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TEUFELSGARN
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eBook405 Seiten4 Stunden

TEUFELSGARN

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Über dieses E-Book

Teuflisch guter Lesespaß gesucht? Dann lasst euch verführen …

zu einer Pizza Diavolo mit einem mörderischen Kätzchen. Oder zu einem schicksalsverändernden Glücksspiel. Zu einer galaktischen Reise auf der Suche nach der perfekten Außenstelle der Hölle. Vielleicht zu einer teuflisch inszenierten Geburtstagsparty mit himmlischen Geschenken. Zu versprecherischen Dämonenbeschwörungen. Oder direkt zu einem höllischen Arbeitsverhältnis – gewollt oder ungewollt.

Aber Obacht, denn dem Teufel ist nicht zu trauen! Also besser, ihr werft vor dem Kauf einen Blick auf die AGB, denn man kann ja nicht wissen, ob ihr im Kleingedruckten irgendjemandem eure Seele verkauft.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Okt. 2023
ISBN9783945230718
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    Buchvorschau

    TEUFELSGARN - Felixz Eckstein

    IMPRESSUM

    Teufelsgarn

    ISBN 978-3-945230-71-8

    1. Auflage, Allmersbach im Tal 2023

    Cover: Christine Schlicht

    Satz und Layout: Tanja und Marc Hamacher

    Lektorat: Tanja und Marc Hamacher

    © 2023, Leseratten Verlag, Allmersbach im Tal

    www. leserattenverlag.de

    Der Leseratten Verlag ist Fördermitglied beim

    PAN Phantastik-Autoren-Netzwerk e.V.

    Weitere Infos unter:

    wir-erschaffen-welten.net

    Vorwort

    Am Anfang war der Tod! Klingt irgendwie falsch, oder? Ist aber so. Ich bin bekennender Fan lustiger Funtastik und seit einigen Jahren segelt der Leseratten Verlag genau auf diesem Fahrwasser. Natürlich liebe ich Terry Pratchett und so kam es, dass der Verlag 2017 Geschichten suchte, die Gevatter Tod als Hauptfigur beinhalteten. 2018 erschien dann SCHNITTERGARN und offenbarte, wie gigantisch die Fanbase vom Gevatter ist. Es hat mich sehr gefreut, wie gut die Idee angenommen wurde. Knapp ein Jahr später kam das Schaf mit dem Tarnnamen Veronika Lackerbauer auf mich zu und meinte, wo der Tod herumlungert, da können die Götter als Figuren nicht so weit weg sein. Das Resultat ist die Anthologie GÖTTERGARN, welche 2021 das Licht der sterblichen Welt erblickte.

    Irgendwie nagte da immer noch etwas tief in mir. Irgendwie waren die Geschichten nicht komplett. Nun ist es so, dass wahrlich prophetische und mystische Wesen in der fantastischen Welt immer zu dritt auftreten. Man denke nur an Urd, Verdandi und Skuld, die drei Nornen der nordischen Mythologie. Aber auch in der Neuzeit treten Seher immer wieder zu dritt in Erscheinung. So schrieben Araya, Hanneman und King, ihres Zeichens höchstphilosophische Barden des modernen Amerikas, schon 1988 in ihrem vertonten Gedicht Read Between The Lies die markante Zeile: »There is no heaven without a hell«. Damit war die Idee zu diesem Buch geboren.

    Schon in SCHNITTERGARN gab es immer wieder Anspielungen auf den Teufel, Satan, Asmodis, Beelzebub, wie auch immer, auf das Wesen mit seinen vielen Namen und Gestalten. Also suchte ich nun öffentlich nach Teufelsgeschichten. Die Einsendungen waren spannend, manchmal sehr ähnlich in der Thematik, aber viel zu oft, viel zu gut. Es war nicht so einfach, die Auswahl der Storys in dieser Anthologie zu treffen, aber ich hoffe, dass es eine bunte und lustige Mischung geworden ist.

    Wie so oft bei solchen Buchreihen, sind die Geschichten alle unabhängig voneinander lesbar, aber einige Autor:innen aus SCHNITTERGARN und GÖTTERGARN haben es sich nicht nehmen lassen, ihre Geschichten hier fortzusetzen. So gibt es ein Wiedersehen mit einer Bar, in der Tod und Teufel sich ab und zu betrinken, während sie sich gegenseitig das Herz ausschütten. Wir erleben Neues von Tod und Krag, dem frechen Federvieh. Sowie von Herrn Einhorn, der einen neuen Job sucht. Wir erkunden einen leicht veränderten Freizeitpark, den wir aus BLUTIGE WELTEN kennen, und den wir wirklich anders in Erinnerung haben. Und ob der gitarrespielende Tod einen Weg findet, wieder er selbst zu werden, das werdet ihr hier erfahren. Sowie noch vieles mehr.

    Ich wünsche teuflisch guten Lesespaß.

    Marc Hamacher

    Allmersbach im Tal, 2023

    Felixz Eckstein

    Felixz Eckstein wurde 1989 im kleinen Ort Höllenwitz im nördlichsten Norden Mecklenburg Vorpommerns geboren. Schon in jungen Jahren war die Heimat in seinem Schreiben Programm. Angereichert mit Lektüren von Stephen King und Edgar Allen Poe entstanden die ersten düsteren Kurzgeschichten und Gedichte, immer mit einer Prise Humor. Er war auch einer der ersten, der zehn Reime auf Teufel fand. Um sein schriftstellerisches Können auszubauen, studierte er kreatives Schreiben an der Autorenschule Schreibhain in Berlin. Nach Beendigung seines Studiums gelangen ihm erste teuflisch gute Veröffentlichungen in Anthologien. Neben seinem Schreiben arbeitet er als Erzieher in einem Jugendzentrum und schauspielert in einem Theaterverein. Seine letzte Rolle, wie sollte es auch anders sein, war Mephisto in einer Adaption von Faust.

    Brotoles

    Der Teufel lief durch den Vorgarten. Am Ende des schmalen Kiesweges – hier müsste Mal sauber gemacht werden, dutzende Gegenstände lagen kreuz und quer –, stand ein schmales Häuschen, das eher wie ein Schuppen aussah.

    Gleich war es so weit. Sein erstes Mal. Und er würde den Kunden in die Inferna mitnehmen. Für ihn waren sie eher Opfer, aber sein Vater, der gleichzeitig sein Chef war, verstand hier keinen Spaß. Gleich würde er ihn mitreißen, in die qualvolle, schmerzhafte …

    »Autsch!« Er rieb sich seine Hufe. Hitze durchfuhr sein haariges Bein. Er war – auch das noch – über eine steinerne Engelsfigur gestolpert.

    Der eine Flügel lag abgebrochen am Boden. War er das gewesen? War ja auch egal. Wer, verflucht, stellte überhaupt Engelsfiguren im Garten auf?

    Der Teufel stand vor der Tür. Gleich würde er seinen ersten Auftrag erledigen.

    »Bring mir diesen Kunden. Mach es qualvoll! Mach es schmerzhaft! Denn du bist jetzt ein ausgesandter Teufel, Sohn!«

    O ja. Er würde seinen Vater stolz machen. Er würde seinen Kunden, sein Opfer, voller Qualen …

    »Watt? Wer bist du denn?« Ein untersetzter Mann mit Hemd – falsch zugeknöpft –, Jogginghose und Sandaletten blickte ihm in der offenen Tür entgegen. In einer Hand eine Bierdose.

    »Äh … ich bin der Teufel!« Der Teufel musste husten, weil seine tiefer verstellte Stimme ihm im Hals kratzte.

    Der Mann stellte seine Bierdose neben sich auf einem Schränkchen ab und klopfte ihm auf den Rücken.

    Der Teufel riss seine behaarten Arme in die Luft und spreizte seine drei Klauen. »Ich bin Brotoles! Und ich nehme dich mit in die qualvolle, finstere Inferna, Mensch!« Dieses Mal mit seiner normalen Stimme.

    »Hab ich mir doch gleich gedacht, dass das kein Kostüm is’!«, erwiderte der untersetzte Mann mit schrägem Hemd vor ihm und hickste.

    »Es ist zu spät, Mensch! Du kannst dich nicht wehren, du …« Wie ging der Aufklärungsspruch weiter? Verdammt, er hatte es doch noch bis eben geübt!

    »Ja, ja, is’ schon gut«, erwiderte der Mann. »Wenn ich mir mein Leben anschaue, hab ich mich eh gefragt, wann du endlich auftauchst.«

    Ah, jetzt fiel es ihm wieder ein: »Du wirst für deine Sünden büßen, bis in alle …«

    »Willst du nicht erst einmal rein kommen?«

    Der Teufel nahm seine Arme wieder herunter. »Äh …«

    Mit der Bierdose in der Hand verschwand der Mann in seinem Schuppen … ähm, Häuschen.

    Der Teufel folgte ihm.

    Das Wohnzimmer war nicht viel größer als der Flur. Ein paar leere Bierdosen lagen auf dem Tisch. Im Fernseher, dessen Bild die Größe einer Briefmarke hatte, lief gerade Fußball. Der Mann folgte dem Blick des Teufels.

    »Ha. Wie passend, 2. Liga, Kaiserslautern.«

    Der Teufel verstand es nicht.

    »Egal. Also, wie geht das jetzt vonstatten, dein Höllending?«, fragte sein Kunde.

    »Ich … ich lege jetzt die Hand auf deine Schulter, dann …«, stotterte er. »O verdammt, du bringst mich aus dem Konzept! Du darfst mir keine Fragen stellen, du hörst dir nur an, was ich sage, zitterst vor Angst und dann erledige ich meinen Auftrag.«

    »Alles klar.«

    »Es ist zu spät, Mensch, du …«

    »Musst du das unbedingt noch mal runterbeten? Ich hab das doch schon gehört«, grätschte der Mann dazwischen und nahm einen Schluck aus seiner Bierdose.

    »Ja, gut, also … wir können auch ohne.« Brotoles legte seine Hand auf die Schulter des Mannes. Gleich würden sie beide in Flammen aufgehen. Das Feuer, das Portal zur Inferna, würde sie verschlingen. Dann würde sein Opfer vor Schmerzen schreien und noch mehr schreien, wenn sie angekommen waren. Gleich …

    Doch der Mann blieb unversehrt. Statt zu brennen, nahm er einen weiteren Schluck Bier und hickste.

    »Klappt irgendwie nich, wa’?«

    »Nein, ganz und gar nicht! Du bist doch Manfred Hegener?«

    »Jap, wie er leibt und trinkt«, antwortete Manfred und nahm sich eine neue Bierdose aus dem Kühlschrank, der komischerweise im Wohnzimmer stand.

    »Hm.« Der Teufel kratzte sich mit einer Klaue am Kinnbart.

    Es zischte. »Schon eine Idee?« Das Bier schäumte in Manfreds Faust, schnell saugte er es weg.

    »Hast du Angst vor mir?«, fragte der Teufel.

    »Nö, nich wirklich.«

    »Das ist es! Los! Hab Angst!«

    »Und wie?«

    »Du könntest wenigstens so tun als ob.«

    »Ah, Hilfe, der Teufel!«, rief Manfred in verstellt hoher Stimme aus.

    »Du musst schon mehr geben!«

    Manfred schüttelte seine Arme in der Luft, wobei er Bier verschüttete. »Hilfe! Hilfe!«

    Der Teufel legte seine drei langen Klauen auf Manfreds Schulter und verzog das Teufelsgesicht vor Konzentration.

    »Hilfe! Hilfe! Ich hab Angst. Hilfe! Hilfe! So, jetzt hab ich keine Lust mehr!« Manfred wandte sich von Brotoles ab.

    »Und jetzt? Wie soll ich das meinem Vater erklären? Du bist meine Prüfung. Du und der andere. Nur wenn ich sie bestehe, bin ich würdig, Teufel zu sein.«

    »Welcher andere?«

    »Das ist doch völlig egal.« Der Teufel ging auf die Knie und gab seltsame gurgelnde Geräusche von sich.

    »Wasn jetzt los? Heulst du etwa?«, fragte Manfred verwundert.

    »Äh … nein!«, presste Brotoles mit einem Schluchzer hervor.

    Nun war es Manfred, der dem Teufel die Hand auf die Schulter legte, wobei er sein Bier auf dem Couchtisch abstellte.

    »Na, Kopf hoch! Es gibt Schlimmeres. Wie den Himmel zum Beispiel.« Manfred lachte, der Teufel nicht.

    »Und jetzt?«, fragte Brotoles.

    »Komm, wir gehen was trinken.«

    »Ich soll unter den nichtigen Menschen verweilen?« Der Teufel verzog sein Gesicht zu einer Fratze.

    »Komm schon, Brutto, äh … Broto… äh …«

    »Brotoles.«

    »Wusst ich’s doch, irgendwas mit Brot. Komm, wir gehen.« Manfred schnappte sich seine Bierdose vom Couchtisch und lief hinaus in den Flur.

    Brotoles folgte ihm.

    Beide saßen nun in einem Irish Pub in einer Ecknische. Zwei Gläser mit Guinness zwischen ihnen, dessen Schaum im Kerzenschein bernsteinfarben schimmerte. Wobei nur Manfred trank. Er überlegte schon, ob er nicht das Glas vom Teufel einfach mitleeren sollte. Tranken Teufel eigentlich Bier?

    Die Kneipe war ein Geheimtipp und lag im Keller eines Gebäudes. Aus den Boxen lief gerade: Highway to hell.

    »Brotlos, sach mal …«

    »Brotoles!«, erwiderte der Teufel genervt.

    »Richtig. Sach mal, wie kamst du eigentlich dazu?«

    »Zu was?«

    »Na, zum Teufel sein.«

    »Ich wurde so geboren.«

    »Ach so.« Manfred trank aus seinem Glas und hinterließ eine Schaumschnute auf seiner Oberlippe. Was konnte man schon mit einem Teufel bereden?

    Die Kneipe war recht überschaubar besucht. Die wenigen am Tresen und bei den Kickertischen, sahen erstaunt immer wieder herüber. Jemand hielt sogar sein Smartphone auf ihre Ecknische gerichtet und steckte es schnell wieder weg, als der Teufel hinsah.

    »Die fragen sich, ob du echt bist. Mann, wenn jetzt Halloween wär, hättest du das besste Kossüm.«

    »Was soll das sein – Halloween?«

    »Watt? Du kenns’ Halloween nich? Michael Myers und so?«

    »Ich kenne keinen Michael Myers.«

    »Bei euch gibt’s ken Fernsehr? Scho lausig.«

    Der Teufel schwieg.

    Manfred trank. »Ich weiß ja, dass ich kein Saubermann bin, aber nur aus Inna… Int’ressen, warum genau solltest du mich einglich in die Hölle, oder wie hast du g’meint, Infernos, mitnehmen?«

    »Inferna.« Brotoles zuckte mit den Schultern. »Mein Vater hat mir nur deinen Namen gegeben. Den Hintergrund habe ich nicht erfahren.«

    »V’lleicht liegt das an meinen Diebstählen in der Jugend. Oder weil ich in den Garten meiner Oma gepinkelt hab. Oder weil ich so viel saufe. Alkohol, das Teufelszeug. Nichts für ungut.«

    Der Teufel zeigte sich unbeeindruckt.

    »Aber w’scheinlich liegt das eher an meinen Ex-Frauen. Ich war nie wirklich ein guter oder treuer Ehemann. Um genau zu sein, war ich ein mis’rabler Ehemann. Zu allen …« Manfred zählte an seinen Fingern ab. »Ja, doch, zu allen vieren. Sei froh, dass du so was nicht hast.«

    »Was?«

    »Ehen, be… b’ziehensweisse Ex-Ehen.«

    »Was ist das?«

    »Egal.« Manfred winkte ab. »Habt ihr Teufel einglich so was … so was wie Kinner? Obwohl … du sprichst ja dauernd vom Vater, dann bist du ja selbst ein erwass’nes Kind.«

    Brotoles zog einen Geldbeutel aus seinem Fell. Er nahm zwei Polaroids aus dem Fach und legte sie auf den Tisch. Auf jedem das kleine Gesicht eines Teufelchens.

    »Kratan und Sirius«, sagte Brotoles, während er mit seinen langen, steinernen Krallen auf die Fotos zeigte. »Irgendwann werden sie die Prüfung erhalten und auf die Erde gehen und die Menschen unter Todesqualen in die Inferna holen.«

    »Echt süß, die beiden.«

    Mit einer raschen Bewegung versteckte der Teufel seinen Geldbeutel samt Fotos wieder ins Fell. Er schüttelte den Kopf, seine Hörner machten zwei Halbkreise in der Luft.

    »Wenn mein Vater wüsste, dass ich gerade mit einem primitiven Untermenschen herumsitze.« Er wandte sich an Manfred. »Nichts für ungut.«

    Manfred zuckte die Schultern und nahm einen großen Schluck von Brotoles’ Bier. Der würde es ja doch nicht trinken.

    »Du hassst ein strenge Vater, oder?«

    Der Teufel nickte. »Er wird mich die nächsten Jahre die Ställe der Höllenhunde ausmisten lassen, weil ich zu nichts anderem Nütze bin.«

    »Ha, kenn’ üsch. Wenn mein Vater ein guten Tag hadde, hadda mal nisch den Gürtel zur Züsch … warte … Züschdijung genommen. Den habt ihr wahrscheinlich vor Jahn au schon mitgenommen.« Der Alkohol tat so langsam seinen Job. Am Ende würde sich vielleicht noch herausstellen, dass er sich das alles hier eingebildet hatte.

    »So, Schluss mit dem sinnlosen Palaver. Ich muss meinen Auftrag erledigen und habe nicht den ganzen Tag Zeit. Schließlich habe ich später noch einen anderen Kunden.«

    »Kunden? Wer?«

    »Darf ich nicht verraten. Datenschutz.«

    »Ach, komm scho. Wir sinn doch unner uns.«

    Der Teufel schnaufte tiefkehlig. »Was solls. Bruno Kuslowski.«

    »Ach was! Der Kussi! Ja, des geht ned.«

    »Wieso?«

    »Der is’ im Ur… im Urlaub.«

    »Das ist jetzt ja auch völlig egal. Erst einmal muss ich dich mitnehmen.«

    »Und wie?«

    »Du musst Angst bekommen.«

    »Ach ja.«

    Eine blonde Bedienung machte einen großen Bogen um ihren Tisch und sah den Teufel dabei mit aufgerissenen Augen und verkniffenem Mund an.

    »Kuck, die ha’ Ongs … Angs vor dir«, sagte Manfred.

    »Und wie bring ich dich dazu und warum redest du so komisch?«

    »Bsoff’n.«

    »Ah.«

    »Hm. Ich hab’s.« Manfred riss seinen Arm in die Luft, so als meldete er sich.

    »Und was?«

    »Schnaps! Dad hilf’ uns auffe Sprünge.«

    »Ich habe keine Zeit für Spielchen!«, erwiderte Brotoles erbost und zeigte dabei auf eine Uhr an der Wand, auf der every time is Guinness time zu lesen war.

    »Oke, oke.« Manfred dachte nach, obwohl das gerade schwer war. Aber er versuchte es zumindest. »Dann enn Pfeffi … komm scho’, ich brauch wad zum Denken.«

    »Na, dann mach. Aber schnell!«

    Die Bedienung brachte die Bestellung, wobei sie die Gläser am hintersten Rand des Tisches abstellte und wegrannte. Ihm fiel wieder ein, dass der Teufel ja sowieso nichts trinken würde, so stürzte er beide Liköre hinunter. Er schmatzte. »So, etz hab ich’s.«

    Der Teufel schlug die Faust auf den Tisch. Die leeren Schnapsgläser fielen um. Manche der Gäste drehten sich zu ihnen und in derselben Sekunde wieder weg. Dem Typen an der Theke fiel das Smartphone aus der Hand.

    »Kein Schnaps und kein Pfeffer mehr!«

    Manfred machte eine beschwichtigende Geste. »Beruh’ dich. Das war nich’ schlecht, genau wie mein Idee. Mach das nochma’, abba diesma’ mit dein’ schlimmsten G’sicht, was du aufziehen kanns’.«

    »Und dann?«

    »Dann ha’ ich Ong… Angst.«

    »Das klappt doch eh nicht!«

    »Doch.«

    Der Teufel tat wie im vorgeschlagen, verzog das Gesicht und schlug auf den Tisch. Manfred krümmte sich und fiel schreiend von der Bank. Der Teufel sah auf den Boden. Mit kratzigen und schleimigen Geräuschen lachte sich Manfred die Seele aus dem Leib.

    »Nein … das … funktio… fungiert so nich’. Du sahst … sahst aus wie mein Oma damals, als ich als Kinn in den Garten gepinkelt hab’. Und die hat auch auffe Tisch geschlagen.« Manfred setzte sich lachend wieder auf die Bank und trank das Bier leer. »Wir müsssen anners vor.« Manfred versuchte nachzudenken. »Brutales, etz hab ich’s wirklich.«

    »Brotoles!«

    »Ja genau. Schluckauf.«

    »Was soll das jetzt wieder heißen?«

    »Schluckauf geht ja wesch durch Erschrecken. Du erschreckst dich irnwo, äh … versteckst dich irnwo, während üsch mich wegdreh und dann lauf üsch rum und du springst außem Versteck und versteckst mich … erschreckst mich. Und dann wenn üsch panisch schrei’, machst du den Höll’nding.«

    Der Teufel schnaufte abermals. »Was solls.« Er stand auf. »Aber du darfst wirklich nicht kucken.«

    »Nee, mach üsch ned.« Manfred drehte sich zur Wand. »Kann üsch kucken, Brotles?« Keine Antwort. Wahrscheinlich war er so weit.

    Manfred schwankte durch die Kneipe. Die Theke stand doch vorhin noch woanders, oder? »Wo issa denn?«

    Ein Tisch, der gerade noch besetzt gewesen war, war nun menschenleer. Mit Sicherheit geflohen, als der Teufel sich auf den Weg gemacht hatte. Ja, er sah schon furchterregend aus. Die Hörner, die Hufen und dann noch die vier Klauen, oder waren das nur drei?

    »Buh!«

    Vor dem Ausgang, der zur Treppe nach oben führte, ging Manfred einige Schritte zurück und lachte, bis sein Bauch wehtat. Mit ausgestreckten Armen und verzerrtem Gesicht bauschte sich der Teufel vor ihm auf. Er hatte sich wohl im Getränkelager neben der Theke versteckt. Seine Fratze sah nun noch bescheuerter aus als vorhin. Ein Mann mit Verstopfung, der gerade versuchte, die Verstopfung zu entstopfen.

    Die Bedienung drückte sich ans letzte Regal hinter dem Tresen.

    Die Leute am Kickertisch pausierten ihre Partie und sahen zu ihnen herüber, bis der Ball wieder über den Tisch kullerte.

    »Nee … d’s klappt ned. Du müssest … müssst wie mei’ Ex-Frau aussehen. Dann hätt’ ich wirklich Angst! Aber so …« Manfred schrie panisch auf. Etwas hatte ihn in den Rücken gestochen. Er drehte sich um. Da war nur die Spitze eines Regenschirms an der Garderobe.

    »Ich gebe auf. Du darfst weiter auf der Erde verweilen, Mensch. Mach’s gut. Vielleicht klappt das bei meinem zweiten Kunden besser.«

    Manfred umarmte den Teufel, doch die Umarmung wurde nicht erwidert. Sein Fell roch nach Rauch.

    »Hast du v’lleich’ ne Kippe?«, fragte Manfred.

    Brotoles schüttelte die Hörner und schnaufte. »Mach’s gut, seltsamer Mensch!«

    Plötzlich stieg eine Feuersäule empor und der Teufel brannte lichterloh. Im nächsten Moment war das Feuer mitsamt dem Teufel verschwunden. Hinter ihm konnte Manfred hören, wie die Bedienung schrie. Ja, die hatte wirklich Angst. Konnte froh sein, dass sie nicht so sündhaft gelebt hatte wie er.

    Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Eine beharrte Hand mit drei oder vier Klauen? Der Teufel?

    Manfred öffnete seine Augen. Alles verschwommen. Dann wurden die Umrisse schärfer. Kein Teufel.

    Kuslowski war vor ihm. Kussi. Wohl doch nicht im Urlaub.

    »Eye, was pennst du denn hier so rum? Jetzt geht doch die Party!« Kussi lachte und hob einen Finger Richtung Bedienung. Seine typische Geste für: »Ein Abgezapftes, bitte«. Die blonde, junge Frau von vorhin war abgelöst worden. Nun füllte eine stämmige Mittvierzigerin die Biere ab.

    Manfred musste am Tresen eingeschlafen sein, als er hier noch einen … oder zwei Absacker nach den ganzen Erlebnissen trinken wollte. Vor ihm stand ein halb volles Glas Guinness. Und ein paar leere Schnapsgläser. Er sah sich um. Mittlerweile war die Kneipe voll, kein Tisch mehr frei. Stimmengewirr und Gelächter. Aus den Boxen hämmerte Stairway to heaven. Vielleicht hatte er das alles nur geträumt. Er exte sein Glas und bestellte sich ein neues. Auch Kussi hatte sein Glas bereits geleert und hob wieder seinen Bestellfinger.

    »Mensch, wenn wir so weiter saufen, holt uns noch der Teufel!«, sagte Kussi mit einem bärtigen Schmunzeln zu Manfred.

    »Wenn du wüsssesd.«

    Alisha Pilenko

    Alisha Pilenko, geboren 1983 v. Chr., studierte Psychologie an der Universitas diabolica. Sie arbeitet als psychopathische … ähm … psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis, wo sie vielleicht eine Therapiegruppe für die Herrscherinnen und Herrscher der Unterwelt leitet – darüber dürfte sie allerdings nicht sprechen.

    In ihrer Freizeit verfasst sie phantastische und humorvolle satanische Verse, die bereits in verschiedenen Anthologien veröffentlicht wurden.

    Ihr Roman Voodoo wider Willen erschien 2021 im Chaospony Verlag und wurde für den Seraph 2022 in der Kategorie Bestes Debüt nominiert.

    Apokalypse jetzt – oder später

    »Lucy!«

    Ich erwachte aus einem vage erotischen Traum mit vier Satyrn, zwei Sukkuben und einem Knäckebrot, als sich eine penetrante Stimme in meine Gehörgänge bohrte.

    »Lucy!«

    Kurzerhand schnappte ich mir ein schwarzes Satinkissen und warf es in Richtung des Ruhestörers. Es verfehlte sein Ziel, prallte an der Wand ab und riss dabei den Kerzenständer vom Nachttisch.

    »LUCY!«

    Baals Kopf schob sich in mein Gesichtsfeld – dreimal. Die grünen Augen in seinem Katzengesicht waren zu dämonischen Schlitzen verengt, während sein menschliches Gesicht höflich-distanzierte Professionalität zeigte, und sein Krötengesicht aussah wie eine … nun … Kröte.

    Ich versuchte, ihn zu verscheuchen wie eine lästige Fliege. »Lass mich in Ruhe, ich bin tot.«

    »Das bist du nicht«, entgegnete mein Sekretär indigniert. »Du bist die gottverdammte Fürstin der Hölle. Und jetzt: Steh auf!«

    Ich hievte mich in eine aufrechte Position. Das war zumindest das, was ich geplant hatte. Tatsächlich sackte ich auf halbem Weg in mich zusammen und kippte seitlich vom Himmelbett, die Beine noch auf der Matratze, der Rest am Boden.

    »Das würde ich ja«, lamentierte ich. »Aber wie mir scheint, hat jemand die untere Hälfte meines Körpers in Wackelpudding verwandelt, und da, wo sich mein Kopf befinden sollte, ist nur dieser vollgesogene Schwamm.« Ich massierte mir die pochenden Schläfen.

    Baals Krötengesicht erschien wieder – verkehrt herum – und seine Glupschaugen weiteten sich empört. »Hast du wieder zu viel getrunken?«

    »Definiere zu viel.« Ich schnippte mit den Fingern und ein kalter Waschlappen materialisierte sich auf meiner Stirn.

    Baal brummte, wandte mir sein menschliches Gesicht zu und klappte sein Klemmbrett auf. »Wir haben viel zu tun.«

    Ich seufzte. »Haben wir das nicht immer?«

    »Wenn du weniger trinken und mehr arbeiten würdest …«

    »Ich arbeite ständig«, protestierte ich. »All die unsterblichen Seelen verführen sich schließlich nicht von alleine. Arbeit ist gewissermaßen mein zweiter Vorname. Nein, eigentlich ist mein zweiter Vorname Satanas. Oder Beelzebub? Das bringe ich immer wieder durcheinander. Also wäre Arbeit eher mein vierter Vorname.«

    »Lucy

    »Schon gut.« Ich richtete mich auf, schnippte mir ein Glas Schwefelwasser herbei und trank in kleinen Schlucken. »Genaugenommen ist das alles Lokis Schuld. Der weiß einfach, wie man eine Party feiert. Die Drinks sind höllisch gut. Und ihn selbst würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen, wenn du verstehst, was ich meine.« Ich grinste anzüglich.

    »Punkt eins«, sagte Baal ungerührt, zog eine Brille aus seiner Westentasche und setzte sie auf. »Die meisten Dämonen sind unzufrieden.« Er wandte mir sein Krötengesicht zu und zog einen Flunsch. »Sie langweilen sich und sind es satt, nur die Feuer in einer leeren Hölle zu hüten und darauf zu warten, dass Gott am Tag des Jüngsten Gerichts endlich die Toten wieder auferstehen lässt, um die Guten in den Himmel und die Bösen in die Hölle zu schicken. Sie wollen jetzt ein paar arme Sünder quälen.«

    »Was kann ich dafür, dass Gott sich mit der Apokalypse so viel Zeit lässt?« Ich gestikulierte mit dem Waschlappen. »Nach meinen Berechnungen hätte sie längst stattfinden sollen. Bei der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist es eine enorme Energieverschwendung, die Hölle die ganze Zeit betriebsbereit zu halten.« Ich überlegte einen Moment. »Was ist denn aus dem Projekt geworden, ein paar herumirrende Seelen zu malträtieren? Bis die am Ende aller Tage mit ihren Körpern wieder vereint sind, schweben sie doch ohnehin überall nutzlos herum. Da können wir genauso gut ein wenig Spaß mit ihnen haben.«

    Baal rümpfte die Nase. »Seelen sind so feinstofflich und flutschig, da macht das Foltern keinen Sinn. Und brennen tun sie auch nicht.«

    »Dann veranstalten wir eben ein großes Fest, um die Dämonen zu besänftigen«, beschloss ich. »Ein paar Spiele, Teambuilding, Würstchen für alle. Besorg auch vegane Bratlinge und Gemüsespieße. Es soll mir niemand nachsagen, ich würde mich nicht um die Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden kümmern.«

    Baal zückte einen Stift, schrieb etwas auf seinen Notizblock und sagte: »In der vierten Hölle ist mal wieder das Brennholz ausgegangen. Die Gruseldekoration der sechsten Hölle bräuchte eine Generalüberholung, die eiserne Jungfrau in der zweiten Hölle klemmt und das Fegefeuer könnte man eher als Fegeflämmchen bezeichnen. Insgesamt explodieren die Kosten, wir müssen dringend sparen.«

    Ich schnippte mir einen neuen Waschlappen herbei. »Also gut, hör zu und notiere. Folgende Umstrukturierungen gebe ich bekannt: Die Abteilung Häresie, sechster Kreis der Hölle, wird aufgelöst. In unserer modernen pluralistischen Gesellschaft erscheint die Bestrafung von Ketzern nicht mehr zeitgemäß und die Inquisition ist bedauerlicherweise lange aus der Mode gekommen. Ferner können wir die Abteilungen Lust, zweiter Kreis der Hölle, Völlerei, dritter Kreis der Hölle, und Gier, vierter Kreis der Hölle, zusammenlegen. Die Bereiche waren ohnehin nie so trennscharf. Wir nennen die neue Abteilung einfach ungezügeltes Verlangen. Natürlich müssen wir ein paar Entlassungen vornehmen. Vielleicht können wir manche Dämonen ins Homeoffice schicken.«

    Baal sah auf. »Dann werden sie sich noch mehr langweilen.«

    »Dafür veranstalten wir ja das Fest, hörst du mir gar nicht zu?«

    Baal sah mich fragend an. »Und wer soll diese neue Abteilung leiten?«

    »Nimm Legion. Der ist viele und wird das schon hinkriegen. Weiterhin«, fuhr ich fort, »können wir die Abteilungen Betrug, achter Kreis der Hölle, und Verrat, neunter Kreis der Hölle, ebenfalls fusionieren und umbenennen in Lug und Trug. Das klingt auch viel eingängiger. Gibt es sonst noch etwas?«

    Baal schaute auf sein Klemmbrett. »Wir hätten da noch das Problem mit der Vorhölle.«

    »Was ist damit?«

    »Nun, nach allgemeiner Meinung hat die katholische Kirche den Limbus abgeschafft.«

    »Wunderbar.« Ich trank noch einen Schluck Schwefelwasser. »Dann können wir an der Stelle doch einen Gemüsegarten anlegen.« Auf einmal durchfuhr es mich siedendheiß. »O nein!« Ich schlug mir vor die Stirn. »O nein, o nein, o nein!«

    »Darf ich aus deinem Lamento schließen, dass aus dem Gemüsegarten nichts wird?«, erkundigte sich Baal. »Wie wäre es stattdessen mit einem Fitnessstudio? Das könntest du unter Präventionsmaßnahmen für die Mitarbeitergesundheit verbuchen.«

    »Nicht nur aus dem Gemüsegarten«, berichtigte ich. »Aus der ganzen Hölle.«

    »Wie soll ich das verstehen?«

    »Du weißt doch, dass ich keinem Würfelspiel widerstehen kann.«

    »Ja«, sagte Baal vorsichtig.

    »Und dass ich manchmal ein wenig zu tief ins Glas schaue.«

    »Manchmal?«

    »Auf jeden Fall hatte ich gestern ein Spiel mit dem Biest.«

    »Du meinst 666?«

    »Kennst du noch ein anderes Biest?«

    Er musterte mich lang und prüfend.

    »Auf jeden Fall«, sagte ich, »wurde die

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