Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Engel des Todes
Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Engel des Todes
Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Engel des Todes
eBook256 Seiten3 Stunden

Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Engel des Todes

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die Studentin Evy Munro leidet an Lungenkrebs. Doch das ist nicht ihr einziges Problem, denn ihr verhasster Nachbar Vincent stellt sich plötzlich als ihr persönlicher Engel des Todes vor, der ihr dabei helfen soll, mit ihrem Leben abzuschließen.
Obwohl Vincent nichts Genaues von seinem Vorgesetzten Azrael erfährt, ahnt er schnell, dass hinter diesem Auftrag noch viel mehr steckt. Als Dämonenboten auftauchen und Jagd auf Evy machen, wird ihm klar, dass der Dämonenfürst Dantalion Krieg in die Welt bringen will. Dafür muss er Evys Seele vernichten, die laut einer Prophezeiung verhindern könnte, dass die Kreaturen der Hölle die Erde betreten. Doch auch Azrael braucht ihre Seele.
Muss sie aber wirklich geopfert werden, um die Menschheit vor dem drohenden Krieg zu bewahren? Gibt es keine andere Möglichkeit, Dantalion am Ausbruch zu hindern?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum12. Dez. 2016
ISBN9783946381167
Die Chronik der Dämonenfürsten: Die Engel des Todes

Mehr von Monika Grasl lesen

Ähnlich wie Die Chronik der Dämonenfürsten

Titel in dieser Serie (5)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die Chronik der Dämonenfürsten

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die Chronik der Dämonenfürsten - Monika Grasl

    Vorschau

    Prolog

    Samstag, 15. Januar 2050

    Breslau

    Seine Finger strichen über den Anhänger. Die Phiole war ihm in den letzten Jahrzehnten zu einer treuen Gefährtin geworden.

    Seit zweiunddreißig Jahren waren Dämonenfürsten nun schon auf der Erde, und noch immer waren Dämonenboten damit beschäftigt, die anderen Großfürsten der Hölle aus den Verliesen zu befreien. Doch die verschlossenen Tore waren nur mit dem Lemegeton Clavicula Salomonis zu öffnen. Und dieses befand sich zwei Räume hinter Vincent – gut verborgen im Hohlraum eines Schrankes.

    »Du denkst noch immer an sie«, flüsterte eine bekannte Stimme hinter seinem Rücken.

    Der Engel des Todes gab keine Antwort.

    Bedächtig kam die Gestalt näher und blickte genauso unverwandt aus dem eingeschlagenen Fenster.

    Der tobende Krieg vor seinen Augen zeigte Vincent einmal mehr, dass Evys Opfer sinnlos gewesen war – besonders jetzt, wo Bael, der König der Dämonenfürsten, seine Angriffe verstärkte, um die Stadt einzunehmen und das Buch zu bekommen.

    »Sie hätte genauso gut einfach sterben können. Das Ergebnis wäre das gleiche.«

    Blitze zuckten über den dunklen Himmel, während er das sagte. Zeitgleich drangen Todesschreie an seine Ohren.

    Ein Rascheln war zu hören, ehe der Erzengel meinte: »Du hast recht, ihr Opfer war vergebens. Dämonen kämpfen gegen Engel, und die Menschen gehen dabei zugrunde. Wir alle sind dem Tode näher als dem Leben.« Michael wandte sich ab und ging.

    Vincent musste den Worten des Erzengels zustimmen. Der Kampf – Gut gegen Böse – hatte auch ihm einiges abverlangt. Und wenn er sich das Schlachtfeld ansah, auf das Michael gerade hinaustrat, würde es in den nächsten Jahrhunderten nicht anders werden. Die Menschheit verlor die Hoffnung, verzweifelte und stellte sich immer weniger gegen die Dämonenfürsten.

    Während Vincent weiter aus dem kaputten Fenster sah, schweiften seine Gedanken zurück zu jenem Tag vor zweiunddreißig Jahren, der sein Leben so grundlegend verändert hatte.

    Kapitel 1

    Montag, 15. Januar 2018

    Cambridge

    Evy Munro starrte ausdruckslos auf ihre ineinander verschränkten Finger hinab und versuchte so, dem durchdringenden Blick ihres Gegenübers zu entgehen. In ihrem Kopf ging es drunter und drüber. Vor ihrem geistigen Auge listete sich alles auf, was sie noch zu erledigen hatte. Leider würde für einiges keine Zeit mehr sein.

    »Evy«, drang es leise an ihre Ohren.

    Sie brachte es nicht fertig, den Kopf zu heben. Es würde die Gewissheit für das Unausweichliche bedeuten. Und das konnte einfach nicht sein. Nicht in ihrem Alter! Sie war doch erst zwanzig.

    Bis eben war sie der Illusion erlegen, eines Tages friedlich einzuschlafen, jetzt würde alles ganz anders aussehen.

    So viel hatte sie erreichen wollen! Nun liefen ihr die Stunden und Minuten einfach davon.

    »Warum ich?«, fragte sie in den Raum hinein. »Ich habe nie geraucht. Ich dachte, ich würde so sterben wie meine Großmutter – mit achtzig und einem seligen Grinsen, einem Mann, Kindern und vielleicht einem Hund. Nicht mit zwanzig an einem scheiß Lungenkrebs, für den ich nichts kann!«

    Schweigen schlug ihr entgegen, ehe Doktor Patrick MacThomas sich räusperte. »Es gibt viele Ursachen oder Faktoren, die das Ausbrechen der Krankheit begünstigen. Es ist nicht immer das Rauchen schuld.«

    »Großartig, dann kann ich ja jetzt damit anfangen«, gab sie patzig zurück.

    »Evy …«

    »Nein! Ich will’s gar nicht wissen. Was meinen Sie, wie lange habe ich noch?« Endlich hob sie den Blick und musterte ihr Gegenüber. Soweit sie wusste, war MacThomas fünfundvierzig Jahre alt. Sie kannte ihn über ihre Großmutter. Für sein Alter sah er gar nicht schlecht aus. Er war stolze eins neunzig groß, und das blonde Haar war nur von wenigen grauen Strähnen durchzogen. Einzig der Vollbart störte. Er ließ ihn alt erscheinen. Aber das machten die blauen Augen und die gebräunte Haut wieder wett.

    MacThomas sah sie nicht an, als er erwiderte: »Ein halbes Jahr?«

    Evy musste sich beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen. Ein halbes Jahr war nichts! Dabei hatte sie so viele Pläne, Wünsche und Träume. Alles war nun zerstört.

    »Evy, wir können es vielleicht hinauszögern mit …«

    »… der Chemotherapie? Nein! Ich werde nicht dabei zusehen, wie mir die Haare ausfallen, und mir die Seele aus dem Leib kotzen. Darauf kann ich verzichten.«

    »Was willst du dann machen?«

    »Nichts! Ich habe ohnehin niemand mehr. Meine Großmutter ist vor zwei Jahren gestorben. Also, was soll ich machen? Mich hinsetzen und mein Testament schreiben vielleicht? Für wen denn?«

    »Verleugnungsphase«, murmelte MacThomas.

    »Kommen Sie mir nicht mit dem Scheiß.« Für Evy war das Gespräch beendet. Sie nahm die Unterlagen ihrer Untersuchung an sich und stand auf. Dabei fiel ihr eine der kupferroten Haarsträhnen ins Gesicht. Energisch strich sie die an ihren Platz zurück.

    Wie alles am heutigen Tag wollte auch das nicht klappen. Die Strähne suchte sich einen Weg zurück in ihr Gesicht.

    Evy war immer stolz auf ihre langen Haare gewesen. Die Vorstellung, sie zu verlieren, trieb ihr fast die Tränen in die Augen, aber sie beherrschte sich und biss sich auf die Lippen. Es durfte einfach nicht sein!

    Doktor MacThomas stand ebenfalls auf. Deutlich überragte er sie mit ihren eins sechzig.

    »Wenigstens habe ich jetzt Gelegenheit einzukaufen. Die Leute sollen während des Krankheitsverlaufs ja abnehmen. Dann kann ich bald meinen Kleiderschrank neu einräumen«, scherzte sie.

    Der Arzt reagierte nicht darauf. Evy war es nur recht. Sie brauchte jetzt kein Mitgefühl. Sie wollte aufwachen und feststellen, dass das alles ein Albtraum war.

    Tief atmete sie durch, ehe sie die Unterlagen in die Tasche stopfte und zur Tür schritt. Ihre Hand lag bereits auf der Klinke, als sie sich noch einmal zu MacThomas umdrehte.

    »Es besteht wirklich kein Irrtum?«, fragte sie nach. Ein letzter Funke Hoffnung! Irgendetwas, an das sie sich klammern konnte!

    Der Arzt gab es ihr nicht. »Nein. Und das tut mir sehr leid.«

    Evy nickte nachdenklich, während sie den Raum verließ. Sie durchquerte die Praxis mit großen Schritten und stieg in den Aufzug. Ihre braunen Augen hingen auf der Anzeige, die fröhlich von einem Stockwerk zum nächsten sprang. Die Zahlen verschwommen gelegentlich, aber sie würde jetzt nicht weinen. Das war unter ihrer Würde.

    Sie ließ das Gebäude hinter sich und stieg in den blauen Kleinwagen, fuhr jedoch nicht direkt in ihre Wohnung. Sie konnte jetzt keinesfalls alleine sein. Evy beschloss deshalb, einen Zwischenstopp an der Universität von Harvard einzulegen. Früh genug würde sie sich mit der Situation auseinandersetzen müssen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt konnte und wollte sie es aber nicht.

    Die Tatsache, dass sie ihr Studium irgendwann nicht mehr weiterführen könnte, schlug ihr während der Fahrt auf den Magen. Sie musste sich ablenken. Was bliebe ihr denn sonst? Selbstbemitleidung? Das stand für sie nicht zur Diskussion. Alles war besser, als zu Hause zu sitzen und zu weinen. Unter keinen Umständen würde sie es so weit kommen lassen. Nicht solange sie die Kraft erübrigen konnte, weiterzumachen. Weniger konnte sie sich nicht zugestehen, zumal sie sich nach dem Tod ihrer Großmutter geschworen hatte, niemals aufzugeben.

    Die lange Fahrtzeit war ihr durchaus genehm. Dabei konnte sie nachdenken, wie es mit ihren Forschungsergebnissen weitergehen sollte. Am klügsten wäre es, selbige einem Professor anzuvertrauen, aber dafür brauchte sie mehr Zeit. Ihre Formeln waren noch nicht perfekt.

    Als sie den Campus erreichte, machte sie sich auf den Weg zu den Räumlichkeiten im Untergeschoss. Dort vollführten die Biochemiker ihre Experimente – abgeschottet von der Welt und manchmal auch von den Menschen, weil jeder an seinem eigenen Projekt arbeitete. Hier traf sie auf Naomi McLeary.

    »Hey, Kleine, da bist du ja endlich! Ich habe mich schon gefragt, ob du überhaupt … Was ist los?«

    Evy rollte innerlich mit den Augen. Dass Naomi sie so nannte, lag nur daran, weil die Frau gute eins achtzig groß war. Sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie erwiderte: »Nichts.«

    »Kleine, du kannst mir alles erzählen. Also, mach schon! Hast du dich endlich von Adam getrennt?«

    Adam war eines der leidigen Themen, über die sich Naomi nur zu gerne ausließ. Er war ein Kommilitone aus ihrem Jahrgang, der sich einbildete, sie wären zusammen. Das einzig andere, über das Naomi noch lieber sprach, war Vincent. Aber an den wollte sie jetzt erst recht nicht denken. »Du weißt, dass ich mit Adam nicht zusammen bin«, hielt sie dagegen.

    Naomi lehnte sich gegen den Tisch und murmelte: »Blöd nur, dass er das nicht weiß.«

    Evy ließ sich nicht zu einer Antwort herab. Sie legte die Tasche auf den Schreibtisch und hängte den Mantel auf. Sie hatte beschlossen, einfach weiterhin zu studieren. Was sollte sie sonst auch tun? So weit, sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen, war sie noch nicht. Ob sie es überhaupt irgendwann wäre?

    Und was war mit Naomi? Wie sollte sie ihrer Freundin erklären, dass sie bald sterben würde?

    »Also, was ist los? Ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass irgendwas nicht stimmt. Warst du endlich bei MacThomas?«

    Evy jagte es einen kalten Schauder über den Rücken. Ihre Freundin behauptete zwar stets, keine Hellseherin zu sein, aber gelegentlich war es eigenartig – besonders, wenn man sich vor Augen führte, dass Naomis Familie von den Cherokees abstammte.

    »Ja«, erwiderte sie schließlich, wich den grünen Augen aber bewusst aus, als Naomi sie mit verschränkten Armen musterte. Evy kam nicht umhin, die violetten Haare zu betrachten. Zweimal im Jahr färbte sich ihre Freundin diese in auffallenden Tönen, um ihren Typ hervorzuheben, wie sie nicht müde wurde, zu erklären. Als ob das notwendig wäre! Naomi fiel auch so überall auf durch ihre bunte Kleidung und den unzähligen Schmuck.

    »Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Was hat dein gut aussehender Arzt gesagt?«

    Auch so eine Eigenheit von Naomi! Sie fand ältere Männer anziehend. Und auf Doktor Patrick MacThomas hatte sie bereits seit dem Tod von Evys Großmutter ein Auge geworfen. Sie hatte ihn auf der Beerdigung kennengelernt, über einen einfachen Plausch waren die beiden jedoch nicht hinausgekommen.

    »Er ist alt genug, um dein Vater zu sein, Naomi«, wies Evy sie zurecht.

    Ihre Freundin zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. »Mag sein, aber das heißt ja nicht, dass man nicht hinsehen darf. Und wechsle nicht das Thema, Kleine.«

    Evy seufzte und machte sich daran, einige Formeln an die Tafel zu schreiben. Abwesend griff sie nach dem dafür benötigten Buch. Dabei fiel ihre Tasche zu Boden.

    Erschrocken sog sie die Luft ein und hielt den Atem an, als Naomi sagte: »Ich mach schon. Übrigens, wenn du mir nicht erzählst, was der gute Doc gesagt hat, muss ich mich mit ihm treffen. Und das … Was ist das?«

    Während Evy sich umdrehte, schossen ihr Hunderte von Gedanken durch den Kopf, aber kein Wort wollte über ihre Lippen kommen.

    Naomi hielt die Broschüren über Lungenkrebs und dessen Behandlung in der Hand, die Patrick ihr gegeben hatte.

    »Evy, was …? Oh Gott! Nein, das ist nicht wahr, oder?«

    Evy wandte sich wieder der Tafel zu und schrieb einfach weiter. Sie musste sich beschäftigen, irgendwas anderes machen. So hätte Naomi das nie erfahren sollen.

    »Verdammt, Evy, sieh mich an!«

    »Wozu? Soweit ich weiß, bist du in der Lage, zu lesen.«

    »Was hat Patrick gesagt?«

    Evy antwortete nicht.

    »Rede mit mir! Wann hättest du mir das sagen wollen?«

    Evy legte Kreide und Buch beiseite. »Gar nicht«, erwiderte sie schließlich, ohne sich umzudrehen.

    »Was? Wolltest du etwa weiterhin studieren und eines Tages einfach nicht mehr herkommen? Das geht doch gar nicht wegen der Therapie.«

    »Ich habe Patrick bereits gesagt, dass ich keine mache. Es ist sowieso schon zu spät dafür. Eine Chemo würde alles nur unnötig hinauszögern.«

    Sie hörte es hinter sich rascheln. Naomi schien damit beschäftigt zu sein, die Papiere zu lesen. Evy ließ ihr die Zeit, bevor sie sich umdrehte.

    Ihr Herz setzte für eine Sekunde aus, als sie Naomi betrachtete. Tränen standen ihrer Freundin in den Augen. Sie hielt den Blick direkt auf Evy gerichtet.

    Was sie jetzt wohl dachte? Hasste Naomi sie für ihre Entscheidung?

    »Du kannst aber nicht einfach aufgeben«, flüsterte Naomi traurig.

    »Ich werde es nicht künstlich hinauszögern. Ich werde bis zum letzten Tag studieren und …« Evy brach ab und senkte den Blick. Sie wusste selbst, dass sie sich etwas vorlog. »Es ist einfach …« Ihre Hände zitterten, als sie sich auf den Stuhl setzte. »Ich wollte doch Biochemie studieren. Erinnerst du dich, wie wir zu Beginn der Studienzeit genau hier standen und darüber redeten? Ich hatte vor, ein Mittel gegen Alzheimer zu finden. Meine Großmutter hat häufig davon gesprochen, dass ihr Vater daran erkrankte, und sie hatte immer die Angst, dass es sie ebenfalls treffen könnte. Es kam ja nicht dazu, aber trotzdem … Was glaubst du, wie vielen Menschen ich damit hätte helfen können, Naomi? Ich dachte immer, wenn ich mal sterbe, dann selig mit achtzig oder meinetwegen wie Marie Curie durch ’ne beschissene Strahlenvergiftung, aber doch nicht jetzt schon und nicht so.«

    Naomi ging vor ihr in die Hocke und legte die Hände auf ihre. Evy konnte der Freundin, die ihr von allen Bekanntschaften seit dem ersten Schultag geblieben war, trotzdem nicht mehr in die Augen sehen. Es erschien ihr nicht gerecht.

    »Lass uns gehen«, meinte Naomi unvermittelt.

    »Ich kann nicht. Ich muss noch …«

    Energisch stand Naomi auf. »Du musst gar nichts, außer was essen. Also, lass uns zu East Side Bar & Grill fahren.«

    Das zauberte Evy tatsächlich ein Lächeln auf die Lippen. Sie liebte italienisches Essen, und dort bekam man, ihrer Ansicht nach, mit Abstand das beste.

    »Ist gut«, gab sie schließlich nach und packte ihre Unterlagen zusammen. Dabei betrachtete sie den Raum mit einer leichten Wehmut. Irgendwann würde sie ihn nicht mehr betreten können. Dann, wenn es dem Ende zuging. Damit wollte sie sich jetzt jedoch nicht weiter beschäftigen.

    Montag, 15. Januar 2018

    Moskau

    Azrael fragte sich nicht zum ersten Mal, warum er sich gerade den Ort als neue Heimat ausgesucht hatte, während er nach dem Telefon griff. Eiszapfen hingen von der Decke seiner Wohnung, und durch das kaputte Fenster zog es kalt herein. Eine Unannehmlichkeit, die er mit einem Karton hätte beseitigen können. Aber dieser würde nur Aufmerksamkeit erregen. Immerhin wohnte in dem alten Haus offiziell niemand. Wenigstens konnte er sich mit dem Gedanken trösten, dass er keine Lichtquelle in der vorherrschenden Dunkelheit benötigte. In der Hinsicht war seine Gabe, wie eine Katze im Finstern sehen zu können, eine ungemeine Hilfe.

    Gedankenverloren wählte er eine Nummer und wartete, dass jemand abhob. Seine Augen huschten indessen durch den spärlich möblierten Raum. Sie blieben kurz an der Uhr hängen. In Cambridge war es jetzt dreizehn Uhr – kein Grund also, nicht ans Telefon zu gehen.

    Endlich knackte es in der Leitung, und eine verschlafene Stimme nuschelte: »Was?«

    »Ich habe dich doch wohl nicht geweckt, Vincent?«

    »Wozu die Frage, wenn du die Antwort sowieso kennst, Azrael?«, kam es ungehalten aus der Leitung.

    »Es gibt Arbeit für dich.«

    Man hörte ein Rascheln, ehe die Stimme nun deutlich munterer erwiderte: »Hast du sonst keinen, dem du auf die Nerven gehen kannst?«

    »Wenn’s so wäre, würde ich es tun.«

    Als Vincent nichts sagte, fragte er: »Bist du noch dran?«

    »Würdest du merken, wenn ich auflege?«

    »Sehr witzig, Vincent. Das hier ist wichtig, also konzentriere dich.«

    »Sag einfach, was ich machen soll.«

    Azrael betrachtete noch einmal die Seite des Buches vor sich, bevor er flüsterte: »Evy Munro, sie …«

    »… ist meine Nachbarin«, fiel Vincent ihm ins Wort. »Was ist mit …« Er stockte plötzlich. »Das ist nicht dein Ernst, oder? Jetzt schon?«

    »Es scheint so. Sie will sich mit der Wahrheit aber nicht auseinandersetzen.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1