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Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Herrschaft der Dämonenfürsten
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eBook351 Seiten4 Stunden

Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Herrschaft der Dämonenfürsten

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Über dieses E-Book

Man schreibt das Jahr 3500. Die freien Menschen leben verborgen im Untergrund. Die Großfürsten der Hölle hal-ten die Städte besetzt und einen Teil der Menschheit als Sklaven.
Da erhebt sich ein Mann namens Salomo und krönt sich zum König. Er will der Herrschaft der Großfürsten ein Ende setzen.
Wird das Leben unter Salomo aber tatsächlich besser sein?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum11. Dez. 2017
ISBN9783946381310
Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Herrschaft der Dämonenfürsten

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    Buchvorschau

    Die Chronik der Dämonenfürsten - Monika Grasl

    Prolog

    3500 n. Chr.

    Der Mond stand als volle Scheibe am Firmament. Ein eisiger Wind strich über die Gestalt hinweg, während sie die Augen geschlossen hielt. Irgendwo in der Ferne waren Stimmen zu vernehmen. Gesprächsfetzen, die sie vielleicht etwas angingen … oder auch nicht. Es würde sich früh genug herausstellen.

    Vergiss meinen Namen nicht und behalte mich in Erinnerung. Es war ein Satz, der Vincent heute noch durch den Kopf ging. Niedergeschrieben von der einzigen Person, die ihm bedeutend mehr als nur Nerven gekostet hatte. Konnte man einer Toten aber einen Vorwurf machen? Die aufkommenden Zweifel diesbezüglich sagten genug aus. Man konnte es nicht, und im Prinzip war die Lage, in welcher er sich befand, einzig ihm selbst geschuldet. Sich dies vor Augen zu führen, stand gegenwärtig jedoch nicht an oberster Stelle. Die Zeit dafür würde sicherlich kommen – bloß nicht heute.

    Heute zählte einzig der Umstand, dass die Dämonenfürsten auf der Erde herumwanderten. Sie hielten Städte besetzt, versklavten die Menschheit … Manche stellten sich mit besagten Sklaven sogar gut. Eine durchweg groteske Vorstellung. Irgendwie erheiterte es ihn jedoch. Immerhin zeigte es deutlich, welche Versager die Engel und Gott doch waren. Die hatten in all den Jahrtausenden nicht fertiggebracht, was die Dämonenfürsten nun ihr Eigen nannten: Eine Herrschaft, die so schnell nicht enden würde.

    Wie sehr Gabriel wohl gerade auf seinem Stuhl rotierte, wenn er auf die Erde hinabblickte? Und was hielt Gott davon? Allzu viel konnte ihm an einer Herrschaft nicht mehr liegen, sonst hätte er seine Engel nach Jahrzehnten des Kampfes gegen die Dämonenfürsten nicht geschlossen in den Himmel zurückbeordert. … Alle? Okay, man musste schon bei der Wahrheit bleiben. Alle, bis auf die Engel des Todes. Die hatten für den Herrn ja nie gezählt.

    »Was du wohl gerade machst Michael?«, murmelte Vincent zum Mond hoch. »Wahrscheinlich sitzt du auf irgendeiner beschissenen Wolke, siehst zu, wie wir anderen uns hier den Arsch aufreißen, und lachst dir dabei ins Fäustchen. Ist dir jedenfalls zuzutrauen.« Einen missmutigen Tonfall konnte er dabei nicht unterdrücken. Ihm war klar, dass der Hass noch lange nicht überwunden war und dass dieses Gefühl sogar irgendwann die Oberhand erlangen würde. Allein schon deshalb, weil Erzengel Michael als Erster dem Ruf des Himmels zurück in die Heimat gefolgt war. Er hatte die anderen Engel einfach rücksichtslos zurückgelassen. Schutzlos, führungslos … Und Vincent war mitten unter ihnen gewesen, als Baels Dämonen in Breslau eingefallen waren.

    An das Gemetzel entsann er sich auch nach all den Jahren noch. Manchmal, wenn er die Augen schloss, hörte er die Schreie der Sterbenden und den Klang von Waffen, die aufeinandertrafen. Dass ihm überhaupt die Flucht gelungen war, glich einem Wunder. Ähnlich verhielt es sich mit seinem Überleben. Jemals wieder einen Atemzug zu tätigen, das hätte er nicht erwartet. Auch hätte er nicht für möglich gehalten, wer zu seinen Rettern zählte.

    Vincent warf einen flüchtigen Blick in Richtung der lärmenden Stimmen, die aus dem Gebäude in seinem Rücken drangen. Mit der Gesellschaft wollte er sich gegenwärtig aber nicht abgeben. Vermutlich lag das daran, dass sein Ego diesbezüglich noch immer einen Knacks besaß. Konnte schon sein, dass die indianische Schönheit namens Naomi damals recht gehabt hatte. Er besaß ein Ego, welches einem Engel des Todes kaum zustand, und er lebte dies voll aus.

    »Vincent!«

    Der Ruf drang deutlich an seine Ohren, dennoch meldete er sich nicht. Er wollte allein hier auf dem umgeworfenen Baumstamm sitzen und die kalte Nachtluft auf sich wirken lassen. Bedauerlicherweise schien der Anführer der Truppe das anders zu sehen. Keine zwei Herzschläge vergingen, ehe erneut sein Name gerufen wurde.

    »Vincent!«

    Es klang deutlich ungeduldiger und bedeutend näher. Im nächsten Moment spürte er einen Schlag auf dem Rücken und nahm wahr, wie sich jemand neben ihn setzte. Der Wind erfasste dabei eine der braunen Haarsträhnen des Mannes. Die spielende Bewegung veranlasste Vincent dazu, in die hellen Augen zu blicken.

    »Wir werden bald aufbrechen – getrennt. Ich habe noch etwas zu erledigen, bevor ich wieder auf euch treffe. Mach mir in der Zeit meiner Abwesenheit keine Schande. Euer Kommen ist angekündigt und wird so schon für genug Unruhe sorgen.«

    Teilnahmslos blickte Vincent wieder nach vorn. Sollte ihm recht sein, wenn der Kerl nicht mit ihnen aufbrach. Abgesehen davon ahnte er, was der Mann noch zu erledigen hatte.

    »Du wirst mir nie dankbar sein, oder?«

    Salomo

    Hell schien der Mond vom Nachthimmel herab. Aus der Ferne drang der Laut eines Wolfs an Salomo Kaines Ohren. Seine dunkelbraunen Augen starrten auf die Flammen vor sich. Gelegentlich schluckte er den aufsteigenden Kloß in seinem Hals hinunter. Er brachte es nicht fertig, seinen Blick von dem toten Körper abzuwenden. Gleichzeitig versuchte er, seine Gefühle vor der Priesterin zu verschließen. Es gelang ihm nicht. Vielmehr stieg eine nie da gewesene Wut in Salomo empor.

    »Ein herber Verlust hat unsere Gemeinschaft geschwächt«, hörte er Didi sagen. »Kimi war noch zu jung, um diese Welt zu verlassen. Trotzdem haben ihn die Dämonen geholt. Unsere Wut bringt Kimi aber auch nicht wieder zurück. Und unser Hass auf diese Wesen schmälert nicht die Trauer seiner Familie. Wir stehen füreinander ein. Jeder von uns. Und wenn einer stirbt, ist es, als würden wir alle in den Tod gehen.«

    Zustimmendes Gemurmel machte sich breit. Salomo Kaine sah zu den Eltern des toten Jungen. Die Hände des Vaters waren zu Fäusten geballt, aber kein Muskel regte sich in seinem Gesicht. Selbst die Frau wirkte unbeteiligt. Als wäre es nicht ihr Sohn, der gerade den Flammen übergeben wurde.

    Deutlich fühlte Salomo Didis Blicke auf sich. Doch er konnte ihr jetzt keine Beachtung schenken. Er hätte in den vertrauten braunen Augen nur die gleiche Abneigung ausgemacht, wie sie jeder im Moment nach außen trug.

    »Jemand sollte etwas gegen diese Monster unternehmen«, drang es an seine Ohren.

    Salomo vermied es, den Kopf zur Seite zu drehen. Wer gesprochen hatte, wusste er auch so. Es war einer der Männer, die sich in der Bar der Priesterin betranken und bei Kerzenschein tollkühne Pläne schmiedeten, welche sowieso nie in die Tat umgesetzt würden. »Ja«, murmelte Salomo. »Jemand sollte sie aufhalten. Aber wer? Du etwa, Karim? Oder sonst einer von euch Trunkenbolden? Ihr sitzt bei eurem Schnaps und eurem Brot und glaubt zu wissen, was für die Menschen gut ist. Ich sage, ihr seid nichts als Feiglinge. Versteckt euch hinter den Rücken eurer Frauen, wenn es sein muss, und …«

    »Salomo!«, fiel ihm Didi ins Wort. »Nicht hier und nicht jetzt.«

    Er zögerte, blieb jedoch still. Sie hatte recht. Es war nicht der passende Zeitpunkt, um sich zu streiten. In dieser Hinsicht war Didi mit ihren vierzig Jahren noch vom alten Schlag. Die Toten wurden geehrt, bis sie von den Flammen verzehrt waren, danach konnte man sich zanken.

    Ihr Einwand brachte Salomo dazu, sie anzusehen. Didi war großgewachsen, was unüblich für die heutige Zeit war. Das rotblonde Haar wurde von zwei Metallspangen nur schlecht an seinem Platz gehalten. Immerhin hing ihr eine dicke Strähne über das linke Auge. Eventuell sollte sie auch die Narbe verdecken, die sich quer über diese Stelle zog.

    Das Knistern des Holzes war der einzige Laut, der die Stille noch durchschnitt. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, bis Didi sich abwandte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schritt sie an der Familie vorbei und machte sich zu dem verborgenen Eingang auf. Salomo verlor keine Zeit und folgte ihr.

    »Du bist ein verdammter Narr«, murrte Didi unvermittelt.

    Salomo fühlte sich überrumpelt, verstand jedoch, warum sie es sagte. Er war gerade einmal fünf Jahre älter. Trotzdem hatte er sich eben benommen wie ein dummer Junge. »Irgendwer muss sie wachrütteln«, hielt er gleichgültig dagegen.

    »Für dich mag Mitgefühl oder auch Nächstenliebe Verschwendung sein, aber für diese Menschen ist es lebensnotwendig. Es ist alles, was sie haben. Das kannst du ihnen nicht zum Vorwurf machen.«

    Salomo schloss zu ihr auf, während er erwiderte: »Das tu ich auch nicht. Ich halte es Männern wie Karim vor. Er ist kein Knabe mehr und braucht keine großen Reden zu schwingen. Sie sind ohnehin unnötig. Jeder weiß das.«

    Sie hatten den verborgenen Eingang beinahe erreicht, als Salomo die Frau am Arm packte. Schwungvoll wirbelte er sie zu sich herum und sah ihr finster in die Augen.

    Jeder andere Mensch hätte nun nachgegeben und den Blick gesenkt, aber nicht Didi. Sie starrte ihm offen entgegen mit wutverzerrter Miene.

    »Wir hatten eine Vereinbarung. Du kümmerst dich um die Versorgung, den Rest erledigen meine Männer und ich.«

    Die Priesterin versuchte seinen Arm abzuschütteln, und sie zischte: »Du und deine Männer, ihr seid für Kimis Tod verantwortlich. Kannst du damit leben, Salomo? Kannst du noch in den Spiegel sehen, ohne dass dir schlecht wird?«

    »Ja.« Es war ein einfaches Wort und zudem keine Lüge. Salomo verspürte wirklich keine Reue. Niemand hatte Kimi dazu gezwungen, die Stadt auszukundschaften. Der Knabe hatte sich freiwillig gemeldet, und jeder wusste, welche Gefahren dort lauerten.

    »Du bist ein Monster, Salomo. Ein Mensch ohne Gewissen, aber vielleicht sind wir bereits alle so«, gestand Didi ein.

    »Manche von uns brauchen einfach länger, bis sie diesen Umstand erkennen.« Damit ließ er sie stehen und betrat den Abwassertunnel. Ein Blick über seine Schulter hinweg zeigte ihm, dass Kimis Leiche längst verbrannt war, dennoch standen seine Eltern weiterhin vor dem funkensprühenden Holzhaufen. Ihnen würde nicht einmal die Asche bleiben, jetzt wo Sturm aufkam. Es war ein Anblick, welchen Salomo nicht länger ertrug. Immerhin war der Junge ein weiteres Opfer, seit Salomo die Kundschafter regelmäßig ausschickte – noch dazu eines, das gar nicht notwendig gewesen wäre, hätten sich Männer wie Karim dafür gemeldet. Aber solche Leute zogen es vor, in der Sicherheit auszuharren. Das war es, was Salomo wütend stimmte. Dass richtige Männer fehlten! Dass er gezwungen war, Kinder in den Tod zu schicken!

    Keinem seiner Leute konnte er das erzählen. Schließlich war er Salomo. Ein Krieger, der stets wusste, was als Nächstes zu unternehmen war.

    Mit ausgreifenden Schritten ging er den Tunnel entlang. Dabei fragte er sich nicht zum ersten Mal, wie es so weit hatte kommen können. Eine logische Antwort gab es nicht. Irgendwann war den restlichen Großfürsten der Hölle einfach das gelungen, vor dem sich die Menschheit so lange gefürchtet hatte. Sie waren aus ihrem Gefängnis ausgebrochen. Und nun, im Jahr dreitausendfünfhundert nach Christus, terrorisierten sie die Welt bereits seit eintausend Jahren.

    Salomo war so in seine Gedanken vertieft, dass ihm entging, wie sich jemand aus dem Schatten eines Tunnelgangs löste. Erst das Geräusch von Stiefeln, die auf Wasser trafen, ließ ihn reagieren. Seine Hand umschloss das Messer und zog es bereits aus dem Gürtel, als er Kevin Ritt erkannte, der soeben eine Fackel entzündete. Schweigend durchschritten sie die Dunkelheit. Einzig Kevins Fackel bot einen schwachen Lichtschein.

    »Es waren wohl nicht viele da oben«, brach der schließlich das Schweigen.

    »Nein. Es war ja auch verrückt, ihn zu verbrennen. Aber Didi bestand darauf. Als ob ein Grab mehr oder weniger so viel Unterschied machen würde.«

    Im Fackelschein konnte er ein Grinsen auf Kevins Gesicht ausmachen, ehe dieser erwiderte: »Jetzt sei mal nicht so großspurig, Salomo. Du hättest nicht anders gehandelt, um den Dämonen zu zeigen, dass wir vor ihnen keine Angst haben. Willst du ihr es wirklich zum Vorwurf machen?«

    »Nein, allerdings wäre ich mit weit mehr Leuten da hinauf.«

    »Didi ist Didi. Sie kann sich allein helfen. … Übrigens will Adam dich sehen.«

    »Heute nicht mehr. Adam wird sich gedulden müssen. Außer er ist darauf aus, dass ich ihm die Zähne ausschlage.«

    »Du machst dir doch keine Vorwürfe wegen des Knaben? Er wusste um die Gefahr. Du hast ihn nicht gezwungen, und jedem, der das Gegenteil behauptet, haue ich die Zähne ein.«

    »Das ist es nicht. Ich frage mich aber, wie es den Sklaven geht. Heute kam eine Nachricht aus den Wäldern nahe Paris. Angeblich haben einige Familien ihre Kinder freiwillig den Großfürsten überlassen, weil sie nicht wissen, wie sie all die Mäuler stopfen sollen.«

    »Das wird hier nicht passieren. Wir sind keine verweichlichten Hosenscheißer, die vor ein paar Fürsten zu Kreuze kriechen«, murrte Kevin.

    »Mag sein. Aber ich will nicht, dass unsere Leute irgendwann genauso handeln. Noch sind wir in der Lage, alle zu versorgen, aber was geschieht, wenn wir es nicht mehr können? Das macht mir Sorgen. Adam gibt mir darauf nie Antwort. Darum will ich ihn heute nicht sehen.«

    »Erinnerst du dich noch daran, was uns die Alten früher erzählten?«, fragte Kevin. »Was uns Didi erzählte? Sie hat das Ende ihrer Familie miterlebt, musste zusehen, wie alle abgeschlachtet wurden, weil sie sich gegen ihren Herrn auflehnten. Ich sage dir, auch unter den Sklaven gibt es welche, die frei sein wollen. Und für die müssen wir weiterkämpfen.«

    »Du vergisst dabei nur eines: Damals waren wir mehr«, hielt Salomo dagegen.

    »Blödsinn. Das ist gerade einmal zweiunddreißig Jahre her. Schön, wir mögen Einbußen hingenommen haben, aber das mussten die Großfürsten auch – vor allem Bael. Er wird genauso wenig aufgeben wie wir. Und das sollte uns als Anreiz genügen. Außerdem solltest du nicht vergessen, dass einige von diesen Arschlöchern da drin dir etwas schuldig sind«, sagte Kevin und blickte den Tunnel entlang.

    Der junge Mann hatte durchaus recht. Salomo konnte es nicht abstreiten. Männer wie Adam verdankten ihm ihr Leben. Aber es machte gelegentlich den Eindruck, als wären sie damit nicht glücklich.

    Es war erstaunlich, wie schnell die Strecke zurückgelegt werden konnte, wenn man sich unterhielt. Nur mehr ein paar Meter waren zu überwinden, ehe sie aus dem Abwasserrohr klettern und eine Treppe empor mussten.

    Die Tür am Ende der Stiege schwang auf, und der Lärm von Stimmen empfing sie. Der Anblick glich einem Bienenstock. Überall eilten Leute umher – die einen lachend, andere mit finsterer Miene und bewaffnet. Jederzeit konnte ein Angriff der Großfürsten bevorstehen, doch bis zum heutigen Tag hatten sie ihre Untergrundbewegung nicht ausgemacht. Und wenn es nach Salomo ging, sollte das auch so bleiben.

    Er drehte sich noch einmal zu Kevin um und sagte: »Für heute haben wir darüber genug geredet. Lass uns abwarten, wie es weitergeht. Erst einmal müssen wir Ersatz für Kimi finden. Schaust du dich um?«

    »Du weißt, dass die Leute nicht begeistert sind, wenn ich durch die Gegend laufe und ihre Kinder begutachte.«

    »Wir müssen alle Opfer bringen. Das schließt jene, die bei uns Zuflucht suchen, nicht aus.« Damit ließ Salomo Kevin stehen, betrat seinem U-Bahn-Waggon und schob die Tür hinter sich zu. Dabei blieb ihm nicht verborgen, wie sich Adams Körper aus den Schatten der einstigen Überwachungszentrale löste. Doch der Gelehrte war klug genug, sich fernzuhalten. Morgen wäre noch genügend Zeit, um zu reden.

    Mit einem geradezu erleichterten Seufzen trat Salomo an die Wasserschale heran und sah in den Spiegel darüber. Er fühlte sich alt, müde und mit der Situation überfordert. Immerhin lastete auf ihm der Tod eines Kindes. Aber das würde er niemals zugeben.

    Er fuhr sich mit einem nassen Tuch über den kahlen Schädel. Zeitgleich besah er sich die Narben, die sich darauf befanden. Die meisten hatte er im Kampf gegen die Dämonen eingesteckt – mit Ausnahme einer einzigen. Die war von seiner toten Schwester. Aber jetzt war nicht die Zeit, an sie zu denken. In seinen Träumen würde sie früh genug auftauchen. Dann müsste er ihren Tod noch einmal sehen und erneut mitverfolgen, wie sich seine Hände um ihren zarten Hals legten, wie sie dabei nach einem Krug griff und ihm diesen auf den Kopf schlug. Das hatte ihn jedoch nicht von seinem Unterfangen abbringen können. Und das alles, um sie davor zu bewahren, elendig zu verhungern.

    Es war das erste und zugleich letzte Mal gewesen, dass sich Salomo selbst die Hände schmutzig gemacht hatte. Seit dieser Handlung schob er solcherlei Aufgaben seinen Leuten zu. Dabei konnte er von Glück reden, dass er jedem von ihnen auf die ein oder andere Weise das Leben gerettet hatte. »Es ist alles nicht so einfach, wie man glauben möchte. Viel zu kompliziert und anstrengend«, murmelte er sich selbst zu.

    »Da hast du wohl recht«, ertönte es hinter ihm.

    Über den Spiegel betrachtete er die Frau, die zu ihm gesprochen hatte. Ihren Namen kannte er noch immer nicht, obwohl sie bereits seit einigen Wochen mit ihm das Bett teilte.

    Mit einem anerkennenden Grinsen drehte er sich zu ihr um, als sie den Mantel abstreifte. Darunter kam ein eng geschnürtes Mieder zum Vorschein, welches ihre Vorzüge deutlich hervorhob – abgesehen von dem knappen Rock. Überraschenderweise war sie barfuß. »Hätte nicht gedacht, dass du heute vorbeikommst.«

    Sie legte den Kopf schief und lächelte ihm zu. »Ich auch nicht, aber Ritt sagte, du könntest Gesellschaft gebrauchen.«

    »Mein Bett wartet schon auf dich.«

    »Dann sollten wir es doch lieber nicht enttäuschen.«

    Die Frau überwand die Distanz zwischen ihnen und streifte sich dabei die restliche Kleidung vom Körper. Salomo konnte keineswegs abstreiten, dass ihm dieser Anblick gefiel. Vielmehr tat er es ihr nach, ehe sie ihre Lippen auf seine presste.

    Es war wie jedes Mal. Salomo musste die Oberhand behalten, und die Frau ließ ihm diese. Zugleich gingen ihm jedoch unzählige Dinge im Kopf herum. Die Frage, wie es weitergehen sollte, war dabei die eindringlichste.

    Salomo ließ sich nicht viel Zeit mit ihr. Als er fertig war und er sich dem Buch neben dem Bett zuwandte, lag die Frau noch keuchend neben ihm.

    Er schlug die dunkle Hand beiseite, als sie ihn erneut Berühren wollte. »Jetzt nicht. Verschwinde!«

    »Aber …«

    »Ich sagte, du sollst verschwinden. Ich habe noch zu tun.«

    Schnaubend stieg die Frau aus dem Bett. »Arschloch!«,

    presste sie hörbar zwischen den Zähnen hervor.

    Es zauberte ein Lächeln auf Salomos Gesicht. Er mochte ein Arsch sein. Aber vielleicht schon morgen würde er der wohl bekannteste Arsch sein. Er konnte gut damit leben, wenn ihn eine Frau verachtete. Sie würde sowieso zurückkommen – das taten sie alle. Die einen früher, die anderen später.

    Decarabia

    Aus der Ferne besah sich der Marquis unter den Dämonenfürsten das eigenartige Treiben. Warum die Menschen ihre Toten verbrannten, war ihm noch immer unklar. Schließlich war es ein aberwitziger Glaube, dass ihre Toten dann nicht in die Legionen der Großfürsten aufgenommen würden. Es waren gerade diese Seelen, welche sich hervordrängten. Für ihn stellte diese Beobachtung eine Qual dar. Immerhin war er als Mensch nur selten unterwegs. Doch als Seestern oder Pentagramm wäre er hier fehl am Platze gewesen.

    Ein süffisantes Lächeln huschte über seine Lippen, als er den kahl geschorenen Mann reden hörte. Er schien der einzig Vernünftige unter all den Leuten zu sein – allerdings auch die größte Gefahr.

    Der Marquis wendete sein Pferd und ritt gemächlich durch den Wald. Eigentlich hätte er nach dem Eingang zum Untergrundstützpunkt der Widerständler Ausschau halten sollen, aber diese Information würde Bael bedeutend mehr beeindrucken. Zumindest hoffte er es, denn der König war nur schwer zufriedenzustellen.

    Der Mond wanderte mit Decarabia den Weg entlang, als er die Ausläufer der Stadt Breslau erreichte. Viel war von diesem Ort nicht geblieben. Nur ein paar Häuser und eine Kirche. Kaum der rechte Ort für einen der Könige der Hölle. Bael aber war bescheiden. Er verzichtete auf Prunk und Pomp.

    Decarabia schwang sich vom Pferd und warf einem der Sklaven die Zügel zu. Er liebte es, Macht über andere zu haben. Gerade deswegen sah er seiner baldigen Abreise nach Paris mit einem gewissen Hochgefühl entgegen.

    Mit großen Schritten betrat er Baels Haus. Ohne auf die untergebenen Menschen zu achten, betrat er den Raum, in welchem der König auf einem Stuhl weilte.

    Bael besaß den Körper einer Spinne gepaart mit den Köpfen einer Kröte, eines Menschen und einer Katze. Die Krone saß auf dem mittleren Haupt. Seine Haltung zeigte Autorität und Würde. Keiner der Großfürsten käme auf den Gedanken, dies zu hinterfragen, und die Sklaven vergötterten ihn überraschenderweise.

    »Decarabia«, ertönte es heiser. »Ihr seid bereits zurück? Habt Ihr den Eingang gefunden?«

    Der Marquis verneigte sich elegant, ehe er erwiderte: »Nein, mein König. Ich wurde jedoch Zeuge einer Unterhaltung unter den Widerständlern.«

    »Widerständler! … Ich habe Euch bereits gesagt, wie sehr mir dieses Wort missfällt. Widerständler kämpfen für etwas. Diese kleinen Maden haben längst aufgegeben. Was sollte an ihren Gesprächen wichtiger sein als an Eurer Aufgabe?«

    Decarabia leckte sich über die Lippen, bevor er antwortete: »Einer von ihnen sprach davon, dass sie sich gegen uns behaupten müssten. Es scheint, als würden sie in den Krieg ziehen wollen.«

    »Habt Ihr dafür auch Beweise? Oder ist es rein das, was Euch der Wind zugetragen hat, Decarabia?«

    Unruhe stieg im Marquis hoch. Wenn Bael seinen Namen mehr als ein Mal aussprach, bedeutete das nichts Gutes. Da er dem König keine sinnvolle Antwort geben konnte, schwieg er.

    Das veranlasste Bael dazu, von seinem Stuhl zu klettern. »Ich schließe aus dieser Stille, dass Ihr es nicht wisst. Kann es sein, dass sie Euch entdeckt haben und darum so sprachen?«

    Decarabia senkte den Blick, als er murmelte: »Ich glaube nicht, mein König. Aber …«

    »Ich will nichts hören!«

    Selbst jetzt wurde Bael nicht wirklich laut. Seine heisere Stimme kratzte nur in den Ohren des Marquis. Es genügte jedoch, um ihn in die Knie zu zwingen und seine Gestalt als Pentagramm anzunehmen. Das sicherste Zeichen, dass er sich den Launen des Königs unterwarf.

    »Ich sollte Euch vernichten«, zischte Bael

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