihren Namen reserviert.«

    Dorian bedankte sich und kehrte zu Coco zurück. Der Page trug bereits die Koffer zum Lift.

    Zimmer 13 – Olivaros Scherze kamen zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Dorian half Coco auf und legte sich ihren Arm um die Schultern.

    »Mr. Hunter?«

    »Ja?«

    Der Portier hatte die Rezeption verlassen und war Dorian gefolgt. Die Augen quollen ihm fast aus dem Kopf, als er Coco von oben bis unten musterte. Trotz ihrer schlechten Verfassung konnte sie immer noch jedem Mann den Kopf verdrehen.

    »Mr. Olivaro hat sich für 10 Uhr 15 angemeldet. Er wird zu Ihnen aufs Zimmer kommen.« Er blickte noch einmal sorgenvoll zu Coco. »Soll ich vielleicht einen Arzt rufen lassen, Miss Zamis?«

    »Das ist nicht nötig. Vielen Dank«, sagte Dorian.

    Der Portier zögerte, woraufhin Coco ihn mit der letzten ihr zur Verfügung stehenden Kraft hypnotisierte. Seine Gestalt straffte sich, und er eilte zurück an seinen Platz.

    Als sie das Zimmer betreten hatten, ließ Coco sich keuchend auf das Bett fallen. Sie hielt die Augen geschlossen und verschwendete keinen Blick an die luxuriöse Ausstattung des Raumes. Dorian hatte sich an den Massivholztisch gesetzt und sah ungeduldig auf die Uhr. Es war zehn Minuten nach zehn. Immer wieder glitt sein Blick sorgenvoll zu Coco, die sich in die hellblaue Seidendecke gekuschelt hatte. Dieses Treffen passte ihm überhaupt nicht. Am liebsten wäre er mit der nächsten Maschine zurück nach London geflogen. In der Jugendstilvilla hoffte er in seiner magischen Reliquien- und Schriftensammlung ein Mittel zu finden, mit dem er Coco von dem Vampirkeim heilen konnte. Drei Tage nach dem Biss, den sie auf der Burg der Vampirin Rebecca von einem untoten Blutsauger erhalten hatte, befand sie sich in einem steten Zustand der Dämmerung. Sie konnte weder wachen noch schlafen.

    Dorian schrak zusammen, als es an der Tür klopfte. Olivaro war drei Minuten zu früh.

    »Es freut mich, euch zu sehen«, sagte der Januskopf und trat ein. Er trug einen beigen Anzug und in der Hand einen ledernen Dokumentenkoffer, den er mit einer abrupten Bewegung auf dem Tisch absetzte.

    »Kann ich nicht behaupten. Warum dieses Treffen, Olivaro? Coco geht es nicht gut, wie du siehst. Sie ist von einem Vampir gebissen worden. Wir müssen so schnell wie möglich nach London zurück.«

    »London ist weit«, sagte Olivaro ruhig. Er war klein gewachsen und besaß ein Allerweltsgesicht. Niemand vermutete in ihm eines der mächtigsten magischen Geschöpfe, die diese Welt je gesehen hatte. Er stammte von der Januswelt Malkuth und befand sich seit über tausend Jahren auf der Erde. Daher verfügte er über ein immenses Wissen, was Dorians Gegner, die Schwarze Familie der Dämonen, betraf. »Vielleicht ist es möglich, Coco schon hier in Bukarest zu helfen.«

    »Du weißt von ihrer Verletzung?«

    »Ich habe über Umwege davon erfahren.« Olivaros Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er seine Quelle nicht verraten würde. »Zuerst einmal werde ich ihr ein Mittel zur Kreislaufstabilisierung geben. Dann muss sie auf schnellstem Wege zu einem Arzt.«

    »Coco kann kein Arzt der Welt helfen!«, sagte Dorian ungeduldig.

    »Es gibt in der Stadt einen Heilpraktiker. Sein Name ist Julius Grimmorius. Er verfolgt alternative Heilungsmethoden und steht in engem Kontakt zur Schwarzen Familie. Er wird einen Weg finden, den Keim zu beseitigen.«

    »Ein Handlanger der Dämonen – niemals!«

    »Er ist mir einen Gefallen schuldig«, sagte Olivaro. »Grimmorius weiß, dass ich ihn in der Hand habe, deshalb wird er keine Schwierigkeiten machen. Er ist ein Experte auf dem Gebiet der Theriakbehandlung. Theriak ist das einzige Mittel, das Coco jetzt noch helfen kann.«

    Dorian wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber Olivaro winkte ab und öffnete seinen Koffer. Er nahm eine Spritze heraus, deren Inhalt er Coco verabreichte. Dorian wollte lieber nicht wissen, worum es sich bei der Flüssigkeit handelte.

    »Es dauert einige Minuten, bis die Wirkung einsetzt. Coco wird in einen tiefen Schlaf fallen. In dieser Zeit kannst du sie zur Praxis bringen.«

    »Das Theriak wird sie süchtig machen.«

    »Es gibt genügend Gegenmittel.« Olivaro blickte ihn ernst an. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Andernfalls ist ihr Leben verwirkt.« Er setzte sich auf einen Stuhl. »Und nun würde es mich interessieren zu erfahren, was ihr in Siebenbürgen erlebt habt.«

    Dorian begann von ihren Erlebnissen auf der Vampirburg zu berichten. Dabei blickte er ständig zu Coco hinüber, die bereits eingeschlafen war.

    »Rebecca ist tot. Sie starb zusammen mit dem letzten ihrer Diener. Coco wird ihr Tod sehr nahe gegangen sein, genauso wie ihre vorherige Wiederauferstehung, aber wenn du mich fragst, ist es nur gut, dass sie endlich erledigt ist. Sie führte von Anfang an nichts Gutes im Schilde. Ihre Diener fielen über die Menschen in Tirgostevi her und verursachten eine Vampirpest. Wichtig aber ist vor allem diese Steintafel, die ich im Keller des Schlosses gefunden habe.« Dorian öffnete seinen Koffer und holte eine buchgroße Steinplatte heraus, auf deren Oberläufe zahllose, scheinbar wirr durcheinanderlaufende Linien eingeritzt waren. »D'Arcy barg sie aus deinem Archiv, bevor er von dem Wächter getötet wurde. Ich habe ihre Botschaft noch nicht vollständig entziffern können.«

    Olivaro betrachtete die Platte schweigend. Dorian hätte zu gern gewusst, was jetzt in seinem Kopf vorging. Als Olivaro ihm vor einigen Tagen Informationen über Cocos Aufenthaltsort verschafft hatte, hatte der Dämonenkiller gleich das Gefühl gehabt, dass er damit einen geheimen Zweck verfolgte. Im Nachhinein hatte sich herausgestellt, dass sich im Innern der Vampirburg ein Teil des Archivs befand, das Olivaro einst als Fürst der Finsternis an sich gebracht und dann über die ganze Welt verteilt in sicheren Verstecken untergebracht hatte. Es wäre ihm wohl lieber gewesen, wenn der Wächter seine Aufgabe erfüllt und auch diese Steinplatte vor dem Zugriff der Eindringlinge bewahrt hätte.

    »Wenn man sich stark genug auf die Linien konzentriert, erscheint dahinter ein Bild. Gleichzeitig klingt eine Stimme im Kopf des Betrachters auf – ein Gedanke, der aber kaum fassbar ist. Es muss sich um eine magische Botschaft handeln.«

    »Was sagt diese Stimme?« Olivaros Stimme klang uninteressiert, als kenne er bereits die Antwort.

    »Dass ein Kind den Thron der Finsternis einnehmen wird. Diese Platte birgt eine Prophezeiung über den neuen Fürsten der Finsternis!«

    »Das ist nicht mehr als eine Vermutung«, sagte Olivaro verächtlich.

    »Soll es etwa ein Zufall sein, dass Martin gerade zu dieser Zeit von Dämonen entführt wurde – jetzt wo die Wahl des neuen Fürsten unmittelbar bevorsteht?«

    »Das ist doch absurd. Wie soll Martin – ein kleiner Junge – die Schwarze Familie lenken? Noch dazu, wo er selbst ihr nicht einmal angehört. Du verrennst dich da in etwas, Dorian!«

    Der Dämonenkiller blieb stur. »Nach einem mächtigen Erzdämon aus der Vergangenheit wird ein zu früh herangereiftes Kind den Thron besteigen. Das ist unzweideutig! Mit dem Erzdämon ist Luguri gemeint, und als Nachfolger kommt demnach kein anderer als Martin infrage!«

    Olivaro schüttelte den Kopf. »Das ist noch lange kein Beweis.«

    »Ich muss wissen, woher diese Steinplatte stammt. Wer hat diese magische Botschaft verfasst?«

    Der Januskopf zögerte einen Moment, dann gab er sich geschlagen: »Du würdest doch keine Ruhe geben, wie ich dich kenne. Die Platte stammt aus dem 17. Jahrhundert. Es gibt keine genauen Aufzeichnungen über ihren Entstehungsort, aber der Stein und die Art der Bearbeitung deuten darauf hin, dass sie in Südostasien gefertigt wurde, wahrscheinlich auf Java.«

    »Im 17. Jahrhundert?«, fragte Dorian ungläubig. »Warum wurde die Nachricht nicht auf Papier verfasst?«

    »Der Verfasser wollte offenbar den Eindruck erwecken, dass die Platte wesentlich älteren Datums ist. Eine plumpe Fälschung, wie sich mit den entsprechenden Mitteln leicht beweisen lässt. Sieh endlich ein, dass du einem Hirngespinst aufgesessen bist!«

    »Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts – das ist genau die Zeit, in der ich mein siebtes Leben verbracht haben muss. Glaubst du immer noch, dass es sich nur um einen Zufall handelt?«

    Olivaro breitete hilflos die Arme auf. »Deine Sturheit ist selbst unter Dämonen gefürchtet. Also habe ich bereits Nachforschungen angestellt. Es gibt einen Mann hier in Bukarest, der dir vielleicht mehr über diese Steinplatte sagen kann. Er nennt sich Krascu, aber sein richtiger Name ist van Vloten.« Olivaro nannte ihm die Adresse. »Am besten wird es sein, du stattest ihm einen Besuch ab, während Coco bei Grimmorius ist.«

    Dorians Augen wurden schmal. »Ich habe das Gefühl, du weißt mehr über diese ganze Sache, als du zugeben willst.«

    »Nein. Es ist nur so, dass ich nicht glaube, dass Martins Entführung etwas damit zu tun hat. Du bist ganz sicher auf der falschen Spur.«

    »Dann sag mir, welche die richtige ist.«

    »Tut mir leid, ich kann dir nicht helfen.« Olivaro stand auf und wandte sich zur Tür. »Ich würde dich gern unterstützen, aber es gibt da noch eine andere Sache, die mir sehr am Herzen liegt und der ich unbedingt nachgehen muss. Bring Coco zu Grimmorius! Das ist jetzt das Wichtigste.«

    Dorian fand keine Zeit, etwas zu erwidern. Leise schlug die Tür hinter Olivaro ins Schloss.

    Das Haus war zweistöckig und besaß eine alte, verwitterte Fassade. Auf einem Emailleschild am Eingang las Dorian in schwarzer Schrift die Bezeichnung Julius Grimmorius, Arzt für alle Leiden, Spezialist und Heilpraktiker, 1. Stock. Die Tür stand offen. Im Treppenhaus brannte eine nackte Glühbirne, und die Kacheln waren an vielen Stellen von den Wänden geplatzt. Alles in allem machte das Haus auf Dorian keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Er legte sich Cocos Arm um die Schultern und stieg mit ihr die Treppe hinauf. Während der Fahrt war sie aus ihrem Schlaf erwacht und in ihren leichten Dämmerzustand zurückgefallen. Die Wirkung von Olivaros Mittel schien bereits nachzulassen.

    Eine dicke Sprechstundenhilfe empfing sie an der Anmeldung. Ihr resoluter Blick wurde durch eine große Hornbrille getrübt.

    »Wir möchten zu Dr. Grimmorius«, sagte Dorian und stellte sich vor. »Mr. Olivaro hat heute Vormittag für mich angerufen. Das ist Miss Zamis.«

    »Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Hunter. Der Doktor wird sie so bald wie möglich untersuchen.«

    »Mr. Olivaro hat Ihnen sicherlich gesagt, dass es eilig ist.«

    Sie blickte ihn böse an. »Wir haben noch mehr Patienten, Mr. Hunter. Bitte warten Sie, bis Sie an der Reihe sind.«

    Dorian wollte aufbrausen, aber er bemerkte, wie Coco ihn am Arm fasste. Er schluckte seinen Ärger hinunter und betrat mit ihr das Wartezimmer, das fast bis auf den letzten Platz gefüllt war.

    Coco setzte sich und lehnte sich erschöpft gegen Dorians Schulter. Dorian wusste, dass er nichts mehr für sie tun konnte. Alles hing von Julius Grimmorius ab. Sie konnten nur hoffen, dass er wirklich so gut war, wie Olivaro sagte.

    Ungeduldig sah Dorian auf die Uhr. Er dachte an Krascu. Sofort nachdem Olivaro das Hotel verlassen hatte, hatte er ihn angerufen und ein Treffen arrangiert. Krascu schien ein menschenscheuer Typ zu sein, und nachdem Dorian ihm von seinem Anliegen berichtete, war er nicht bereit, ihm etwas über die Steinplatte zu erzählen. Dorian sprach volle zehn Minuten auf ihn ein; danach verabredeten sie sich für halb eins in Krascus Villa am anderen Ende der Stadt.

    Je länger sich die Wartezeit dehnte, desto öfter dachte Dorian an Martin, seinen Sohn – und an Isbrant, den Dämon, der ihn aus der Vampirburg entführt hatte. Dieser Isbrant hatte sich zunächst als Cocos Freund ausgegeben, und es war ihm tatsächlich gelungen, die junge Hexe zu überzeugen. Im Nachhinein war es Dorian klar, dass er sie beeinflusst hatte. Sie hatte Martin in seine Obhut gegeben, und er war mit ihrem Sohn verschwunden. Bis jetzt gab es nicht den geringsten Hinweis auf seinen Aufenthaltsort.

    Dorian machte Coco keine Vorwürfe. Nachdem sie der Schwarzen Familie den Rücken gekehrt hatte, waren ihre Fähigkeiten rapide zurückgegangen. Trotzdem musste Isbrant über starke magische Kräfte verfügen, um sie zu beeinflussen.

    Um sich abzulenken, griff Dorian nach einer englischsprachigen Zeitung, die auf dem Wartezimmertisch lag. Er blätterte sie flüchtig durch. Im hinteren Teil fand er einen Bericht über einen brutalen Mord in Bukarest. Ein Behinderter war vor seiner Haustür erstochen worden. Dorian las den Artikel durch. Es gab keinen Hinweis, dass die Tat mit der Schwarzen Familie in Zusammenhang zu bringen war. Vielleicht ein politisch motivierter Mord. In der Wohnung war nichts gestohlen worden. Dorian faltete die Zeitung zusammen.

    Coco hatte ihren Kopf an seine Schulter gelehnt. Er streichelte sie hin und wieder, und sie lächelte geistesabwesend. Bestimmt machte auch sie sich Sorgen um Martin, selbst in ihrem Zustand. Dorian sah abermals auf die Uhr. Noch eine Stunde bis zu seiner Verabredung mit Krascu.

    Endlich öffnete sich die Tür, und die dicke Sprechstundenhilfe

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